Langweilig
Zeiten der LangeweileZuerst muss ich wohl entschuldigend sagen, dass ich einfach eine Generation bin und mir das Verständnis für diese Art der Problematik fehlt. Allerdings war genau das der Grund, warum mich die Idee des ...
Zuerst muss ich wohl entschuldigend sagen, dass ich einfach eine Generation bin und mir das Verständnis für diese Art der Problematik fehlt. Allerdings war genau das der Grund, warum mich die Idee des Buches ansprach: weil ich eine andere Generation bin und Verständnis für diese Problematik gewinnen wollte. Wie ergeht es der Generation der digital natives, wenn sie sich von der Nabelschnur der social medias zu lösen versuchen: welche Erfahrungen machen sie, was ändert sich für sie, was ist der Gewinn, was sind die Kosten?
Ich bin – zum Glück, wie ich nach Lektüre des Buches erneut finde – in einer Welt ohne Handys, ohne PC, ohne Internet und ohne 24h-TV groß geworden. Ich habe keine Langeweile ohne all das, ich vereinsame nicht ohne all das. Und ich weiß trotzdem, dass wir heute alle irgendwelche Spuren im virtuellen Dschungel hinterlassen und verzichte deshalb auf viele dieser vermeintlich verlockenden Angebote, ohne die es sich aber auch gut leben lässt und somit ohne das Gefühl, mir entgehe etwas Elementares. Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, in eine derartige Paranoia zu verfallen, ob unserer Spuren im Netz. Denn, wenn täglich eine Horde von zig Elefanten zigfach über dieselben Pfade trampelt, wer würde sich da die Mühe machen, die Fußstapfen eines x-beliebigen Elefanten zu suchen und zu verfolgen, wenn er sie denn fände. Elefanten sind nicht nur bei Nacht alle grau.
Diese Erkenntnis des Romans von Jenifer Becker, dass Spuren im Netz nicht mehr oder nur sehr schwer zu löschen und noch schwerer zu vermeiden sind, ist also ziemlich banal, die geschilderten Konsequenzen für das Leben der Protagonistin ziemlich „drüber“.
Erschreckend an dem Roman finde ich, dass einer promovierten Akademikerin nichts Besseres einfällt, mit ihrer Zeit zu tun, als Werbeprospekte und amerikanische Frauenzeitschriften aus dem Müll der Nachbarn zu lesen und die Zeit damit totzuschlagen, sich vor der Öffentlichkeit, die im Zweifel gar nicht an ihr interessiert ist, zu verschanzen. Irgendetwas Lebenspraktisches kriegt sie nicht auf die Reihe, einen Gewinn scheint sie aus dem selbst gewählten Experiment nicht zu ziehen, zurück scheint sie aber auch nicht zu können und zu wollen. Einzig tröstlich ist, dass es sich um einen Roman, also um Fiktion handelt, die man wohl nicht zu ernst zu nehmen braucht oder, wohlmeinend, als übertrieben sehen kann, damit auch der letzte, der möchte, die nicht vorhandene Botschaft versteht.
Zum Glück habe ich keine solche Langeweile, dass ich ein so langweiliges Buch wie „Zeiten der Langeweile“ ein zweites Mal lesen müsste. Zumindest ist der Titel Programm, denn genau das hat mir das Buch beschert: Zeiten der Langeweile.