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Veröffentlicht am 18.09.2024

Leben wollen

Und später für immer
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Johann Meinert will kein Held (mehr) sein, er will nur noch (über)leben in den letzten Tagen des wahnsinnigen Tötens und Mordens des Zweiten Weltkrieges. Wie durch ein Wunder in den Fliegerhorst in Stade, ...

Johann Meinert will kein Held (mehr) sein, er will nur noch (über)leben in den letzten Tagen des wahnsinnigen Tötens und Mordens des Zweiten Weltkrieges. Wie durch ein Wunder in den Fliegerhorst in Stade, nahe seiner Heimat, versetzt, nutzt der junge Funker die Gelegenheit, sich mit seiner Fliegereinheit aus dem Staub zu machen. Er versteckt sich in einer Scheune seines Onkels und seiner Tante und wartet auf das Ende des Krieges. Immer in der Angst, entdeckt und verraten zu werden, die Gestalt annimmt in Person der sechzehnjährigen Frieda, einem aufgeweckten, klugen, neugierigen und unerschrockenen Mädchens vom Nachbarhof, deren Brüder nicht das Glück haben, sich in Sicherheit zu bringen und dem großen Sterben am Ende des Krieges zu entgehen.
Das zähe Warten auf Frieden, die Hoffnung, weiterleben zu dürfen, nach Hause zurückkehren zu können und der jungen Ehefrau und baldigen Mutter des gemeinsamen Kindes das Versprechen zu erfüllen, „und später für immer“ zu bleiben, und die Angst, das zum Greifen nahe Ziel nicht erreichen zu können, quälen den jungen Deserteur. Hat er doch nichts anderes zu tun, als zu warten, eingesperrt in der Scheune, die er nicht verlassen darf, zur Untätigkeit verdammt, um sich nicht zu verraten. In der täglichen Ungewissheit, ob sie kommen und ihn holen werden, um ihn am nächsten Baum mit einem Schild um den Hals als abschreckendes Beispiel aufzuknüpfen als Vaterlandsverräter. In dieser Zeit liest Johann noch einmal seine knappen Tagebuchaufzeichnungen aus den letzten Kriegsjahren und die Briefe von Emmy, seiner Frau. Episodenhaft wandern seine Gedanken in seine Kindheit mit den drei Brüdern, die auch alle im Krieg sind, zu seiner Zeit mit der Truppe und seinem Kennenlernen von Emmy. In nicht-pathetischem, aber dennoch anrührendem Ton zeichnet der Autor damit die verschiedenen Facetten des Alltags, geprägt durch die grausame Präsenz des Todes und des Sterbens. Schon als der junge Johannes abenteuerlustig in den Krieg zieht mit dem Anspruch, das Vaterland zu verteidigen und ruhmreich zu siegen, hängt die Ahnung der Möglichkeit zu sterben, die sich mit zunehmender Kriegsdauer mannigfach manifestiert und in dem flehentlich sich wiederholenden Gebet um das Überleben zum Ende hin verdichtet. Die Kostbarkeit des Lebens wird hier in und zwischen all den Szenen beschworen: „Seit fünf Jahren hat man uns gesagt, wofür wir zu sterben bereit sein müssen. Ich glaube, ich habe nun verstanden, wofür ich leben will.“
Zum Glück hatte Volker Jarcks Großvater das Glück von seinem Überleben erzählen zu können, sodass der Leser nun das Glück hat, Volker Jarcks Roman „Und später für immer“ lesen zu dürfen. Ein großartiges Buch, das dem Anspruch des Autors „nicht historisch wahr sein, sondern menschlich“ sein zu wollen, mehr als gerecht wird.

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Veröffentlicht am 18.09.2024

Ohne Heimat

Als wir Schwäne waren
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„Als wir Schwäne waren“ ist wohl ein Roman mit autobiographischen Zügen. Der Erzähler kommt als Junge mit seinen Eltern nach Deutschland. Er wächst auf in einer Siedlung in Bochum, aus der immer mehr ...


„Als wir Schwäne waren“ ist wohl ein Roman mit autobiographischen Zügen. Der Erzähler kommt als Junge mit seinen Eltern nach Deutschland. Er wächst auf in einer Siedlung in Bochum, aus der immer mehr deutschstämmige Bewohner weg- und in die immer mehr Migranten unterschiedlichster Herkunft zuziehen. Das Leben in diesem Ghetto gestaltet sich als perspektivlos und ist geprägt von Kriminalität und Gewalt. Viele der Bewohner stammen aus einer sozial benachteiligten Schicht, bildungsfern, ohne Aufstiegschancen. Sie verdingen sich als Drogendealer oder Kleinkriminelle, gerieren sich als Halbstarke und mehr als einmal endet ein solches Leben früh und gewaltsam. Die Eltern des Erzählers sind anders. Sie sind studiert, gebildet. Aber auch für sie gibt es kaum Chancen, in der neuen Gesellschaft Fuß zu fassen. Sie versuchen ihren Status zumindest im Privaten zu kultivieren, erfahren von der Gesellschaft aber auch wenig Wertschätzung und Ausgrenzung. Das Weiterkommen scheint ein Privileg der Einheimischen zu sein. Dennoch versuchen sie dem Sohn ein Gefühl von Stolz und Würde zu vermitteln. Dieser steht zwischen beiden Polen. Zum einen zieht er mit den anderen Jugendlichen um die Häuser, dealt mit und hat viele Kontakte zu kriminellen Existenzen. Auf der anderen Seite hält ihn vielleicht sein Elternhaus davon ab, ganz in den Sumpf der Ausweglosigkeit zu rutschen. Er bleibt immer ein wenig der distanzierte Beobachter zum Geschehen.
In seinem Roman schildert Khani dieses Leben durchaus anschaulich und nachvollziehbar. Die Entwurzelung und Heimatlosigkeit des jungen Erzählers, seine Wut auf ein Land, das er sich nicht ausgesucht hat und das ihm und seinen Eltern keine Chance gibt, ist sehr greifbar. Das respektvolle Denkmal, das er seinen Eltern hier setzt, nötigt auch dem Leser einen entsprechenden Respekt ab und ein Gefühl davon, dass das Schicksal, das Menschen nötigt, ihre Heimat zu verlassen und in einem Land zu leben, in das sie eigentlich nicht wollen, ein ungerechtes und grausames ist.
Befremdlich sind bisweilen die ein wenig kryptisch, lebensphilosophischen Zwischentöne, deren Sentenzen und Bilder sich dem Zugriff verweigern. So bleibt mir letztlich auch das Bild der Schwäne diffus. In einem Land werden sie für Zugvögel gehalten, ähnlich dem Schicksal der Migranten dazu genötigt, immer weiter zu ziehen. In Deutschland aber ziehen sie nicht fort, sondern bleiben sie in ihren Gefilden. Ähnlich den Migranten, die aus dem Auffangghetto nicht hinauskommen, weil das Weiter-, das Fortkommen nur etwas für die Deutschen mit ihren Redewendungen ist, für die von nichts nichts kommt, die keine Müdigkeit vorschützen, Nägel mit Köpfen machen und auf das A-Sagen das B-Sagen folgt.
Der Roman ist sicher keine leichte Kost, am Ende ähnlich perspektivlos und desillusionierend wie das Leben im Ghetto. Während die Eltern wenigsten zurückkehren können an ihre heimatlichen Wurzeln, so bleibt dem Erzähler über seine Wut hinaus nur das Fortgehen ohne Ankommen. Was fängt der Leser an mit dieser Wut und dieser Erkenntnis? Soll er damit etwas anfangen? Oder geht es dem Autor mehr um das Loswerden und Luftmachen?

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Veröffentlicht am 18.09.2024

Von Ängsten und Wünschen

Nachts werden alle Wünsche wahr
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Lea ist zwölf. Ihre Eltern sind getrennt. Lange konnte sie nachts nicht schlafen, weil Alpträume sie gequält haben. In der Schule sitzt sie neben Mia. Und die macht Ärger, wo es nur geht. Zum Glück hat ...

Lea ist zwölf. Ihre Eltern sind getrennt. Lange konnte sie nachts nicht schlafen, weil Alpträume sie gequält haben. In der Schule sitzt sie neben Mia. Und die macht Ärger, wo es nur geht. Zum Glück hat Lea vier gute Freund:Innen. Mit denen geht sie durch dick und dünn. Da erhalten sie in der Buchhandlung von Leas Mutter eine Botschaft, die sie dazu bringt, ihre Ängste zu überwinden und sich auf den Weg zu machen, sich ihre Wünsche zu erfüllen.
Dass es nicht nur Lea mit ihren Ängsten so ergeht, zeigt der Jugendroman von Zoe Jenny auch an den anderen Figuren. Jeder von ihnen schleppt seinen Sorgenrucksack mit sich, auch Mia. Da helfen gute Freunde und der Mut, sich seinen Ängsten zu stellen. Die mutmachende Geschichte von Lea ist zugleich ein spannendes Leseabenteuer, in dem es bisweilen auch einmal magisch zugeht. Die tollen Bilder von Lisa Hänsch untermalen die ganz besondere Stimmung in dem Buch.
Besonders bemerkenswert finde ich, wie es Zoe Jenny gelingt, sich in den Kopf der zwölfjährigen Lea einzudenken und die Geschichte aus ihren Augen zu schreiben. Der Schreibstil ist dabei sehr packend und lädt zum Weiterlesen ein. Ein inspirierendes Leseabenteuer, das den Leser:Innen Mut macht, sich seinen bzw. ihren Ängsten zu stellen, um das Beste im Leben nicht zu verpassen: den Moment, in dem Wünsche wahr werden.

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Veröffentlicht am 08.09.2024

Harry Potter meets Herr der Ringe

Royal Institute of Magic, Band 1: Die Hüter der verborgenen Königreiche | Fantastisches Kinderbuch ab 10 Jahre
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Dass Victor Kloss ein großer Fan von „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ ist, merkt man deutlich, wenn man den ersten Teil seiner Reihe über das „Royal Institute of Magic“ liest. Schon der Titel macht ...

Dass Victor Kloss ein großer Fan von „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ ist, merkt man deutlich, wenn man den ersten Teil seiner Reihe über das „Royal Institute of Magic“ liest. Schon der Titel macht Bezüge zu Harry Potters Geschichte deutlich.

Ben, dessen Eltern schon vor längerer Zeit verschwunden sind, erhält von der Polizei Kisten mit ihren Habseligkeiten zurück, die zuvor der Ermittlung dienten. Darin findet er ein Kästchen, dass ihn auf eine Spur bringt. Gemeinsam mit seinem besten Freund Charlie macht er sich auf in die Welt der verborgenen Königreiche, um seine Eltern zu finden. Doch auch dort werden sie dringend gesucht, vermeintlich wegen eines Verbrechens, das sie begangen haben und das nun den Friedensschluss mit den gefährlichen Dunkelelfen ins Wanken bringen könnte. Und plötzlich befinden sich auch Ben und Charlie in der Schusslinie der Dunkelelfen und können nicht mehr erkennen, wer Freund und wer Feind ist am Royal Institute of Magic, an dem man nicht nur Geschichte und Diplomatie, sondern auch Zaubern und magische Kämpfe erlernen kann.
Wer „Harry Potter“ und „Der Herr der Ringe“ mag, wird hier sicherlich auf sein Kosten kommen. Es gibt Drachen, Trolle, Elfen – gute und böse, Greife und andere Flügelwesen, auf denen man sich in die Lüfte schwingen kann. Es gibt Parteiungen wider das Böse, das sich seinen Weg überall hin sucht, wahre Freundschaft und gefährliche Gegner. Und natürlich ein Geheimnis, das gelöst werden will. Allerdings noch nicht im ersten Teil der Geschichte. Und damit hat Victor Kloss einen effektiven Cliffhanger ans Ende gesetzt. Denn nun gibt es keine Alternative als weiterzulesen.
Dabei ist das „Royal Institute of Magic“ kein reiner Abklatsch der erfolgreichen Vorgänger, sondern hat auch seine ganz eigene Geschichte und originelle Elemente eines fantastischen Abenteuerromans. Das einzige, was das Lesevergnügen etwas trübt, ist die bisweilen recht umgangssprachliche Ausdrucksweise, was aber auch der Übersetzung geschuldet sein kann.

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Veröffentlicht am 01.09.2024

Spurensuche

Vielleicht können wir glücklich sein
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Im letzten Band der Trilogie der „karierten Mädchen“ geht die Enkelin anhand der Briefe und aufgezeichneten Kassetten ihrer Großeltern auf die Spurensuche, nachdem ihre Großmutter verstorben ist. Und sie ...

Im letzten Band der Trilogie der „karierten Mädchen“ geht die Enkelin anhand der Briefe und aufgezeichneten Kassetten ihrer Großeltern auf die Spurensuche, nachdem ihre Großmutter verstorben ist. Und sie lernt, ihre Großmutter mit anderen Augen zu sehen.
Klara, einst Heimleiterin für eine Erziehungsheim für junge Mädchen, nun Mutter von vier Kindern, muss gegen Ende des 2. Weltkrieges sehen, wie sie sich und ihre Kinder durchbringt. Ihr Mann Täve ist an der Front und damit ein weiterer Grund zu permanenter Sorge. Die Bomber kommen näher. Lebensmittel sind dank des eigenen Gemüsegartens nicht gar so knapp. Aber mit drohender Niederlage und Untergang des 3. Reiches werden seine Anhänger zunehmend fanatischer und unberechenbarer. Und Klara schwankt zwischen der Sorge vor Deniunziation und zunehmendem Zweifel an dem, was sie getan hat. Sie hat sich als Leiterin des Erziehungsheimes in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie gestellt, sie hat das kleine jüdische Mädchen Tolla, das zehn Jahre in ihrer Obhut lebte, retten wollen. Doch war es niemals in England angekommen, wohin sie es hatte retten wollen, sondern wurde nach Theresienstadt deportiert. Klara fragt sich immer wieder, wie es ihm ergehen mag und ob es ein Chance zu überleben hat. Sie fühlt sich gefangen in der Verantwortung für ihre Kinder und zugleich in ihrer Schuld Tolla gegenüber.
Isabella, ihre Enkelin, selbst Mutter und oft genug schon überfordert mit der einen kleinen Tochter, spürt den Gefühlen ihrer Großmutter nach und stellt sich selbst die Frage nach Schuld und Verantwortung und nach dem Schicksal der kleinen Tolla.
Ich hatte ziemliche Mühe, mich in den dritten Band einzulesen. Weil ich die ersten beiden Bände mit großer Begeisterung gelesen habe, war ich von den dritten doch ein wenig enttäuscht. Obwohl es mit dem Ende des 2. Weltkriegs in eine spannende historische Phase geht, fand ich gerade den Einstieg sehr langatmig. Später habe ich mich etwas eingelesen. Aber ich fand die immer wiederkehrenden Gedanken Klaras und auch die Wiederholung aus den ersten beiden Teilen störend dabei, sich von der Geschichte packen zu lassen. Besonders im ersten Band hat mich die Figur der Klara sehr beeindruckend. Sie fehlt mir zum einen hier als aktiv handelnde Person. Zum anderen finde ich sie aus den Erinnerungen heraus bisweilen eher etwas unsympathisch dargestellt. In diesem Band liegt wohl die Betonung darauf, ihre Strenge Seite hervorzukehren, die für ihre Kinder und Enkelkinder später lange wenig nachvollziehbar war, bis die Kassettenaufzeichnungen über ihre Vergangenheit für Verständnis sorgt.
Ich finde das Projekt nach wie vor eine spannende Idee, und Klaras Geschichte, die ja auch die Geschichte der Großmutter der Autorin ist, unbedingt erzählenswert. Aber vielleicht ist die Geschichte mit den drei Bänden zu lang geraten. Der letzte ist für mich auf jeden Fall der schwächste in der Reihe.

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