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Veröffentlicht am 18.08.2022

Traurige russische Seelen

Das Leben vor uns
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„Glaubst du, Russen schleppen eine tiefgründige, schädliche Traurigkeit mit sich herum?“, fragt die Protagonistin des Romans, Anja, ihren alten Jugendfreund Lopatin am Ende des Romans „Das Leben vor uns“. ...

„Glaubst du, Russen schleppen eine tiefgründige, schädliche Traurigkeit mit sich herum?“, fragt die Protagonistin des Romans, Anja, ihren alten Jugendfreund Lopatin am Ende des Romans „Das Leben vor uns“. Es ist die Geschichte von vier Jugendlichen, die im Russland der 80er Jahre erwachsen werden. Sie hoffen einerseits auf ein anderes Leben in Freiheit mit allen Möglichkeiten, bleiben aber zugleich alle verhaftet in der Geschichte ihres Landes. Alle vier Leben nehmen unterschiedliche Verläufe, bleiben aber verbunden bis zuletzt.
Der Titel „Das Leben vor uns“ weckt Hoffnung auf ein Leben, das in vollen Zügen und mit allen Möglichkeiten gelebt werden will. Doch am Ende es zeigt sich, dass man seiner Vergangenheit und seiner Herkunft nicht entkommen kann, egal wie weit man ihr zu entfliehen sucht. Das lässt den Leser mit einer stillen Traurigkeit zurück.
Das Buch zeichnet sich auch in der Übersetzung aus mit einer wunderbaren Sprache, die sich gut lesen lässt, nie schwer oder pathetisch wird, dennoch ergreift und großartige Bilder zeichnet von der Natur und von der Stimmung im Land, die sich in der Natur und im Wetter spiegelt.
Die Figuren nehmen den Leser mit ihren Stärken und Schwächen, ihren liebenswürdigen und abstoßenden Wesenszügen ein. Es gibt keine Helden und keine Antihelden. Das bringt die Figuren dem Leser so nahe. Genauso wie ihm das Buch sehr viel mehr als nur die wechselvolle, schreckliche, grausame Geschichte Russlands von der russischen Revolution, die Blockade von Leningrad über den Kalten Krieg, Perestroika und Glasnost bis hin zu Putin, nahebringt. Er bekommt eine Ahnung von russischer Mentalität, von der Verbundenheit zu diesem rauhen Land, von dem Kampf mit der eigenen Geschichte und Gesellschaftsordnung. Es tut sich ein Zwiespalt auf von russischem Brauchtum, das Verwurzelung schafft und Heimat bietet und quasi der Natur entwachsen zu sein scheint, und dem Ringen mit den Selbstentwürfen gesellschaftlichen Zusammenlebens, die ihren Ursprung in der Idee des Kommunismus haben, in der Realität aber scheitern und die Menschen einengen, ausbeuten, quälen und sterben lassen.
Der Roman bringt dem Leser die russische Seele ein wenig näher

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Veröffentlicht am 02.08.2022

Der Mut der Ohnmächtigen

Die karierten Mädchen
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Als junge Hauswirtschaftslehrerin übernimmt Klara mehr oder minder schnell die Rolle der Leiterin eines Kurheimes für schwindsüchtige Kinder in Oranienbaum, das zugleich Ausbildungsstätte für junge Mädchen ...

Als junge Hauswirtschaftslehrerin übernimmt Klara mehr oder minder schnell die Rolle der Leiterin eines Kurheimes für schwindsüchtige Kinder in Oranienbaum, das zugleich Ausbildungsstätte für junge Mädchen in allen Belangen der Hauswirtschaft ist. Gebeutelt von der Weltwirtschaftskrise bleibt Klara nichts anders übrig, um das Fortbestehen der Einrichtung zu retten, als mit der aufsteigenden Macht der Nationalsozialisten einen Pakt zu schließen und das Heim zur Finanzierung unter staatliche Obhut zu stellen. Sie wird zuerst Leiterin dieser zum ersten Frauenbildungsheim umgewidmeten Hauses und später einer noch größeren Einrichtung mit dem Auftrag, die jungen Mädchen ganz im Sinne des nationalsozialistischen Frauenbildes zu erziehen, obwohl sie selbst das Ideal einer frei denkenden, selbständigen und für ihren eigenen Unterhalt sorgenden Frau verkörpert. Verschärft wird ihr innerer Konflikt noch dadurch, dass sie ein kleines Baby jüdischer Herkunft bei sich aufnimmt und sich als ihre Mutter ausgibt, was bei zunehmender Verfolgung der Juden durch die Nazis für sie und das Kind immer gefährlicher wird.
Klara ist eine bewundernswerte Frau: Noch als 90jährige blinde Frau, die ihre Erinnerungen auf ein Tonband diktiert, um mit sich und ihrer Vergangenheit ins Reine zu kommen, lebt sie allein und meistert ihren Alltag in ihrem norddeutschen Reihenhaus selbständig. Als junge Frau wagt sie ein kühnes Doppelspiel, indem sie sich mit Nazi-Größen wie Heinrich Himmler einlässt, ohne deren Ideologie zu teilen und dabei gleichzeitig alles zu tun, um ihr kleines Mädchen vor dem Zugriff der Verfolgung zu schützen. Schon in dieser Zeit kämpft sie mit ihrem Gewissen, ihren Schuldgefühlen, sich dem verbrecherischen Treiben der Nazis nicht deutlicher in den Weg zu stellen und z. B. die Untaten der Reichsprogromnacht nur in ohnmächtigem Schrecken zu beobachten. Das Buch setzt sich ohne moralische Belehrung mit der schwierigen Frage nach Schuld und moralischem Handlungsspielraum auseinander und zeigt am Lebenslauf der Protagonistin den inneren, bis zum Lebensende nicht gelösten Zwiespalt auf, den Deutsche, die nicht Täter, aber auch nicht überzeugte Nazis waren, vielfach gespürt haben dürften. Eingekleidet in eine mitreißende Geschichte, die viel über die Rolle der Frau und die Frauenbildung in Zeiten des Nationalsozialismus vermittelt, gelingt es dem Roman, dem Leser das Schicksal der Figuren nahezubringen. Bei aller Bewunderung für die Figur der Klara treiben auch ihn die Fragen nach Verantwortung, nach Schuld und nach Handlungsmöglichkeiten um. Auch wenn man sich als ohnmächtig empfindet, weil es zu spät zum Handeln ist, bleibt dennoch die Frage, ob man gleich zur Leiterin einer Erziehungsanstalt werden muss, die die Naziideologie unschuldigen Generationen einimpft, wenn man doch sieht, dass es kaum möglich ist, darin den Keim kritischen Denkens zu legen. Oder ist der Lebensentwurf von Klaras Freundin Susanne, die sehr früh die Abscheulichkeit der nationalsozialistischen Ideologie erkannt hat, aber sich in Ermangelung einer alternativen Tätigkeit als Erzieherin in der damaligen Zeit entschließt, in der „zweiten Reihe“ zu verharren, eine bessere Alternative?
Gespannt erwartet der Leser die Fortsetzung der Geschichte von Klara, auch in der Hoffnung, eventuell noch Antworten auf diese Fragen zu bekommen.

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Veröffentlicht am 24.07.2022

Wer die Erinnerung macht

Beifang
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Weiß man, wer man ist und wohin man will, wenn man weiß, woher man kommt? Auch wenn der Erzähler des Romans „Beifang“ sich auf die Suche danach macht, woher er kommt, scheint er doch nicht zu wissen, was ...

Weiß man, wer man ist und wohin man will, wenn man weiß, woher man kommt? Auch wenn der Erzähler des Romans „Beifang“ sich auf die Suche danach macht, woher er kommt, scheint er doch nicht zu wissen, was er mit seinem Leben anfangen soll.
Als das elterliche Haus verkauft und zu diesem Zweck entrümpelt wird, weil die Eltern in eine altengerechte Wohnung ziehen, werfen sich dem Erzähler auf einmal Fragen danach auf, wie sein Vater in diesem alten, kleinen Zechenhaus zusammen mit 10 Geschwistern groß geworden ist mit Eltern, die weder Zeit noch Geld für diese 11 Kinder hatten. Weil sein Vater darüber keine klare Auskunft gibt, wendet er sich an die Geschwister, die ja in genügender Zahl vorhanden sind. Verschiedene von ihnen sucht er mit mehr oder minder großem Erfolg aus. Einige erzählen ihre Version der Geschichte, malen ihr Bild von ihrem Vater. Dabei entsteht ein für den Leser spannender, aber auch bedrückender Einblick in das Leben in der Zechensiedlung in den 50er und 60er Jahren. Die Zimmermanns mit ihren vielen Kindern gelten als Asoziale, mit denen keiner etwas zu tun haben will. Trotzdem schaffen einige von ihnen den Schritt in die kleinbürgerliche Welt, wie der Vater des Erzählers. Und weil der Erzähler selbst auch Vater eines Sohnes ist, auch wenn er diesen nur 4mal im Jahr sieht, ergeben sich bisweilen sehr aufschlussreiche Vergleiche der Erziehung damals und heute.
Der Roman ist atmosphärisch dicht geschrieben, der Stil leicht und nüchtern, berührt aber umso unmittelbarer. Die Figuren sind zum Teil sehr skurril oder zumindest unkonventionell, wenn auch auf ihre Art sympathisch. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Vergangenheit, teils anklagend, teils idealisierend, teils voller Verständnis, teils voller Verbitterung, ergibt sich für den Leser ein diffuses Bild: letztlich weiß er nicht, wem er trauen soll und wie er zu einem Urteil kommen kann. Vielleicht muss er das ja auch nicht und das Ende bringt noch einmal eine interessante Wende, lässt den Leser aber auch etwas allein und ratlos zurück.

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Veröffentlicht am 02.07.2022

Bilderbuch oder Buch der Bilder

Blanche Monet und das Leuchten der Seerosen (Ikonen ihrer Zeit 6)
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In ihrem Nachwort nennt die Claire Paulin das Buch Jean-Pierre Hoschedé über seine Schwester Blanche „eine Hommage an ihre großartige Malerei, ihr sanftes Wesen und ihr ereignisreiches Leben, dem [sie ...

In ihrem Nachwort nennt die Claire Paulin das Buch Jean-Pierre Hoschedé über seine Schwester Blanche „eine Hommage an ihre großartige Malerei, ihr sanftes Wesen und ihr ereignisreiches Leben, dem [sie sich] mit diesem Roman nur in allergrößter Bescheidenheit anschließen möchte.“ Das „nur in allergrößter Bescheidenheit“ darf sie meiner Ansicht nach gerne streichen.
Ihr Roman „Blanche Monet und das Leuchten der Seerosen“ schildert das Leben der Blanche Hoschedé, die nach dem Bankrott ihres Vaters mit Mutter und mehreren Geschwistern bei dem zu diesem Zeitpunkt noch recht unbekannten und umstrittenen Maler Claude Monet und seiner Familie Unterschlupf findet. Auch wenn beide Familien immer wieder mit materieller Not und familiärem Unfrieden zu kämpfen haben, findet die kleine Blanche ihr Glück darin, dem Maler Monet bei seinen Arbeiten bei Wind und Wetter stundenlang über die Schulter zu schauen und zu lernen, ohne je von ihm gelehrt zu werden. So wird auch aus ihr eine talentierte Malerin. Doch das Leben verlangt ihr immer wieder allzu Übermenschliches ab. Die Reihe von Todesfällen in der Familie scheint nicht abzureißen. Auch ein privates Glück mit eigener Familie scheint ihr nicht vergönnt, stellt sie sich doch immer wieder in den Dienst ihrer eigenen Familie und vor allem Monets. Dieses ereignisreiche Leben, wie es der Bruder nennt, macht aus ihr eine Frau mit starker Persönlichkeit, doch dabei stets sanftem Charakter.
Die Stärke dieses Romans sehe ich zum einen in der Figurengestaltung: Die liebenswerte Blanche, die gerade in Teil 2 und 3 des Romans dem Leser immer mehr ans Herz wächst, ihre impulsiv-kindliche Schwester Suzanne, ihre stets etwas griesgrämig-verhärmte ältere Schwester Marthe, aber auch der teils cholerisch, teils liebevoll besorgte Ziehvater Monet sind sehr individuell und lebendig dargestellt. Nur der Vater und einer der Sohne Monets, Jean, der in Blanches Leben eine besondere Rolle spielen wird, bleiben in ihren abrupten Charakterumschwüngen dem Leser eher fremd. In beiden Fällen erfährt der Leser erst zum Ende hin den Grund für diese Brüche, die zwar plausibel sind, aber doch nicht hinreichend zu sein scheinen für die gravierenden Konsequenzen, die sich daraus ergeben.
Was aber ganz besonders an dem Roman besticht, sind die Beschreibungen der Landschaften und Stimmungen, die den Leser sofort an Monets Gemälde erinnern. Ganz besonders der Wohnsitz Monets in Giverny ist liebevoll detailliert beschrieben, sodass sich der Leser wünscht, diesen Garten selbst zu sehen oder, noch besser, gleich einen solchen selbst so hegen und pflegen zu können.
Weder der Titel noch das Cover werden dem Roman gerecht, neigen beide doch – auch wenn der Hintergrund des Covers Bezug auf Monets Seerosenteiche nimmt – zum Kitsch. Aber kitschig ist dieser Roman nun gerade nicht, sondern er erzählt die Geschichte von Blanche ebenso still und sanft wie das Wesen seiner Titelheldin.

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Veröffentlicht am 17.06.2022

Schwierig, wenn die Sehnsucht nicht weiß, wo sie hin will

Aufbruch voller Sehnsucht
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Im zweiten Teil der böhmischen Familiensaga geht es weiter mit Erika und ihren Freunden aus
Hohenfurth. Aus der Heimat von den Tschechen als Deutsche vertrieben oder verstreut durch den
Krieg und die Kriegsgefangenschaft, ...

Im zweiten Teil der böhmischen Familiensaga geht es weiter mit Erika und ihren Freunden aus
Hohenfurth. Aus der Heimat von den Tschechen als Deutsche vertrieben oder verstreut durch den
Krieg und die Kriegsgefangenschaft, verläuft die Geschichte noch stärker als im erster Teil
mehrsträngig. Im Mittelpunkt stehen immer noch Erika und ihr steiniger Weg in eine Zukunft
zwischen Wien und München und wieder Wien, zwischen verschiedenen Männern aus der
Vergangenheit und Gegenwart und zwischen verschiedenen Rollen als Apothekerin, als Künstlerin,
als Mutter. Stets begleitet wird sie von treuen Freundinnen, teil aus Hohenfurth, teils aus ihrem
neuen Leben. Es geht um Familie, um Liebe, um Aufbruch, um Heimkehr, um Rache, Eifersucht
und sogar Mord. Aus der böhmischen wird eine wienersiche, dann eine münchnersiche und
schließlich wieder eine wienerische Familiengeschichte.
Und das ist letztlich, worin meiner Meinung nach das größte Problem dieser Reihe besteht. Die
Autorin kann sich genauso wenig entscheiden wie die Protagonistin. Sie möchte ihr alle
Möglichkeiten lassen und damit wird wenig stimmig. Ihren irrationalen Gefühlsschwankungen
zwischen Heimatverlust und neuer Verwurzelung, zwischen den verschiedenen Männern, häufig
innerhalb weniger Seiten, führte bei mir während des Lesens zu Erstaunen, zu Belustigung, aber
auch zu Unwillen und Ärger, weil ich mich als Leser sich nicht ernst genommen fühlte und das
Gefühl hatte, man könne mir alles vorsetzen, es werde mir im Gefühlstaumel schon nicht auffallen.
Was die Protagonistin an Widersprüchlichkeit als vermeintlichem Ausdruck von Vielschichtigkeit
zu viel hat, fehlt insbesondere den „bösen“ Gegenspielern: Diese sind zum Teil derart
eindimensional, dass sie entweder zur Karikatur ihrer selbst oder zur Groteske geraten. So wirkt die
auf verschiedene Art unglückliche Beziehung zwischen dem „schwulen“ Hanns und der Liesl, die
auf der ein Seite männermordender Vamp und zugleich bodenlos naiv ist, geradezu komisch. Liesl
dient Hanns als Alibi-Ehefrau, ohne es zu wissen, sodass er nun das Problem hat, ihr trotz seiner
homoerotischen Neigungen zu „Liebesdiensten“ zu sein, was er durch das Spielen eines
Akkordeons, das er bei Annäherungsversuchen zwischen sich und Liesl schiebt, zu verhindern
sucht!?!
Auf der anderen Seite gibt es die bösen Nazi-Schergen, die schon von ihrer Physiognomie her
abstoßend sind und darüber hinaus psychopathologische Züge tragen. So wird Dieter Kurzmann
von der Tatsache, als Junge mit der Mutter aus Mangel an Gegebenheiten das Bett teilen zu müssen,
durch dieses Kindheitstrauma in die Arme des aus Band eins schon bekannten Sadisten Coelestin
getrieben und entwickelt ein mehr als gestörtes Verhältnis zu seinen Mitmenschen, dessen Ursache
hier aus Spannungsgründen nicht verraten werden soll.
Geradezu pietätlos erscheint es, wenn dieser Kurzmann auf der Flucht vor seiner Vergangenheit in
einem Braukeller (!) in Argentinien auf alte Gesinnungsgenossen trifft, die sich in betrunkenem
Zustand mit ihren Gräueltaten in den Konzentrationslagern brüsten. Ungeachtet der Tatsache, dass
diese dunkle Zeit von unermesslicher Brutalität gegen die Opfer war und dass es sicher auch
Menschen gab, aus denen diese Zeit die dunkelsten und primitivsten Triebe hervorgelockt hat,
denke ich, dass diese Episoden weder den Tätern noch den Opfern gerecht werden. Mir auf jeden
Fall waren sie anstößig.
Auch fehlt mir häufig der historische Bezug. Zwar wird anfänglich das Leid der Nachkriegszeit
kurz eingestreut, wenn Hunger oder Kälte oder die Schwierigkeit mit den Behörden bei der
Neuregelung des Lebens erwähnt werden. Aber auch hier folgt auf Kälte eine Seite später das Sitzen
am warmen Ofen, auf Hunger wenige Zeilen weiter der leckere Braten zu Weihnachten am festlich
gedeckten Tisch im Jahre 1946 (!). So lebt der Leser sich nicht in die Zeit ein. Gleichsam mit Erika
eingesponnen in ihren Gefühlskokon fällt die Geschichte sehr häufig aus der Geschichte. Etwas
besser gelingt es da schon mit der Beschreibung der verschiedenen Schauplätze, die dem Leser
recht lebendig vor Augen stehen. Auch gibt es Erzählabschnitte, die sich ansprechend lesen lassen:
das Buchprojekt von Erika und Robert, die Pianistenkarriere von Jakub sind Beispiele dafür. Auch
gibt es neben den unsymphatischen Figuren, der eifersüchtigen Helene, der immer keifenden Tante
von Erika, die irgendwann sang- und klanglos verschwindet, sympathische Charaktere, wie Emmie,
einer von Erikas ältesten Freundinnen, oder Dora, die Erika auf der Flucht kennenlernt.
Aber dies trägt nicht durch 600 Seiten, sodass 600 Seiten stellenweise ganz schön lang werden
können.

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