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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

So nah und doch so fern

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag
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Die Senior-Klasse des Irving-Colleges richtet jedes Jahr ein spektakuläres Abschlussfest aus und reicht danach symbolisch den Staffelstab an die nächste Generation weiter. Und so verbinden sich die beiden ...

Die Senior-Klasse des Irving-Colleges richtet jedes Jahr ein spektakuläres Abschlussfest aus und reicht danach symbolisch den Staffelstab an die nächste Generation weiter. Und so verbinden sich die beiden Geschichten des ehemaligen Absolventen Tim mit denen des diesjährigen Spielleiters Duncan. Tim hat Duncan damals ausgewählt und hinterlässt ihm jetzt als geistiges Andenken eine CD Sammlung, die die Tragödie des letzten Winters in ihrer ganzen Vielfalt schildert. Denn Tim erzählt darauf seine ganz persönliche, traurige Collegegeschichte, die mit einem Mädchen begann und einem dramatischen Unfall endete.

Das Jugendbuchdebüt der Autorin besticht durch eine sehr alltägliche und doch besondere Situation: ein Junge, der sich in ein Mädchen verliebt, die bereits vergeben ist und sich nicht von ihrem Freund trennen wird, auch wenn sie für den anderen durchaus Sympathien hegt. Die Vielschichtigkeit dieser Erzählung liegt jedoch in ihren Begleitumständen, denn der Junge der sich hier unglücklich verliebt, ist ein Albino und hat bisher noch niemals erlebt, wie es sich anfühlt, wenn eine andere Person sich tatsächlich für ihn interessiert. Die Charaktere sind ausgesprochen vielseitig beschrieben, so dass der Leser schon bald die persönlichen Stärken und Schwächen der handelnden Personen erkennt und mit den Protagonisten mitfiebern kann.

Auch die Wortwahl und der Lesefluss konnten mich absolut überzeugen, denn die Geschichte ist spannend, dramatisch, traurig und schön zugleich. Sie schildert große Themen der Entwicklung junger Menschen: die erste Liebe, fehlendes Selbstbewusstsein, Komplexe gegenüber anderen, Hoffnung und Euphorie aber auch endgültige Entscheidungen und das bittere Bewusstsein, dass man nicht jede Fehlentscheidung ohne Konsequenzen rückgängig machen kann. Aber auch was es heißt, für seine Gefühle und Bedenken einzustehen.

Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne (aufgerundet 5) für einen realitätsnahen, berührenden Jugendroman der die traurige Geschichte eines Außenseiters erzählt, eines jungen Menschen der trotz großer Bemühungen seine Unzulänglichkeit nicht überwinden kann. Dennoch kann er etwas bewegen, indem er einem fast Fremden seine Fehler eingesteht und ihm anrät, nicht dieselben zu begehen. Prädikat: Absolut empfehlenswert, nicht nur für Jugendliche.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mysteriöse Unterwelt von Buchhaim

Die Stadt der Träumenden Bücher
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Der angehende Dichter Hildegunst von Mythenmetz verlässt seine Heimat die Lindwurmfeste, um in der berühmten Stadt Buchhaim nach einem Schriftsteller zu suchen, der gar wunderbare Lyrik zu Papier gebracht ...

Der angehende Dichter Hildegunst von Mythenmetz verlässt seine Heimat die Lindwurmfeste, um in der berühmten Stadt Buchhaim nach einem Schriftsteller zu suchen, der gar wunderbare Lyrik zu Papier gebracht hat. Doch in der Stadt der träumenden Bücher wimmelt es nur so von zwielichtigen Gestalten und unseriösen Angeboten, so dass Hildegunst nur auf ein kleines Wunder hoffen kann. Leider begegnet er den falschen Personen, die ihm nichts Gutes wollen und insgeheim einen Plan schmieden, wie sie den aufdringlichen Dinosaurier am schnellsten und effektivsten loswerden können. Als er in das unheimliche Antiquariat von Phistomephel Smeik kommt, scheint er dem gesuchten Dichter endlich näher zu kommen, doch der alte Smeik schickt Hildegunst gegen seinen Willen in die Katakomben der Stadt. Nun muss er sich gegen allerlei böswillige Geschöpfe durchsetzen und versuchen zu überleben – doch der Herrscher dieser Unterwelt ist der angsteinflößende Schattenkönig und er ist dem Eindringling dicht auf der Spur …

Dieser Fantasyroman entführt den Leser nach Buchhaim, der sagenumwobenen Bücherstadt. Er schildert ausführlich und sehr anschaulich die Begebenheiten und Zusammenhänge dieser mysteriösen Bücherwelt und entwirft damit ein schaurig-schönes Geschehen inmitten einer riesengroßen, verzweigten Bibliotheksstadt. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen dabei die verrückten Erlebnisse des sympathischen, leicht naiven Lindwurms Hildegunst, der gemeinsam mit dem Leser allerlei Abenteuer in und vor allem unter der Stadt erlebt, tief in den Katakomben einer längst vergessenen Welt.

Fazit: Ich vergebe 3,5 Sterne (aufgerundet 4) für eine abenteuerlustige, fantastische Geschichte die ein kleines Universum rund um unsere geliebten Bücher entwirft und den motivierten Leser an die Hand nimmt und mit ihm auf Entdeckungstour geht. „Die Stadt der träumenden Bücher“ ist ein Buch für ältere Kinder, enthält viele märchenhafte Elemente aber auch das ein oder andere Gruselgeschehen. Punktabzug für die vielen sinnlosen Wortschöpfungen und andauernden Wiederholungen, denn dadurch entstehen unnötige Längen, die den Lesefluss bremsen. Außerdem empfehle ich dieses Buch entweder in der Taschenbuchausgabe oder als ebook zu lesen, meine vorliegende Hardcoverausgabe ist einfach nur sehr, sehr schwer und unhandlich.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zwischen Selbstbestimmung und Verantwortung

Die Frauen von La Principal
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Erzählt wird hier die Lebensgeschichte dreier Frauen, die nicht nur den gleichen Vornamen tragen, sondern Großmutter – Mutter und Tochter sind und denen in erster Linie die Leitung eines angesehenen Weingutes ...

Erzählt wird hier die Lebensgeschichte dreier Frauen, die nicht nur den gleichen Vornamen tragen, sondern Großmutter – Mutter und Tochter sind und denen in erster Linie die Leitung eines angesehenen Weingutes obliegt. Während Maria (genannt „die Alte“) ihren Platz an erster Stelle hart erkämpfen muss, weil sie als einzige Tochter ihrer Eltern in einer Zeit groß wird, in der die Männer das Sagen und die Macht haben und nur unter Protest davon abrücken, plagt sich ihre Tochter Maria (genannt „Senyora“) mit einem mittlerweile unrentablen Unternehmen herum und mit einem ominösen Tötungsdelikt direkt vor ihrer Haustür. Und schließlich muss die junge Maria (die Enkeltochter der ersten), die mittlerweile auch schon das 60igste Lebensjahr erreicht hat, erkennen das ihr Vater ein mörderisches Geheimnis in seinem Herzen trägt, dessen Erkundung sie weit in die Vergangenheit ihrer gut betuchten Familie führt.

Ein grandioser Roman, der sich nicht nur einer wunderschönen, poetischen Sprache bedient, sondern ein wahres Feuerwerk der Erzählkunst ist. Lluís Llach kombiniert hier sehr verschiedene Themen zu einem intensiven, dichten Roman, der mühelos Zeitsprünge macht und Erzählperspektiven wechselt, ohne verwirrend zu sein. Manchmal ist es ein Familienroman, dann wieder ein schonungsloser, zeitkritischer Gesellschaftsroman, manchmal geht es um die Liebe, manchmal um den Mut von notwendigen Veränderungen, manchmal handelt es sich um einen Kriminalroman und manchmal um eine detaillierte Heimatstudie. Selten gelingt ein derart vielschichtiger Plot so perfekt, dass sich jeder Handlungsstrang klärt, dass es immer spannend bleibt und das man als Leser die Unterschiede und Gemeinsamkeiten dreier Generationen so glaubwürdig vermittelt bekommt.

Fazit: Ich vergebe volle Punktzahl für diesen abwechslungsreichen Roman, der eine besondere Stimmung erzeugt und sich mit dem wechselnden Frauenbild über Jahrzehnte beschäftigt. Der Emanzipation und Abhängigkeit ebenso miteinander vereint wie Optimismus und innere Zwänge. Eine Prosa die einen Kreis schließt, in dessen Zentrum innere Stärke, Selbstvertrauen und Zuversicht stehen und drei ganz besonders eigenwillige Frauen. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Tücken einer gescheiterten Beziehung

Es muss wohl an dir liegen
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Bisher war Delia Moss in erster Linie die Freundin von Paul, von ihrem strahlenden, lustigen, zuverlässigen und zuvorkommenden Freund, der ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat. Aber nach 10 Jahren ...

Bisher war Delia Moss in erster Linie die Freundin von Paul, von ihrem strahlenden, lustigen, zuverlässigen und zuvorkommenden Freund, der ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat. Aber nach 10 Jahren glücklicher Beziehung scheint Paul eine Abwechslung zu brauchen und geht mit einer viel jüngeren Frau ins Bett, um sein angeknackstes Selbstwertgefühl aufzupolieren. Und damit beginnt für Delia ein neuer Lebensabschnitt voller Ungewissheiten und Zweifel aber auch voller Hoffnung und ungeahnter Möglichkeiten.

Dieser locker, leichte Frauenroman richtet sich an alle, denen das Leben einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und die nun verzweifelt danach suchen, einen neuen, richtungsweisenden Weg einzuschlagen, der sie wieder in Einklang mit den eigenen Grundsätzen bringt.

Die Autorin greift hier ein ziemlich weit verbreitetes Thema auf und beschäftigt sich mit der Orientierungslosigkeit und dem Zweifel nach einer unfreiwillig, schmerzhaften Trennung vom Partner. Der Schreibstil ist locker, leicht gehalten und die Charaktere wirken manchmal etwas überspitzt in ihren Handlungen und Reaktionen. Eine Welt, die wenig Tiefe, wenig Wehmut und kaum hintergründige Gedanken kennt. Aber gerade diese intensive Auseinandersetzung habe ich etwas vermisst.

Fazit: Ich vergebe 3,5 Sterne (aufgerundet 4) für einen humorvollen Frauenroman, der an die Kraft der Weiterentwicklung nach einem persönlichen Tiefschlag appelliert und für unterhaltsame Lesestunden sorgt aber leider keinen großen Nachklang erzeugt. Vielleicht liegt das auch am Genre generell, welches nicht direkt in mein Beuteschema fällt. Ich spreche eine Leseempfehlung aus, für alle die einen abwechslungsreichen Unterhaltungsroman suchen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Leben ist kein Nullsummenspiel

Vom Ende der Einsamkeit
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Jules Moreau ist der jüngste von drei Geschwistern, deren Leben nach dem Unfalltod der Eltern einen komplett anderen Verlauf nimmt, als sich jeder Einzelne von ihnen erhofft hat. Ihre restliche Jugend ...

Jules Moreau ist der jüngste von drei Geschwistern, deren Leben nach dem Unfalltod der Eltern einen komplett anderen Verlauf nimmt, als sich jeder Einzelne von ihnen erhofft hat. Ihre restliche Jugend verbringen die Halbwüchsigen in einem Internat, abgeschnitten von engen persönlichen Verbindungen und einem harmonischen Familienleben gehen ihre Lebenswege bald auseinander. Doch trotz immer größerer Differenzen verlieren sie sich nie ganz aus den Augen und finden im Erwachsenenalter wieder zusammen. Und dann gibt es da noch Alva, Jules Jugendliebe, die für ihn lange Zeit vollkommen unerreichbar schien, die einen anderen geheiratet hat und erst nach dessen Tod in die Arme ihres Freundes findet. Doch kaum hat Jules sein Glück gefunden, schlägt das Schicksal ein weiteres Mal unerbittlich zu und der junge Mann muss lernen, dass sein Leben kein Nullsummenspiel ist, das es keine ausgleichende Gerechtigkeit gibt und dass man Geliebtes über kurz oder lang wieder loslassen muss.
Dieser intensive, melancholische Roman hat bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen, weil es ihm mit spielerischer Leichtigkeit gelingt, die großen, wichtigen Dinge des Lebens zu benennen, sie voller Ernsthaftigkeit wahrzunehmen und den Blick für die Realität und das große Ganze zu schärfen. Jede Handlung dieser Geschichte, könnte ganz genauso irgendwo in unserem direkten Umfeld stattfinden und ist dennoch ausgesprochen besonders und einzigartig. Die Erzählung selbst beschreibt den Lebensweg eines Mannes, der von Beginn an kein leichtes aber doch immer ein sinnerfülltes Leben hat. Er muss zahlreiche Rückschläge verkraften und seine Erwartungen werden oft enttäuscht. Aber auch ethische Werte wie Familiensinn, Verantwortung, Liebesfähigkeit und Vertrauen geben der Erzählung einen hoffnungsfrohen Unterton, der sich bis zum Ende durchsetzt, so dass man tatsächlich glauben mag, dass Dinge im Leben kommen und gehen und sich stetig wiederholen unabhängig von der Verhaltensweise und den Entscheidungen des Individuums.
Fazit: Ich vergebe 5 Sterne für ein bewegendes literarisches Werk in zeitgenössischer Sprache, welches mich mit Menschenkenntnis und Urvertrauen überzeugen konnte und viele wichtige Lebensthemen anspricht. Ein Roman über den Fluss des Lebens, der eindringlich das Kommen und Gehen guter und schlechter Zeiten beschreibt und mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Für mich definitiv ein Lesehighlight im Jahr 2016.