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Veröffentlicht am 21.02.2024

„Sie soll Muse sein, nicht Künstlerin.“

"Einige Herren sagten etwas dazu"
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„Man erkannte schlicht nicht, was die Autorinnen da taten, auch weil man es aufgrund geschlechtsbezogener Vorurteile und eigener Uberlegenheitsgefühle nicht von ihnen erwartete.“

Die Gruppe 47? Da fallen ...

„Man erkannte schlicht nicht, was die Autorinnen da taten, auch weil man es aufgrund geschlechtsbezogener Vorurteile und eigener Uberlegenheitsgefühle nicht von ihnen erwartete.“

Die Gruppe 47? Da fallen mir doch gleich ein paar Namen ein: Heinrich Böll, Günter Grass, Martin Walser… und Ingeborg Bachmann! Waren noch weitere Frauen dabei? Nach einigem Nachdenken fällt mir Ilse Aichinger ein.

Wie stand es eigentlich um die Autorinnen bei der Gruppe 47? Gab es noch weitere Teilnehmerinnen als die beiden genannten; die Aushängeschilder der Gruppe? Was haben sie bei ihrer Teilnahme vorgelesen? Wie haben die Zuhörenden (die übrigens fast ausschließlich Männer waren; zumindest die, deren Reaktion festgehalten wurde) reagiert? Und wie wurde das Werk der Autorinnen in der weiteren Rezeption dargestellt?

Nicole Seifert geht all diesen Fragen nach. Sie porträtiert in jedem Kapitel eine oder mehrere Autorinnen der Gruppe 47 in chronologischer Reihenfolge. Sie porträtiert dabei gleichzeitig die gesamte Gruppe. Beleuchtet ihren Hintergrund, ihre Gründungsgeschichte, die wichtigsten und bestimmenden Köpfe. Sie offenbart dabei auch die problematische Einstellung der Gruppe zur NS-Vergangenheit Deutschlands und ihren Umgang mit Exilliteratur.
Es ist nicht nur so, dass der Männeranteil - wie erwartet - überwog. Die wenigen Autorinnen, die eingeladen wurden, hatten es nicht einfach. Manch einer geladenen Frau gelang schon die Anreise nicht oder kaum (weil die patriarchalen Umstände eine Kinderbetreuung erschwerten). Die, die kamen und lasen, wurden von den zuhörenden Herren häufig nicht verstanden, gedemütigt und sexuell bedrängt. Vieles, das die Autorinnen schrieben, schien zu progressiv, zu anders zu neu. Einige der Autorinnen empfand man(n) als Gefahr.
Geschrieben wurde wenig bis gar nichts über die Teilnehmerinnen. Und wenn, dann zunächst darüber, wie sie aussahen und wie sehr sie die typisch femininen Kategorien (Fürsorglichkeit, Bescheidenheit, Attraktivität) bedienten.
Machte eine Frau in ihren Texten und ihrem Auftreten deutlich, dass sie die patriarchalen Strukturen (auch die der Gruppe) durchschaute, beschrieb man sie als gefährlich und berechnend. Ihrer Literatur begegnete man mit Unverständnis und Verachtung.
Eine schüchtern auftretende Frau dagegen wurde sehr auf ihr liebliches Äußeres reduziert und ihre Texte banalisiert.

Viele oder die meisten der Autorinnen der Gruppe 47 sind in Vergessenheit geraten, da sie in der Rezeption und im literarischen Kanon vernachlässigt wurden. Seifert hat sich auf ihre Spuren begeben und zeichnet in ihrem Buch eine extrem spannende und aufschlussreiche Geschichte der Gruppe 47. Und sie bietet uns die Möglichkeit zur (Wieder-) Entdeckung fantastischer Werke und Autorinnen!

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Veröffentlicht am 13.01.2024

It’s not you, it’s the patriarchy!

Not Your Business, Babe!
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„It’s not you, it’s the patriarchy!“

Verena Bogner sagt im Vorwort ihres Buches sich, dass sie, als sie in die Berufswelt einstiegt, von feministischen Themen keinen blassen Schimmer hatte. Sie wollte ...

„It’s not you, it’s the patriarchy!“

Verena Bogner sagt im Vorwort ihres Buches sich, dass sie, als sie in die Berufswelt einstiegt, von feministischen Themen keinen blassen Schimmer hatte. Sie wollte in der Businesswelt bestehen, hart dafür kämpfen, eine angesehene Karriere hinzulegen. Denn ist es nicht so, dass jede einzelne Frau einfach nur stark genug auftreten muss und für sich selbst kämpfen muss, dann kann sie es genau so weit bringen wie ein Mann?

Diese ehrliche Ansprache im Vorwort hat mich direkt gepackt und ich muss gestehen, dass ich mich in Bogners Worten wiedergefunden habe. Auch mir war lange nicht klar, wie wenig gleichberechtigt unsere Welt in Wirklichkeit (und auch hier in Deutschland) immer noch ist. Das Patriarchat besteht immer noch und es fordert auf komplexe und teilweise perfide Art die Unterdrückung von Frauen.

Besonders die Arbeitswelt ist immer noch eine Männerwelt. Die Frauen dürfen jetzt mitspielen, denn Fachkräfte werden eben dringend benötigt. Aber fordern dürfen sie für ihren Einsatz nichts, was sie bei den Männern als selbstverständlich beobachten dürfen: Eine gute Bezahlung, Aufstiegschancen, ernst genommen zu werden. Außerdem sollen sie sich - ohne es zu thematisieren oder erahnen zu lassen - nebenbei weiterhin um Reproduktion, Pflege von Babys und Angehörigen, den Haushalt und das private Wohl ihres lohnarbeitenden Mannes kümmern.

Der Kapitalismus und das Patriarchat gehen Hand in Hand.

Diese Perspektive ist es, die Verena Bogner in ihrem Buch aufarbeitet. Sie macht Zusammenhänge deutlich, die uns allen bewusst werden sollten. Sie analysiert also nicht nur, wie es um Frauen in der modernen Businesswelt bestellt ist, sondern kritisiert auch eine Arbeitswelt, in der es immer noch nicht ausreichend um „weiche“ Themen wie Work-Life-Balance und Fairness geht. Sie fordert wie so viele, mehr freie Zeit, mehr Miteinander, Umweltbewusstsein und Sinnhaftigkeit in unserer kapitalistischen Arbeitswelt.

Auch wenn es teilweise recht unstrukturiert scheint, gefällt mir Bogners Buch, das unterhaltsam und verständlich geschrieben ist. Es ist ein wichtiges Buch, das hoffentlich viele Leser*innen erreicht.

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Veröffentlicht am 20.11.2023

Für alle Klugscheißer und Besserwisser

Das Klugscheißerchen
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„Schade, dass es weg ist“, bedauerte Tina.
„Ja, ich war so aufgeregt wegen dem Klugscheißerchen“, sagte Theo traurig.
„Wegen des Klugscheißerchens“, verbesserte eine quäkende Stimme hinter ihm.

Die Geschwister ...


„Schade, dass es weg ist“, bedauerte Tina.
„Ja, ich war so aufgeregt wegen dem Klugscheißerchen“, sagte Theo traurig.
„Wegen des Klugscheißerchens“, verbesserte eine quäkende Stimme hinter ihm.

Die Geschwister Tina und Theo Theufel sind gerade gerade umgezogen und entdecken auf dem Dachboden ihres neuen Zuhauses ein kleines blaues Männchen, das alles besser weiß. Die beiden sind begeistert und möchten es ihrem Papa zeigen, der ihrer Meinung nach der größte Klugscheißer überhaupt ist.
Doch das Klugscheißerchen ist überzeugt, dass Erwachsene niemals wirklich echte Klugscheißer sind und nur die können es überhaupt sehen. Und schon lassen sich Tina und Theo auf eine Wette ein…

Das neue Buch von Marc-Uwe Kling ist bei uns eingeschlagen wie eine Bombe. Es lässt kleine und große echte Klugscheißer mitfiebern und mit-verbessern. Es kommt diebische Vorfreude auf, wenn eine Formulierung nicht sauber ist und man schon ahnen darf, dass jetzt gleich eine klugscheißernde Verbesserung folgt… Einzig der letzte Satz ist mir schwer von den Lippen gegangen… und zwar nicht nur, weil die Geschichte viiiel zu kurz ist.

Das leicht arrogante Kerlchen mit der großen schwarzen Brille macht einfach Spaß! Die Geschichte ist witzig und die Illustrationen von Astrid Henn (Das Neinhorn, Michel) zauberhaft. Was meinem Sohn besondere Freude bereitet hat, sind die Besserwisser-Fakten im Buchumschlag.

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Veröffentlicht am 06.11.2023

Die charmante und intelligente Biografie einer herausragenden Schriftstellerin

Tove Ditlevsen
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„Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich, wie tief Lyrik und Prosa einen Menschen ergreifen und Worte für etwas finden können, das sich mit der alltäglichen Sprache nur schwer ausdrücken lässt.“

So ...

„Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich, wie tief Lyrik und Prosa einen Menschen ergreifen und Worte für etwas finden können, das sich mit der alltäglichen Sprache nur schwer ausdrücken lässt.“

So schreibt es Jens Andersen in seiner Biografie über Tove Ditlevsen. Die Autorin hat den Literaturwissenschaftler mit ihrem Werk sehr beeindruckt, seinen Werdegang mit geprägt.

Auch mich hat das Dilevsen-Fieber gepackt, nachdem ich ihren Kurzgeschichtenband „Böses Glück“ gelesen hatte. Sie schreibt so eindringlich, humorvoll und gleichzeitig bitter und grausam.
Zu schade, dass bisher erst fünf ihrer Bücher ins Deutsche übersetzt wurden.

So kann man leider, wenn man ihr Werk auf Dänisch nicht kennt, nicht über alle Bücher mitreden, die in der Biografie erwähnt werden. Störend war das allerdings nicht, denn Andersen liefert Kurzzusammenfassungen und wichtige Textauszüge direkt mit, um sie dann in den Kontext ihres Lebens und seiner Biografie einzuordnen.

Man kann am Rande mitbekommen haben, dass Ditlevsen ein turbulentes Leben geführt hat. Immer nah an einer Katastrophe. Wie sehr sie aber quasi täglich gekämpft hat, wie schwierig ihre Kindheit und das Verhältnis zu ihren Eltern war, wie schwer sie sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen getan hat, das war mir vorher nicht bewusst. Andersen nimmt auch die Rezeptionsgeschichte ihres Werks und die Reaktion der Gesellschaft auf sie als Person kritisch unter die Lupe.

Heraus kommt am Ende eine sehr wohlgesonnene Biografie, die nichts zu verschleiern versucht, aber stets pietätvoll und charmant der großen Autorin gegenüber bleibt. Neben der Beschreibung Dilevsens Lebensweges, vermag es der Biograf sehr leichtfertig eine werkimmanente Analyse einiger Textauszüge anzubieten.

Der Name Jens Andersen ist übrigens kein unbekannter, denn er hat eine fantastische und sehr erfolgreiche Biografie über Astrid Lindgren geschrieben. (Etwas unbekannter ist hierzulande vermutlich seine Biografie über Hans Christian Andersen.)

Eine herausragende Biografie, die Fans von Tove Ditlevsen gefallen und auch Literaturwissenschaftler zufriedenstellen wird.

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Veröffentlicht am 28.10.2023

Viel mehr als eine Rezeptsammlung

Kocht mit Checker Tobi - Meine Lieblingsgerichte, Mitmach-Checks und Checker-Fragen rund ums Essen
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„Die wichtigste aller Regeln gilt allerdings in der Küche genauso wie an jedem anderen Ort auf der Welt: Sagt euch, wenn ihr was gut gemacht habt.“

Wenn Tobi Krell ein Kochbuch rausbringt, dann ist das ...

„Die wichtigste aller Regeln gilt allerdings in der Küche genauso wie an jedem anderen Ort auf der Welt: Sagt euch, wenn ihr was gut gemacht habt.“

Wenn Tobi Krell ein Kochbuch rausbringt, dann ist das natürlich viel mehr als nur eine Rezeptsammlung! In diesem recht dicken Buch gibt es deshalb neben den Lieblingsrezepten von Tobi viele Texte, Infos, Erklärungen, Checkerfragen und charmante Tipps, wie den eingangs zitierten.

Checker Tobi ist ein Vorbild für meinen Sohn. Er liebt die TV-Sendung und Filme mit ihm, hört den Podcast, und saugt all die Informationen auf, die dabei vermittelt werden. Ganz nebenbei steht Tobi Krell für ein demokratisches, kindgerechtes und zukunftspositives Weltbild, ohne die Probleme dieser Welt unter den Tisch zu kehren.

Und - so erstaunlich das klingt - sogar in seinem Kochbuch bleibt er sich treu und tritt wie oben beschrieben auf. Deshalb macht dieses Buch so einen Spaß. Man erfährt so viel über Lebensmittel, Essenskultur, Landwirtschaft, Anbau und Verarbeitung von Nahrungsmitteln… Von Tobis Lieblingsrezepten, über Party-Food, multikulturelle Rezepte, besonders gesunde Rezepte bis hin zu vegetarischen Rezepten ist alles dabei. Hier liegt aber auch mein Kritikpunkt: Ein Kapitel widmet sich zwar dem Thema vegetarische und vegane Ernährung und es wird auch deutlich gemacht, wie wichtig diese für uns, die Tiere und die Umwelt ist; allerdings ist die Menge an vegetarischen Rezepten überschaubar. Meiner Meinung nach hätte sich diese Message wie selbstverständlich durch das gesamte Buch ziehen müssen.

Wer das Interesse seiner Kinder an den Themen Essen und Kochen wecken oder unterstützen möchte, ist mit diesem Buch sehr gut beraten.

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