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Veröffentlicht am 04.04.2022

Wein, Weib und Gesang

Gretas Erbe
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Wein: Greta wird groß auf dem Weingut der Familie Hellert, das stets um seine Existenz ringt und in Konkurrenz zu dem Weingut der Freudenbergs steht, dem das Glück sehr viel holder zu sein scheint. Wer ...

Wein: Greta wird groß auf dem Weingut der Familie Hellert, das stets um seine Existenz ringt und in Konkurrenz zu dem Weingut der Freudenbergs steht, dem das Glück sehr viel holder zu sein scheint. Wer wird am Ende die Nase vorn haben?

Weib: Nicht nur als Frau, sondern auch als uneheliches Kind und als Waise, da ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben und der Vater unbekannt ist, hat Gretas es schwer. In der Familie Hellert, weil sie eher Dienstmagd, Kindermädchen und Arbeiterin ist, denn Ziehtochter. In der Gesellschaft der 70er Jahre, weil diese den Frauen, die Selbstbestimmung, beruflichen Aufstieg, finanzielle Unabhängigkeit und eine eigene Meinung für sich einforderten, mehr als kritisch gegenüberstanden. So darf Greta doch nicht das lang erstrebte Abitur machen, sondern wird von ihrem Ziehvater zur Weinbauschule geschickt, um der Familie als billige Fachkraft zu dienen. Denn wirklich dazu gehören tut Greta nicht. Erst am Ende des ersten Teils dieser Reihe scheint sich ihr Schicksal zu wenden: was wird sie anfangen mit der ersehnten Freiheit?

Gesang: Dafür steht Robert, der zweitälteste Sohn der Hellerts, auch einer, der sich nicht in die Familien fügen will. Statt einer Banklehre macht er lieber Musik und strebt nach einer großen Karriere, sodass es zum Bruch mit der Familie kommt. Er verliebt sich in Elsa. Aber sie ist noch nicht volljährig und er finanziell nicht abgesichert. Hat ihre Liebe eine Zukunft?

Die Atmosphäre der 70er Jahre fängt der Roman gut ein, sei es gesellschaftlich – die Sternkampagne: Ich habe abgetrieben, sei es kulturell – siehe die Playlist am Ende des Buches, sei es historisch - das Attentat bei den Olympischen Spielen in München, sei es alltags- und sittengeschichtlich – so z. B. die elektrische Trockenhaube, die es der Hausfrau ermöglicht, sich die Haare bei Verrichtung ihrer hausfräulichen Pflichten schön zu machen.
Der Stil ist gut lesbar, die Figur von Greta sympathisch und die Ereignisse in der Familie Hellert mit den vier Kindern neben Greta, die zum Teil schon ihre eigenen Familien gründen vielseitig und unterhaltsam. Das Buch hält sein Versprechen auf gute, kurzweilige Unterhaltung. Am Ende kommt auf Greta eine schwere Entscheidung zu, die aber offenbleibt. Ein guter Cliffhanger zum Weiterlesen von Band 2!

Dass die Figuren insgesamt etwas sehr klischeehaft sind, vor allem die Familie Hellert mit Ausnahme von Robert, dem Musiker, und Matse, dem sehr weiblichen Nesthäkchen, allesamt geifernde Spießbürger und Sittenwächer in bigottester Art und Weise, hat eher ein komische als eine störende Note. Als ironisch übertriebenes Sittengemälde lassen sie sich herrlich komisch betrachten.

Etwas ermüdend ist die ziemlich gefühlsduselige Beziehung zwischen Robert und Greta, die sich immer gegenseitige Liebe schwören, aber doch nicht zu einander finden. Da wäre nach meinem Geschmack etwas weniger Hin und Her mehr gewesen.

Wer nach guter Unterhaltung und Abwechslung und einer Auszeit vom Alltag sucht, ist mit dem Roman „Gretas Erbe“ gut beraten. Eine Familiensaga im Winzermilieu vor dem Hintergrund der 70er Jahre ist da auch mal eine willkommene Abwechslung zu den vielen anderen Familiengeschichten in Romanform.

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Veröffentlicht am 10.01.2022

Gute Idee, Umsetzung nicht immer meins

Abschied von der Heimat
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Die Geschichte von Erika, die mit fünf Jahren zur Tante nach Böhmen verschickt wird, um der Hungersnot im Rheinland zu entgehen, und die dann als Backfisch nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg wieder ...

Die Geschichte von Erika, die mit fünf Jahren zur Tante nach Böhmen verschickt wird, um der Hungersnot im Rheinland zu entgehen, und die dann als Backfisch nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg wieder ihre neue Heimat verlassen muss mit Nichts als dem, was sie am Leib trägt, um in eine ungewisse Zukunft zu gehen, hat eigentlich ein spannendes Thema und spielt zu einer dramatischen Zeit. Auch nimmt die Handlung immer wieder Wendungen, lässt immer wieder neue interessante Figuren Erikas Weg kreuzen und schickt Erika an immer neue Orte und Stationen ihres Lebens, dass der Roman eigentlich hätte ein Selbstläufer werden müssen.
Mich stören aber die Psychologie der Figuren, die ich entweder zu übertrieben psychopathisch böse finde - wie Coele, erst Freund, dann Widersacher Erikas - oder verbittert - wie Erikas Tante, die Erika ganz für sich will - oder zu naiv-idealistisch - wie Erika selbst, die sich in jeden Mann verliebt, der ihr über den Weg läuft und dafür einmal zur Widerstandskämpferin wird, dann zur verständnisvoll-wartenden beinahe Ehefrau eines deutschen Offiziers zur See, die Verständnis und sogar auch Bewunderung für dessen Einsatz für das Vaterland und Durchhaltewillen, und zum Schluss zum Ami-Liebchen. Das ist doch etwas viel hin und her.
Auch der Sprachstil ist bisweilen für meinen Geschmack zu gefühlsschwanger und von total überzogener Metaphorik.
Mich, die ich eigentlich für diese Zeit, für dieses Thema und für diese Art von Roman, nämlich Frauen- und Familienroman in Serie, brenne, stört das. Genau dazu gibt es viele lohnendere Alternativen.

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