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Veröffentlicht am 08.04.2021

Freiheit hinter Gittern

Gefangen und frei
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Ich habe „Gefangen und Frei“ gelesen und David Sheff nahm mich mit ins Gefängnis St. Quentin in Kalifornien, USA. Dort lernte ich Jarvis J. Masters kennen. Jarvis wurde zum Tode verurteilt und sitzt nun ...

Ich habe „Gefangen und Frei“ gelesen und David Sheff nahm mich mit ins Gefängnis St. Quentin in Kalifornien, USA. Dort lernte ich Jarvis J. Masters kennen. Jarvis wurde zum Tode verurteilt und sitzt nun im Todestrakt fest. Eine Gruppe aus Freunden und Unterstützern glaubt fest an seine Unschuld. Jarvis wird vorgeworfen, am Mord an einem Gefängniswärter beteiligt gewesen zu sein. Angeblich habe er die Tatwaffe hergestellt. Seine vorgeblichen Komplizen und auch der Mann, der den Mord verübte, haben kein Todesurteil erhalten. Jarvis aber schon.

Ich durfte Jarvis auf seiner Reise begleiten. Sheff berichtete mir von seiner Vergangenheit, einer tragischen Jugend, die ihn in ein kriminelles Umfeld hineinführte. Ich durfte der erschütternden Gerichtsverhandlung beiwohnen. Jarvis droht daraufhin allen Sinn und Mut zu verlieren, doch eine Freundin empfiehlt ihm buddhistische Meditationstechniken. Nach anfänglicher Skepsis merkt Jarvis, dass dies sein Weg ist, dem Gefängnis zu entfliehen, ohne es zu verlassen.

Von diesem Moment an konnte ich sehen, wie Jarvis sich verwandelte. Er baut sehr schnell einen buddhistischen Unterstützerkreis auf, der ihn in den verschiedenen Phasen seiner buddhistischen Erkenntnis unterstützt. Dabei spielen immer wechselnde Lehrer und Einflüsse eine Rolle.

Diese Geschichte beruht auf einem wahren, noch aktuellen Fall, daher nehme ich nichts vorweg, wenn ich sage, dass ich von dieser Reise ohne ein Happy End zurückgekehrt bin. Was ist mir nach diesem bedrückenden Ausflug geblieben? Viele Fragen, einige nachdenkliche Zitate und ein veränderter Blick auf das, was im Leben wirklich zählt. Ich war überrascht davon, wie tief ich in die Details von Jarvis‘ Leben eingetaucht bin. Damit hatte ich auf Basis des Covers und Klappentextes nicht gerechnet. Über den Buddhismus habe ich nichts gelernt, was mein Wissen wesentlich erweitert, oder meine Perspektive grundlegend verändert hätte. Die Geschichte war aber trotzdem wichtig und ich bin gerne in sie eingetaucht. Man hätte sie sicherlich auch etwas lebendiger erzählen können. Vor allem aber gerne auf ein paar mehr Seiten und dafür mit geringerer Geschwindigkeit.


Eine Leseempfehlung für alle, die sich für außergewöhnliche Schicksale und starke Menschen interessieren und gerne biographische Romane lesen.


Meine Bewertung

3,5 Sterne: Das Buch hat mir gut gefallen.

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Veröffentlicht am 06.04.2021

Ein wilder Roadtrip mit Alex und Maxine

Reise mit zwei Unbekannten
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Ich habe "Reise mit zwei Unbekannten" gelesen und saß plötzlich mit Alex und Maxine in einem viel zu kleinen Auto auf dem Weg nach Brüssel. Er ist 26 und schüchtern, hat sich in eine zum Scheitern verurteilte ...

Ich habe "Reise mit zwei Unbekannten" gelesen und saß plötzlich mit Alex und Maxine in einem viel zu kleinen Auto auf dem Weg nach Brüssel. Er ist 26 und schüchtern, hat sich in eine zum Scheitern verurteilte Liebe verrannt und will in Brüssel neu anfangen. Sie ist schon über 90, quirlig und verrückt. Die Selbstdiagnose Alzheimer nimmt ihr jedoch die Freude am Leben und sie fährt nach Brüssel, um dort selbstbestimmt zu sterben.

Mit diesem ungleichen Paar war ich also unterwegs und es gab so manche Irrungen und noch mehr Wirrungen. Die beiden Unbekannten geraten ständig aneinander als sie versuchen, sich kennenzulernen. Zwischen flotten Sprüchen, großen und kleinen Gefühlen und einer überraschenden Verfolgungsjagd entsteht ein Bündnis zwischen zwei Menschen, die sich eigentlich nie getroffen hätten.

Als Gast auf dem Rücksitz fand ich mich dabei ständig hin. und hergeworfen. Mal ging es oberflächlich zu, dann wurden plötzlich ganz schwere Themen behandelt. Dann wieder Witze, dann derselbe Witz nochmal, eine Lebensweisheit, die Polizei, Anspannung, Entspannung, wieder der Witz, sind wir im Kreis gefahren?

"Wo wollen wir hin?" ist die große Frage, die ich mir immer wieder gestellt habe. Denn während Maxine und Alex mehr oder weniger nach Brüssel fahren, wusste ich nie so recht, was dieser Roman sein möchte. Humor? Gesellschaftssatire? Ein Entwicklungsroman? Für einen lustigen Roman waren die Zwischenklänge zu ernst, aber gleichzeitig bleibt die Geschichte so oberflächlich, dass man mehr als drei Stunden Unterhaltung daraus nicht mitnehmen kann.

Ich ärgerte mich immer wieder darüber, dass Alex "depressiv" genannt, aber gleichzeitig so gezeichnet wurde, dass Depressive als traurige Jammerlappen dastanden. Bei solchen Klischees wäre ich fast ausgestiegen. Letztlich bin ich dann aber doch irgendwie angekommen. Die Reise war ein wilder Ritt und ich habe auch gelacht. Ich glaube aber, nächstes Mal suche ich mir eine andere Mitfahrgelegenheit.

Meinen Humor hat dieses Buch nicht getroffen, aber das ist subjektiv! Ich empfehle das Buch trotzdem für alle, die jetzt Lust bekommen haben, einzusteigen!

2,5 Sterne, das heißt: Eine solide Geschichte, die mich nicht überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 02.04.2021

Was ist "race", und was kommt danach?

Identitti
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Ich habe „Identitti“ gelesen und Mithu Sanyal nahm mich mit in die WG von Nivedita. Sie studiert Postcolonial Studies, führt eine einigermaßen toxische Beziehung mit ihren On-und-Off-Freund Simon und verbringt ...

Ich habe „Identitti“ gelesen und Mithu Sanyal nahm mich mit in die WG von Nivedita. Sie studiert Postcolonial Studies, führt eine einigermaßen toxische Beziehung mit ihren On-und-Off-Freund Simon und verbringt ihre Freizeit mit ihrer Cousine Priti. Und dann ist da natürlich Saraswati, Niveditas Professorin, Mentorin und Rollenvorbild. In ihren Seminaren fühlt sich Nivedita zu Hause und findet Antworten. Denn sie ist halb deutsch, halb indisch und irgendwie auch ein bisschen polnisch, eine Mischung aus ihrem Vater Jagdish und ihrer Mutter Birgit. Auf der Suche nach ihrer Identität saugt sie Saraswatis Gedanken auf und bloggt als „Identitti“ gemeinsam mit der indischen Göttin Kali, die sie hin und wieder auf ein Zwiegespräch besucht.

Ich fühlte mich in diesem leicht satirischen akademisch-intellektuellen Setting gerade heimisch, als ein Skandal Niveditas Welt erschüttert: Saraswati ist gar keine POC?! Sondern eine Deutsche?! Brisante Fotos und Informationen kommen an die Öffentlichkeit und Nivedita steht plötzlich zwischen den Fronten. Ist „race“ ein Konstrukt, dass wir frei wählen können, oder eine Identität, mit der wir geboren werden?

Neun Monate lang begleitete ich Nivedita und Saraswati nach dem Skandal, von Hoch- zu Tief- und wieder zu Hochpunkten, von Talkshows zu Demonstrationen, von Niveditas WG in Saraswatis Altbauwohnung. In endlosen Gesprächen offenbarten mir die beiden ihr Inneres und ließen mich aus ihren Erfahrungen lernen. Ich lernte, Begriffe zu unterscheiden, die ich zuvor nicht gekannt hatte und Diskussionen zu führen, die ich bislang nur von außen beobachtet hatte. Und immer wieder konnte ich auch herzlich über diese verrückte Blase lachen, in der Freunde über Begriffen zu Feinden werden und die Mithu Sanyal mit Schärfe und Humor lebendig beschreibt.

Ich habe viel gelernt und kehre mit geschärftem Blick von meiner Reise zurück. Diese Geschichte ist wichtig und unterhaltsam und ich werde sie weitertragen.
Eine absolute Leseempfehlung für alle, die auf dem aktuellen Stand der Debatte bleiben wollen.

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Veröffentlicht am 23.03.2021

Diese Geschichte lebt von der Spannung

Ophelia Scale - Die Welt wird brennen
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Ich habe "Ophelia Scale" gelesen und die Geschichte nahm mich mit in eine Welt, in der all die Dinge, die mir normal erscheinen, verboten sind. Einst war die Welt hochtechnologisiert. Interlinks ermöglichten ...

Ich habe "Ophelia Scale" gelesen und die Geschichte nahm mich mit in eine Welt, in der all die Dinge, die mir normal erscheinen, verboten sind. Einst war die Welt hochtechnologisiert. Interlinks ermöglichten den Menschen, besser zu sehen, schneller zu denken und zu reagieren. Heute ist all das verboten. König Leopold denkt, es wäre besser so, sowohl für die Menschen, als auch für das Königreich, aber einige von uns denken anders. Der Widerstand. Wir nennen uns ReVerse. Ich begleite eine unserer Kämpferinnen, Ophelia Scale. Sie meldet sich als Freiwillige, um der königlichen Garde beizutreten. In Wahrheit aber möchte sie diese infiltrieren und letztlich den König töten. Eine gefährliche Aufgabe, aber Ophelia glaubt, die richtige dafür zu sein.

Denn sie hat durch die Entscheidungen des Königs viel verloren. Ihre Familie, die nach dem Verlust ihrer Berufe als Ingenieure nur noch vor sich inlebt. Und ihre erste Liebe - Knox - der gefangen genommen und sämtlicher seiner Erinnerungen beraubt wurde.

Voller Wut zieht sie los, doch bald lernt sie jemanden kennen, der ihre Sicht auf die Dinge verändert.

Ich bin gemeinsam mit Ophelia gereist und habe mich gut unterhalten gefühlt. Ihre Geschichte wurde für Jugendliche erzählt, deswegen ist es nicht schlimm, dass ich ihre Dialoge manchmal gestellt, ihre Gefühle manchmal übertrieben fand. Die Geschichte fesselte mich trotzdem und ich las immer gerne weiter.
Die Welt, in die sie mich entführte, habe ich noch nicht ganz verstanden, es gibt ein paar Ungereimtheiten, Dinge, von denen ich nicht glaube, dass sie möglich sind und Ideen, die ich nicht für umsetzbar halte. Gerne wäre ich hier noch tiefer eingetacuht, doch die Geschichte bleibt eng bei Ophelia und ist sehr stringent erzählt. Dadurch bleibt wenig Zeit für Ausflüchte und Beobachtungen, die ich gebraucht hätte, um alles zu verstehen und vollständig einzutauchen.

Ich hatte eine schöne Zeit mit Ophelia, sie war zwar nicht sonderlich poetisch oder tiefgründig, dafür aber sehr spannend und angenehm kurzweilig. Ich empfehle dieses Buch für alle, die gerne YA, Dystopien und Romance-Action-Stories mögen, und die ansonsten keinen allzu hohen SUB haben.

Meine Bewertung in Sternen:
3+ (Dystopie)
= Die Zukunftsidee ist interessant und die Geschichte ist spannend und ergibt Sinn. Das Plus hat sich der Roman durch den Cliffhanger am Ende verdient.

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Veröffentlicht am 22.03.2021

Ein Familienroman zwischen Mensch und Natur

Das Flüstern der Bienen
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Ich habe ein Buch gelesen, das mich mitnahm in ein mir unbekanntes Land, nach Mexiko, auf die Felder der wohlhabenden und herzensguten Familie Morales. Ich lernte das Familienoberhaupt Francisco kennen, ...

Ich habe ein Buch gelesen, das mich mitnahm in ein mir unbekanntes Land, nach Mexiko, auf die Felder der wohlhabenden und herzensguten Familie Morales. Ich lernte das Familienoberhaupt Francisco kennen, und seine Frau Beatriz. Außerdem ihre Töchter Consuelo und Carmen, und die beiden Großmütter, Nana Pola und Nana Reja. Nana Reja sitzt den lieben langen Tag auf ihrem Schaukelstuhl auf der Veranda und lässt das Leben an sich vorüberziehen. Doch eines Tages steht sie auf, denn sie wird gerufen, von einem kleinen Jungen namens Simonopio. Er liegt alleine und zurückgelassen im Wald, umgeben von einem Schwarm Bienen, der ihn zu beschützen scheint.

Die Familie Morales nimmt Simonopio sofort als Patenkind auf, obwohl sein Gesicht durch eine Fehlbildung am Mund vielen Angst macht. Ein Arbeiter auf der Farm sieht sogar den Teufel in ihm. In Wahrheit aber ist Simonopio ein Gesandter der Natur, die mit ihm und durch ihn spricht. Er macht es sich zur Lebensaufgabe, seine neue Familie mit dieser Gabe zu beschützen.

Und von da an begleitete ich die Familie durch eine Zeit, die mir bis dahin fremd war und die viel Leid mit sich brachte: Die spanische Grippe, Krieg, Revolution, Enteignungen und Reformen. Und daneben entspinnt sich das Leben einer Familie mit all seinen eigenen Dramen: Kinder werden geboren, geliebte Menschen sterben, es wird geheiratet, Geburtstag gefeiert und gestritten. Und die ganze Zeit ist es, als stünde ich daneben, als würde ich auch ein Gast ihres Hauses sein.

Denn Sofía Segovia beschreibt Simonopios Welt in einer Schönheit und Wortgewandtheit, die mich träumen und schweben ließ. Die Stadt erscheint plastisch, als könne man sie riechen und schmecken und ihre Bewohner sind behutsam ausgewählte und sorgsam ins Leben geschriebene Personen, die mir zu Freunden geworden sind. Ihre Geschichte ist mitreißend und dramatisch und ich bin heilfroh, dass Sofía Segovia sie mir erzählt hat.

Eine absolute Leseempfehlung für Freunde von historischen Geschichten, Familienromanen, Bienen und einem Hauch Magie.

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