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Veröffentlicht am 15.09.2016

Vom Abschied in jungen Jahren

Auf Zehenspitzen berühre ich den Himmel
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Mit 32 Jahren verändert sich das glückliche Familienleben von Poppy Cricket von einem Moment auf den anderen in ein einziges Drama. Ein Knoten in der Brust entpuppt sich als bösartiger Tumor, der bereits ...

Mit 32 Jahren verändert sich das glückliche Familienleben von Poppy Cricket von einem Moment auf den anderen in ein einziges Drama. Ein Knoten in der Brust entpuppt sich als bösartiger Tumor, der bereits die Knochen angegriffen hat und im vorliegenden Stadium unheilbar ist. Plötzlich verliert alles in Poppys Leben an Bedeutung: die Unbeschwertheit kommt abhanden und sie versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln eine Zukunft für ihren Mann und die geliebten Kinder zu schaffen. Langsam schleicht sie sich aus dem Leben, weil die körperlichen Beeinträchtigungen immer stärker werden, doch noch hat sie Träume, die es zu verwirklichen gilt, Hoffnungen und Pläne, die sie in die Tat umsetzen möchte. So wird es ein langer Abschied mit vielen Tränen aber mindestens genau so vielen wunderschönen, lebenswerten Momenten.

Dieser Roman beschäftigt sich mit der schweren Thematik des Sterbens, insbesondere wenn man noch jung ist, Verantwortung trägt und ganz andere Gedanken hegt, als die an ein baldiges Lebensende. Generell beschreibt die englische Autorin Amanda Prowse hier nicht nur die Geschichte einer Krankheit und den bitteren Leidensweg, der damit in Verbindung steht sondern in erster Linie eine anrührende, von Liebe geprägte Erzählung, die eine ganz normale Familie durch dieses Szenario begleitet. Traurige Momente stehen neben lebensbejahenden Handlungen, Tränen und Freude gehen Hand in Hand und dadurch entsteht ein authentischer, bewegender Roman, der die Normalität und ihr Abhandenkommen wunderbar einfängt und direkt ins Herz des Lesers trifft. Eine Geschichte wie sie uns jeden Tag und überall auf der Welt begegnen könnte, voller zerplatzter Seifenblasen und bunter Traumschlösser – ein Abschied in Würde und gleichermaßen ein Verlust der beweist, dass das Leben weitergeht, auch wenn ein geliebter Mensch fehlt.

Dieses Buch und die Autorin durfte ich in einer Leserunde kennenlernen. Schreibstil und Handlung des Romans sind einprägsam und zeitgemäß und die Geschichte geht zu Herzen. Ein paar kleine Schönheitsfehler möchte ich dennoch nennen. Manchmal hat mir das bedrückende Gefühl gefehlt, welches sich einstellt, wenn man weiß, dass die Hauptprotagonistin sterben wird. Und auch der Umgang mit dem Tod, dem Sterben und seiner elementaren Bedeutung innerhalb der Familie hat mich etwas enttäuscht, denn die Kinder wurden meist außen vor gelassen und nicht wirklich darauf vorbereitet, wie es ohne Mutter sein wird.

Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne für eine bewegende, realistische Erzählung, der es spielend gelingt Tränen der Freude und des Leids zu vereinen und die Hoffnung am Lebensende in den Vordergrund stellt. Ich spreche eine Leseempfehlung für all jene aus, die Gefallen an emotionalen Romanen finden und sich für die Thematik Trauer, Verlust und Sterben interessieren.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Reich und Schön in Schweden

Die Erbin
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Die junge Natalia de la Grip ist nicht nur Teil einer großen schwedischen Familiendynastie sondern darüber hinaus eine überaus erfolgreiche Juristin. Als sie vom berühmt-berüchtigten David Hammar zum Essen ...

Die junge Natalia de la Grip ist nicht nur Teil einer großen schwedischen Familiendynastie sondern darüber hinaus eine überaus erfolgreiche Juristin. Als sie vom berühmt-berüchtigten David Hammar zum Essen eingeladen wird, nimmt sie an ohne den Grund für sein plötzliches Interesse zu kennen. Und bereits nach wenigen Treffen ist sie ihm vollkommen verfallen. Doch die kurze, heiße Affäre die beide beginnen, scheint eine Farce zu sein, denn David verfolgt einen ehrgeizigen Racheplan, dessen Ziel die Zerstörung von Natalias Familienunternehmen ist. Nur die Gefühle der beiden zueinander gehen weit über eine nette Unverbindlichkeit hinaus, so dass ihre beruflichen Pläne im krassen Gegensatz dazu stehen. Wie wird sich David wohl entscheiden – Geld oder Liebe?

Simona Ahrnstedt entwirft hier auf 600 Seiten einen zeitgenössischen Liebesroman, der den Leser in die schöne, reiche, prestigeträchtige Finanzwelt der schwedischen Metropole Stockholm entführt. Eine Welt voller Glamour, Geld, teuren Statussymbolen und leider auch oberflächlichen Verhaltensweisen. Die High-Society verfolgt eigene, oft korrupte Ziele, deren Selbstzweck darin besteht, noch mehr Macht und Ansehen anzuhäufen unabhängig von moralischen Grundsätzen.

Während das Buch einen durchaus interessanten Handlungshintergrund in der Finanzwelt schafft, bleibt die eigentliche Liebesgeschichte zwischen Natalia und David auf der Strecke. Einerseits bekommt man Kapitel voller detaillierter Sexszenen präsentiert, andererseits zwei zwiespältige Hauptprotagonisten, die vollkommen differenzierte Wünsche und Erwartungen hegen. Vieles wirkt auf mich konstruiert, emotionslos und manchmal auch überzogen. Außerdem verliert sich die Geschichte in Banalitäten und ausschweifenden Nebenhandlungen, teils auch in absoluten Unwahrscheinlichkeiten. All das konnte mich nicht wirklich überzeugen, so dass ich hier nur eine mittelprächtige Bewertung abgeben kann.

Fazit: Ich vergebe drei Sterne für einen abwechslungsreichen Unterhaltungsroman, der wahrheitsgetreue Gesellschaftskritik übt aber mit einer recht flachen Liebesgeschichte aufwartet. Prinzipiell fällt er nicht in mein Beuteschema und konnte mich dementsprechend auch nicht restlos begeistern.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Sklaverei mitten in Deutschland

Götter
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Mitten in Deutschland gibt es vier Reservate, die ganz unscheinbar als militärisches Sperrgebiet ausgewiesen sind, so dass an ihren Rändern die Übungstruppen der Bundeswehr ihren Dienst verrichten, ansonsten ...

Mitten in Deutschland gibt es vier Reservate, die ganz unscheinbar als militärisches Sperrgebiet ausgewiesen sind, so dass an ihren Rändern die Übungstruppen der Bundeswehr ihren Dienst verrichten, ansonsten aber niemand das Gebiet betritt.

Dort verbirgt sich das Herrschaftsgebiet einer ominösen Sekte, die bereits seit Jahrzehnten Menschen zur modernen Sklaverei verdammt. Mit ihren Helikoptern kommen sie als "Götter" getarnt zu ihren Vasallen und versorgen sie mit den nötigsten Gütern, um im Gegenzug die handwerklichen Erzeugnisse der Reservatsbewohner abzuholen, um diese gewinnbringend zu verkaufen. Doch es kommt noch schlimmer. Männer und Frauen werden getrennt gehalten und sexuell ausgebeutet. Die Frauen werden unter dem Deckmantel der "Göttlichkeit" zu Gebärmaschinen verdammt. Sie erhalten eine Betäubung und werden vergewaltigt - die Kinder verbleiben im jeweils geschlechtsspezifischen Arreal.

Eines Tages gelingt es zwei Reservatsbewohnern unabhängig voneinander ihre Gruppe zu verlassen und sich ein Leben in der Wildnis aufzubauen. Als sie sich durch Zufall kennenlernen, entlarven sie nach und nach die Lügen ihres bisherigen Lebens und schwören ihren Peinigern Rache ...

Dieser Roman wartet mit einer ungeahnt interessanten Thematik auf, vor allem weil er in der Gegenwart spielt und damit an die Vorstellungskraft der Leser appelliert. Könnte derartiges heute noch geschehen? Wie gut kennen wir das Land, in dem wir leben? Und decken die Medien nicht jeden Tag ein weiteres dunkles Kapitel auf, von dem wir bisher nicht glaubten, dass so etwas überhaupt existieren könnte? Deshalb regt die Geschichte auch zum Nachdenken an und zeigt gleichzeitig wie schmal der Grat zwischen Unvorstellbarkeit und Realität sein kann.

Die Protagonisten des Buches agieren stellenweise wie Kinder, weil sie sich alles selbst aneignen müssen und jede Entdeckung grenzt für sie an ein Wunder. Ihr Überleben in der Wildnis hängt weitestgehend von ihrer Fähigkeit ab, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben und die momentane Situation bestmöglich zu bewältigen. Reduziert auf ihre Lebensbedürfnisse dauert es mehrere Jahre, bis sie den Schritt in die Unabhängigkeit wagen und sich den "normalen" Menschen zu erkennen geben.

Die Ausarbeitung dieser hochexplosiven Thematik konnte mich dennoch nicht restlos überzeugen, zum einen weil das Leben in der Wildnis und die Eroberung unseres Wissenstandes für jene Unwissenden im Zentrum der Geschichte steht. Zum anderen, weil es keine klare Struktur gibt, die agierenden Personen abrupt wechseln und neue auftauchen, die erst viel später wieder von Bedeutung sind. Der Lesefluss wurde dadurch stellenweise getrübt.
Die Längen im Mittelteil werden dann wieder durch ein spannendes Ende wettgemacht, welches alle Handlungsstränge aufnimmt und folgerichtig zusammenführt. So manche Überraschung findet sich auf den letzten Seiten ...

Fazit: Ich vergebe 3 Lesesterne für diesen genreübergreifenden Roman, mit spektakulären Handlungsansätzen und menschlichen Unglaublichkeiten. Mir hat vor allem die Idee hinter der Geschichte gefallen, während mich die Erzählung zwar unterhalten, aber nicht ganz fesseln konnte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zufälle, Bekanntschaften und andere Katastrophen

Das Leben ist ein listiger Kater
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Mit 67 Jahren fühlt sich Jean-Pierre eigentlich noch nicht übermäßig alt, doch nach einem Unfall, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte, liegt er zur Untätigkeit verbannt in einem städtischen Krankenhaus. ...

Mit 67 Jahren fühlt sich Jean-Pierre eigentlich noch nicht übermäßig alt, doch nach einem Unfall, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte, liegt er zur Untätigkeit verbannt in einem städtischen Krankenhaus. Da er eigentlich ein absoluter Einzelgänger ist und weder Familie noch viele Freunde hat, fällt es ihm unendlich schwer, sich den Gepflogenheiten im Krankenzimmer anzupassen. Denn nicht nur die Tatsache, dass ständig die Tür offen steht und der Zimmernachbar eine schrecklich laute Verwandtschaft hat, sondern vor allem die vielen täglichen Besuche anderer in seinem Refugium nerven ihn wahnsinnig. Als dann noch eine Jugendliche mit immenser Körperfülle bei ihm auftaucht, um sich jeden Tag seinen Laptop auszuborgen, platzt ihm bald der Kragen. Doch nach mehreren Wochen in der Klinik findet schließlich auch Jean-Pierre gefallen an den vielen kleinen Zufallsbekanntschaften des Lebens.

Dieser kleine Roman hat mein Herz im Sturm erobert, weil er die Alltäglichkeit des Lebens unmittelbar einfängt und sie in einen großen Zusammenhang mit ernsthaften, nachdenklichen Themen setzt. Natürlich ist das Altern beschwerlich und zur Einsamkeit verbannt, erscheint es noch viel unerträglicher, doch auf den gut 200 Seiten dieses Buches überwiegt definitiv der Humor.

Beim Lesen erinnert mich sowohl der Hauptprotagonist als auch der Handlungsverlauf sehr stark an den Roman "Ein Mann namens Ove", den ich damals auch schon grandios fand. Irgendwie gefällt es mir, davon zu erfahren, wie ein alter Miesepeter seine selbstgewählte pessimistische Lebenseinstellung zu Gunsten anderer, meist jüngerer Menschen aufgibt und endlich auch das Gute und Schöne wahrnimmt.
Dennoch bedient "Das Leben ist ein listiger Kater" keine Klischees, es fällt auch kein Urteil über diverse Lebensformen und stellt vor allem die Menschlichkeit und Nächstenliebe in den Mittelpunkt des Geschehens.

Fazit: Ich vergebe volle Punktzahl für diesen herzlichen Roman, der die Facetten des Lebens und verschiedene Schicksalsschläge gekonnt vereint, so dass letztlich eine lebensbejahende Kernaussage bleibt, die auch beim Leser die Hoffnung aufkeimen lässt, dass viele Dinge und Entscheidungen einen tieferen Sinn haben, als zunächst vermutet. Dieses Buch ist eine tolle Geschenkidee für Menschen, die sich selbst mit den zunehmenden Alterbeschwerden auseinandersetzen müssen und etwas Aufheiterung gebrauchen können. Toll gemacht!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Was wäre gewesen, wenn ...

Julia
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Christian Dudok hat sein Leben gelebt, hat seinen Teil zur Gesellschaft beigetragen und vollzieht nun die einzig schlüssige Konsequenz, die ihm noch bleibt - Selbstmord. In seinen jungen Jahren war er ...

Christian Dudok hat sein Leben gelebt, hat seinen Teil zur Gesellschaft beigetragen und vollzieht nun die einzig schlüssige Konsequenz, die ihm noch bleibt - Selbstmord. In seinen jungen Jahren war er ein Mann, der Träume hatte, der die Natur und die Freiheit mochte und sich Hals über Kopf in seine Kollegin Julia Bender verliebte. Doch dann kam der Krieg, es kamen verantwortungsvolle Aufgaben als Leiter der elterlichen Firma und eine Vernunftehe, die er aus Bequemlichkeit heraus einging. Und damit war das Schicksal von Christian besiegelt - ein Leben voller verpasster Chancen, ausgeträumter Phantasien und trauriger Wahrheiten. Was bleibt, wenn man den einen, alles verändernden Fehler beging, ohne jemals eine Korrektur vorzunehmen? Was bleibt, wenn das Leben keinen Hoffnungsschimmer lässt?

Dieser Roman ist literarisch gesehen ein kleines Juwel, weil seine Sprache, seine Handlung und die treffsichere Charakterisierung des Hauptprotagonisten absolut gar nichts zu wünschen übriglassen. Eine beeindruckende Wortwahl gepaart mit einer tragischen Handlung lassen hier jeden Satz lange und intensiv nachklingen. Man möchte sich als Leser in dem geschriebenen Wort verlieren, möchte dem Inhalt nachspüren und eigene Gedankengänge zu den getroffenen Entscheidungen entwickeln. Ein Buch wie geschaffen für Diskussionsrunden und Leistungskurse im Unterrichtsfach Deutsch, denn auf 168 Seiten werden so viele Emotionen, fixe Ideen und traurige Momente entworfen, dass es schon fast an körperlichen Schmerz grenzt.

Äußerst gelungen empfinde ich die Abwechslung, die Virtuosität mit der diese Geschichte entworfen wird, denn sie vereint so viele brisante Themen, dass man sich nicht festlegen mag, welches nun das wichtigste ist. Es ist ein episches Werk über die Liebe, über die Schrecken einer historischen Periode, über die Verbitterung, die aus Fehlentscheidungen erwächst und über einen Mann, dem sein Verantwortungsbewusstsein zum Verhängnis wurde.

Fazit: Für mich ist dieses Buch eine Entdeckung, die ich allen historisch interessierten Lesern ans Herz legen möchte und noch viel mehr all jenen, die gerne Romane mit tiefsinnigen Hintergründen und moralischen Sequenzen lesen. Und dennoch lässt mich der Roman einsam, etwas verstört und an der Grenze zur depressiven Verstimmung zurück. Ich habe selten ein derartiges Szenario erlebt, welches keine Hoffnung, kein Glück und auch kein Morgen zulässt. Dieses Buch sollte man nur dann lesen, wenn man selbst das Leben bejaht und einen positiven Background hat, andernfalls zieht es einen unweigerlich in einen Strudel von negativen, traurigen Entwicklungen hinein. Dafür gibt es den Punktabzug - alles andere ist Spitzenklasse.