Loriot lässt grüßen
Barbara stirbt nichtAlina Bronsky hat ein großes Talent, ähnlich wie Loriot, den Finger auf die kleinen Alltagsprobleme der Menschen zu legen. Anders als beim Loriotschen typisch deutschen Mittelständler haben es Frau Bronsky ...
Alina Bronsky hat ein großes Talent, ähnlich wie Loriot, den Finger auf die kleinen Alltagsprobleme der Menschen zu legen. Anders als beim Loriotschen typisch deutschen Mittelständler haben es Frau Bronsky die eingebürgerten Osteuropäer angetan. Mit schwarzem Humor und Feingefühl widmet sie sich auch in ihrem neuesten Buch wieder einer solchen Bilderbuchfamilie.
Herr Schmidt wacht eines Morgens auf und muss plötzlich feststellen, dass seine Frau Barbara krank ist. Nun muss er die vielen kleinen Handgriffe übernehmen, die sie sonst, kaum sichtbar und vollkommen selbstverständlich für ihn, jahrezehntelang übernommen hat. Wie kocht man eigentlich Kaffee? Und was muss sonst noch erledigt werden, um den Haushalt am Laufen zu halten? Nach und nach beginnt so sein ganzes Weltbild zu wackeln.
Auf welchen Vorurteilen genau dieses Weltbild eigentlich aufgebaut ist und wie schnell es ins Wanken gerät, wenn man die Augen nicht mehr verschließen kann, zeigt dieser kurze, aber intensive Einblick in das Leben der Familie.
Es hat seine Vorteile, wenn man dieses Buch als Hörbuch genießt. Thomas Anzenhofer leistet ganze Arbeit, diesem Walter und seiner Familie eine Stimme zu verleihen. Allein Barbaras Ausruf "Ach, Walter!" löst bei mir ganze Bilderserien im Kopf aus (und sie alle tragen einen Hauch Loriot in sich).
Dabei ist die Geschichte nicht vordergründig humorvoll. Vielmehr schwankt man permanent zwischen Mitleid und Wut, je nachdem wie antiquiert Walters Ansichten gerade mal wieder sind. Und doch ruft Walter auch ein starkes Gefühl von Wiedererkennen hervor: Er wirkt wie ein älterer Verwandter auf einer unbequemen Familienfeier, dessen rassistische, unsoziale Ansichten man mit einem Lächeln versucht zu übergehen. er ist halt in einer anderen Zeit aufgewachsen, man ändert ihn doch eh nicht mehr.
Dass aber auch ein Rentner seine Einstellungen noch einmal ändern und überdenken kann, sich auf die wirklich wichtigen Dinge wie Familie und seine Frau besinnen kann, das beweist Walter einem letzten Endes doch. Und allein dafür hat dieses Buch Applaus verdient, denn es ist der Beweis, dass sich manchmal die Mühe auch lohnt, einem älteren Menschen noch etwas beibringen zu wollen. Unter dem richtigen Druck entstehen eben doch Diamanten (oder doch zumindest Katzengold).