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Veröffentlicht am 26.09.2023

Von Thunfischen und Menschen - Atmosphärisch dicht erzählt

Mattanza
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In "Mattanza" begleitet man eine italienische Fischerinsel mitsamt Bewohnern, wie sie beide dem Wandel der Zeit ausgesetzt sind und den aufkommenden Veränderungen versuchen mehr oder weniger erfolgreich ...

In "Mattanza" begleitet man eine italienische Fischerinsel mitsamt Bewohnern, wie sie beide dem Wandel der Zeit ausgesetzt sind und den aufkommenden Veränderungen versuchen mehr oder weniger erfolgreich zu trotzen.
Auf Katria wird seit jeher der traditionelle Thunfischfang, der Tonnarra, betrieben, und zwar traditionell angeführt vom männlichen Erbe des Rais. Doch der bleibt diesmal aus, anstatt dem langersehnten männlichen Nachfolger wird Nora geboren. Nora wird gegen den Traditionen zur Erbin des Rais und somit im traditionellen Thunfischfang ausgebildet. Mit den Jahren wächst sie als Erbin des Rais in ihre Rolle und Aufgaben hinein und schafft es, die Zweifler zu überzeugen. Das Leben auf Katria könnte seinen ruhigen und gewohnten Bahnen verlaufen, wären da nicht die Veränderungen, die auch vor Katria nicht haltmachen. So landen bald nicht nur Thunfische an der Küste der italienischen Insel an, sondern anfangs Touristen und dann später Flüchtlinge.

Ein ständiger Kampf mit und gegen die Traditionen durchzieht den Roman.
Die Autorin schafft es hierbei fesselnd und stimmungsvoll ein umfassendes Porträt der Inselbewohner, von der Protagonistin Nora und vor allem vom Meer und vom Thunfischfang zu zeichnen. Unter ihrer Feder erwacht die Insel zum Leben und man wird beim Lesen Teil dieser. Gleiches gilt auch für die Fischergemeinschaft.
Anfangs hätte ich nicht gedacht, dass ein Roman über den Fischfang mich so in seinen Bann ziehen könnte, "Mattanza" hat dies aber dank seines ausdrucksstarken Schreibstils, der gut Stimmungen und Gefühle einfangen kann, geschafft.
Dank verschiedener Erzählperspektiven und der Aufteilung der Kapitel nach Jahreszahlen, beginnend im Jahr 1960 bis 2012, wird man direkt Zeuge des Wandels, der auf Katria einzieht und kann die verschiedenen Sichtweisen der Charaktere verstehen. Gerne hätte ich mir deswegen noch mehr Einblick in das traditionelle Leben auf Katria und wie es sich über die Jahre hinweg verändert, gewünscht. Teilweise war es mir nämlich zu episodenhaft erzählt, sodass leider etwas an Tiefe verloren gegangen ist. Insgesamt wurde zwar ein tolles umgreifendes Gesamtpanorama der Insel, seiner Bewohner und des Fischfangs erzeugt, aber verblieb manchmal nur an der Oberfläche. Im Gegensatz zum Meer, hat die Geschichte dadurch nicht ihre ganze erzählerische Kraft entfalten können, was schade ist, denn der bildhafte Schreibstil und die vielschichtige Handlung weiß zu begeistern. Ein paar mehr Seiten hätten dem Roman sicherlich gutgetan.

Trotz kleiner Schwächen, wusste "Mattanza" mich zu fesseln und ich bin die Welt der Fischergemeinschaft von Katria eingetaucht.

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Veröffentlicht am 26.09.2023

Sci-Fi meets Romance - fesselnd, aber mit Schwächen

Prophet
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"Prophet" von Helen Macdonald und Sin Blaché ist ein flott erzähltes genreübergreifendes Buch, das Aspekte von Science-Fiction, Mystery, Action und Romantik zu einer spannenden Geschichte verbindet.

Im ...

"Prophet" von Helen Macdonald und Sin Blaché ist ein flott erzähltes genreübergreifendes Buch, das Aspekte von Science-Fiction, Mystery, Action und Romantik zu einer spannenden Geschichte verbindet.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Adam Rubenstein und Sunil Rao, zwei ehemalige Rivalen. Rao hat die Fähigkeit, Fälschungen auf den ersten Blick zu erkennen und auch zu wissen, wann jemand lügt. Außer, wenn es um Adam geht. Adam ist der Einzige, den Rao nicht entschlüsseln kann und der Einzige, der seine unberechenbaren Stimmungen und Launen in den Griff bekommen kann. Beide tuen sich widerwillig zusammen, um das unerklärliche Auftauchen eines amerikanischen Diners auf einem nebligen Feld in Großbritannien und dutzend anderer Objekte, wie vertraute nostalgische Kinderspielzeuge, zu untersuchen. Auch der mysteriöse Tod eines Sergeant, der bei einem Brand auf einem US-Stützpunkt stirbt, wirft Fragen auf.
Als das ungleiche Duo seine Ermittlungen vertieft, erfahren sie von Prophet, einer dunklen und realitätsverändernden Substanz, die dazu verwendet wird, die die die Psyche der Menschen beeinflusst und physische Objekte erzeugt, die mit Erinnerungen verbunden sind. Jeder scheint darauf auf die gleiche Weise zu reagieren … außer Rao und Adam. Während Adam und Rao versuchen, die Wahrheit über Prophet herauszufinden, beginnend in einem Versuchslabor der amerikanischen Regierungin in Colorado und endend in einem luxuriösen Lodge in Aspen, knistert es immer mehr zwischen Adam und Rao.

Was mir besonders gut an "Prophet" gefallen hat, war die Freundschaft zwischen Adam und Rao und die Einbeziehung einer queeren Liebesbeziehung, die den emotionalen Kern der Geschichte bilden. Ich mochte die Dynamik zwischen Adam und Rao, ihre gemeinsame Vergangenheit, die Art und Weise, wie der Roman zu Beginn des Buches mit Hinweisen auf ihr Liebesleben aufwartet, und die Passagen, die von Sehnsucht und Fürsorge handeln. Ihre Dialoge sprühen von Wortwitz. Was sich liebt, das neckt sich.

Was mir nicht so gut gefallen hat, war der Handlungsverlauf. Die Geschichte fängt stark an, lässt in der Mitte nach, und endet auf eine Art und Weise, die mich leider nicht komplett überzeugen konnte. Besonders zur Mitte hin, fängt die Handlung an zu mäandern, es gibt längere Abschnitte, in denen nichts gesagt oder getan wird, und dann ein paar Szenen, die mehr Zeit verdient hätten.
Zudem war, wenn es nicht um Adam oder Rao, ging, der Erzählstil eher distanziert. Die anderen handelnden Charaktere wurden für mich nicht so richtig greifbar und wirkten eher blass. Dasselbe gilt für die Beschreibung der Handlungsplätze, alles wirkte irgendwie beliebig.

Dennoch handelt es sich bei "Prophet" um einen interessanten und etwas anderen Science-Fiction-Mystery-Spannungsroman über die Gefahren von Nostalgie verknüpft mit einer erfrischenden Liebesgeschichte, das trotz seiner Schwächen zu fesseln weiß.

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Veröffentlicht am 26.09.2023

Flotter Tanz voller Herz durch Island zu Beginn des 20. Jahrhunderts

60 Kilo Kinnhaken
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In "60 Kilo Kinnhaken" folgt man dem nun volljährigen Gestur Eilífsson aus "60 Kilo Sonnenschein" und wie sein Leben sich weiterentwickelt. Gleichzeitig wird man zudem auch Zeuge, wie die fiktive isländische ...

In "60 Kilo Kinnhaken" folgt man dem nun volljährigen Gestur Eilífsson aus "60 Kilo Sonnenschein" und wie sein Leben sich weiterentwickelt. Gleichzeitig wird man zudem auch Zeuge, wie die fiktive isländische Stadt Siglufjörður sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer lebhaften Heringsstadt entwickelt. Man taucht in das Leben von Gestur ein, sowie in das Leben in der Stadt Siglufjörður, die mit Ankunft der Norweger und Dänen von feuchtfröhlichen Trink- und Tanzgelagen zunehmend geprägt wird, wenn nicht Heringe gefangen oder eingesalzen werden. Ihre Entwicklung steht dabei sinnbildlich für die Geschichte Islands am Anfang des 20. Jahrhunderts.

Anfangs noch etwas träge, weiß man noch nicht genau, wohin die Reise gehen wird und wer nicht Gefallen an den teils etwas gewöhnungsbedürftigen Beschreibungen sexueller Tätigkeiten in den ersten Kapiteln findet, der wird den lohnenswerten Schmöker von fast 670 Seiten Länge wahrscheinlich nicht weiterlesen.

Nach und nach zeigt der Roman seine wahre Stärke, die in seinem humorvollen, fesselnden Schreibstil liegt, der nur so von herzlicher Wärme für seine Charaktere sprüht, besonders für Gestur.
Mit zunehmender Seitenzahl fällt es immer schwerer, mit dem Lesen aufzuhören, auch wenn es hier und da etwas weniger ausschweifend erzählt hätte werden können.

Wie schon angedeutet, bewegt sich der Autor teils an den Grenzen des guten Geschmacks, ohne diese jedoch zu überschreiten, sodass ein leicht skurriles, aber dennoch warmherziges Porträt von Island und seinen unterschiedlichen Bewohnern und Neuankömmlingen entsteht.

"60 Kilo Kinnhaken" ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss, das einen aber dann mit einer unterhaltsamen und berührenden Lebens- und Zeitgeschichte belohnt.
Ein Island, das man so noch nicht gesehen hat, wird unter der schwungvollen Feder des Autors zum Leben erweckt, sodass man nach einem verhaltenen Start nur so durch die Seiten fliegt bzw. tanzt und man am Ende nicht genug von Gestur und seinem Leben bekommen kann.

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Veröffentlicht am 18.07.2023

Ein Dorf will vergessen werden - unterhaltsam erzählt

Nincshof
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"Nincshof" von Johanna Sebauer ist ein kurzweiliger und unterhaltsamer Roman über das gleichnamige Dorf und seine etwas mehr und mal weniger schrulligen Bewohner, die aber trotz all ihrer Eigenheiten ihr ...

"Nincshof" von Johanna Sebauer ist ein kurzweiliger und unterhaltsamer Roman über das gleichnamige Dorf und seine etwas mehr und mal weniger schrulligen Bewohner, die aber trotz all ihrer Eigenheiten ihr Herz am rechten Fleck haben.

Größtenteils abwechselnd aus der Sicht von Erna Rohdiebl und der „Neuen“ Isa erzählt, eine ehemalige Dokumentarfilmerin, taucht man anfangs noch etwas langsam, aber dann von Seite und Seite immer schneller in das skurile Dorfgeschehen im fiktiven Dorf Nincshof ein, das einer Legende nach im Schilf versteckt liegt.
Isa ist erst vor kurzem gemeinsam mit ihrem Mann, dem Ziegenbauer Silvio Mezzaroni, und der gemeinsamen Tochter nach Nincshof gezogen und sie versucht sich dort einzuleben, was ihrem Mann besser zu gelingen scheint als ihr. Mit der Zeit lernt sie Erna Rohdiebl näher kennen und trifft sich mit ihr, um mehr über das Dorf zu erfahren, das, wenn es nach dem Bürgermeister und ein paar Verbündeten gehen würde, am besten von der Landkarte verschwinden sollte. Denn die Verschwörergruppe, die sich selbst als Oblivisten bezeichnen, will ihre Ruhe haben und von der Außenwelt nicht belästigt werden. Die „Neuen“ bringen ihren Plan jedoch durcheinander.

Die Handlung klingt etwas absurd und das ist sie auch. Doch wird es zu keinem Zeitpunkt zu absurd. Die Autorin schafft gekonnt die Waage zwischen skurriler Geschichte und inhaltlicher Tiefe zu halten.
Anfangs braucht man zwar ein paar Seiten, um in die bildhaft und eingängig beschriebene Geschichte einzutauchen und mit den Charakteren sich anzufreunden.
Mit jeder weiteren Seite lässt einem das Dorf und seine schrulligen Bewohner jedoch nicht mehr los. Im Verlauf der Handlung lernt man die wichtigsten handelnden Personen näher kennen und erhält einen näheren Einblick in ihrer Leben, die nicht frei von Schicksalsschlägen sind.
Der Roman liest sich wie ein modern anmutendes Märchen und weiß dank des leicht humorvollen Schreibstils gepaart mit interessanten Charakteren zu überzeugen.

"Nincshof" ist eine locker-leichte und humorvolle Sommerlektüre mit zwar skurrilen, aber liebenswerten Charakteren, die einem nach und nach ans Herz wachsen.
Gerne würde man nach Nincshof entfliehen, aber halt, das geht ja nicht, da es ja nicht existiert... oder doch?

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Veröffentlicht am 14.07.2023

Eine Frau erinnert sich - einfühlsam erzählt

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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"Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" von Doris Knecht ist ein kurzweiliger, episodenartiger und fesselnder Roman über eine alleinstehende Mutter, Schwester und Tochter, die sich ...

"Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" von Doris Knecht ist ein kurzweiliger, episodenartiger und fesselnder Roman über eine alleinstehende Mutter, Schwester und Tochter, die sich an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet.
Bewusst hervorgehoben sind im vorigen Satz ihre Rolle als alleinstehende und -erziehende Mutter, Schwester und Tochter, da die Ich-Erzählerin in ihrem Prozess der Selbstreflexion und der inneren Selbstbetrachtung sich mit Ereignissen und Erinnerungen aus ihrer Kindheit, ihrer Studienzeit und aus ihrer Zeit als Mutter von Zwillingen, konfrontiert wird.

Ein leiser Grundton zeichnet die Erzählung aus, die als Startpunkt des Erinnerns die Lebensveränderung der Ich-Erzählerin nimmt, die durch den Auszug ihrer Kinder aus dem gemeinsamen Haus, beginnt. Sie kann sich das gemeinsame Heim nicht mehr leisten und sucht sich eine neue Wohnung. Entlang des Auszugs aus dem alten Heim und dem Einzug in die neue Wohnung werden die Leser und Leserinnen Teil ihres unstetigen und teils vignettenartigen Erinnerungsstroms. Dadurch lernt man die Ich-Erzählerin als Person näher kennen, lernt welche Ereignisse sie in ihrer Kindheit und bis ins Jetzt geprägt haben und welches Verhältnis sie zu ihren Eltern und Schwestern hat. Man gewinnt hierbei dank des ausdrucksstarken Schreibstils einen vielschichtigen Eindruck von ihr und ihren Gedanken, Gefühlen und Sichtweisen. Nebenbei bekommt man auch von den anderen Charakteren einen guten Eindruck.

Jedoch fehlte es mir manchmal etwas an emotionaler Tiefe der Erinnerungen. Man erfährt zwar viel von der Ich-Erzählerin, darunter auch ein dramatisches Ereignis in ihrer Zeit als Studentin. Beim Lesen der Lektüre hatte ich jedoch zeitweise das Gefühl, dass nur an der Oberfläche gekratzt wurde und die Ich-Erzählerin mit ihren Gedanken und Gefühlen nicht so richtig greifbar wurde.
Trotz dieser leichten emotionalen Distanziertheit, entwickelte der stimmungsvoll geschriebene Roman von Beginn an eine gewisse Sogwirkung und konnte mich dank seiner Reflexion über den Erinnerungsprozess an sich, erzählt am Beispiel einer Frau, von sich überzeugen.

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