Profilbild von kayla

kayla

Lesejury Star
offline

kayla ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit kayla über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2022

Eins, Zwei, Drei

This Charming Man
0

Vorab:
„This Charming Man” ist keine klassische „Vampirschmonzette“. Man darf hier nicht auf paranormales Herzeleid hoffen. Fans der Aaronovitch – Reihe rund um den Zauberlehrling Peter Grant ...

Vorab:
„This Charming Man” ist keine klassische „Vampirschmonzette“. Man darf hier nicht auf paranormales Herzeleid hoffen. Fans der Aaronovitch – Reihe rund um den Zauberlehrling Peter Grant dürften allerdings voll auf ihre Kosten kommen.

Worum geht’s?
In Manchester stehen die Zeichen auf Sturm: Vampire treiben ihr Unwesen. Doch es gibt sie eigentlich nicht - oder doch?
Für die Redaktion der Zeitung „The Stranger Times“ beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit…

Mit „This Charming Man“ hat C.K. McDonnell den zweiten Teil einer urkomischen Urban-Fantasy-Reihe vorgelegt, die nicht immer politisch korrekt ist und durchaus reale Personen auf die Schippe nimmt. Der Roman kann nicht unbedingt als stand alone gelesen werden, daher kann es nicht schaden, auch den Auftaktband „The Stranger Times“ zu kennen, da die Ereignisse nahtlos an die Geschehnisse aus Band eins anknüpfen. Der Autor Caimh McDonnell arbeitet hauptberuflich als Standup - Komiker, daher ist es nicht verwunderlich, dass sein Roman Elemente einer Screwball Comedy enthält. Die Dialoge sind einfach klasse. Nach bester britisch – irischer Art wird ein schwarzhumoriges Slapstickfeuerwerk abgebrannt. Selten so gelacht! Auch die Charakterisierung der Protagonisten finde ich klasse – der Chefredakteur Vincent Banecroft ist ein richtiges Ekel, aber seiner Stellvertreterin Hannah Willis gelingt es meist, Banecrofts Fauxpas wieder auszubügeln. Als Vielleserin hat man oft das Gefühl, immer wieder das Gleiche in verschiedenen Varianten & Variationen zu lesen. Nicht so hier! Man bekommt innovative Unterhaltung geboten, die sich Altmeister Pratchett nicht besser hätte ausdenken können („Scheibenwelt“, anyone?). Allerdings muss man schon über etwas „Sitzfleisch“ verfügen, da es in „This Charming Man“ neben dem Hauptplot diverse Nebenhandlungen gibt. Auch verfolgt der Autor nicht stur die „Einleitung – Hauptteil-Schluß“ – Regel, sodass auch im letzten Drittel der Erzählung noch neue (sehr skurrile) Figuren eingeführt werden. Man muss sich schon konzentrieren, um nicht den Faden zu verlieren. Die Erzählfreude McDonnells führt dazu, dass sich gewisse Längen in die story einschleichen, die aber meines Erachtens nicht allzu sehr ins Gewicht fallen, da hier das „Gesamptpaket“ stimmt. Ich spreche gerne eine Leseempfehlung aus!


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.10.2022

Familie ist Heimat

Jahre mit Martha
0

„Martha war eine blonde Professorin aus Heidelberg, meine Baba war eine zahnlose Analphabetin aus der Herzegowina. Sie war selbstsicherer als ich.“

„Jahre mit Martha“ ist ein Roman in welchem die Geschichte ...

„Martha war eine blonde Professorin aus Heidelberg, meine Baba war eine zahnlose Analphabetin aus der Herzegowina. Sie war selbstsicherer als ich.“

„Jahre mit Martha“ ist ein Roman in welchem die Geschichte eines Migrantenkindes erzählt wird. Die Handlung setzt in den 1990er Jahren ein, es ist die Zeit vor der Einführung des Euro in Deutschland. Der Ich – Erzähler Željko „Jimmy" Kovačević führt durch das Geschehen. Der Protagonist ist ein Gastarbeiterkind. Die kroatischen Eltern waren auf der Suche nach einem besseren Leben (oder durch das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien im Jahr 1968 motiviert) einst aus der Herzegowina in die BRD migriert. Der Vater hat zwei Jobs, er ist Bauarbeiter und Hausmeister, die Mutter hat drei Putzstellen, zu fünft wohnt die Familie in zwei Zimmern. Mit 15 Jahren lernt der Protagonist die 40jährige Professorin Martha kennen. Während seine Mutter bei Martha putzt, erledigt der Teenager Reparaturarbeiten im Garten. Jimmy ist fasziniert von der bildungsbürgerlichen Selbstverständlichkeit, mit der Martha ihr finanziell sorgloses Leben lebt. Zunächst ist ihre Beziehung eine rein platonische. Als der Protagonist ein Studium im teuren München aufnimmt, ist es Martha, die ihm dieses durch eine Bürgschaft erst ermöglicht. An der Universität lernt Jimmy einen neuen „Gönner" kennen, der ihn jedoch fallen lassen soll wie eine heiße Kartoffel - Martha wird eine Konstante in Jimmys Leben bleiben…
Coming of Age, Gastarbeiterschicksal, Identitätskrisen – diese Themen werden im Roman unter anderem abgedeckt. Problemfelder werden direkt benannt, der Leser muss nichts zwischen den Zeilen erahnen. Stilistisch hatte ich von der Lektüre mehr erwartet, die lineare Erzählstruktur ist simpel, trägt aber auch zur Spannung im Roman bei, die Geschichte ist fesselnd & vielschichtig. Auch Fatma Aydemir hat mit „Dschinns" einen Migrationsroman vorgelegt, den ich stilistisch stärker, aber inhaltlich schwächer als „Jahre mit Martha“ fand. Bei der Lektüre von Kordić‘ Roman hat man nicht das Gefühl, dass (wie bei Aydemir) ein Katalog von identitätspolitischen Thesen abgearbeitet wird. „Jahre mit Martha“ ist auch nicht so gefällig geschrieben wie Stanišićs „Herkunft“ (welches sich liest wie ein Mix aus „Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution“ und „Steffie Speck in the jaws of life“). Es ist schon ironisch, wenn Menschen wie Kordić oder Aydemir (Autoren, die in Deutschland Karriere gemacht haben) Geschichten vom Scheitern & von struggle schreiben, denn es gibt sie wirklich, die Željkos, Željkas und Huseins, denen es trotz (oder gerade wegen) Stipendien und Nebenjobs nicht gelingt, ein Studium abzuschließen, andererseits ist es wichtig, dass diese Menschen zumindest als Romanfiguren eine Stimme erhalten.
Für Gastarbeiterkinder wird „Jahre mit Martha" nicht viel Neues bieten, deutsche Leser könnten von den stellenweisen fast platt vorgetragenen Wahrheiten abgeschreckt sein. Festzuhalten ist, dass es so etwas wie die eine migrantische Community nicht gibt, dies wird vom Autor schön herausgearbeitet. Auch führt eine Migrationsbiographie nicht zu unbedingter Solidarität. Der Dozent Alex Donelli erwähnt seine italienischen Wurzeln nicht ohne Hintergedanken. Er soll Jimmy gnadenlos ausbeuten, anders als die Deutsche Martha. Martha instrumentalisiert Jimmy ebenso wie Jimmy ihr gesellschaftliches und handfestes Kapital ausnutzt. Für Martha besitzt Jimmy einen exotischen working- class - Sexappeal, Jimmy hingegen fühlt sich irgendwie unwohl mit Mädchen seines Alters, außerdem ist er bisexuell und heimlich schwul. Hat er einen Mutter – bzw. Vaterkomplex? Die Eltern, die 24/7 malochen, sieht er selten und er stellt fest – „ich hatte keine Vorbilder“. Für eine Identitätskrise muss man nicht sexuell verwirrt sein, es reicht schon, als diskriminierter Ausländer zwischen den Stühlen zu sitzen und auf seine Herkunft und Klasse reduziert zu werden. Die Kombination „Migrantenarbeiterkind & schwul“ hat Christos Tsiolkas brillant und glaubwürdig in „Barrakuda“ abgedeckt, für mich kommt „Jahre mit Martha“ leider nicht ganz an „Barrakuda“ heran. Ich finde es aber schön, dass im Roman (anders als in „Restaurant Dalmatia“ von Marinić) die erste Gastarbeitergeneration nicht mit Vorwürfen überzogen wird. Željko glaubt, durch Bildung ein vollwertiges Mitglied der deutschen Gesellschaft werden zu können, um nicht ständig seinen „Respekt vor Deutschland“ beweisen zu müssen. Doch auch mit einem Universitätsabschluss und einem gut bezahlten Job gelingt der soziale Aufstieg nicht – es fehlt der richtige ‚Stallgeruch‘ (und eine fette Erbschaft). Depressionen, Krise und schließlich self – fulfilling prophecy? Der Handwerker Željko findet seinen Frieden schließlich, als er in den Schoß der Familie zurückkehrt und sich auf seine Wurzeln besinnt…
„Jahre mit Martha“ weckt beim Leser eine falsche Leseerwartung, denn es ist keine romantische Liebesgeschichte, die präsentiert wird. Für mich war diese Liebe nicht wirklich glaubwürdig, daher hätte ich als Autorin einen anderen „Aufhänger“ gewählt. Im Kern ist der Roman eine messerscharfe Gesellschaftskritik, die mich oft zum Lachen brachte („Wir fluchen nicht.“) und stellenweise erschreckend treffsicher („Werdet unsichtbar!“) ist. Ich fand es aber seltsam, dass im Roman zwar die NSU-Morde erwähnt werden, nicht aber Solingen & Mölln. Kordić liefert Anekdoten, die sich tatsächlich so abspielen könnten, und macht sie durch eine humorvoll – zynische Darstellung erträglich („BAUŠTELE ARBEITEN ŠLAFEN“).
„Martha“ ist auch ein Plädoyer gegen Nationalismus, und ein Hinweis auf migrantische Generationsunterschiede („Sie strotzten vor Selbstbewusstsein und hatten richtig Lust auf Deutschland.“).
Die große Stärke des Romans ist die Kritik am Klassismus. Wenn Kinder schon in der vierten Klasse „aussortiert“ werden und nicht etwa 8 Jahre Zeit haben, um sich zu beweisen, läuft etwas schief.
Am Ende lebt die Kovačević – Sippe als Patchworkfamilie (mit einem dt. Namen am Klingelschild) unter einem Dach. Dieses Plädoyer für ein Miteinander der Generationen ist richtig, aber es ist auch seltsam, dass Željkos Eltern das Rentenalter überhaupt erreicht erreicht haben. Anders als für Željko gibt es für viele soziale Aufsteiger kein Zurück, sie sind der eigenen Schicht fremd geworden und gehören andererseits nicht zum deutschen Establishment. Der Leser kann die Lektüre jedoch mit einem guten Gefühl beenden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.10.2022

Staubtrockene biographische Fiktion

Sisi
0

Kaiserin Elisabeth ist längst zum popkulturellen Phänomen avanciert. Es gibt die einigermaßen kitschigen Filme mit Karlheinz Böhm und Romy Schneider, unzählige Analysen und Werke zur Geschichte der Habsburger, ...

Kaiserin Elisabeth ist längst zum popkulturellen Phänomen avanciert. Es gibt die einigermaßen kitschigen Filme mit Karlheinz Böhm und Romy Schneider, unzählige Analysen und Werke zur Geschichte der Habsburger, die empfehlenswerte Biographie der renommierten Historikerin Brigitte Hamann (“Hitlers Wien.”) Ein Musical wurde auf die Beine gestellt und eine Netflix - Serie soll bald an den Start gehen. Karen Duve (‘Anständig essen') legt mit ‘Sisi’ eine Art Romanbiographie vor, die sich gut verkaufen dürfte. Besonders gut gefiel mir das Literaturverzeichnis im Anhang. Für diesen Quellennachweis vergebe ich Bonuspunkte.
Die Autorin möchte nicht das komplette Leben der Elisabeth von Bayern porträtieren, vielmehr konzentriert sie sich auf einen bestimmten Lebensabschnitt der Ikone. Man erfährt Dinge, die man als geschichtsinteressierte Leserin schon wusste, die eine oder andere Neuigkeit, vieles ist jedoch schlicht die Auslegung beziehungsweise die Interpretation der Autorin. Grob wird der Zeitraum von 1874-1877 abgedeckt.
In ‚Sisi‘ wird die Protagonistin als nicht mehr ganz junge(circa achtunddreissigjährige) Monarchin gezeigt, die so oft wie möglich aus Wien flieht, um sich ihrem großen Hobby zu widmen, dem Reiten. An Fuchs- und Treibjagden nehmen Adelige und Artisten teil, man erfährt etwas über Hofdamen, Bedienstete und über die Marotten (Jugendwahn und Diätorgien) der Kaiserin. Diese ist enttäuscht von ihrem untreuen Ehemann, daher liebt sie es, von ihren Beaus bewundert zu werden. Als sie jedoch ihre ( nicht standesgemäße)Nichte an den Hof holt, ist ihre Vormachtstellung in Gefahr. Marie Wallersee ist eine ebenso gute Reiterin wie ihre sportbegeisterte Tante, eine junge und hübsche Frau, die bald ins Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit gerät. Das kann Sisi natürlich nicht erlauben…
Karen Duve blickt mit Staunen und Unverständnis, teilweise mit Abscheu auf Hof und Zeremoniell, sie verurteilt die Fuchsjagd. Keine ihrer Figuren ist sympathisch, die Adeligen sind egozentrisch und wirklichkeitsfremd, den Bediensteten und Hofdamen ist kein autonomes Leben und erst recht kein persönliches Glück vergönnt.
Stilistisch und sprachlich habe ich definitiv mehr erwartet. Karen Duve reiht Hauptsatz an Hauptsatz an Hauptsatz, es gibt flapsige Formulierungen. Der Roman ist knochentrocken geschrieben, ehrlich gesagt habe ich schon wissenschaftliche Arbeiten gelesen, die spannender waren. Zwar gibt es interessante Schauplätze (Ungarn etc.) , die Autorin schafft es aber leider nicht, ein nuanciertes Bild zu zeichnen, sie macht auch markige Sprüche(„Rudolf ist glücklich, wenn er töten kann.“) und gruppiert Aussagen so, dass sie den Sprecher oder die Sprecherin selten sympathisch oder gar empathisch erscheinen lassen.
„Sisi" konnte mich leider überhaupt nicht begeistern. Der Roman ist angenehm kitschfrei, aber leider auch langweilig und trocken konzipiert und simpel formuliert. Da greife ich lieber zu einem wissenschaftlichen Werk oder zu einem Roman, der gar nicht erst versucht, anspruchsvoll und seriös zu sein („ Die Kaiserin").

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.09.2022

Das Buch zum Film

Die Kaiserin
0

Vorab:
Die Umschlaggestaltung gefällt mir richtig gut!
Das Cover ist die perfekte Einstimmung auf die Lektüre.
Kaiserin Elisabeth „Sisi" ist längst zum popkulturellen Phänomen avanciert. Wer kennt nicht ...

Vorab:
Die Umschlaggestaltung gefällt mir richtig gut!
Das Cover ist die perfekte Einstimmung auf die Lektüre.
Kaiserin Elisabeth „Sisi" ist längst zum popkulturellen Phänomen avanciert. Wer kennt nicht die Filme mit Karlheinz Böhm und Romy Schneider? Guilty pleasure! Es gibt auch ein Musical und die Biographie von Brigitte Hamann, die ich empfehlen kann.
Das Buch von A.Pataki fand ich okay, mehr nicht.
Im Jahre 2022 widmen sich mehrere Autorinnen dem Leben der Kaiserin und Königin – Karen Duve hat mit „Sisi" ein Stück biographische Fiktion vorgelegt, das sich der Ikone auf knochentrockene Art und Weise nähert und seriös sein will und es stellenweise natürlich auch ist, gewisse Fakten wurden korrekt recherchiert und in einer Fleißarbeit gebündelt. Mich konnte der Roman (auch wenn er angenehm kitschfrei und null schmalzig ist) nicht richtig begeistern. Daher war ich auf Gigi Griffis Herangehensweise in „Die Kaiserin" gespannt. Sie ist ganz anders als Duves Ansatz, die Autorin Griffis präsentiert vielleicht ein anderes Extrem, da sie die Sisi-Saga in eine Art steamy Historical Romance verwandelt, nebst love triangle, wie könnte es anders sein. Stil und Sprache sind definitiv ahistorisch, der Roman will primär unterhalten, denn er ist quasi das „Buch zum Film“ – beziehungsweise zur neuen Streamingserie aus dem Hause Netflix. Man darf natürlich kein literarisches Meisterwerk erwarten. Die wechselnden Erzählperspektiven machen trotzdem Spaß, neben Franz kommt selbstverständlich auch Elisabeths Schwester Helene zu Wort. Sie war eigentlich die Frau, die Franz hätte heiraten sollen, wäre da nicht der Wildfang Elisabeth von Bayern gewesen.
Die Kapitel sind kurz und knackig formuliert. Heraus kommt eine quietschbunte & leicht kitschige Erzählung über Hof und Zeremoniell der Habsburger im neunzehnten Jahrhundert. 1853 wird für Elisabeth zum Schicksalsjahr.
Intrigen und Machtkämpfe vor dem Hintergrund einer wechselvollen Historie treffen auf eine knisternde Liebesgeschichte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.09.2022

Unspektakulärer Auftaktband

Stille blutet
0

Noch vor wenigen Jahren wäre Serafina „Fina“ Plank mit ihrer Körpergröße von 1,60 m nicht als Polizistin eingestellt worden. Als Frau in einer Männerdomäne arbeitet sie jedoch bei der Wiener ...

Noch vor wenigen Jahren wäre Serafina „Fina“ Plank mit ihrer Körpergröße von 1,60 m nicht als Polizistin eingestellt worden. Als Frau in einer Männerdomäne arbeitet sie jedoch bei der Wiener Mordkommission, wo sie als einzige weibliche Ermittlerin einen schweren Stand hat- Kollege Oliver macht ihr mit chauvinistischen Sprüchen das Leben schwer. Als eine berühmt-berüchtigte Ansagerin des privaten Fernsehsenders „Quick TV“ unfreiwillig live ihre eigene Ermordung ankündigt und kurz darauf tatsächlich tot aufgefunden wird, muss Fina ihr ganzes Können unter Beweis stellen…

Mit „Stille blutet“ hat Ursula Poznanski den Auftaktband zur „Mordgruppe 1“ – Reihe vorgelegt. Der Roman wird vom Verlag als Thriller vermarktet. Richtig spannend wurde der plot aber erst, nachdem ich circa 73 Prozent der Geschichte gelesen hatte, daher würde ich das Ganze eher als Krimi bezeichnen. Von einem Thriller erwarte ich definitiv mehr Tempo und Nervenkitzel. Es gibt einen auktorialen Erzähler und eine ominöse zweite Erzählstimme, welche jeweils mit Trakl-Zitaten angekündigt wird.
Die Figurenzeichnung ist leider einigermassen konventionell gehalten. Auch die auftretenden Konflikte kennt man bereits aus anderen Krimis – ein sexistischer „Platzhirsch“ mobbt seine junge Kollegin, es gibt den Aufsteiger mit ausländischen Wurzeln, der Hauptverdächtige ist nicht unbedingt sympathisch und arbeitet in der oberflächlichen Werbebranche. Poznanski schneidet viele Themen an und vertieft doch kein einziges. Die Gefahr, die von den neuen Medien ausgeht und die Macht von Influencern und Bloggern wird angeprangert. Virtuelle Shitstorms und Hashtags (#inkürzetot) beeinflussen das reale Leben. Um tatsächlich am Puls der Zeit zu sein, hätte Poznanski woke Kampagnen und das Gendern ins Visier nehmen müssen – so wirkt das Ganze fast ein wenig altmodisch.
Die Protagonistin Fina war mir sympathisch, wenn sie sich jedoch als pummelige Polizistin nicht traut, in der Öffentlichkeit zu naschen und im stillen Kämmerlein an ihren Exfreund denkt, schmälert dies das Lesevergnügen. Ich als Leserin war leicht genervt, obwohl die Absicht der Autorin sicher edel ist – bodyshaming ist doof. Insgesamt fehlt es einfach an Raffinesse. Die Auflösung war wirklich konstruiert, es gibt unglaubwürdige Elemente in der Geschichte. Mit einem Cliffhanger lässt sich Poznanski ein Hintertürchen offen, was zwar spannend, erzähltechnisch aber nicht besonders elegant ist. Auch die Identität der geheimnisvollen zweiten Erzählstimme wird nicht enthüllt, dies soll den Leser oder die Leserin offensichtlich bei der Stange halten. Das österreichische setting fand ich dennoch klasse. Die Grundidee – Mord mit Ankündigung- weckte sofort mein Interesse. Leider konnte die Umsetzung nicht halten, was der ‚Aufhänger‘ versprach, dabei hätte die Autorin aus dem Stoff viel mehr machen können. Der Roman wirkt auf mich wie mit „angezogener Handbremse“ oder wie „nebenher“ geschrieben. Georg Trakl hat das Ganze in meinen Augen „gerettet“. Ich hoffe, dass Ursula Poznanski sich in Zukunft mehr Mühe geben wird; Fina Plank ist eine Figur mit Potential und Wien als Handlungsort ist schwer zu toppen. Auf Band zwei der Reihe bin ich trotz diverser Kritikpunkte gespannt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere