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Veröffentlicht am 09.07.2023

„Noch nie waren Sparsamkeit und Vernunft so romantisch gewesen.“

Eine Lady hat die Wahl
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Vor einem Jahr habe ich den ersten Teil der „Lady’s Guide“ –Serie von Sophie Irwin gelesen.
Mit „Wie man sich einen Lord angelt“ hatte die Autorin den Auftaktband zu einer Regency – Romance ...

Vor einem Jahr habe ich den ersten Teil der „Lady’s Guide“ –Serie von Sophie Irwin gelesen.
Mit „Wie man sich einen Lord angelt“ hatte die Autorin den Auftaktband zu einer Regency – Romance – Reihe vorgelegt. Die Geschichte rund um Katherine „Kitty“ Talbot fand ich ganz amüsant. Nun ist der Folgeband ins Deutsche übertragen worden. Wenn man bedenkt, dass Irwin anfangs aus „Persuasion“ zitiert, wird klar, an welchem Vorbild sich „Eine Lady hat die Wahl“ orientiert.
Das Endergebnis erinnert aber eher an „Bridgerton“ als an Jane Austen (oder an Georgette Heyer). Regency Era meets Wokeness?
„Eine Lady hat die Wahl“ spiegelt den Zeitgeist, es gibt eine Dreiecksbeziehung und auch ein gleichgeschlechtliches Liebespaar.

Worum geht’s?

Die Protagonistin wird zunächst als Kind ihrer Zeit eingeführt, welches den gesellschaftlichen Erwartungen entsprach, indem es eine Vernunftehe einging.
Als die unsichere Eliza Balfour unverhofft ein Vermögen erbt (nie hätte sie gedacht, dass ihr distanzierter Ehemann Lord Somerset, der immerhin zwanzig Jahre älter als sie war, sie als Haupterbin einsetzen würde), stehen ihr theoretisch alle Türen offen, die Erbschaft ist jedoch an gewisse Bedingungen geknüpft. Daher entschließt sich die schüchterne junge Frau dazu, mit ihrer Cousine Margaret nach Bath zu reisen. Als der offene Landauer mit einer anderen Kutsche kollidiert, lernt sie den berüchtigten Max Melville kennen, der ihr schon bald den Hof machen soll. Doch es gibt da noch den jungen Lord Somerset, Elizas Jugendliebe. Für welchen Mann wird die Heldin sich entscheiden? Oder entscheidet sie sich am Ende gar für sich selbst?
Wenn Figuren einer längst vergangenen Ära sich wie Menschen des 21. Jahrhunderts verhalten, ist dies ahistorisch. Wenn ich eine moderne Geschichte lesen will, greife ich in der Regel nicht zu einem historischen (Liebes)roman. Ich hätte mir auch eine filigranere Figurenzeichnung gewünscht, dann hätte ich mit den Helden richtig mitfiebern können. Als Autorin hätte ich den plot gestrafft, noch mehr Witz und Tempo wären auch nicht schlecht gewesen, obwohl die story ganz unterhaltsam ist. Die Wortgefechte, die sich Eliza und Lord Melville liefern, verleihen der Erzählung Würze.

Fazit:
„Eine Lady hat die Wahl“ kommt leider nicht ganz an „Wie man sich einen Lord angelt“ heran. Der zweite Band einer Reihe ist aber eine nette Lektüre für Zwischendurch.

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Veröffentlicht am 04.07.2023

Zeitverschwendung

Stranded - Die Insel
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Auf die Lektüre von Sarah Goodwins „Stranded - Die Insel“ habe ich mich unheimlich gefreut, da der Klappentext so spannend klang! Ich stellte mich auf einen packenden Survivalthriller ein.
Worum geht’s? ...

Auf die Lektüre von Sarah Goodwins „Stranded - Die Insel“ habe ich mich unheimlich gefreut, da der Klappentext so spannend klang! Ich stellte mich auf einen packenden Survivalthriller ein.
Worum geht’s?
Für die junge Madeleine, genannt Maddy, ist die Teilnahme an einem TV-Experiment die Erfüllung all ihrer Träume – auf einer abgelegenen schottischen Insel sollen acht Menschen, die sich nie zuvor gesehen haben, ein Jahr lang mit primitivsten Mitteln überleben. Doch am Ende soll lediglich Maddy die Insel lebend verlassen. In einem Interview soll sie enthüllen, wie ihr das gelungen ist…
Die Protagonistin wird von Anfang an als unzuverlässige Erzählerin eingeführt. Als Kind von ‚Helikoptereltern‘ gelingt ihr die Abnabelung vom Elternhaus mit Schwierigkeiten, selbst nach dem Biologie - Studium will vor allem die besitzergreifende Mutter, dass ihr Kind wieder zuhause einzieht. Als die Eltern bei einem Autounfall sterben, bleibt der Hauptperson nur die Einsamkeit. Auch im ungeliebten Job hat Maddy kaum Kontakt zu Kollegen & Freunde hat sie erst recht nicht. Als Leser (m/f) wartet man die ganze Zeit darauf, dass sich die Protagonistin als Monster entpuppt. Das Inselexperiment ist für sie die perfekte Abwechslung vom eintönigen Alltag. Der Einstieg in den Roman gestaltet sich eher zäh, die Konflikte sind vorhersehbar. Zwar sind ein paar Survivaltechniken interessant, die Figuren sind aber sehr schematisch gestaltet. Ich brauchte ein paar Anläufe, da sich auch der Mittelteil in die Länge zog, es gab Wiederholungen. So etwas wie Spannung kam erst ganz gegen Ende auf, der große Knall blieb aber aus. Maddy wird schnell zur Außenseiterin, sie soll die Gruppe verlassen (wirklich sympathisch ist keine Figur). Das wird aber nicht mit unterschwelliger Spannung geschildert, überhaupt ist das Ganze kein richtiger Thriller, und ein „Kniff“ wird mehrmals verwendet. Insgesamt war ich von der Geschichte enttäuscht, es gibt weder psychologischen Tiefgang noch actionreiche Sequenzen. Vielleicht hätte ich doch meinem ersten Impuls folgen und die Lektüre abbrechen sollen, da es auch Logikfehler und plot holes gab. Ich hatte das Gefühl, dass es bei der Autorin am Handwerklichen hapert.

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Veröffentlicht am 02.07.2023

(Un)schöne neue Welt

I’m a Fan
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„I’m a Fan“ der britischen Autorin Sheena Patel (sie hat indische Wurzeln, gehört aber nicht zur Gen Z) ist im Kern eine Gesellschafts- und Medienkritik. Die junge Filmschaffende aus London kommentiert ...

„I’m a Fan“ der britischen Autorin Sheena Patel (sie hat indische Wurzeln, gehört aber nicht zur Gen Z) ist im Kern eine Gesellschafts- und Medienkritik. Die junge Filmschaffende aus London kommentiert und spiegelt darin den Zeitgeist. Bestehende Machtstrukturen werden hinterfragt, Marginalisierung, Rassismus & Klassismus spielen eine Rolle, aber auch die allgegenwärtige Nabelschau und das bequeme virtue signalling der Eliten.
Worum geht’s?
Die namenlose nicht-weiße Erzählerin (die selbst in einer Beziehung ist) stalkt eine Frau auf Instagram, außerdem gibt es da den Mann, mit dem sie „zusammen sein will“. Für ihn ist die Erzählerin nur eine Nummer, und wenn die beiden irgendwo sind, wo jemand seine „Frau […] kennt“, ist es schnell vorbei mit dem Date. Hier werden selbst die Betrüger (bzw. Seitenspringer) betrogen. Hängt das soziale Kapital davon ab, wen man kennt? Die Erzählerin ist den Objekten ihrer Begierde in einer Art Hassliebe verbunden. Im Roman verschwimmt teilweise die Grenze zwischen Sozialneid und valider Kritik. Die Erzählerin beklagt, dass sie „Türen einschlagen“ müsse, während diese sich für die weiße Influencerin (die die neue Gespielin des Mannes ist, mit dem die Erzählerin zusammen sein will) wie selbstverständlich öffneten. Ich bin mir nicht sicher, ob der Roman eine Persiflage auf identitätspolitische Forderungen ist, oder eine Art marxistisches Manifest. Ich selbst bin überhaupt kein Fan der dogmatischen Critical Race Theory. (Ist die Tatsache, dass die Autorin dem Kollektiv „4 Brown Girls Who Write“ angehört, ein Hinweis? Andererseits soll ja das lyrische Ich nicht mit dem Autor (m/f) verwechselt werden, laut Literaturtheorie). Wenn im Text vom „lebendigen Puls des Faschismus“ die Rede ist, ist das meines Erachtens aber arg dick aufgetragen.
Handwerklich gibt’s aber nicht viel zu Meckern. Wörtliche Rede wird nicht als solche gekennzeichnet, dieses Stilmittel mag ich sehr. Die kurzen Kapitel mit den catchy Überschriften passen zur Grundstimmung der Geschichte. Ich mag auch die These, dass selbst menschliche Beziehungen mittlerweile einem kapitalistischen Prinzip folgen, und nicht etwa einem humanistisch-christlichen Menschenbild (was ich schade finde). Der feministische Aspekt des Romans ist auch stark, da ist einerseits von „ungefragt geschickten Schwanzbildern“ die Rede, andererseits scheint eine Frau, wenn der (Alpha)Mann nicht mehr mit ihr schlafen will, regelrecht unsichtbar zu sein, als sei sie nicht existent. Die Ich - Erzählerin glaubt, mit dem richtigen Mann ihr „richtiges Leben“ anfangen zu können, sie scheint mit ihrem Freund und mit ihrem Leben& ihrem Job (vor allem, wenn sie sich die in den sozialen Medien propagierte glamouröse Welt ansieht) unglücklich zu sein. Sie fühlt sich wie ein Niemand, und so gibt es auch kein Entkommen aus der mehr als dreijährigen Abhängigkeitsbeziehung zum Mann, mit dem sie eigentlich zusammen sein will. Der Mann, den sie will, wird nie „nur allein“ ihr gehören, und sie wird (auch durch eigenes Zutun) stets ein Objekt sein. Das offene Ende des Romans ist nur konsequent!

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Veröffentlicht am 28.06.2023

Mord an Mittsommer

Refugium
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„Julia Malmros, back in the game.”

Den schwedischen Bestseller gibt es endlich auf Deutsch:
Mit „Refugium“ hat John Ajvide Lindqvist den Auftakt zur „Stormland“ – Trilogie vorgelegt. Eigentlich bin ich ...

„Julia Malmros, back in the game.”

Den schwedischen Bestseller gibt es endlich auf Deutsch:
Mit „Refugium“ hat John Ajvide Lindqvist den Auftakt zur „Stormland“ – Trilogie vorgelegt. Eigentlich bin ich niemand, der sich von der Umschlaggestaltung eines Buches zum Kauf verleiten lässt – hier ist das Cover aber ein echter „Hingucker“!
Worum geht’s?
Kim Ribbing und Julia Malmros ermitteln zum ersten Mal gemeinsam, ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen.
Julia ist Polizistin und Schriftstellerin (sie soll eine Fortsetzung des ‚Millenium‘-Krachers fabrizieren), Kim ist ein Hacker (ein Multitalent sowieso, mir kam eine bekannte fiktionale Hackerin in den Sinn). An Mittsommer 2019 wird eine Partygesellschaft regelrecht hingerichtet, nur Astrid Helander (die Tochter der Familie) überlebt, als Zeugin taugt sie aber leider nicht, das Mädchen ist so schwer traumatisiert, dass es verstummt. Zunächst ist Julias Exmann Johnny für den Fall verantwortlich. Doch bald schon spitzen sich die Ereignisse zu, und es beginnt eine fieberhafte Suche rund um den Globus…

Natürlich hat John Ajvide Lindqvist das Rad nicht neu erfunden, wenn man sich das Grundgerüst (oder auch das „Personal“) der Geschichte anschaut. Einsamer Wolf, eine Dichterin mit Schreibblockade! Der routinierte Erzähler kann jedoch mit einem eingängigen Stil und mit frischen Ideen punkten. Stellenweise ist das Ganze zwar nichts für schwache Nerven, aber es ist wenigstens nicht die ganze Zeit ein Splattermovie in Buchform wie bei Chris Carter. Auch ist die Figurenzeichnung feiner als bei Carter – da es sich bei „Refugium“ um einen Auftaktband handelt, erfährt man als Leser relativ viel über den Hintergrund der Protagonisten, und man soll als Leser (m/f) „angefixt“ werden, also Lust auf weitere Bände der Reihe bekommen. „Sitzfleisch“ kann ebenfalls nicht schaden, da die spannende Story erst nach 524 Seiten auserzählt ist. Die Handlung ist jedoch „am Puls der Zeit“, wie man so schön sagt. Die Kapitel an sich sind eher kurz, und am Ende werden alle Erzählfäden zufriedenstellend zusammengeführt.

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Veröffentlicht am 27.06.2023

„Dejan Mirtić hat einen Kopierer“

18 Kilometer bis Ljubljana
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Slowenien, das ist die Kultband Laibach, das ist die Höhle von Postojna, das sind Bled & Bohinj,Ivan Cankar, Edvard Kardelj und die Lipizzaner. Aber zu Slowenien gehören auch die bosnischen Gastarbeiter(kinder), ...

Slowenien, das ist die Kultband Laibach, das ist die Höhle von Postojna, das sind Bled & Bohinj,Ivan Cankar, Edvard Kardelj und die Lipizzaner. Aber zu Slowenien gehören auch die bosnischen Gastarbeiter(kinder), die eben keine ethnischen Slowenen sind und die oft am Rand der Gesellschaft stehen & von der Mehrheitsgesellschaft abwertend „Tschefuren“ (‚Kanaken oder Tschuschen‘) genannt werden.
In „18 Kilometer bis Ljubljana“ erzählt der Ich-Erzähler Marko Đorđić seine Geschichte. Der in Slowenien geborene Sohn bosnisch – serbischer Gastarbeiter lebt zunächst im slowenischen „Ghetto“ Fužine (bei Ljubljana), um dann bei Verwandten in Bosnien zehn Jahre lang unterzutauchen. Bei seiner Rückkehr nach Slowenien muss er feststellen, dass sein Vater an Krebs erkrankt ist und dass einer seiner besten Freunde (ein Ex-Junkie) Wahhabit geworden ist. Marko durchlebt eine existentielle Krise, der Roman ist insgesamt auch einen Nationalismus – Kritik (der Protagonist nennt etwa Albaner ironisch „Schippis“, Kroaten sind „Ustascha“.) Political Correctness darf man hier nicht erwarten (sehr erfrischend), und manche Passagen wirken auf manche Leser und Leserinnen eventuell misogyn. Basketball spielt eine große Rolle. Es wird viel geflucht, was dazu führen kann, dass man beim Lesen nach einer Zeit mental „mit den Augen rollt.“ Andererseits wirkt das Ganze immer authentisch, man glaubt wirklich, dass hier ein 28jähriger von seiner wilden Jugend berichtet. Oft ist das Ganze brüllend komisch („Er sah aus, als würde er auf Skiern springen, der Arsch.“), stellenweise aber auch anrührend und weise. Als Markos Großmutter etwa hört, dass in Fužine ein Seniorenheim gebaut wurde, graut ihr vor dem Ort, „wo sie die Alten in Heime stecken wie in ein Gefängnis.“ Marko stellt weiters fest: „Die Altersheime sind für sie der Beweis, dass die Partisanen verloren haben und dass die Menschen nicht mehr zählen, nur das Geld zählt noch.“
Bei der Lektüre des Romans kommt man ins Grübeln, man fragt sich, ob Mitteleuropa wirklich so fortschrittlich ist („Das Festnetz ist bei den Tschefuren ein Familienmitglied, wie Hunde und Katzen bei den Slowenen.“), wenn man vom wirtschaftlichen Erfolg einmal absieht. Die Geschichte gleitet aber an keiner Stelle ins Weinerliche ab. Die große Stärke des Romans ist die Figurenzeichnung, und die Geschichte ist mehr als eine „Ex-Jugo-Ballade“, ich denke, dass die story Gastarbeiterkinder oder auch Migrantenkinder allgemein berühren wird. Die deutsche Übersetzung ist stellenweise zu wörtlich (man sieht nicht etwas „aus dem Flugzeug“, sondern schon von Weitem, etwas ist glasklar. Es heisst „alles der gleiche Scheiß“ und nicht „derselbe Schwanz“(Pos.24), da im Deutschen im Gegensatz zu den meisten slawischen Sprachen die meisten Flüche eben nicht genital konnotiert sind. Es gibt im Text Austriazismen wie „Häfen“ für den Knast, das Gefängnis und „Tschick“ für die Kippe bzw. den Zigarettenstummel, ein Turzismus wird nicht ins Deutsche übersetzt, warum eigentlich, wenn man als Leser weiß, dass ein Bettlaken gemeint ist, wirkt der Text meines Erachtens etwas anders.
Bei „18 Kilometer bis Ljubljana“ handelt es sich wohl um eine Fortsetzung. Ich habe Lust bekommen, auch den ersten Band rund um das Kind von Binnenmigranten in Slowenien („Tschefuren raus!“) zu lesen.

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