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Veröffentlicht am 16.08.2022

Liebe auf den ersten Blick – und dann?

Wie man einen Lord gewinnt (Regency Romantics 1)
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Seit dem Hype rund um die Bridgertons gibt es immer mehr Regency-Romance Bücher auf dem Buchmarkt. Mir ist bewusst, dass sich hier die Geister ziemlich scheiden, denn es gibt hauptsächlich zwei Parteien, ...

Seit dem Hype rund um die Bridgertons gibt es immer mehr Regency-Romance Bücher auf dem Buchmarkt. Mir ist bewusst, dass sich hier die Geister ziemlich scheiden, denn es gibt hauptsächlich zwei Parteien, was Regency-Romance betrifft: Entweder man liebt sie oder man hasst sie.
Wer zur ersten Partei gehört, kommt vermutlich generell nicht umhin, WIE MAN EINEN LORD GEWINNT zu lesen. Und auch mir ging es so.
Doch was diesen Roman ausmacht, ist seine eher ungewöhnliche Liebesgeschichte, weshalb ich auch jedem, der sich bisher nicht an Regency-Romance gewagt hat, empfehlen möchte, dem Buch Beachtung zu schenken. Weshalb? Nun, beginnen wir einfach direkt beim Inhalt.

Lady Violet und Lord James Audley haben sich kaum kennengelernt, da waren sie auch schon verlobt. Sie erlebten eine Liebesheirat, wie es nur die Wenigsten in einem London der damaligen Zeit genießen durften. Das erste Jahr der Ehe schien der Beweis ihrer großen Liebe zu sein, doch heute, fünf Jahre nach der Hochzeit, ist all die Liebe verpufft.
Die Ehe der beiden verläuft einsam und schweigsam. Sie haben sich seit einem großen Streit, der all ihre Liebe grundsätzlich in Frage gestellt hat, nichts mehr zu sagen. Vier Jahre lang schon.
Aber nun, als Violet durch einen Brief annehmen muss, dass James nach einem Unfall im Sterben liegt, beginnt eine neue Phase in ihrer Ehe. Zwar ist diese Phase keine Zeit der Entschuldigungen und Versöhnung, sondern ein einziges Duell. Neckereien und mehr oder weniger clevere Streiche bringen die Eheleute auf eine hitzige Art wieder zusammen. Es fliegen erneut die Fetzen. Aber eben auch die Funken.
Mit der Zeit zeigt sich, dass es bei diesem Spiel - denn nichts anderes ist es, was Violet und James tun - am Ende nicht ums Gewinnen oder Verlieren geht, sondern um ein Ende. Ein Ende ihres Streits oder ein endgültiges Ende ihrer Liebe.

Ich denke, anhand dieser Beschreibung erkannt man schon ganz gut, was die Thematik so besonders macht: Es geht nicht darum, dass eine Lady einen geeigneten Ehemann findet und auch nicht darum, sich zu verlieben. Die beiden sind bereits verheiratet und tief in ihrem Inneren sind da immer noch Gefühle füreinander. Was sich neckt, das liebt sich eben. Wovon WIE MAN EINEN LORD GEWINNT tatsächlich handelt, das ist die Liebe. Nicht oder zumindest nicht nur der Part mit Anziehung und Begehren, sondern alles, was es an Emotionen braucht, um mit und in der Liebe glücklich zu werden und zu bleiben.

Diese Grundidee ist ebenso erfrischend, wie romantisch, auf einer Ebene, die weit über Schwärmerei hinausgeht. Ich habe mich direkt für den Grundgedanken begeistern können. Das lag zusätzlich an den versprochenen Streichen und Peinlichkeiten und den damit verbundenen Anzeichen von Humor, unterhaltsamer List und heftigem Funkenflug. Beim Lesen wurde mir schnell klar, dass es sich hierbei nicht um leere Versprechungen und lediglich Anzeichen von Unterhaltung handelte. Durchgehend las sich die Geschichte unterhaltsam und sie hielt jede Menge Überraschungen bereit.

Besonders gelungen sind der Autorin ihre Figuren. Man fühlt sich zwar etwas distanziert von James und Violet und hat beim Lesen das Gefühl, das Geschehen als Zuschauer zu beobachten. Zugleich versteht man sie aber – beide – sehr gut, weshalb die Geschichte durchweg authentisch und logisch klingt. Violet habe ich für ihren Scharfsinn geliebt, James für seine Feinfühligkeit. Beide waren mir jedenfalls unglaublich sympathisch. Zudem habe ich mein Herz an all die Nebenfiguren verloren und freue mich schon sehr auf die anderen Bände der Reihe und die Geschichten all der bisherigen Nebenfiguren.
Generell gefiel mir, dass die Autorin alle Frauenfiguren mir sehr viel Intelligenz und Mut ausrüstet. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, wie wahrheitsgemäß es ist, dass die Frauen zu dieser Zeit ihren Kopf derart durchsetzen konnten, aber wenn das an der Stelle „nur“ künstlerische Freiheit war, macht es mir nicht aus. Denn die leidenschaftlichen Frauen sind es, was Martha Waters Regency Romantics-Reihe für mich ausmacht.

Mein Fazit:
Violet und James‘ Liebe ist eine völlig neue Art von Liebesgeschichte, ich würde es als Lovers-to-Enemies-to-Lovers bezeichnen. Schon der Klappentext verspricht eine solche Geschichte und verspricht damit nicht zu viel. Das Buch wurde allen meinen Erwartungen gerecht und hat großen Spaß zu lesen gemacht. Ich habe gelacht, gegrinst und gekichert. Der Kern der Geschichte besteht darin, dass Liebe nicht ohne Ernsthaftigkeit funktionieren kann. Diese Thematik wird jedoch beinahe ausschließlich durch Amüsement und Unterhaltung vermittelt. Das Buch ist also tiefgründig, aber eher auf den zweiten oder dritten Blick. Wer ein Regency Buch lesen möchte, und nichts dagegen hat, dass die Lachmuskeln dabei beinahe überstrapaziert werden, der sollte sich WIE MAN EINEN LORD GEWINNT auf keinen Fall entgehen lassen. 4,5 Sterne und eine klare Leseempfehlung gibt’s von meiner Seite aus.

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Veröffentlicht am 11.08.2022

Die Geschichte der Gefühlgefühle

Boyfriend Material
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Es gibt Geschichten, bei denen weiß ich bereits beim Reveal des Klappentextes: Die musst du lesen! BOYFRIEND MATERIAL war genau so ein Buch für mich. Ich habe mich direkt in die Idee der Geschichte verleibt.
Es ...

Es gibt Geschichten, bei denen weiß ich bereits beim Reveal des Klappentextes: Die musst du lesen! BOYFRIEND MATERIAL war genau so ein Buch für mich. Ich habe mich direkt in die Idee der Geschichte verleibt.
Es geht um Luc, der vielleicht etwas tollpatschig ist und sicherlich die ein oder andere Fehlentscheidung in seinem Leben getroffen hat, hauptsächlich jedoch vom Pech verfolgt wird. Und dann ist da noch Oliver, der auf den ersten Blick keine einzige Fehlentscheidung getroffen und sein Leben perfekt im Griff hat. Trotzdem wird auch er vom Pech verfolgt.
Als Luc sich eine Beziehung suchen muss, wenn er nicht seinen Job verlieren will, ist Oliver die einzig ihm bekannte Person, die in Frage kommt. Das Problem: Oliver und er sind noch nie gut klargekommen sind. Sie sind zu unterschiedlich. Und was ihr Pech mit Beziehungen angeht zu gleich. Eine Beziehung könnte also nicht funktionieren. Aber eine Fake-Beziehung, das wäre sicherlich kein Problem, oder?

Weil ich gerade davon gesprochen habe, dass mich die Idee direkt überzeugt hat, bleibe ich am besten direkt dabei. Konnte mich die Idee auch in ihrer Umsetzung überzeugen?
Ja, definitiv! Das Buch ist eines der dicksten LYX-Bücher die ich bisher gelesen habe, weshalb die Grundidee sich natürlich noch breit ausfaltet. Hier kommt ein schräger Freundeskreis, dort eine verrückte Wohltätigkeitsorganisation hinzu und an den unpassendsten Stellen, sodass es schon wieder passend ist, reißt Luc einen Witz nach dem anderen. Zugleich lauern im Roman die echten Probleme des Lebens, die zu keinem Zeitpunkt durch die rosarote Brille betrachtet werden. Der Roman bietet also ebenso Humor wie Emotionen. Was mir besonders gefallen hat: Die Grundidee zieht sich durch das gesamte Buch und verliert sich nicht zwischen den Seiten. Das fällt mir nämlich oft bei Enemies-to-Lovers-Romanen auf (was BOYFRIEND MATERIAL zwar nicht ist, aber das Beispiel passt sehr gut). Zunächst hassen sich die Charaktere und werfen mit schlagfertigen Anspielungen um sich, und dann verliert sich diese Dynamik mit der Zeit komplett. Das finde ich immer ein wenig schade, weil das hitzige Knistern noch so viel Potential geboten hätte.
Umso glücklicher war ich, als Luc und Oliver, obwohl sie sich irgendwann näher gekommen sind, sie selbst blieben. Oliver, der sich zu jeder Situation bedacht ausdrückt. Und Luc, der Witze reißt, andere gerne aufzieht und oft nicht die richtigen Worte findet.

Kommen wir also nun zu den Hauptfiguren, Luc und Oliver. Man möchte meinen, die beiden sind zu verschieden, um sie auf dieselbe Weise gernzuhaben. Wo Luc der reinste Chaot ist, ist Oliver ein Ordnungs-Freak. Mit Luc muss man manchmal ein wenig Nachsicht haben und es gibt Punkte, an denen sein Verhalten nervt. Versteht mich nicht falsch, es handelt sich hierbei nicht um die du-nervst-mich-und-ich-habe-keine-Lust-weiterzulesen-Art. Vielmehr hat man das Gefühl, Luc so gut zu kennen, dass man wie bei einem langjährigen Freund die ein oder andere Macke entdeckt. Und am Ende hat man ihn noch lieber, weil man ihn so gut verstehen kann und sich Luc sehr nahe fühlt. Ich war ehrlich überrascht, wie plastisch Alexis Hall seine Figuren beschrieben hat.

„Ich finde, es ist für gewöhnlich besser, sich der Welt so zu stellen, wie sie ist. Je mehr wir uns vor etwas verstecken, desto mehr Macht geben wir dieser Sache.“(Oliver)

Auch zu Oliver habe ich problemlos Zugang gefunden, obwohl die Geschichte ausschließlich aus Lucs Sicht erzählt wird und Oliver zudem eine sehr verschlossene Person ist. Trotzdem habe ich gespürt:
er ist ebenso verloren und unsicher.
Das ist der Grund, weshalb ich Oliver und Luc auf die gleiche Weise geliebt habe. Beide sind insgeheim süß und soft. Und ja, ich spreche immer noch von ihrem Charakter und nicht von den Schokoladenkaramellbrownies im Buch.

Aber wenn ich nun schon beim Essenthema angekommen bin, kann ich direkt mit dem Schreibstil fortfahren – der die reinste Köstlichkeit ist. Eine Leckerei in Buchstabenform. Hierbei rede ich nicht von Buchstabensuppe, sondern von Unterhaltung pur.
Sicherlich liegt es auch an Lucs überaus sarkastischer Art, dass die Geschichte so humorvoll ist. Doch woran auch immer es liegen mag, ich habe es unfassbar genossen, das Buch mit ganz vielen kleineren und größeren Lachern zu lesen. Zugleich beweist Alexis Hall sein Händchen dafür, den Schreibstil sehr vielfältig zu gestalten, und verleiht jeder Figur eine andere Art, sich auszudrücken.

Mein Fazit:
BOYFRIEND MATERIAL ist ein Roman, auf den ich mich nicht grundlos sehr gefreut habe. Er wurde meinen Erwartungen voll und ganz gerecht und hat mich darüber hinaus wunderbar unterhalten. Obwohl alle tiefen Gefühle unter einer Decke aus Sarkasmus und Ironie schlummern, ist der Roman auch definitiv etwas fürs Herz und er spricht ernste Themen an. Ich habe mich durch BOYFRIEND MATERIAL in Alexis Halls Stil, Figuren zu entwickeln und Geschichten zu erzähle verliebt. Daher freue ich mich darauf, wie die chaotisch-niedliche Lovestory rund um Oliver und Luc in Band zwei weitergeht. Noch mehr freue ich mich, dass der Autor bereits zwei weitere Bände in der Reihe angekündigt hat. Mit Band eins konnte er mich jedenfalls voll überzeugen und ich kann das Buch jedem, der gerne Geschichten mit Herz UND Humor liest, empfehlen. Von mir gibt es verdiente 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 05.08.2022

Nicht brillant, aber souverän

Und wenn du mich küsst
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Thad und Olivia könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein. Er, der attraktive Sportler und sie, die noble Opernsängerin. Das kann also eine spannende Werbetour werden – sie beide als Werbegesichter ...

Thad und Olivia könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein. Er, der attraktive Sportler und sie, die noble Opernsängerin. Das kann also eine spannende Werbetour werden – sie beide als Werbegesichter für die neuesten Uhrenmodelle der Firma Marchand.
Noch dazu herrscht von der ersten Sekunde an eine frostige Stimmung zwischen ihnen.
Dieses Missverständnis kann zwar schnell aus der Welt geschaffen werden, doch was nach der feindlichen Stimmung auf sie wartet, ist nicht weniger beunruhigend. Thad und Olivia können das hitzige Knistern und die gewaltige Anziehungskraft zwischen ihnen kaum ignorieren. Und doch steht zu vieles zwischen ihnen, um nachzugeben. Je mehr Zeit sie miteinander verbringen, desto klarer wird, dass sie sich viel zu ähnlich sind, um gemeinsam glücklich zu werden.
Das ist jedoch nicht das einzige Problem, mit dem sie konfrontiert werden. Denn die Werbetour entpuppt sich als reinste Tortur, die sie von der einen brenzligen Situation in die nächste stolpern lässt.

Mehr möchte ich zum Inhalt nicht verraten. Der Klappentext ist sehr knapp gehalten und verrät tatsächlich kaum etwas über die Vielschichtigkeit der Geschichte. Vielleicht vermittelt er auch einen falschen Eindruck von dem Roman. Zwischen Thad und Olivia knistert und knallt es zwar gleichermaßen. Aber - entgegen meiner Erwartungen - hat die Geschichte wenig mit dem Enemies-to-Lovers-Trope zu tun.
Meine zwischenzeitliche Enttäuschung hat sich aber schnell gelegt, denn den Leser erwartet stattdessen eine extrem spannungsreiche Geschichte mit vielen Wendungen, Steigerungen und einer überraschenden Auflösung.

UND WENN DU MICH KÜSST war der erste Roman, den ich von Susan Elizabeth Phillips gelesen habe. Das Buch ist der neunte Band der CHICAGO-STARS-Reihe, aber man braucht keinerlei Vorwissen, um den Roman zu lesen. Umgekehrt ist es beispielsweise kein Problem, eine vorherige Geschichte im Anschluss nachzulesen.

Als ich zu lesen begonnen hatte, habe ich auch genau darüber nachgedacht. Ich war direkt begeistert von dem Schreibstil der Autorin. Er klingt etwas gehoben und ich finde kaum andere Beschreibung für ihn als „chic“. Es ist eine Erzählung in der dritten Person, mit zügigen und häufigen Perspektivenwechsel. Beides ist normal nicht so ganz mein Fall, weil ich mich dabei schwer in die Figuren hineinversetzen kann. Hier jedoch war ich fasziniert, wie schnell und kräftig mich die Geschichte in ihren Bann gezogen hatte und ich voll und ganz im Geschehen drin war. Auch die Figuren machen es einem sehr leicht, sich aufs Buch einzulassen. Olivia ist so viel mehr, als man anhand ihrer kühlen Fassade erkennen kann und ich mochte ihre emotionale Art sehr. Thad ist in vielerlei Hinsicht der Typ Mann, den sich viele Frauen an ihrer Seite wünschen.

„Leidenschaft war das, was er an einem Menschen attraktiv fand, ihre Begeisterung für eine Tätigkeit oder ein Hobby - für etwas, das ihrem Leben Freude und Bedeutung verlieh, sei es, köstliche Marinara-Soße zuzubereiten, Baseball-Schläger zu sammeln oder Opern zu singen. Nichts langweilte ihn mehr als langweilige Menschen. Das Leben war viel zu aufregend, um sich zu langweilen.“

Ich war mir ziemlich sicher, eine neue Lieblingsautorin gefunden zu haben. Aber je mehr ich las, desto mehr Kritik fand ich an der Handlung. Da Buch ist ziemlich dick, fast schon ein Schmöker. Zwar wird der Spannungsbogen bis zum Ende aufrechtgehalten, aber er besitzt einfach einen zu großen Radius. Ich hatte das Gefühl, dass es einige Seiten zu viel bis zur Auflösung dauerte.
Außerdem bietet das Buch zwar Spannung und Humor, aber alles wirkt zu dick aufgetragen und etwas übertrieben. Offensichtlich verbirgt sich hinter allem ein wahrer Kern und die Übertreibung sorgt lediglich für die unterhaltsame Portion Humor. Doch für mich ist UND WENN DU MICH KÜSST ein Roman ohne wirklich emotionale Tiefe.

Mein Fazit:
UND WENN DU MICH KÜSST ist eines dieser Bücher, die einen beim Lesen wunderbar unterhalten. Man ist ebenso am Lachen wie am Träumen und gespannt-auf-seinen-Fingernägeln-herumkauen. Der Roman besitzt somit unbestritten einen hohen Unterhaltungswert, weshalb ich es als die perfekte Strandlektüre oder Sommerlektüre auf Balkonien betrachte. Wirklich in die Tiefe geht der Roman nicht, aber seine Romantik und der Humor können jeden Liebhaber von Schmökern erweichen und bestechen. Eine solide Geschichte mit 3,5 bis 4 Sternen.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Das authentische, greifbare und reale New York

NEW YORK - Wie es keiner kennt
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New York ist jedem direkt ein Begriff. Ob man sie mit eigenen Augen bereits gesehen hat oder nicht, hat jeder eine Vorstellung von der imposanten Großstadt. Hochhäuser, Menschenmassen, Lärm. Selbst viele ...

New York ist jedem direkt ein Begriff. Ob man sie mit eigenen Augen bereits gesehen hat oder nicht, hat jeder eine Vorstellung von der imposanten Großstadt. Hochhäuser, Menschenmassen, Lärm. Selbst viele New YorkerInnen leben mit dieser Vorstellung von ihrer Heimat, und auch die Autorin von NEW YORK - WIE ES KEINER KENNT war lange eine von ihnen. Doch sobald sie sich die Zeit nahm einen Augenblick länger hinzusehen, ist ihr aufgefallen, wie viel mehr als das New York tatsächlich ist. Jeden, der die Vielfalt New Yorks ebenfalls kennenlernen möchte, nimmt Susan Kaufman auf ihrem Instagram-Account und nun auch in ihrem Bildband mit.

Der Titel mag jedoch ein wenig in die Irre führen, denn nicht ganz New York ist in dem Buch vertreten. Stattdessen hat sich die Autorin/Fotografin für ihre zehn Lieblingsviertel entschieden, deren verborgene Schönheit sie uns präsentieren möchte. Das Buch ist folglich eingeteilt in die zehn Kapitel Greenwich Village, West Village, East Village, NoHo & Nolita, SoHo, Gramercy Park, Murray Hill, Upper East Side, Carnegie Hill sowie Brooklyn Heights. Die wollte ich direkt klarstellen, damit am Ende niemand enttäuscht ist, weil man sich auf sein Lieblingsviertel gefreut hat, das am Ende gar nicht im Bildband enthalten ist.

Die Kapitel sind alle gleich aufgebaut: Ein kurzer Einleitungstext, dann eine breite Palette an verschiedenen Impressionen, die mit knappen Bildunterschriften versehen sind. Diese Bildunterschriften verorten die jeweiligen Bilder genau, wodurch man die Kulisse als New York-Besucher leicht auffinden und live betrachten kann. Doch auch die Fotos sind äußerst gelungen und werden qualitativ hochwertig im Bildband dargestellt. So können all diejenigen, die noch immer von einem Besuch ihrer Traumstadt träumen, diesem Traum beim Durchblättern des Buches etwas näherkommen. Bei der Auswahl der Bilder ist mir jedoch ein kleiner Kritikpunkt aufgefallen. Im Zusammenhang mit ihrem Instagram-Account ist es zwar verständlich, dass viele Fotografien Türen und Hauseingänge zeigen. Ich für meinen Teil hätte mir hier jedoch einen Tick mehr Abwechslung gewünscht.
Jedes Kapitel endet mit einem hübsch illustrierten Plan des jeweiligen Viertel, inklusive Susan Kaufmans eingezeichneten Lieblingsorten. Das ist noch ein schöner Kontrast zu den vielen Fotografien und ein gelungener Abschluss.

Mein Fazit:
NEW YORK - WIE ES KEINER KENNT ist ein Bildband, den man immer wieder gerne zur Hand nimmt und durchblättert. Immer und immer wieder kann man sich dabei an diesen Ort träumen, ob man ihn bereits besucht hat oder nicht. Und mit jedem weiteren Mal, das man die Fotos betrachtet, fällt einem ein weiteres Detail auf. Denn New York steck voller Vielfalt, und die Fotografien sind der Beweis dafür. Doch das müsst ihr mir nicht einfach glauben, vielmehr möchte ich dazu raten, euch selbst zu überzeugen. Deshalb erhält NEW YORK - WIE ES KEINER KENNT eine klare Kaufempfehlung von mir – der Bildband ist zu beeindruckend, um keine Empfehlung auszusprechen.

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Veröffentlicht am 25.07.2022

Ein Anfang oder ein Ende?

Some Mistakes Were Made
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Familien sind eine komplexe Angelegenheit. Eigentlich gehört man zu ihnen, so wie Ellis Truman zu den Trumans gehört. Und doch ist Ellis zu anders als die Trumans. Zu dem Albreys, die Familie der drei ...

Familien sind eine komplexe Angelegenheit. Eigentlich gehört man zu ihnen, so wie Ellis Truman zu den Trumans gehört. Und doch ist Ellis zu anders als die Trumans. Zu dem Albreys, die Familie der drei Brüder Dixon, Tucker und Easton, wird Ellis oft automatisch dazugezählt. Jedoch hat Ellis auf eine schmerzhafte Weise lernen müssen, dass ihr Gefühl sie nicht täuscht: Ellis ist weder eine Truman, noch eine Albrey. Sie ist irgendwas dazwischen, und so musste sie ihre Heimat Indiana vor einem Jahr alleine verlassen, ihren Highschoolabschluss alleine meistern.
Und nun soll sie plötzlich doch wieder eine Albrey sein? Ellis würde die Einladung am Liebsten ignorieren, aber ihr Herz sehnt sich zu sehr nach zu Hause, nach Easton. Und so verbringt sie ein paar turbulente Tage zurück in Indiana und eines ist klar: Am Ende dieser Tage muss es einen klaren Schlussstrich geben. Und so stellt sich Ellis die Frage: Wird sie sich von ihrer Vergangenheit oder Heimat endgültig verabschieden?

Für den Leser bleibt es lange ein großes Rätsel, was vor einem Jahr vorgefallen ist. Noch immer ist Ellis voller Wut, Trauer und Enttäuschung. Trotzdem weiß sie:

„Easton ist eine Angewohnheit, die ich einfach nicht loswerde. Ein Gefühl, das ich nicht gehen lassen kann. Eine Wahrheit, die ich mir nur in meinen schwächsten Momenten eingestehe.“

Nur einen Albrey, Tucker, duldet Ellis noch an ihrer Seite. Aber wieso es genau er ist und was der Auslöser für all ihre Gefühle ist, das alles ist sehr komplex. Deshalb möchte ich nicht viel weiter auf den Inhalt eingehen, um auf keinen Fall zu viel zu verrate.

Die Geschichte ist aufgebaut wie eine Spirale. Ich wollte es zunächst als Kreislauf bezeichnen, doch diesen Begriff verwende ich eher, wenn ich sagen möchte, dass eine Geschichte immer wieder an denselben Ausgangspunkt gelangt. Wenn sich etwas bewegt und doch alles stehen bleibt. Bei SOME MISTAKES WERE MADE ist das jedoch anders. Dreh- und Angelpunkt des gesamten Romans ist ein bestimmter Konflikt, der jedoch lange ein Geheimnis bleibt. Auf dem Weg zu seiner Auflösung durchlebt Ellis ein Wechselbad der Gefühle. Hass, Anziehung, Abstoßung, Enttäuschung, Schmetterlinge, Vergebung, Anschuldigungen. Das alles taucht wieder und wieder in vertauschter Reihenfolge auf. Zugleich spitzt sich die Lage immer weiter zu. Mit jedem weiteren Gefühlsausbruch kommt man dem Kern des Problems näher. Und irgendwann ist es dann soweit.
Tatsächlich war ich positiv überrascht, wie lange die Autorin es schaffte, die Spannung zu halten und den Leser derart im Dunkeln tappen zu lassen. Doch bei der Auflösung denkt man sich dann: Na klar, wieso bin ich da nicht früher draufgekommen?! Was ich damit sage möchte: Der Konflikt in sich ist sehr stimmig. Er wirkt nicht konstruiert oder überdramatisiert.

Dennoch, und das möchte ich nicht unerwähnt lassen, hat das Buch seine Schwachstellen. Abwechselnd spielen die Kapitel in der Gegenwart oder in Ellis Kindheit und an diese Wechsel musste ich mich gewöhnen. Außerdem haben die Kapitel aus der Gegenwart einen deutlich überzeugenderen und packenderen Start hingelegt, als die Kapitel aus der Vergangenheit. Letztere waren zu Beginn einen Hauch zu langatmig, was womöglich an meinem Gefühl, die Rückblicke seien zu wenig pointiert, lag. So oder so fand ich es schade, denn Rückblicke lese ich grundsätzlich sehr gerne.

Abgesehen von diesen Phasen der Langatmigkeit, las sich das Buch wie ein Pageturner. Es liest sich flüssig, jedoch nicht unbedingt flott, denn der Schreibstil ist sehr poetisch. Dadurch konnte ich SOME MISTAKES WERE MADE ab einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr aus der Hand legen und war vollkommen gefangen von dem Gefühlschaos. Ich wollte mehr darüber herausfinden, wie Ellis denn nun genau zu den Albreys steht. Ich wollte mehr von den unterhaltsamen Szenen mit Tucker und Dixon. Ich wollte mehr von den hitzigen Diskussionen zwischen Ellis und Easton, die zugleich berührend, spannend und sehr schmerzvoll zu lesen waren.

„Gedanken gibt es nicht umsonst. Und du hast nichts mehr, was ich will.“

Kristin Dwyer beschreibt SOME MISTAKES WERE MADE selbst als „zu Tinte und Prosa gewordener Traum“. Und ich glaube das ist es auch, was mir an dem Roman am Allermeisten gefallen hat. Das ist es, was ihn besonders macht, was ihn von anderen Büchern abgrenzt und wofür er mir in Gedanken bleiben wird: die Prosa. Der Schreibstil ist so grandios wie genial und insgesamt sehr kunstvoll. Aber was mich noch mehr beeindruckt hat, das war das unglaubliche Talent der Autorin, so viel zwischen den Zeilen zu vermitteln. Es geht stets darum, die eigenen Taten, Worte und Gedanken zu reflektieren. Das tun die Figuren auch. Sie begehen ständig irgendwelche Fehler und auf diese wird auch explizit hingewiesen. Die Figuren wachsen daran und bleiben doch sie selbst. Und am Ende liegt es am Leser, sich eine Meinung über all die Figuren zu bilden, ein Urteil über ihre Fehltritte zu fällen. Ellis verrät uns ihre Gedanken, sehr tiefgehende Gedanken, aber eine Meinung zwängt sie einem nicht auf. Das ist auch der Grund, weshalb SOME MISTAKES WERE MADE nicht einfach ein Liebesroman ist. Es ist ein überaus durchdachtes Werk, in dem die Liebesgeschichte nicht die Hauptrolle spielt. Daher sind sowohl Happy, als auch Unhappy End bis zum Schluss denkbar. Obwohl ich durch und durch eine Romantikerin bin, muss ich sagen, dass ich beide Arten eines Endes gerne gelesen hätte.

Mein Fazit:
SOME MISTAKES WERE MADE ist nicht makellos. Es besitzt in die Länge gezogenen Passagen. Es mag manchmal sehr dramatisiert oder romantisiert wirken. Doch davon abgesehen ist dieses Buch eine wirkliche Besonderheit. Wer Rätsel und Spannung mag und jeder, dem es nichts ausmacht, eine Weile auf die Folter gespannt zu werden, wird in diesem Roman Unterhaltung auf dem höchsten Niveau finden. Und auch an all diejenigen, die poetische, anspruchsvolle Schreibstile gerne lesen, kann ich den Roman wärmstens empfehlen. Von mir gibt es 4,5 von 5 Sterne.

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