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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.10.2023

Das Verschwinden der Joconde

Die Erfindung des Lächelns
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Auf "Die Erfindung des Lächelns", den neuen Roman von Tom Hillenbrand, war ich sehr gespannt. Da geht es um den Diebstahl von einem, wenn nicht dem teuersten Gemälde der Welt im Jahr 1911. Schon der Titel ...

Auf "Die Erfindung des Lächelns", den neuen Roman von Tom Hillenbrand, war ich sehr gespannt. Da geht es um den Diebstahl von einem, wenn nicht dem teuersten Gemälde der Welt im Jahr 1911. Schon der Titel signalisierte mir, dass dieser Roman anders ist als alle Bücher des Autors, die ich kenne. Hinzukommt, dass der Klappentext den Leser in die Irre führt. Der Roman, den ich nicht als packenden historischen Kriminalroman um den Raub der Mona Lisa von Leonardo Da Vinci empfunden habe ist sehr anstrengend zu lesen und weitschweifig erzählt. Der Leser muss sich hier durch die Seiten regelrecht durchbeißen und ab und zu auch ein Wörterbuch zur Hand nehmen, weil Begriffe und Wörter auftauchen, die unbekannt sind. Den damaligen Zeitgeist fängt der Autor hingegen hervorragend ein. Paris als kulturelles Zentrum am Ende der Belle Epoque hat mich ebenfalls überzeugt. Die Figuren wie der Maler Pablo Picasso oder der Dichter Guillaume Apollinaire und die Ausdruckstänzerin Isadora Duncan gefallen mir in ihrer Darstellung sehr gut, und auch Persönlichkeiten wie Aleister Crowley oder Igor Strawinsky machen das Buch interessant. Allerdings reicht mir das nicht, um von dem Roman begeistert zu sein, hingegen gefallen mir die Xavier Kieffer-Krimis von Tom Hillenbrand sehr. Der Autor spricht eine Vielzahl von Themen an, die wenig oder gar nichts mit der Aufklärung des Diebstahls zu tun haben. Darunter leiden der Lesefluss und die Spannung. Ich habe zwar keinen Thriller erwartet, aber etwas mehr Spannung hätte dem Roman nicht geschadet. Schade.

Veröffentlicht am 03.10.2023

Porträt einer Unbekannten

Die Fälschung
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„Die Fälschung“, der 22. Band von Daniel Silva, ist kein Spionageroman, wie man es von den Vorgängerbänden gewohnt ist, denn Allon ist nicht mehr Chef des Mossad. Er verbringt seine Zeit mit seiner ...



„Die Fälschung“, der 22. Band von Daniel Silva, ist kein Spionageroman, wie man es von den Vorgängerbänden gewohnt ist, denn Allon ist nicht mehr Chef des Mossad. Er verbringt seine Zeit mit seiner Frau Chiara und den Kindern Irene und Raphael in Venedig, wo er sich von einer Verletzung, die ihn fast das Leben gekostet hätte, erholt. Später soll er die Gemälderestaurierung der Tiepolo Restaurations Company leiten, deren Geschäftsführerin Chiara wird. Eines Tages meldet sich Julian Isherwood bei Allon. Er hat einen Brief von einer gewissen Madame Valerie Bérrangar erhalten. Sie hatte gelesen, dass Isherwood Fine Arts das Porträt einer Unbekannten, Öl auf Leinwand, 113 mal 92 Zentimeter, des flämischen Barockmalers Anthonis van Dyck für mehrere Millionen Pfund verkauft hat, und dass es sich möglicherweise um eine Fälschung handeln könnte. Bevor Isherwood sich mit Madame Bérrangar in Bordeaux treffen kann, verunglückt diese tödlich. Isherwood war sich vor dem Verkauf sicher, dass das Gemälde ein Original ist. Er hat es an Masterpiece Art Ventures, einem auf Kunstwerke spezialisiertem Hedgefonds verkauft. Sollte das Bild eine Fälschung sein, wäre Julian ruiniert. Er bittet Allon sich der Sache anzunehmen. Was hatte Madame Bérrangar zu erzählen?
Wenn Fälscher eine hervorragende Kunstfälschung schaffen, müssen sie die Technik, den Stil und die verwendeten Materialien der Künstler, die sie imitieren, meisterhaft nachahmen. Auf diesem Gebiet ist Allon ein Meister, da er der weltbeste Restaurator ist. Um die Fälschersyndikate zu täuschen und zu ködern, fälscht Allon in kürzester Zeit vier Werke alter Meister und gewährt so auch dem Leser einen sehr lohnenden Einblick in den weitgehend unregulierten Kunstmarkt, wo die unvorstellbar Reichen bereit sind, Millionen für die begehrten Gemälde auszugeben.
Daniel Silva bleibt für mich der unbestrittene Meister der Darstellung von internationalen Intrigen. Der Roman ist wieder sehr spannend mit unerwarteten, teilweise schockierenden Handlungsumschwüngen vor allem bei der Auflösung. Ich fand es auch erfreulich, dass es in diesem Buch an keiner Stelle um aktuelle Politik oder die Pandemie geht. Ein sehr empfehlenswerter Roman!

Veröffentlicht am 24.09.2023

Rassismus endete nicht mit der Aufhebung der Rassentrennung

Sekunden der Gnade
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In Dennis Lehanes Roman “Sekunden der Gnade“ geht es um eine wichtige Phase der amerikanischen Geschichte: die Aufhebung der Rassentrennung an den Schulen. Im Jahr 1974 trat das Gesetz in Kraft, begleitet ...


In Dennis Lehanes Roman “Sekunden der Gnade“ geht es um eine wichtige Phase der amerikanischen Geschichte: die Aufhebung der Rassentrennung an den Schulen. Im Jahr 1974 trat das Gesetz in Kraft, begleitet von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Krankenschwester Mary Pat Fennessy lebt in Boston in einem problematischen Armenviertel. Ihr erster Mann ist gestorben, der zweite hat sie verlassen. Jetzt lebt sie allein mit ihrer 17jährigen Tochter Jules, nachdem ihr geliebter Sohn nach seiner Rückkehr vom Kriegseinsatz drogensüchtig wurde und an einer Überdosis starb. Eines Nachts verschwindet ihre Tochter spurlos. In derselben Nacht kommt ein junger Farbiger ums Leben, nachdem sein Auto in einem weißen Viertel eine Panne hatte. Er wurde am Bahnhof tot aufgefunden, offensichtlich das Opfer eines Verbrechens. Bei dem Toten handelt es sich ausgerechnet um Augustus Williamson, den Sohn einer Kollegin von Mary Pat. Eine Gruppe Jugendlicher, u.a. Jules, wurde am Bahnhof gesehen und war irgendwie in die Tat verwickelt. Mary Pat sucht verzweifelt nach ihrer Tochter und geht allen möglichen Spuren nach. Dabei hat sie nicht nur Kontakt zur Polizei, sondern legt sich auch mit dem organisierten Verbrechen in ihrer Stadt an. Diese Männer bleiben durch Korruption unbehelligt und gehen ihren kriminellen Geschäften nach, darunter auch Drogenhandel. Als Mary Pat erfährt, dass ihre Tochter tot ist, beginnt sie einen Rachefeldzug, bei dem sie ihr eigenes Leben riskiert. Sie hat ohnehin alles verloren, was ihr Leben lebenswert machte. Der Roman enthält eine Reihe von brutalen Szenen, aber das ist nun einmal die Realität – bis heute noch. Rassismus ist in den USA noch immer weit verbreitet.
Mir hat der interessante und spannende Roman sehr gut gefallen. Es war für mich das erste Buch dieses Autors und wird bestimmt nicht das letzte sein. Empfehlenswert ohne Einschränkung!

Veröffentlicht am 06.08.2023

Rätselhafte Mordserie

Mord auf der Insel Gokumon
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Im Mittelpunkt von “Mord auf der Insel Gokumon“ steht wieder Privatdetektiv Kosuke Kindaichi. Er reist auf die Insel Gokumon, um ein Versprechen zu erfüllen, das er seinem auf der Rückreise vom Kriegseinsatz ...


Im Mittelpunkt von “Mord auf der Insel Gokumon“ steht wieder Privatdetektiv Kosuke Kindaichi. Er reist auf die Insel Gokumon, um ein Versprechen zu erfüllen, das er seinem auf der Rückreise vom Kriegseinsatz verstorbenen Freund Chimata gegeben hat. Er soll die Familie von seinem Ableben unterrichten und möglichst die Ermordung von Chimatas drei Halbschwestern verhindern. Diese rätselhafte Bitte beschäftigt den Ermittler besonders. Er erfüllt den ersten Teil seines Auftrags auf der Insel, wo er mit Misstrauen empfangen wird. Dann geschieht der erste Mord, und man verdächtigt vorübergehend den fremden Gast. Kosuke Kindaichi lernt die Familie des Freundes kennen und damit die komplizierten Machtstrukturen mit allen Rivalitäten und Animositäten. Vor allem geht es um die Erbfolge. Der Großvater Kaemon hatte den nun verstorbenen Enkel eingesetzt, weil dessen Vater nicht in Frage kommt. Er hat den Verstand verloren und wird dauerhaft auf dem Familiensitz eingesperrt. Dann geschehen weitere Morde. Kindaichi findet zunächst keinen Hinweis auf den oder die Täter. Auch die Polizei tappt völlig im Dunkeln. Zu merkwürdig sind die in Anspielung auf berühmte Haikus arrangierten Leichen. Und dennoch ist es am Ende der beste Ermittler Japans, der den Fall löst.
Mir hat der zweite Fall der Serie wieder gut gefallen, obwohl dem Autor ein spannender, temporeicher Plot offensichtlich weniger wichtig ist als die Darstellung der japanischen Kultur mit ihren Mythen und Ritualen. Der Leser taucht in eine sehr interessante fremde Welt ein. Das ist schon etwas völlig anderes als ein Taunus- oder Ostseekrimi. Mir hat der Roman so gut gefallen, vor allem die sympathische Figur des Ermittlers, dass ich mit Sicherheit auch den nächsten Band lesen werde, sobald die deutsche Übersetzung erscheint – immerhin mit fünfzig Jahren Verspätung. Ich spreche eine uneingeschränkte Empfehlung aus.

Veröffentlicht am 06.08.2023

Start in ein neues Leben

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Im Mittelpunkt des neuen Romans von Doris Knecht steht eine namenslose Frau am Wendepunkt ihres Lebens. Nach dem Scheitern ihrer Ehe war sie neben ihrer Berufstätigkeit als Schriftstellerin und Journalistin ...


Im Mittelpunkt des neuen Romans von Doris Knecht steht eine namenslose Frau am Wendepunkt ihres Lebens. Nach dem Scheitern ihrer Ehe war sie neben ihrer Berufstätigkeit als Schriftstellerin und Journalistin viele Jahre lang alleinerziehende Mutter. Jetzt machen die Zwillinge Mila und Max ihren Schulabschluss und werden ausziehen und ihr eigenes Leben führen. Die Mutter kann sich die große Wohnung in ihrem Wiener Lieblingsviertel nicht mehr leisten und muss in eine preiswerte kleinere Wohnung ziehen. Das bedeutet, dass sie sich auch von einem großen Teil der Einrichtung und zahllosen Erinnerungsstücken aus den letzten zwanzig Jahren trennen muss. Sie beginnt aufzuräumen und die Dinge, die sie nicht mehr braucht oder für die kein Platz mehr ist, zu verschenken, zu verkaufen oder zu entsorgen. Im Zuge dieser Tätigkeit schweifen ihre Gedanken immer wieder in die Vergangenheit, in ihre unglückliche Kindheit als älteste von fünf Schwestern. In ihrer Familie hat sie sich nicht nur optisch immer als Außenseiterin gefühlt. Deshalb wollte sie als Jugendliche so bald wie möglich weit weg von der Enge des Elternhauses. Direkt nach dem Schulabschluss sorgte sie deshalb dafür, dass Hunderte von Kilometern zwischen ihrem Heimatdorf und ihrer neuen Bleibe in Wien lagen. Sie denkt an ihre Jugend, ihre zwei Abtreibungen und ihre Ehe. Immer wieder stellt sie fest, dass sie sich an die Vergangenheit anders erinnert als ihre Mutter und ihre Freundinnen. Außerdem hat sie vieles komplett vergessen. Eine vollständige Liste aller Dinge, die sie vergessen hat, kann es logischerweise nicht geben. Obwohl sie Veränderung immer gehasst hat, hat sie keine Angst vor der räumlichen Trennung von ihren Kindern. Sie glaubt nicht an den Schmerz, den ihr andere prophezeien, sondern sieht in dem bevorstehenden Neuanfang auch die Chance, endlich ein Leben in Freiheit und Unabhängigkeit zu führen. Sie selbst bestimmt, wie ihr künftiges Leben aussehen wird und wer sie selbst sein will.
Mir hat die ruhig erzählte Geschichte dieser Selbstfindung gefallen, obwohl ich mir stellenweise etwas mehr Handlung gewünscht hätte als die Wohnungssuche für sich selbst und die Kinder und die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, dem eigenen Ich. Dennoch ein durchaus empfehlenswerter Roman.