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Veröffentlicht am 13.03.2021

Über Menschen und Tiere

Die Letzten ihrer Art
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Eine Geschichte über Wildpferde

Der dritte Band von Maja Lundes Klimaquartett spielt, wie auch schon die vorherigen Bände auf drei verschiedenen Zeitachsen.

Michail: Im Jahre 1883 schreibt Michail in ...

Eine Geschichte über Wildpferde



Der dritte Band von Maja Lundes Klimaquartett spielt, wie auch schon die vorherigen Bände auf drei verschiedenen Zeitachsen.

Michail: Im Jahre 1883 schreibt Michail in Sankt Petersburg seine Geschichte auf. Er arbeitet im städtischen Tierpark und ist dort für die Anschaffung und Pflege exotischer Tierarten zuständig. Eines Tages erfährt er, dass in der Mongolei Wildpferde gefunden wurden. Przewalski-Pferde, oder auch Thakis, die ältesten Wildpferde überhaupt. Voller Aufregung beginnt er eine Expedition zu planen und gewinnt schließlich den Deutschen Wilhelm Wolff als Sponsor und Expeditionsgefährten. Gemeinsam reisen sie in die Mongolei, um die Wildpferde nach Europa zu bringen.

Karin: 1992 reist auch Karin in die Mongolei. Sie ist Zoologin und beschäftigt sich seit ihrer Jugend mit den Przewalski-Pferden. Sie sieht es als ihre Lebensaufgabe an, diese in der Mongolei wieder anzusiedeln und erfolgreich zu züchten. Begleitet wird sie von ihrem erwachsenen Sohn Matthias und Jochi, einem einheimischen Kollegen.

Eva: In der Zukunft, dem Jahr 2064 stehen zwei einsame Przewalski-Pferde auf einer Weide mitten im Nirgendwo in Norwegen. Der Hof gehört Eva und ihrer Tochter Isa, die gemeinsam im kleinen Dorf Heiane leben. Wegen des ständigen Regens und den bitteren Wintern stirbt das Dorf aus, Isa und Eva sind mit die letzten übriggebliebenen Einwohner und kämpfen mit begrenzten Ressourcen um ihr Überleben. Isa möchte fort aus Heiane, doch Eva kann sich nicht von ihren Tieren trennen, insbesondere nicht von den beiden Wildpferden. Eines Tages begegnet sie einer fremden Frau auf der Flucht und beschließt, sie bei sich aufzunehmen.

Eine Geschichte über Familie



Alle drei Geschichte drehen sich um die Entdeckung, die Bergung, oder die Rettung der Wildpferde. In allen drei Zeiten ist ihre Art selten. Zwischen den Ereignissen beschäftigt sich die Geschichte aber auch immer wieder mit der Frage, was es heißt, eine Familie zu haben, nicht gründen zu können, oder zu verlieren.

Michail wohnt mit seinen knapp 30 Jahren nämlich immer noch bei seiner Mutter und kann sich nicht von ihr losreißen. Sie würde sich wünschen, dass er eine eigene Familie gründet, aber er fühlt sich zu Frauen nicht hingezogen und pflegt stattdessen intime Männerfreundschaften.

Karins Sohn Mathias entstammt einer ungewollten Schwangerschaft und sie hat große Probleme ihm die Liebe zu geben, die er braucht. Sie verlor ihre eigene Mutter unter dramatischen Umständen und vergräbt sich in ihrer Arbeit, um dem nicht aufgearbeiteten Trauma zu entgehen. Ihr Sohn Mathias entgleitet ihr zunehmend, nimmt Drogen und bringt sich selbst immer wieder in Gefahr. Karin fühlt sich ihm gegenüber fremd und doch verantwortlich.

Eva und ihre Tochter verbindet eine tiefe Einsamkeit, denn sie haben niemanden außer sich. Das führt zu Konflikten und Abhängigkeit. Eva sehnt sich nach einem anderen Erwachsenen in ihrem Leben, mit dem sie Isa gemeinsam erziehen kann, aber Isa Vater ist alkoholabhängig und gewalttätig und andere Männer gibt es im Dorf nicht mehr.

Was die Geschichte bewegend macht



Auch der dritte Teil des Klimaquartetts von Maja Lunde hat mich in seinen Bann gezogen und tief bewegt. Maja Lunde schafft es auf unglaublich geschickte Art und Weise das Schicksal der Tiere mit dem der Menschen zu verbinden.
Bei den Wildpferden gibt es eigentlich nur drei relevante Fragen:

1) Gibt es genug Futter?
2) Wer darf sich mit wem paaren?
3) Werden die Fohlen überleben?

Während alle drei Protagonist*Innen sich diese Fragen stellen, richtet sich auch ihr eigenes Leben an diesen aus. Evas Alltag ist bestimmt von der Sorge um ihre Vorräte. Michail kann seinen Partner nicht frei wählen und Karin sorgt sich um das Leben ihres Sohnes. Gleichzeitig macht gerade Evas Geschichte auf bedrückende Weise deutlich, dass auch wir Menschen letztlich nur eine von vielen Arten sind. Auch wir können die letzten unserer Art sein, als erstes in einem verlassenen Dorf, dann in einem verlassenen Landstrich und irgendwann vielleicht weltweit. Das stimmt nachdenklich.

Tief erschütternd ist außerdem dass Maja Lunde in diesem Buch alle bisherigen Dystopien zusammenführt. Eva und Isa leben auf einer Welt, in der es keine Bienen mehr gibt, der Süden verdurstet, während es im Norden wegen des ständigen Regens keine erfolgreichen Ernten und Überschwemmungen gibt. Die Welt steht am Abgrund und es tut weh und macht Angst, das zu lesen.

Ich frage mich, was uns im nächsten Band des Klimaquartetts erwartet. Wird Maja Lunde gnädig mit uns sein und uns am Ende einen Hoffnunsschimmer geben, dass die Menschheit es doch noch irgendwie schaffen kann? Oder wird sie am Ende zugrunde gehen, gemeinsam mit der Natur, die sie zugrunde gerichtet hat?

Die gesamte Reihe ist nicht nur lesenswert sondern eine absolute Buchempfehlung, und dieser Band steht den anderen Bänden in nichts nach. Wenn überhaupt, geht er, vor allem im letzten Drittel, noch tiefer unter die Haut.

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Veröffentlicht am 05.03.2021

Geschichte aus der Sicht einer Kommunistin

Sie haben mich nicht gekriegt
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Zwei Frauen und die Revolution

Tina und Marie sind beide etwa gleich alt. Während Tina schon mit 13 Jahren beginnen muss, in einer Fabrik zu arbeiten, kämpft Marie mit ihrer Rolle als Nachfolgerin in ...

Zwei Frauen und die Revolution

Tina und Marie sind beide etwa gleich alt. Während Tina schon mit 13 Jahren beginnen muss, in einer Fabrik zu arbeiten, kämpft Marie mit ihrer Rolle als Nachfolgerin in der Buchhandlung ihres Vaters. Beide Frauen sind engagiert und intelligent. In "Sie haben mich nicht gekriegt" begleiten wir sie über 40 Jahre hinweg und rund um die Welt durch ihr Leben.
Der Roman beginnt dabei im Jahre 1902 und endet 1942, sodass er sowohl den ersten und zweiten Weltkrieg, als auch die goldenen Zwanziger und die Weimarer Republik dazwischen behandelt. Beide Frauen nehmen in dieser Zeit immer wieder Außenseiterrollen ein, denn Tina ist Kommunistin und Marie ist Jüdin. Während Tina im Auftrag ihrer Partei um die Welt reist, um die Revolution zu unterstützen und gegen den Faschismus zu kämpfen, erlebt Marie dessen Aufstieg in ihrer Buchhandlung in Fürth.

Ein ständiges Wechselspiel

Felix Kucher erzählt die Geschichte der beiden Frauen zeitgleich nebeneinander. Das Buch hat relativ lange Überkapitel, die jeweils einem Jahr zugeordnet sind. Innerhalb dieser wechselt etwa alle zwei Seiten in Unterkapiteln die Erzählperspektive. Die Übergänge zwischen den Abschnitten sind dabei oft bewusst so fließend gestaltet, dass die Geschichten verschwimmen. Das ist ein schöner literarischer Kunstgriff, der beim Lesen aber manchmal für Verwirrung sorgt. Auch der Schreibstil als Ganzes passt dazu. Die Sätze sind meist sehr kurz, elliptisch, es entsteht ein teilweise etwas abgehackt wirkender, an anderen Stellen aber sehr mitreißender Erzählstil.

Eine oft übersehene Perspektive

Seinen großen Pluspunkt erhält dieser Roman meiner Meinung nach durch die sehr detaillierte, eindringliche und realistische Darstellung der kommunistischen Idee und ihrer Umsetzung in den verschiedenen Regionen der Welt. Durch Tinas Augen sehen wir die europäische Geschichte aus einem anderen Blickwinkel, dessen Fokuspunkt nicht der Faschismus, sondern der Kommunismus ist. Diese Perspektive ist sehr bereichernd und macht das Buch lesenswert.

Gleichzeitig verliert sich aber gerade Tinas Erzwählzweig zwischendrin in wiederkehrenden Szenen und endlosem Gepklänkel um Beziehungen, Affären und Trinkgelage in bildungsbürgerlichen Kreisen. Obwohl ich glaube, dass das zu einer realistischen Darstellung der real existierenden Person Tina Modotti beiträgt, hätte ich auf einige Passagen aus dem mittleren Teil des Buches verzichten können. Es hat sich gelohnt durchzuhalten, weil das Buch zum Ende hin wieder deutlich schneller und interessanter wurde, aber insgesamt waren die 500 Seiten dann doch ziemlich lang.

Ich habe lange überlegt, wie viele Sterne ich an dieses Buch verteile. Denn ich bin insgesamt sehr angetan von der Thematik und dem Erzählstil, musste mich durch die Mitte aber ein wenig durchbeißen. Ich empfehle das Buch auf jeden Fall für alle, die sich für die europäische Geschichte in den 20er und 30er Jahren interessieren. Wenn man darüber wirklich etwas erfahren möchte, erhält man hier ein sehr eindrückliches Bild. Das Buch hat mir in vielen Aspekten die Tür zu neuen Fragen und Interessensgebieten geöffnet. Bei mir heißen 3 Sterne: Das Buch hat mir gefallen, 4 Sterne: Das Buch hat mir gut gefallen. 5 Sterne vergebe ich nur für absolute Lieblingsbücher. Dieses hier erhält von mir 3,75 Sterne.

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Veröffentlicht am 28.02.2021

Ein herrlicher Zeitvertreib

Crazy Rich Asians
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Rachel und Nick sind ein glückliches Paar. Zusammen leben sie in New York, beide sind Professoren an der Universität und sie führen ein normales Leben im höheren Mittelstand der Stadt. Beide haben asiatische ...

Rachel und Nick sind ein glückliches Paar. Zusammen leben sie in New York, beide sind Professoren an der Universität und sie führen ein normales Leben im höheren Mittelstand der Stadt. Beide haben asiatische Eltern und nach fast zwei Jahren lädt Nick Rachel endlich dazu ein, seine Eltern in Singapur zu besuchen. Anlass ist die Hochzeit seines besten Freundes Colin.
Als Rachel dort ankommt, merkt sie allerdings schnell, dass hier andere Gesetze gelten. Nicks Eltern sind nicht nur reich, sondern superreich und noch dazu sehr konservativ. Es stellt sich außerdem heraus, dass Colin der begehrteste Junggeselle Asiens zu sein scheint, und die Hochzeit das soziale Event des Jahres. Zwischen Designerkleidung, Kaviar und Diamantohrringen versucht Rachel sich gegenüber Nicks Umfeld zu behaupten. Doch das empfindet Rachel anscheinend nicht als geeigneten Umgang für Nick.

Das Buch ist stolze 571 Seiten dick. Die braucht es aber auch, denn hier steckt von allem jede Menge drin. Gleich zu Beginn des Buches lernen wir bestimmt 30 Charaktere kennen, es gibt unzählige Familienessen und Tragödien. Die Erzählperspektive wechselt dabei in den ersten beiden Teilen des Buches zwischen verschiedenen Charakteren. Im dritten Teil des Buches beschreiben die einzelnen Kapitel jeweils einen Schauplatz, an dem sich gerade alle tummeln. Schwerpunkt der Erzählung sind Nick und Rachel, Nicks Mutter Eleanor und seine Cousine Astrid. Der Erzählstil ist nicht besonders poetisch, eher kühl. Viel Zeit wird darauf verwendet, Designerkleidung, Locations, oder Speisen im Detail zu beschreiben.

Das Buch war trotz seiner Dicke recht schnell gelesen, denn die Geschichte ist fast immer fesselnd, und gerade gegen Ende zwang mich eine unendliche Empörung dazu, die letzten 150 Seiten am Stück zu lesen. Etwas ärgerlich fand ich, dass immer dann, wenn es am spannendsten wurde, die Erzählperspektive wechselte, und erstmal ein anderer Erzählstrang bespielt wurde. Das waren oft die Punkte, an denen ich das Buch aus der Hand gelegt habe. Auch das Ende fand ich etwas konstruiert, und da die nächsten beiden Teile darauf aufzubauen scheinen, werde ich sie wohl nicht lesen.

Nichtsdestotrotz hat mich dieses Buch etwa eine Woche lang prächtig unterhalten. Ich vergebe gerne 4 Sterne für das, was es sein will: ein leichter, lustiger und hochintreganter Unterhaltungsroman.

Mein Bewertungssystem:

1 - hat mir nicht gefallen
2 - war in Ordnung
3 - hat mir gefallen
(x) 4 - hat mir gut gefallen
5 - eines meiner Lieblingsbücher

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Veröffentlicht am 23.02.2021

Mehr als nur ein Puppenspiel

Herzfaden
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Wer kennt sie nicht, die Augsburger Puppenkiste. Dieser Roman begleitet die Familie Oehmichen, die die Puppenkiste während des zweiten Weltkrieges erschuf. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Hatü ...

Wer kennt sie nicht, die Augsburger Puppenkiste. Dieser Roman begleitet die Familie Oehmichen, die die Puppenkiste während des zweiten Weltkrieges erschuf. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Hatü erzählt, der jüngsten Tochter der Oehmichens.

Das Buch ist in seiner äußeren Form etwas besonderes, nicht nur wegen dem wunderschönen Cover: Es ist in zwei verschiedenen Farben gedruckt, die jeweils einen Halndungsfaden repräsentieren. Der blaue Teil ist die Hauptgeschichte, der rote Teil eine Art Rahmenerzählung.

Die Hauptgeschichte beginnt im zweiten Weltkrieg, als Hatüs Vater zum Dienst an der Waffe eingezogen wird. Wenig später kann er dem Krieg entkommen. Er ist in seiner Position im Augsburger Stadttheater unabkömmlich. Inmitten der Kriegswirren und Bombennächte beginnt er, Marionetten zu schnitzen und sie gemeinsam mit seiner Familie in einem kleinen Puppentheater zum Leben zu erwecken. Die Augsburger Puppenkiste ist geboren.

Hatü ist von Anfang an begeistert dabei. Wir begleiten sie durch die Kriegsjahre und die Nachkriegszeit, durch ihre Kindheit und Jugend. Dabei geht es nicht nur um die Marionetten, sondern auch um die erste Liebe, Freundschaft und den Umgang mit dem Nationalsozialismus, insbesondere auch nach dem Krieg.

Im roten Teil des Buches begleiten wir parallel dazu ein Mädchen, dass aus der Wohnung ihres Vaters weggelaufen ist und auf einen dunklen Dachboden gerät. Hier trifft es auf eine geisterhafte Version von Hatü und die lebendig gewordenen Marionetten aus der Puppenkiste. Diese erzählen ihr die Geschichte des blauen Handlungsstrangs.Auch zwischen den Marionetten gibt es Konflikte und jede Marionette hat eine Hintergrundgeschichte, die wir ebenfalls aus dem blauen Buchteil erfahren.

Ich persönlich hatte leichte Startschwierigkeiten mit diesem Buch. Gerade zu Beginn der Lektüre hat mich der rote Buchteil immer wieder aus der Geschichte herausgerissen. Im zweiten Drittel des Buches hat sich das aber verändert, weil die beiden Handlungsstränge stärker miteinander verknüpft wurden und zum Ende hin alles ineinander greift. Mit dem Charakter des Mädchens konnte ich mich aber bis zum Schluss nicht richtig verbinden.

Das ist aber gar nicht schlimm, weil mich der Rest des Buches wirklich sehr überzeugt hat. Die Art und Weise wie hier Hatüs Gefühle beschrieben wurden ist subtil, realistisch und trotzdem mitreißend. Die Handlungsstränge und Konfliktlinien innerhalb der Geschichte sind spannend und fügen dem wahren Geschehen gerade die richtige Menge an Drama hinzu. Besonders gut gefallen hat mir aber vor allem, wie hier die Nachkriegszeit und der Umgang mit der Erinnerung an das nationalsozialistische Reich besprochen wird. Hatü ist während des gesamten Romanes umgeben von einer Freundesgruppe Jugendlicher. In dieser erlebt jeder den Krieg ein bisschen anders und jeder geht am Ende anders damit um. Das gibt der Erzählung eine schöne Tiefe und auch eine hohe Relevanz. Damit hatte ich zu Beginn wirklich überhaupt nicht gerechnet.

Insgesamt also ein sehr schönes Buch und eine Leseempfehlung. Eine kleine Einschränkung ist lediglich der etwas hoplrige Start. Daher vergebe ich gerne 4,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 17.02.2021

Bilder aus Paul Maars Kindheit

Wie alles kam
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"Wie alles kam" ist ein autobiografischer, in Episoden erzählter Entwicklungsroman des berühmten Autors Paul Maar. Wir lernen den kleinen Paul im Alter von etwa 6 Jahren kennen, als er mit seiner Mutter ...

"Wie alles kam" ist ein autobiografischer, in Episoden erzählter Entwicklungsroman des berühmten Autors Paul Maar. Wir lernen den kleinen Paul im Alter von etwa 6 Jahren kennen, als er mit seiner Mutter vor den Bombenangriffen auf Schweinfurt in den kleinen Ort Obertheres flieht. Dort wohnt die Familie im Haus der Großeltern. Der Vater ist im Krieg. Paul findet bald einen besten Freund, Lud, mit dem er allerlei Unfug unternimmt. Etwa ein Drittel des Buches beschäftigt sich mit diesem Lebensabschnitt Paul Maars.
Anschließend zieht die Familie zurück nach Schweinfurt, wo Paul Maar ein Gymnasium besucht und seine ersten Erfahrungen als Künstler sammelt. Mitten im Buch erzählen einige wenige Episoden außerdem aus dem späteren Leben von Paul Maar. Neben persönlichen und familiären Konflikten gibt das Buch auch einen interessanten Einblick in die Gesellschaft der Nachkriegszeit.

Wie nicht anders zu erwarten ist das Buch sehr schön geschrieben und macht es dem Leser leicht, sich in den Kopf des kleinen Paul hineinzudenken. Ein wenig gestolpert bin ich nur über doch recht häufige Erwähnung irgendwie gearteter Fäkalien im ersten Viertel. Ich denke, das sollte den rauen Sprachgebrauch der Zeit verdeutlichen, ist bei mir aber etwas merkwürdig angekommen. Durch die episodische Erzählweise fehlt natürlich ein übergeordneter Spannungsbogen, weshalb ich von diesem Buch nicht "gefesselt" war. Ich habe mich im Gegenteil immer wieder bewusst dazu entschieden, noch weiterzulesen.
Inhaltlich waren die Geschichten durchaus unterhaltsam, aber nicht besonders ausgefallen oder aufregend - wie das Leben eben ist. Ich glaube allerdings, dass ich keinen Grund gesehen hätte, sie zu lesen, wenn es nicht die Kindheitserinnerungen von Paul Maar gewesen wären. Viel interessanter als die Kindheitsgeschichten fand ich die wenigen Episoden gegen Ende des Buches, die sich mit Paul Maars ersten Versuchen als Autor und Künstler auseinandersetzten und erzählten, wie der Junge aus klassisch bürgerlichen Haus sich dem intellektuell-künstlerischen Milieu annäherte. Davon hätte ich gerne noch viel mehr gelesen und auch über die Geschichte von Maars Ehefrau Nele, die anscheinend in einer Art Künstlerkommune aufgewachsen ist. Vielleicht gibt es da ja in den nächsten Jahren noch eine Fortsetzung.

Insgesamt handelt es sich bei "Wie alles kam" um eine schön erzählte Geschichte über Kindheit in der Nachkriegszeit und das Leben von Paul Maar. Um das Buch in vollen Zügen genießen zu können, sollte man sich mit dem Autor sicherlich auseinandergesetzt haben. Somit empfehle ich dieses Buch auch für Sams-Leser und Paul Maar Fans.

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