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Veröffentlicht am 10.02.2021

Mehr als ein verschlissenes Herz

Schwarz und Silber
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Der Trost, sie so stark zu wissen, vermischt sich mit der Angst, nicht wirklich unentbehrlich für sie zu sein und unter den zahllosen Arten, mit denen ich an ihr hänge, an ihr zu hängen wie ein Blutsauger, ...

Der Trost, sie so stark zu wissen, vermischt sich mit der Angst, nicht wirklich unentbehrlich für sie zu sein und unter den zahllosen Arten, mit denen ich an ihr hänge, an ihr zu hängen wie ein Blutsauger, der anderen das Leben aussaugt, eine Art riesiger Parasit.“

Inhalt

Anna ist das Kindermädchen von Emanuele, dem Sohn von Nora und dem Ich-Erzähler und hat in der Kleinstfamilie einen unentbehrlichen Stellenwert eingenommen, eine noch viel bedeutsamere Rolle als die Großeltern oder andere Bezugspersonen.

Doch nun ist sie krank, so krank, dass ihre Lebenszeit bemessen ist und der Krebs wird sie zunächst nur schwächen aber bald schon einen hohen Tribut einfordern und dann kann sie weder für das Ehepaar da sein,noch für den Schulanfänger, den sie liebevoll seit seiner Geburt betreut. Deshalb zieht sie sich zurück, schraubt den Kontakt auf ein Minimum herunter und konzentriert sich auf den Kampf gegen die tödliche Krankheit.

Für das Paar brechen ungeahnte Zeiten an, denn Signora A., die sie als ihre engste Vertraute ansehen, hat das Gleichgewicht in der Paarbeziehung anscheinend erst hergestellt und nun müssen sich Mann und Frau erneut finden, wenn sie nicht so einsam bleiben möchten, wie sie es tatsächlich schon sind.

Meinung

Der in Turin geborene Autor, der mich mit seinem Buch „Die Einsamkeit der Primzahlen“ vor einigen Jahren schon überzeugen konnte, widmet sich in diesem Roman nicht nur dem langsamen Zerbrechen einer zunächst stabilen Paarbeziehung, sondern in erster Linie den Bruchstellen, die andere hinterlassen, wenn sie gehen müssen. Gerade die Beschreibung des Klappentextes, hat mich sehr in ihren Bann gezogen, denn ich habe ein Faible für tiefgründige Themen, die sehr gerne auch den Tod oder das Verlassenwerden betreffen dürfen. Und zu gern hätte ich Antworten auf die versprochenen Fragen (Was hält Menschen zusammen, was trennt sie? Was passiert, wenn plötzlich jemand fehlt, der immer da war?) bekommen, was leider nur unzureichend durch die Lektüre geleistet wird.

Der Ich-Erzähler tritt hier in einer dermaßen einseitigen Erzählperspektive auf, das seine Gedanken den ganzen Roman dominieren. Und vielleicht weil er wie der Autor selbst Physiker ist und seine Stärken mehr auf Logik und klaren Strukturen basieren, bleibt mir alles Gesagte seltsam fremd und erscheint trotz Bedeutsamkeit eher nüchtern und objektiv. Beim Lesen habe ich die tiefere Bedeutung immer nur erahnt, sie dringt viel zu schwer an die Oberfläche und nimmt mich als Leser nicht gefangen. Selbst die Protagonisten untereinander wahren eine gewisse Distanz und sind sich zwar nah, aber weniger auf einer emotionalen Ebene als in ihren ganz alltäglichen Handlungen. Egal ob es sich dabei um Nora seine Frau, Emanuel seinen Sohn oder Anna, ihr Kindermädchen handelt, ich komme einfach nicht an deren Gedankenwelt heran und sie bleiben mir bis zuletzt sehr fremd.

Der Schreibstil selbst ist lobenswert, er transportiert passend zur Thematik eine große Portion Melancholie und schafft schöne Bilder. Auch der Wechsel zwischen den Zeitstrukturen des Romans konnte mich überzeugen, denn manches wird rückblickend anderes vorausschauend betrachtet, so dass ein stimmiges Gesamtbild entsteht.

Umso ärgerlicher bin ich über die inhaltliche Zerrissenheit des Textes, die ausgehend von verschiedenen Berührungspunkten immer wieder Gedankensplitter aufnimmt, über die ich nachdenken möchte, sie aber ebenso schnell wieder fallenlässt. Damit zerfasert sich der Text immer mehr und es bleibt nur wenig Lobenswertes zurück. Sehr gern hätte ich über die ein oder andere Frage länger nachgedacht als es der Autor für notwendig hält, denn er erstickt seine guten Gedankengänge und bringt sie viel zu abrupt zu Ende, in dem er absolute Antworten auf Fragen liefert, die nicht so ohne Weiteres zu beantworten sind.

Darüber hinaus kritisiere ich so manche abstruse Äußerung wie zum Beispiel seine Aussage über die Familie (S. 57): „Eine Familie in ihren Anfängen ist manchmal auch das: ein vor Egozentrik zusammengezogener galaktischer Nebelfleck, in Gefahr zu implodieren.“ Sorry, aber so etwas lässt mich nur noch den Kopf schütteln und macht vielleicht auch deutlich, warum ebenjener Protagonist ein so unausgesprochenes Eheproblem mit sich herumträgt.

Fazit

Das werden leider nur 2,5 Lesesterne (aufgerundet 3) für diesen durchaus interessanten Roman, der sich mit inneren Konflikten und Sichtweisen beschäftigt, die ich generell gut nachvollziehen kann, hier aber nur mäßig umgesetzt sehe. Positiv beurteile ich hingegen die literarische Wertschätzung eines Menschen. Egal wie nah oder fremd uns eine Person stehen mag, menschliche Verbindungen leben von einem Gleichgewicht zwischen dem Nehmen und Geben, in diesem Text verschiebt sich der Adressat und wechselt die Seiten und dennoch erhält jeder Faktor eine Bedeutsamkeit, die auch nach dem Ende der Beziehung sichtbar bleibt.

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Veröffentlicht am 10.02.2021

Tödliches Wiedersehen in der Einöde

INSEL
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„Die traumatischen Ereignisse von vor zehn Jahren hatten sie härter getroffen als irgendjemanden sonst. Auch Dagur war damals in die Knie gegangen, hatte sich dann aber wieder aufgerappelt.“

Inhalt

Hulda ...

„Die traumatischen Ereignisse von vor zehn Jahren hatten sie härter getroffen als irgendjemanden sonst. Auch Dagur war damals in die Knie gegangen, hatte sich dann aber wieder aufgerappelt.“

Inhalt

Hulda Hermannsdóttir steht mitten im Berufsleben, sie ist als eine hartnäckige weibliche Ermittlerin bei der isländischen Polizei bekannt, die zwar nach wie vor auf den beruflichen Durchbruch hofft, dafür aber umso sorgsamer in ihren Ermittlungen arbeitet. Als auf ihrem Schreibtisch ein neuer Fall landet, bei dem es sich auf den ersten Blick um einen tragischen Unfall handelt, nimmt sie sich der Sache voll und ganz an. Die Obduktion ergibt wenig später, dass der tödlich verunglückten jungen Frau kurz vor ihrem Sturz von der Klippe Würgemale am Hals zugefügt wurden, demnach erhärtet sich der Verdacht, dass es sich weder um einen Absturz, noch um Selbstmord handeln kann, sondern um einen Mord. Auf der einsamen Insel Elliðaey haben sich vier Freunde getroffen, die schon seit Schulzeiten eine Clique waren. Doch bald muss Hulda feststellen, dass sich zwischen den beiden Männern und den beiden Frauen längst nicht nur freundschaftliche Gefühle äußern, sondern auch diverse Spannungen bestehen. Es ist nämlich genau 10 Jahre her, als eine weitere gemeinsame Freundin ums Leben kam und das Treffen in der Gegenwart bringt alte Gefühle wieder ans Tageslicht. Hulda rollt nicht nur den aktuellen Fall auf, sondern nimmt sich der deutlichen Parallelen zu dem alten Verbrechen an und muss mit Schrecken feststellen, dass damals höchstwahrscheinlich der falsche Täter verhaftet wurde …

Meinung

Dies ist der zweite Band der Trilogie um die Ermittlerin Hulda Hermannsdóttir, die anders als gewöhnlich von ihrem Ende zu ihrem Anfang erzählt wird. Bereits der erste Band hat mir gut gefallen, obwohl ich mir dort noch mehr Spannungsmomente und etwas weniger Privatleben gewünscht hätte. Das findet man nun in diesem zweiten Teil, der gerade zu Beginn ein höheres Erzähltempo vorlegt und dafür weitere kleine Details aus dem Leben der Ermittlerin aufgreift, jedoch eher in einem Nebenstrang, der deutlich macht, wie einsam Hulda nach dem Tod der Mutter, des Mannes und der Tochter ist. Diesmal macht sie sich auf die Suche nach ihrem leiblichen Vater, der ein auf Island stationierter amerikanischer Soldat war und bisher gar nichts von der Existenz einer Tochter wusste.

Der Schreibstil des Autors ist angenehm ruhig und führt mehr durch Beobachtungen und Kombination der einzelnen Sachverhalte durch den Kriminalfall. Gerade die zahlreichen Landschaftsbeschreibungen und die Wirkung der Natur bilden hier einen stimmigen Hintergrund, der dazu animiert, sich ein genaueres Bild von den Örtlichkeiten machen zu wollen. Erschreckend fand ich auch die unterschwellige Korruption innerhalb des Polizeiapparates, die hier ganz deutlich herausgearbeitet wird, nicht nur weil Hulda damit in der Rangliste der führenden Kommissare weiter nach hinten rückt, sondern weil gerade alte Fälle so schlampig, fast mutwillig manipuliert werden, nur um an den entsprechenden Stellen Erfolge einzustreichen. Eine implizierte Falschaussage führt letztlich nicht nur zur Zerstörung einer Familie und dem Selbstmord eines Mannes, sie ist auch Grund dafür, dass sich nach Jahrzehnten andere schuldig fühlen und sich erneut in der Zwangslage sehen zu handeln.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diese gelungene Fortsetzung des Thrillers, der nach wie vor eher ein stiller Begleiter als ein absoluter Pageturner ist, was der Geschichte aber keineswegs schadet. Tatsächlich würde meine Bewertung noch höher ausfallen, wenn Ragnar Jónasson zusätzlich zu der Kerngeschichte einige Cliffhänger eingebaut hätte und insgesamt ein höheres Tempo vorlegen würde. Manchmal fehlt mir einfach die Perspektive des Täters und seine Beweggründe, die sich zwar immer aufklären, jedoch nie aus der Innensicht, sondern vorwiegend durch die Ermittlungsarbeit von Hulda.

Wer Gefallen an atmosphärischen, dichten Erzählungen findet und neben einer reinen Kriminalhandlung auch noch persönliche Empathie zu den Protagonisten wünscht, ist mit dieser Reihe bestens beraten – ich freue mich schon auf den dritten Teil, den ich zeitnah lesen werde und spreche gerne eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 10.02.2021

Der Wunsch danach, gehört zu werden

Das Buch Ana
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„Irgendwann fühlte die zeitweise Leere sich nicht mehr an wie ein Speer in meiner Seite, sondern nur noch wie ein Splitter in meinem Fuß.“

Inhalt

Als die 14-jährige Ana, Tochter aus gut betuchtem Haus ...

„Irgendwann fühlte die zeitweise Leere sich nicht mehr an wie ein Speer in meiner Seite, sondern nur noch wie ein Splitter in meinem Fuß.“

Inhalt

Als die 14-jährige Ana, Tochter aus gut betuchtem Haus auf dem Markt ihrem zukünftigen Ehemann versprochen wird, lernt sie dort Jesus kennen, der ihr durch sein vorbildliches Verhalten sofort auffällt. Sie setzt alles daran ihrer aufgezwungenen Ehe zu entkommen und stattdessen Jesus näher zu kommen. Mehrere glückliche Zufälle lassen sie dieses Ziel tatsächlich erreichen, auch wenn sie dadurch ihren Status verliert und fortan in Armut leben muss. Aber bald schon geht Jesus seinen eigenen Weg, wird zum Prediger, dem sein Glaube mehr bedeutet als alle andere und Ana muss einsehen, dass sie in ihrer von Männern dominierten Welt niemals einen gleichberechtigten Stand erhalten wird. Erst während ihrer Flucht vor alten Widersachern, offenbart sich ihr endlich die Möglichkeit, ihren eigenen Weg zu gehen, selbst wenn das eine dauerhafte Trennung von ihrem Geliebten zur Folge hat …

Meinung

Die Idee hinter diesem Buch klingt reizvoll, denn sie impliziert die Möglichkeit, dass Jesus zu seiner Lebenszeit eine weibliche Gefährtin gehabt haben könnte. Die aus Georgia stammende Autorin Sue Monk Kidd widmet dieser fiktiven Frau die Erzählung, um genau jene unbestimmte Variable mittels literarischer Freiheit lebendig werden zu lassen.

Ich bin vor allem auf Grund der zahlreichen positiven Leserstimmen auf diesen Roman aufmerksam geworden, von dem ich mir ein interessantes Bild vergangener Tage versprochen habe. Zunächst einmal fällt auf, dass es sich um ein unterhaltsames, vielseitiges Buch handelt, welches sich sehr flott lesen lässt und auf die fiktive, abenteuerliche Reise einer jungen Frau quer durchs ganze Land führt. Prinzipiell liegt der Schwerpunkt der Geschichte auf dem Lebensweg von Ana, deren Schicksal eng verknüpft ist mit dem anderer Frauen ihrer Zeit. Ihr Glaube an sich selbst, ihr beharrliches Warten auf das Finden ihrer Bestimmung in Verbindung mit ständigem Aufbegehren gegen gesellschaftliche Beschränkungen sind die zentralen Themen des Buches. Dabei gibt es etappenweise Überschneidungen mit dem Lebensweg Jesu, jedoch viel weniger als von mir erhofft.Der detaillierte, erzählende Schreibstil in blumiger Sprache spiegelt den Zeitgeist wider, insbesondere das Machtgefälle zwischen Männern, die zu Gewalt neigen und Frauen, die sich ihnen unterzuordnen haben. Ana jedoch ist anders, sie strahlt selbst im größten Leid Stärke aus und agiert als heldenhafte Protagonistin.

Mein größter Kritikpunkt an diesem Buch ist die Kombination zwischen der erdachten Geschichte, die weder sonderlich realistisch noch sachlich wirkt und den wenigen historischen Bezugspunkten. Dieser Roman zielt bedacht auf Emotionen, erschafft Bilder und bietet viel Unterhaltungswert. Dafür leidet der Anspruch, weil das Augenmerk auf Nebensächlichkeiten ruht und es kaum einen Mehrwert der Erzählung gibt. Die Geschichte und das Wirken Jesu findet anderswo statt, der Leser wird außen vorgelassen und bleibt an der Seite Anas, einer Frau, die es so gar nicht gab.

Fazit

Hier werden es leider nur 3 Lesesterne für die vielen starken Frauenpersönlichkeiten und ein kurzweiliges, aber triviales Buch, bei dem zu wenig den Tatsachen und zu viel der Fantasie der Autorin entspringt. Ich hätte mir eine wesentlich stärkere Einbeziehung der christlichen Geschichte gewünscht, die hier immer nur kurz angerissen und zu Gunsten einer erdachten Frauengestalt mit diversen Sorgen und Nöten vernachlässigt wird.

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Veröffentlicht am 29.01.2021

Der bedrückende Reiz der Körperlichkeit

Hingabe
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„Ich hatte sie nicht lieben können, wie ich niemanden lieben konnte. Ich hatte gedacht, es wäre leicht, im Zusammenleben mit einer Frau würde die Beziehung zu ihr mühelos, ich könnte hineinwachsen, da ...

„Ich hatte sie nicht lieben können, wie ich niemanden lieben konnte. Ich hatte gedacht, es wäre leicht, im Zusammenleben mit einer Frau würde die Beziehung zu ihr mühelos, ich könnte hineinwachsen, da ich es weder als Kind noch als Jugendlicher gelernt hatte. Aber ich war ein schlechter Schüler.“

Inhalt

Suiza möchte ans Meer und trampt von Frankreich nach Spanien. Mitgenommen wird sie immer, denn sie ist nicht nur wunderschön und sinnlich, sondern noch dazu etwas zurückgeblieben und dafür umso leichtere Beute für die Männer, die junge unschuldige Frauen am Straßenrand auflesen, um diese nicht nur näher an deren Zielort zu bringen, sondern auch intim mit ihnen zu werden. Doch Suiza lässt die Vergewaltigungen über sich ergehen und strandet schließlich in der spanischen Provinz, wo sie vom Betreiber einer kleinen Bar als Bedienung eingestellt wird. Und dort begegnet ihr zum ersten Mal Tómas. Er ist ein wohlhabender Bauer Anfang 40, der mehrere Ländereien besitzt und erst kürzlich von seinem Arzt erfahren hat, dass er eine schwerwiegende Lungenkrebserkrankung hat. Tómas fühlt sich von Suiza sexuell dermaßen herausgefordert, dass er sie schon bei ihrem zweiten Treffen, aus der Bar entführt und sie noch auf dem Feld vergewaltigt. Aber die junge Frau kennt diese Vorgehensweise bereits und lässt auch ihn gewähren. Was sie sucht ist ein Zuhause, Stabilität und Liebe, trotz ihrer sehr speziellen Art. Und Tómas braucht tatsächlich eine Frau, die ihm nicht nur das Bett wärmt, sondern auch auf dem Hof hilft, das Essen kocht und die Tiere versorgt. Die beiden bleiben zusammen und versuchen so etwas wie eine Beziehung zu etablieren, doch Tómas kennt sich mit Frauen nicht aus und seine Erkrankung kostet ihn viel Kraft …

Meinung

Der Debütroman der französischen Autorin Bénédicte Belpois, die zudem als Hebamme arbeitet, besitzt durchaus eine gewisse Durchschlagskraft und einen ungewöhnlichen Erzählton, der diese Geschichte begleitet und die Leserschaft polarisiert, indem er gerade die Thematik der Vergewaltigung sehr deutlich und präzise werden lässt. Mir wurde der Roman von einer Lesefreundin empfohlen, zuvor hatte ich ihn eigentlich gar nicht wahrgenommen, doch dadurch war meine Aufmerksamkeit natürlich geweckt.

Nun muss ich sagen, dass ich leider nicht so begeistert von der Geschichte bin, sie aber durchaus gerne gelesen habe. Angesprochen hat mich vor allem der Schreibstil der Autorin, die in direkter, klarer Sprache ihre Sachverhalte ausdrückt. Sie gestaltet den Text abwechslungsreich, nimmt mehrere Perspektiven auf, erzeugt einen schlüssigen Handlungsverlauf und formuliert Sätze, die ausgesprochen gut zu den von ihr entworfenen Figuren passen.

Aber genau diese Charaktere waren es, die mich stellenweise an den Rand der Verzweiflung getrieben haben. Die beiden Hauptprotagonisten sind zwei ausgesprochen archetypische Menschen, die so ziemlich jedes Klischee erfüllen: Er der brutale, endgültige, entschlossene Mann, der nie eine Frau wirklich liebte und auch sonst kaum Zuwendung erfuhr, im Kern aber ein guter Mensch sein möchte. Und Sie, ein hilfsbedürftiges, anziehendes, weiches Wesen, die zwar leicht zurückgeblieben ist, sich aber mit kindlicher Lebensfreude in jeden neuen Tag stürzt und zahlreiche bisher verborgene Talente entwickelt.

Zwischen ihnen entwickelt sich eine große Dramatik, gepaart mit normaler Alltäglichkeit und den deutlichen Schatten der Verzweiflung. So wie es der Klappentext verspricht, ist es nicht, denn angeblich soll hier aus purer sexueller Begierde eine bedingungslose Liebe wachsen. Von Liebe sind wir meines Erachtens aber meilenweit entfernt. Vielmehr ist es eine unglücklich gewählte Kombination aus der Triebgesteuertheit des Mannes und seiner schweren Krankheit. Für die weibliche Person bleibt nur eine ungesunde Rolle vieler Abhängigkeiten bestehen, die mehr und mehr verdeutlicht, wie schwer es werden würde, wenn Tómas plötzlich nicht mehr da sein sollte.

Und genau diese Radikalität, die sich durch tragische Umstände, persönliches Leid und nicht abwendbare Schicksalsschläge manifestiert, präsentiert sich hier geballt auf engstem Raum. Das größte Problem, was ich mit diesem Buch hatte waren gar nicht die sexuellen Begebenheiten, sondern der fehlende Mehrwert des Buches. Ein Kranker, der sich zunächst nur Sorgen darum macht, wie er eine fremde Frau zu seinem Besitz machen kann, ist für mich unglaubwürdig. Und die Figuren selbst, wirken zwar ins sich geschlossen bleiben mir aber emotional sehr fremd. Immer wieder hat sich mir beim Lesen die Frage aufgedrängt, was uns die Autorin sagen möchte und ich habe leider keine Antwort darauf gefunden.

Fazit

Ich vergebe 2,5 Lesesterne (aufgerundet 3) für diesen eigenwilligen Roman über eine fatale Zusammenkunft eines wilden Mannes und einer gefügigen Frau. Inhaltlich habe ich hier kaum etwas gefunden, was mir eine konkrete Aussage geliefert hat. Man kann dieses Buch gut und schnell lesen, vor allem, wenn man möglichst wenig Erwartungshaltung aufgebaut hat. Die Art und Weise der Erzählung wirkt schon reizvoll, nur der Inhalt des Gesagten zerrinnt mit jedem Satz zwischen den Fingern und verliert sich nach gut 200 Seiten gänzlich. Ich glaube, dieses Buch hinterlässt einfach zu wenige Spuren und wirft Fragen auf, deren Antworten ich nicht kennen muss. Dies ist bereits der zweite Roman in diesem Jahr, bei dem eine Erkrankung mit einer Lappalie verbunden wird. Beide Bücher („Wilde Freude“ und dieses hier) konnten mich viel zu wenig überzeugen, weil es ihnen an psychologischem Tiefgang fehlte, obwohl ich sonst sehr gern Romane über Abschiede, und menschliche Sorgen und Nöte lese, kann ich nicht nachvollziehen, warum man sie mit so lockeren Themen kombinieren muss.

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Veröffentlicht am 23.01.2021

Er liebte seine Bücher

Vati
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„Das ist Glück. Dieses Wort, so will mir scheinen, kommt erst vor, wenn bereits das Gegenteil eingetreten ist. Dann erinnert man sich daran, wie es vorher gewesen war.“

Inhalt

Joseph Helfer, der Vati ...

„Das ist Glück. Dieses Wort, so will mir scheinen, kommt erst vor, wenn bereits das Gegenteil eingetreten ist. Dann erinnert man sich daran, wie es vorher gewesen war.“

Inhalt

Joseph Helfer, der Vati der Autorin, bekommt in diesem autobiografischen Roman ein Denkmal gesetzt, welches zugleich eine Auseinandersetzung der Autorin mit ihrer eigenen Kindheit und Familiengeschichte ist. Vati möchte er gerne genannt werden, es klingt in seinen Ohren modern, ebenso wie Mutti und so verwenden die Kinder ebenjene Namen für ihre Erziehungsberechtigten.

Monikas Kindheit war sicher keine leichte, aber auch eine sehr vielfältige und bunte, stellvertretend für andere, die sich zur Nachkriegsgeneration zählen. Dieser kurze Roman wird weder chronologisch erzählt, noch aus einer besonderen Perspektive, denn im Prinzip handelt es sich um diverse Erinnerungen, die sowohl Monika als auch die ältere Schwester und ebenso die jüngeren Geschwister teilen und nicht nur die, auch die Tanten und Onkel nehmen einen Großteil der Handlung ein, denn sie waren, nach dem frühen Tod der Mutter, nicht nur für Vati da, sondern auch für die vier gemeinsamen Kinder der Familie Helfer, von denen das jüngste gerade einmal 2 Jahre alt war, als die Mutter verstarb.

Und obwohl Vati selbst, ein undurchschaubarer Charakter war, der zwischen der Liebe zu seiner Frau, der Liebe zu jedem Buch, welches er in die Hände bekam und seinen persönlichen Erlebnissen im Krieg zerrissen wird – möchte sich seine zweitgeborene Tochter doch gerne an diesen Mann erinnern, der trotz etlicher Perioden Abwesenheit, immer wieder in den Schoß der Familie zurückkehrt ist und bis zu seinem Tod seinen Grundsätzen treu blieb.

Meinung

Bereits vergangenes Jahr konnte mich die Autorin mit dem ebenfalls biografisch orientierten Roman „Die Bagage“ sehr für sich einnehmen, so dass ich nun nicht nur die Geschichte ihrer Großeltern mütterlicherseits kennenlernen wollte, sondern gern auch ihre unmittelbaren Erlebnisse mit den eigenen Eltern, im speziellen mit ihrem Vater. Und auch hier wird schnell deutlich, wie wichtig der Vorgängerroman auch für diese Erinnerungen war, denn die Familie ihrer Mutter, pflegt einen ungewöhnlich engen Kontakt, wobei sich Schwestern und Brüder gleichermaßen verantwortlich fühlen und füreinander einstehen, gerade, wenn einer von ihnen in eine Krise gerät.

Deshalb nehmen die Tanten und Onkel der Autorin einen sehr großen Stellenwert in dieser Erzählung ein. Sie alle erfüllten im Leben von Monika gewissermaßen auch Erziehungsaufgaben gerade, nachdem Vati einen Selbstmordversuch hinter sich gebracht hat und auch später, als Mutti nach einem kurzen heftigen Krebsleiden ihrer Krankheit erlag. Das Auf und Ab der bewegten Familiengeschichte mit allen erdenklichen Nebenfiguren wird sehr vielschichtig und authentisch vermittelt. Es gibt Trennungen, Krankheiten, Sorgen und Nöte und meist wenig Geld – aber was immer im richtigen Moment zur Verfügung steht ist familiäre Einigkeit, die über alle unvermeidlichen Schicksalsschläge hinwegtäuscht und auch den Kindern zu einem stabilen Nervenkostüm verhilft, selbst wenn der Vater einmal nicht da ist und die Mutter nicht mehr. Gerade durch diese fehlenden Konstanten, die selten gleichzeitig wegbrachen, entwickelt sich auch zwischen den Geschwistern untereinander wieder eine starke Beziehung, selbst im Erwachsenenalter wissen sie, wie wichtig Familienbande ist.

Der Schreibstil liest sich sehr angenehm und immer angemessen distanziert, passend zu den tatsächlichen Inhalten. Denn ein Überschwang der Gefühle, knallende Türen und Schimpftiraden gab es eher selten, sowohl die Mutter als auch der Vater haben viele Gefühle für sich behalten und eine strikte Trennung zwischen Erwachsenen und Kindern vorgelebt. Aber die Zuneigung zueinander und den Familienmitgliedern ist dennoch spürbar, denn das vorherrschende Gefühl bei mir als Leser war Faszination. In meinen Augen ist es von entscheidender Bedeutung, wie Kinder aufwachsen, welche Werte ihnen vermittelt werden und wie stark man sich ihnen tatsächlich zuwendet, unabhängig von der investierten Zeit, denn was bringt es, wenn man Eltern hat, die zwar ständig da sind, aber niemals anwesend? Die vielen Unwegbarkeiten des Schicksals lassen sich in einem intakten Familienverband wesentlich leichter ertragen und genau den findet der Leser hier vor.

Fazit

Auch mit diesem Buch konnte mich die Autorin gut unterhalten, selbst wenn sich vieles wiederholt und es von Vorteil ist, auch „Die Bagage“ zu kennen. Ich vergebe gute 4 Lesesterne für eine einmalige, erinnerungswürdige Familiengeschichte aus Sicht diverser Protagonisten. Eine Erzählung über das Leben selbst, in Verbindung mit diversen Entscheidungen, mit feinsinniger Erzählstimme, aufgewertet durch Perspektivenvielfalt und abgerundet mit der Einsicht, dass der leichteste Weg nicht immer der beste sein muss.

Die Vaterfigur ist zwar meines Erachtens etwas blass geraten, die Wirkung von Vati eher unterschwellig greifbar, aber seine Liebe zu den Büchern scheint auch bei seiner Tochter prägende Spuren hinterlassen zu haben, die heute ihren eigenen Namen auf einem Buchrücken lesen kann, ganz so, wie sie es sich als Kind durch die Streifgänge der väterlichen Bibliothek bereits wünschte.

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