Profilbild von kayla

kayla

Lesejury Star
offline

kayla ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit kayla über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.02.2023

Filmreife Szenen?

With All My Heart
0

„Fallen Dreams“ von Samantha Young gefiel mir richtig gut. Auch „Boston Nights“ hat mich gut unterhalten. Ich greife daher gern zu Youngs Büchern, wenn ich einen New-Adult-Roman lesen will, das NA-Genre ...

„Fallen Dreams“ von Samantha Young gefiel mir richtig gut. Auch „Boston Nights“ hat mich gut unterhalten. Ich greife daher gern zu Youngs Büchern, wenn ich einen New-Adult-Roman lesen will, das NA-Genre ist ideal zur Entspannung, wenn man mal abschalten will und keine stilistischen Finessen nach Art eines Thomas Mann erwartet; hier besteht die story aus mehreren Teilen, das Cover ist zum Glück frei von „Nackenbeisser“- Ästhetik, ich mag’s.
Jeder neue Roman der Autorin wandert auf meine Leseliste, so auch „With all my heart“. Ich wundere mich darüber, dass der englische Originaltitel durch einen anderen englischen Titel (für die deutsche Übersetzung) ersetzt wird, im Englischen heißt der Roman „Black Tangled Heart“ & er ist eigentlich der dritte Teil der „Play On“ – Reihe, da man die Bücher aber gut als Einzelbände lesen kann, ist es nicht wichtig, ob man die anderen Teile schon gelesen hat. In dem Genre wird gerne mit Tropen gearbeitet – hier bekommen Liebende eine zweite Chance und irgendwie ist es auch eine „Enemies – to – Lovers“ – Beziehungskiste, Kunst spielt auch eine große Rolle in der Geschichte und natürlich die große Liebe.
Worum geht’s?
Das „Lieschen Müller“ Jane Doe (ehemalige Margot Higgins) wächst bei einer Pflegefamilie auf,sie hat bereits mehrere „Stationen“ durchlaufen, daher ist es nicht verwunderlich, dass sie eine introvertierte Einzelgängerin wird, die gerne zeichnet. Alles ändert sich, als sie als Teenager in Kalifornien die McKenna - Schwestern kennenlernt, die nebenan einziehen. Das Mädchen findet Freunde, und besonders der Bruder von Lorna und Skye hat es ihr angetan, Jane ist bis über beide Ohren in Jamie verknallt & schwärmt heimlich für ihn. „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“, das wusste schon Jürgen Marcus. Lorna wird Janes beste Freundin, die Teenie - Freundschaft ist nicht frei von Konkurrenz & Jane soll nach Lornas Willen nicht den dominanten Part einnehmen. Diesen Aspekt – Jugendfreundinnen, die einander zum Beispiel dem Schwarm ‚ausspannen‘, Eifersucht, Besitzanspruch, die Asymmetrie hat Samantha Young gut eingefangen, schreiben kann die Autorin.
Doch (wie könnte es in dem Genre anders sein) eine Tragödie zerstört die scheinbare Idylle (die Protagonisten haben eigentlich schon von Anfang an ihr Päckchen zu tragen, aber gut). Alle Figuren werden von dem Ereignis tangiert, doch Jamie verändert sich völlig und schwört sozusagen blutige Rache. Edmond Dantès, anyone?! Manchmal denke ich, dass die Literaturgeschichte ein Segen für New Adult- Autorinnen ist.
„With all my heart“ ist eine (melo)dramatische Liebesgeschichte mit einer gehörigen Portion Erotik, man sollte also nicht prüde sein, sonst wird man an der story keine Freude haben. Sind New - Adult -Romane Seifenopern oder Kitschfilme in Buchform? Ich stelle fest, dass Samantha Youngs Romane mit jeder Veröffentlichung einen Tick trivialer werden, schade eigentlich. Vielleicht sollte sie sich wieder auf ihre „Jamaica Lane“ – Anfänge besinnen? Jamie und Jane und das übrige „Personal“ sind als Figuren leicht überzeichnet, Klischees gehören in dem Genre fast schon zur „Grundausstattung“, es kommt halt auf die Dosierung und auf das Feintuning an. Weniger ist manchmal mehr, so auch hier.
Dies zum Inhalt. Gewundert habe ich mich aber auch über die Formalia, die deutsche Übersetzung ist leider schlampig, wo im Englischen von „male“ respektive „female dancers“ die Rede ist, werden im Deutschen „männliche Tänzer" und „weibliche Tänzerinnen“ daraus, aus dem Kontext geht hervor, dass die Kostümierung jeweils die Weiblichkeit bzw. die Männlichkeit betonen soll, daher finde ich die Übersetzung holprig. Auf Seite 13 fehlt bereits ein Wort: „In meiner früheren Schule gab [sic!] keine Cliquenwirtschaft dieser Art.“ Ein bisschen mehr Sorgfalt, bitte! Auch wenn es sich „nur“ um einen Liebesroman mit steamy Szenen handelt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.01.2023

Spätzle & Couscous

Bissle Spätzle, Habibi?
0

„Für einen Moment bin ich wieder sechs Jahre alt, und es ist mein erster Schultag. Baba legt mir eine riesige Schultüte in die Arme und und zupft lächelnd das brandneue Rüschenkleid zurecht. ...

„Für einen Moment bin ich wieder sechs Jahre alt, und es ist mein erster Schultag. Baba legt mir eine riesige Schultüte in die Arme und und zupft lächelnd das brandneue Rüschenkleid zurecht. Es ist das Lächeln, in dem sowohl Liebe als auch immenser Stolz mitschwingt, und für das ich auch 24 Jahre später alles tun würde.“

Die 1990 geborene Musicaldarstellerin Abla Alaoui hat mit „Bissle Spätzle, Habibi?“ ihren ersten Roman veröffentlicht.

Worum geht’s?

Eine Deutsche mit marokkanischem Migrationshintergrund hat’s schwer -
ihre Schwester Meryem ist so gut wie unter der Haube, während die dreißigjährige Amaya immer noch Single ist. Ihrer marokkanischen Familie zuliebe meldet sich die Protagonistin auf einer Dating- App für Muslime („Minder“) an, wo sie prompt einen scheinbar geeigneten Kandidaten trifft. Doch es ist nicht Ismael, für den Amayas Herz schlägt, sondern sein Freund, der Schwabe Daniel…
Mit großem Vergnügen habe ich „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ von Jan Weiler gelesen. Auch der Film „My big fat greek wedding“ gehört zu meinen Favoriten. Ganz so klamaukig und locker-flockig ist Abla Alaouis „Bissle Spätzle, Habibi?“ nicht, aber der Migrations-Roman ist auch nicht so ernst und literarisch „ausgefuchst“ wie Fatma Aydemirs „Dschinns“ oder Martin Kordićs „Jahre mit Martha“.
Dennoch werden in „Bissle Spätzle, Habibi?“ auch Probleme weiblicher Migranten thematisiert, die Autorin zeigt, wie schwierig es für junge muslimische Frauen sein kann, zwischen den Welten zu leben und mit verschiedenen Kulturen zu „jonglieren“. Es wird aber auch gezeigt, dass Integration schon durch Interaktion gelingen kann – Amayas beste Freundin Klara ist dafür das beste Beispiel. Scheinbar muss so etwas immer noch lustig ‚verpackt‘ und als humorvolle Lektüre beworben werden, um für den deutschen Mainstreammarkt interessant zu sein?
Viele Leser werden sicher enttäuscht sein, wenn sie entdecken, dass es in dieser Culture-Clash-Komödie tiefgründige und auch gesellschaftskritische Passagen gibt, ich war es nicht. Obwohl ich kein Arabisch verstehe, gefielen mir die zusätzlichen arabischen Kapitelüberschriften und die im Text eingestreuten Ternini sehr gut, sie verleihen der Geschichte Authentizität. Es geht um die Erwartungen von Amayas Eltern und um die innere Zerrissenheit Amayas – einerseits möchte sie „westlich“ leben, andererseits ist auch der Islam und ihre Herkunftskultur Teil ihrer Identität. Ich konnte aber auch (obwohl ich keine Muslima bin) die Sorgen und Nöte der Familie der Protagonistin irgendwie verstehen. Der Roman gibt neben der Haupthandlung auch einen kleinen Einblick in die Geschichte der Gastarbeit in der Bundesrepublik Deutschland, die Erzählerin erwähnt so auch den Versuch der BRD, während der ersten Ölkrise 1973 die Gastarbeiter (wie Gäste und nicht wie Menschen) wieder in die Heimat zu schicken. Es wird jedoch keine detaillierte Analyse geliefert, es ist nicht von den Rückkehrprämien und Kündigungen die Rede. Insofern ist „Bissle Spätzle, Habibi?“ eine story, die den Leser oder die Leserin einerseits zum Nachdenken anregt und andererseits gut unterhält - ein bewährtes und bekanntes „Strickmuster“ in der Migrantenliteratur.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.01.2023

Eine Abrechnung

Reserve
0

„Sie schrieb: ‚Das ist kein Ersatzmann. Keine Reserve.‘ “

Zusammen mit J.R. Moehringer hat Prinz Harry seine Autobiografie vorgelegt. In „Reserve“ schreibt er sich ohne Rücksicht auf Verluste alles von ...

„Sie schrieb: ‚Das ist kein Ersatzmann. Keine Reserve.‘ “

Zusammen mit J.R. Moehringer hat Prinz Harry seine Autobiografie vorgelegt. In „Reserve“ schreibt er sich ohne Rücksicht auf Verluste alles von der Seele. Eine Abrechnung mit dem britischen Königshaus? Es ist erstaunlich, dass ein Mann, der so oft gegen die Presse wettert, die Öffentlichkeit förmlich sucht. Ein Oprah Winfrey – Interview war der erste Schritt in Sachen Seelenstriptease, bald folgte eine Netflix-Dokumentation und nun also eine Autobiografie, die in gewisser Weise an Prinzessin Dianas „True Story- in her own words “ anschließt. Überhaupt ist Diana omnipräsent in Harrys Werk, wer erinnert sich nicht an den kleinen Jungen, der zusammen mit seinem Bruder William hinter dem Sarg der tödlich in Paris verunglückten Mutter herging? Ich muss zugeben, dass mir Harry in der Vergangenheit immer sympathisch war, die Palast – PR war genial – Harry, der Lausbub, one of the lads.
Mit seinem „Outing“ dekonstruiert und zerstört Harry dieses Bild völlig. Einerseits ist es verständlich, dass der Windsor – Spross seine Seite der Geschichte erzählen will, andererseits wäre es nicht nötig gewesen, intime Familiengeheimnisse auszuplaudern und zu einem Rundumschlag gegen Höflinge, Hofzeremoniell und - Protokoll auszuholen. Da die britische Königsfamilie nach dem Motto „never complain, never explain“ verfährt, dürfte Henry (er gibt im Buch den Spitznamen „Harold“ preis) klargewesen sein, dass seine Familie nichts dementieren würde. Er lamentiert über die Ungerechtigkeit eines dynastischen Systems und über die Weigerung der Krone, für seinen Sicherheitsdienst im Ausland zu bezahlen. Er schreibt, er sei förmlich gezwungen gewesen, aus Großbritannien zu flüchten. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen auf der Welt vor Krieg und Katastrophen flüchten müssen, ist die Aussage eines in Los Angeles lebenden Multimillionärs kurios. Harry widerspricht sich und seiner Frau auch, ohne es zu merken. Überhaupt wirft die Autobiografie kein gutes Licht auf den Royal, dies war sicher nicht die Intention des Autors. Mit seiner Drogenbeichte tut sich Harry sicher keinen Gefallen, auch wenn sie ihn menschlich macht. „Reserve“ ist in drei Teile gegliedert – Kindheit, Militärzeit, Meghan könnten die Überschriften lauten. Teilweise hatte ich beim Lesen Mitleid, wenn von PTSP und Panikattacken die Rede ist. Ich kann verstehen, dass er seine Stiefmutter nicht sympathisch findet. Schade nur, dass der Erzähler nicht erkennt, wie privilegiert er ist. Er jettet ständig um die Welt, man fragt sich, wie dies mit dem Thema „Umweltschutz“ vereinbart werden kann. Formal gesehen gibt es banale und melodramatische Passagen, man wundert sich über die Stilbrüche im Buch und über die unfreiwillige Komik, über hochtrabende Formulierungen. Interessant fand ich, dass Harry anführt, dass seine Mutter einerseits liebevoll und andererseits sehr distanziert gewesen sei. Insgesamt gesehen ist Diana – Thematik im Buch sehr dominant, man hätte dem Prinzen bessere Berater und auch bessere Lektoren gewünscht, es gibt unfreiwillige Komik, manche Kritikpunkte wirken sehr kleinlich, etwa wenn es darum geht, dass der ältere Bruder die größere Hälfte eines Zimmers bewohnen durfte. Es ist nötig & verständlich, dass er rassistische Untertöne in der Presse seiner Frau gegenüber verurteilt, aber es ist seltsam, dass das Paar nicht (wie angekündigt) zurückgezogen leben will. Bezeichnend ist, dass Harry im Nachwort nur seiner neuen Familie dankt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.01.2023

In geheimer Mission

Northern Spy – Die Jagd
0


„Er hat zwar vor, morgen jemanden zu ermorden, aber er wird keine Drinks aus einer Selbstbedienungsbar stehlen.“

Dieser Thriller ist im Kern ein Roman über starke Frauen. Die Handlung findet in Nordirland ...


„Er hat zwar vor, morgen jemanden zu ermorden, aber er wird keine Drinks aus einer Selbstbedienungsbar stehlen.“

Dieser Thriller ist im Kern ein Roman über starke Frauen. Die Handlung findet in Nordirland mit Beginn in den Nullerjahren (gegen Ende auch in der Republik Irland) statt.
Worum geht’s?

Die allerziehende Tessa ist Produzentin von politischen Radiosendungen beim Belfaster BBC – Ableger. Ihre Mutter und ihre Schwester Marian hüten ihr Söhnchen Finn, wann immer es nötig ist. Zu ihrem Exmann Tom hat sie kein enges Verhältnis mehr. Marian ist Sanitäterin, die Mutter der Schwestern arbeitet als Reinigungskraft.
Als die britische Polizei Tessa zu Marians angeblicher IRA – Mitgliedschaft befragt, fällt Tessa aus allen Wolken. Ihre friedliebende Schwester soll eine Terroristin sein?! Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit…

Tessa ist eine Ich - Erzählerin, die den Leser mit ihrem Bericht absolut fesselt. Der Roman ist durchweg spannend, die Erzählweise der Autorin gefiel mir gut. Man sollte jedoch keinen Thriller erwarten, bei dem es Schlag auf Schlag geht. Richtige „Action“ gab es erst, nachdem ich circa sechzig Prozent des E-Books gelesen hatte. Besonders gut gefiel mir die Figurenzeichnung – ein Kleinkind ist ein absolut glaubwürdiger Protagonist, die Autorin beschreibt die Mutter – Kind – Beziehung intensiv, aber völlig kitschfrei. Der Stil kann überzeugen, auch wenn es Wortwiederholungen wie „großartig“ und Sätze wie „Wir lebten auf einem Pulverfass“ gibt.
Der Thriller ist im Prinzip ein Kommentar zum Nordirlandkonflikt, die Autorin setzt ein gewisses Vorwissen voraus, ihre Beschreibung der Ereignisse ist jedoch fast ein wenig ahistorisch – die Troubles und das Karfreitagsabkommen aus dem Jahre 1998 werden erwähnt, und doch könnte der Handlungsverlauf mit den kriegsähnlichen Zuständen aus der heißen Phase des Konflikts stammen. Bekannte Schlagworte werden genannt, etwa die „große Hungersnot“. Außerdem fiktionalisiert die Autorin
das Bombenattentat auf Lord Mountbatten aus dem Jahr 1979 und verlegt es aus dramaturgischen Gründen sozusagen in die Zukunft (es ist natürlich nicht Mountbatten der im Roman stirbt, aber für mich ist es fast lazy writing). Das wäre alles kein Problem, wenn „Northern Spy - Die Jagd“ (der Titel ist zugleich Wortspiel und Spoiler) ein Fantasyroman wäre. Die Autorin liefert wie gesagt Erklärungsansätze, die nicht ganz falsch sind – ökonomisches Ungleichgewicht, konfessionelle Spannungen, Diener und Herren, protestantische und katholische paramilitärische Gruppen werden angeführt. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem MI5 und der IRA ist ein Grundpfeiler der Geschichte. Die Autorin benennt das Hauptziel der Terroristen („Ein Vereinigtes Irland, die Demokratische Sozialistische Republik Irland, wird dann ein Stück näher gerückt sein.“).
Dennoch ist das Ganze für meinen Geschmack nicht detailliert genug, man kann nach der Lektüre leicht einen nicht ganz richtigen Eindruck gewinnen, daher sollte man den Roman keinesfalls als geschichtswissenschaftliche Quelle nutzen. Protestantische Terrorgruppen und deren Ziele kommen nur am Rande vor. Für mich hat es auch ein „Geschmäckle“, dass eine amerikanische Autorin einen in Europa angesiedelten Nordirland-Thriller verfasst hat, den sie als leidenschaftliches pazifistisches Plädoyer präsentiert. Die Atheistin Tessa lehnt im Gegensatz zu ihrer Mutter Religion ab, dazu passt, dass moralisch verkommene Priester im plot auftauchen. Einerseits verurteilt die Autorin (völlig zu Recht) die Glorifizierung von Gewalt, andererseits lässt sie ihre Protagonistinnen am Ende blutbesudelt und barfüßig durch die winterliche Landschaft rennen.
„Northern Spy“ ist jedoch eine durchweg spannende dreiteilige Geschichte. Der erste Teil wirkt dabei wie eine ausführliche Exposition. Der Finalteil mündet in einem spektakulären Showdown mit regelrecht kinotauglichen Szenen – ob die Autorin wohl schon mit einer Verfilmung liebäugelt? Irgendwie erinnert das Ganze auch weniger an europäisches Autorenkino & mehr an einen Hollywoodfilm.
Fazit:
Zu Beginn war „Northern Spy“ für mich ein absoluter 5-Sterne-Kandidat, da die Autorin es versteht, auf ruhige Art & Weise und ohne Effekthascherei Spannung zu erzeugen. Ich hätte mir jedoch eine differenziertere und detailliertere Analyse von ‚Land und Leuten‘ gewünscht und es kann sicher nicht schaden, im Anschluss an die Lektüre ein Handbuch zum Thema ‚Ursprung und Verlauf des Nordirlandkonflikts‘ zu lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.01.2023

Frauen retten die Welt?

In der Stille der Polarnacht
0


Ich bin ein großer Fan der TV-Serie “The Terror“, auch Michael Palins „Erebus“ habe ich als Leserin regelrecht verschlungen. Im Roman „In der Stille der Polarnacht“ gibt es daher für mich ein ‚Wiedersehen‘ ...


Ich bin ein großer Fan der TV-Serie “The Terror“, auch Michael Palins „Erebus“ habe ich als Leserin regelrecht verschlungen. Im Roman „In der Stille der Polarnacht“ gibt es daher für mich ein ‚Wiedersehen‘ mit teils bekannten Figuren, etwa mit einer Kapitänsgattin.
Als ich sah, dass Greer MacAllisters „In der Stille der Polarnacht“ von einer Arktisexpedition im Jahre 1853 handelt, war klar, dass ich diesen Roman unbedingt lesen muss. Das ‚Grundgerüst‘ der Geschichte ist durchaus spannend – dreizehn Frauen unter der Leitung von Virginia Reeve sollen eine Gruppe von verschollenen Forschern finden, darunter den Ehemann von Lady Jane Franklin. Das rein weibliche Team unter der Führung einer amerikanischen ‘Expeditions-Veteranin‘ ist die letzte Hoffnung der Auftraggeberin. Frauen retten die Welt?! Der Plot wird anhand von alternierenden Erzählebenen entworfen – ein großes Plus!
Ich hatte mich vor der Lektüre auf einen Schmöker voller Abenteuer gefreut. Doch die Erzählung ist in meinen Augen ein seltsamer Mix aus britisch-amerikanischen Animositäten, Justizdrama (die Leiterin wird angeklagt, da nicht alle Teilnehmerinnen die Reise lebend überstehen) und Gesellschaftskritik, dabei nehmen die Szenen vor Gericht mehr Raum ein als die Geschichte „im Eis“. Man erfährt zwar etwas über die Frauen und die Polar - Expedition, die Autorin geht jedoch nicht ins Detail, weswegen das Ganze irgendwie unglaubwürdig wirkt, zumal die unzureichend charakterisierten Protagonistinnen einerseits naiv & andererseits sozusagen ‚bestens gerüstet‘ auf die Reise gehen – ein seltsamer Widerspruch!
Obwohl mir die Sprache anfangs gefiel, war sie mir am Ende der Geschichte zu „modern“. Modern sind auch die Konflikte und Krisen der Frauen, es wirkt, als würden Ideen und Gedanken des einundzwanzigsten Jahrhunderts in eine längst vergangene Epoche projiziert. Diese Art der ahistorischen Darstellung gefällt mir persönlich nicht, andere Leserinnen und Leser mögen das anders sehen. Ich konnte zu den Figuren nicht wirklich eine Bindung aufbauen, schade!

Fazit:
Greer MacAllister präsentiert mit „In der Stille der Polarnacht“ ihre einigermaßen „zeitgeistige“ Interpretation & Fiktionalisierung von historischen Ereignissen, die in Teilen bereits in der Literatur & Popkultur ‚bearbeitet‘ worden sind. Neu ist der feministisch-identitätspolitische Ansatz, aus dem Stoff an sich hätte die Autorin jedoch viel mehr machen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere