Starkes und aufrüttelndes Buch
Female Choice„Das, womit wir im Moment hadern, ist die Erkenntnis, dass die Zivilisation fast nur für eine Sorte Mensch funktioniert: den Mann.“ (3%)
Die Zivilisation hat ihren Beginn in der Landwirtschaft und dem ...
„Das, womit wir im Moment hadern, ist die Erkenntnis, dass die Zivilisation fast nur für eine Sorte Mensch funktioniert: den Mann.“ (3%)
Die Zivilisation hat ihren Beginn in der Landwirtschaft und dem damit verbundenen Sesshaftwerden der Menschen. Davor herrscht ein anderes Prinzip der „Gesellschaftsordnung“ - eines, das uns aus dem Tierreich sehr bekannt ist -, nämlich das der Female Choice:
Die Frauen wählen ihre Sexualpartner (dabei gehen 80% der Männer leer aus) und das Zusammenleben gestaltet sich um stillende Mütter und ihren Nachwuchs.
Die Zivilisation, in der wir auch heute leben, ist vom Mann gestaltet und gründet darauf, das Prinzip der Female Choice ausgehebelt zu haben.
Dabei spiegelt sich das natürliche männliche Konkurrenzbestreben in den künstlich geschaffenen Hierarchien der Gesellschaft und des Arbeitslebens wider. Allerdings können es durch ein Mittel wie Geld nun auch Männer an die Spitze schaffen, die eigentlich nicht das Zeug zum von der Frau erwählten Alphamännchen gehabt hätten. In diesem System - in der Öffentlichkeit - spielen Frauen keine Rolle. Sie werden auf die Männer aufgeteilt (jeder bekommt eine) und verschwinden in der Häuslichkeit. Dass nun im Prinzip jeder Mann mit einer Sexualpartnerin versorgt ist, sorgt weitestgehend für Ruhe und Frieden.
Meike Stoverock beschreibt so in ihrem Buch die geschichtliche Entwicklung unserer heutigen Gesellschaft. Als promovierte Biologin weiß sie aber auch die Prinzipien zu erklären, die der Sexualität der Menschen zugrunde liegen.
In ihrer Beschreibung liegt unheimlich viel Sprengkraft - ihre Analyse ist entlarvend und bestimmt auch eine bittere Pille für manch einen, der gerne am Bekannten festhalten möchte (und sei es nur gedanklich). Aber alle Behauptungen kann sie begründen und erläutern.
Für mich war die Lektüre dieses Buches nicht nur mit einem hohen Erkenntnisgewinn verbunden, sondern auch mit viel Spaß: Dieses Sachbuch ist unterhaltend und humorvoll, denn der Ton der Autorin ist frech und sehr deutlich.
Die Autorin spricht dabei viele wichtige Themen an: Religion, die moderne Lohnarbeit, Mutterschaft und die Rolle der Frau, unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse, hormonelle Verhütung, die Errungenschaften des Feminismus…
Dass der Feminismus schon einige wichtige gesellschaftliche Verbesserungen für Frauen erreicht hat, macht sie genau so deutlich wie sie es in den zeitlichen Kontext zu setzen weiß, dass da noch vieles kommen muss und wird. Dabei fordert sie nicht, dass zum Prinzip der Female Choice zurückgekehrt wird, wie es vor dem Sesshaftwerden des Menschen vorherrschte. Denn sie sagt auch sehr deutlich, dass dieses Prinzip in unserer modernen Zivilisation für Aggressivität und Gewalt sorgen würde.
Im letzten Viertel des Buches versucht Stoverock eines Ausblick zu geben, wie eine Gesellschaft funktionieren kann, in der die Frau eine aktive Rolle hat und selbst über ihre Sexualität bestimmt. Sie nennt dabei einige Ideen - auch, um die potentielle Gewalt abzufedern (die man übrigens heute schon beobachten kann, Stichwort „Incels“). Und diese Vorschläge waren mir größtenteils eher suspekt.
Das ist auch der Grund, warum ich diesem starken und wirklich gut argumentierten Sachbuch nur vier von fünf Sternen geben möchte.
Darüber hinaus lohnt es sich aber sehr, dieses Buch zu lesen, weil es die Gedanken öffnet und Mut macht.