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Veröffentlicht am 13.03.2018

Werdegang eines Serienkillers

Killer City
2

Inhalt:

Chicago 1893. Die Stadt pulsiert, unzählige Touristen besuchen die Weltausstellung. Unter ihnen befindet sich Thornhill, ein Killer, ausgestattet mit der Macht des Wendigos, die ihn dazu treibt, ...

Inhalt:

Chicago 1893. Die Stadt pulsiert, unzählige Touristen besuchen die Weltausstellung. Unter ihnen befindet sich Thornhill, ein Killer, ausgestattet mit der Macht des Wendigos, die ihn dazu treibt, sich immer wieder neue Opfer zu suchen, um sein eigenes Leben zu verlängern. Doch dann legt er sich mit den Falschen an und plötzlich ist er der Gejagte, der feststellen muss, dass seine Vergangenheit lebendiger als geahnt ist.


Bewertung:

Die Grundidee des Buchs, die Geschichte aus Sicht eines Killers zu erzählen, ist vielversprechend. Der Leser bekommt Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt Thornhills und kann zumindest seine Motivation zu Töten nachvollziehen. Das macht ihn auf eine gewisse Weise sympathisch und man leidet teilweise mit ihm mit, wenn er mal wieder in eine eigentlich ausweglose Situation geraten ist, aus der er nur mit einigen „Verlusten“ wieder entkommen kann.

Allerdings beginnen sich diese Situationen zu häufen, was dazu führt, dass das Buch vor allem im Mittelteil sehr actionlastig wird und hier kommt es zu dem Problem, dass ich bei den aktuelleren Romanen von Wolfgang Hohlbein meistens habe: wenn zu viel passiert, wird es unübersichtlich. Zu viele Informationen, irgendwie meistert der „Held“ die Situation, aber wie er das letztendlich geschafft hat…? Das mindert die Lesefreude um einiges.

Zudem gibt sich Thornhill immer mehr seinen Selbstzweifeln hin, so dass man teilweise genervt ist und ihm zurufen möchte, sich endlich mal zusammenzureißen.

Leider schafft es Hohlbein auch nicht, die Atmosphäre, die er anfänglich aufgebaut hat, aufrechtzuerhalten und hat man zu Beginn noch ein Gefühl für das Chicago zur Jahrhundertwende bekommen, so verliert sich das mit der Zeit wieder – würde man kleinere Änderungen vornehmen, könnte das Buch auch in der Neuzeit in irgendeiner Großstadt spielen.

Auch bleiben die anderen Figuren neben Thornhill relativ blass und eindimensional.


Natürlich hat das Buch auch seine positiven Seiten und diese lassen über die genannten Kritikpunkte ein wenig hinwegsehen:

Ein großer Pluspunkt ist der ständige Wechsel in den ersten beiden Dritteln des Buches zwischen der Handlungsgegenwart und Thornhills Vergangenheit. Der Leser erfährt in diesen Vergangenheitskapiteln, wie der 12-jährige Junge Boy auf dem Schlachtfeld von Gettysburg vom Geist des Wendigo beseelt wird, wie aus ihm der Killer Thornhill wird und wie er einen Rachefeldzug beginnt, der ihn die nächsten Jahre vorantreibt.
Hier lernt man Thornhill richtig kennen, man entwickelt eine Sympathie und versteht auch seine negativen Charakterzüge wie z.B. seinen Fremdenhass besser. Er ist eben ein Kind der Südstaaten, der die Vorurteile gegenüber anderen quasi mit der Muttermilch aufgenommen hat. Doch diese Vorurteile sind nur oberflächlich und ein Selbstschutz und so kommt Thornhill mehrmals in Situationen, in denen er feststellen muss, dass die „lebensunwürdigen“ Fremden um einiges menschlicher sind als die „Weißen“. Dann sind diese Vorurteile letztendlich nur noch ein Vorwand, um ein lange gepflegtes Fremdbild nicht aufgeben zu müssen.

So tritt er letztendlich seinen Rachefeldzug an, um den Tod einer jungen „Gelben“ zu rächen, mit der er sich sogar hätte vorstellen können, sein Leben zu verbringen.
Und auch dieses Motiv kann man als Leser verstehen, auch wenn man es nicht unbedingt gutheißt.

Ein weiterer Pluspunkt ist die – hauptsächlich durch die Vergangenheitsebene – Einbindung von historischen Ereignissen und Persönlichkeiten. Dies macht das Buch um einiges realistischer. Wolfgang Hohlbein hat hier gut recherchiert, auch wenn er manchmal der künstlerischen Freiheit zu Gunsten der Handlung zu viel Freiraum gelassen hat.
Zumindest hat er mich aber dazu gebracht, selbst ein wenig im Internet nachzuforschen, was Realität und was Fiktion ist.

Der Showdown am Ende des Buchs lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Die Brutalität, die sich durch die ganze Handlung gezogen hat, wird noch einmal potenziert, was jedoch dem Lesespaß, zumindest wenn man nicht zartbesaitet ist, keinen Abbruch tut. Die Geschichte kommt zu einem einigermaßen zufriedenstellenden Abschluss, auch wenn noch einige Fragen offen bleiben.
Letztendlich geht aber doch alles zu schnell, so, als ob Hohlbein nur noch eine bestimmte Anzahl von Seiten zur Verfügung gestanden hätte, in die er jetzt noch alles unterbringen muss, was zur Auflösung beiträgt. Eigentlich mag ich ja offene Enden, aber gerade hier hätte ich mir noch einen Epilog gewünscht.

Insgesamt ist dieses Buch wieder ein typischer Hohlbein. Komplexe Sätze, detaillierte Beschreibungen, eine gute Recherche – trotzdem oder gerade deshalb lässt sich das Buch sehr flüssig lesen und man muss sich teilweise zwingen, es aus der Hand zu legen.


Fazit:

Ein durchaus spannendes Buch, das zu unterhalten weiß, mehr aber leider auch nicht. Die Handlung ist zwar spannend und man möchte unbedingt den Fortgang der Geschichte erfahren, aber sie weist auch einige Längen auf.
Wer einen düsteren Thriller mit einem etwas anderen Helden sucht, ist bei „Killer City“ bestens aufgehoben.


Mein Urteil: 3 (mit Tendenz zu 4) von 5 Rasiermessern

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