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Veröffentlicht am 24.06.2023

Der Teddybär im Matrosenanzug

Im Kopf des Bösen - Der Sandmann
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Der Teddybär im Matrosenanzug

„Ich weiß, dass die Kollegen mich für verrückt hielten, wenn sie wüssten, dass ich im Stillen mit den Opfern und dem Täter spreche. Doch nur so kann ich es fühlen und herausfinden, ...

Der Teddybär im Matrosenanzug

„Ich weiß, dass die Kollegen mich für verrückt hielten, wenn sie wüssten, dass ich im Stillen mit den Opfern und dem Täter spreche. Doch nur so kann ich es fühlen und herausfinden, warum ihnen das angetan wurde.“ (Sophie Kaiser)

„Jeder Ermittler kennt das Gefühl, noch ganz am Anfang eines Falles zu stehen. Es ist wie ein Puzzle mit einer Million Teilen.“ (Leonhard Michels)


Eine Serie von Kindermorden mit stets gleicher Vorgehensweise: blonde Jungen im Alter zwischen sechs und neun Jahren, die scheinbar niemand vermisst, werden erfroren aufgefunden. Jeder von ihnen hielt einen Teddybären im Matrosenanzug im Arm und war lediglich mit einem Schlafanzug bekleidet.

Die Reinhards sind eine perfekte Familie. Ihr harmonisches Zusammenleben ist von einem liebevollen Umgang geprägt, es gibt weder Probleme, noch finanzielle Schwierigkeiten. Vater, Mutter, drei Kinder und die Großeltern werden an Heiligabend tot aufgefunden – ein sechsfacher Mord mit anschließendem Selbstmord?

Die Serienmorde und das Auslöschen der Familie Reinhard haben nach Ansicht der Kriminalbeamten nichts miteinander zu tun. Ein besonders ambitioniertes Mitglied der Soko „Sandmann“ ist jedoch anderer Ansicht. Sophie Kaiser ist nicht nur eine hervorragende Profilerin bei der Kripo Hannover, dank ihres eidetischen Gedächtnisses und ihrer analytischen Denkweise entdeckt sie im Zuge ihrer höchst eigenwilligen Ermittlung auch eine Verbindung. Gemeinsam mit Kriminaloberkommissar Leonhard Michels aus Lübeck verbeißt Sophie sich in jede noch so kleine Spur und wird ihrem Ruf als „RoboCop“ und gute Kriminalistin wieder einmal gerecht…

In ihrer aktuellen Neuerscheinung präsentiert das Autorenduo Axel Petermann und Petra Mattfeldt einen interessanten, spannenden und unterhaltsamen Kriminalfall. Die Ermittlungsarbeiten der Kripo Hannover sowie der Kripo Lübeck stehen im Mittelpunkt des Geschehens. Mit Sophie Kaiser und Leonhard Michels haben die Autoren höchst eigenwillige und vielschichtige Protagonisten geschaffen, die mit ihrer speziellen Beobachtungsgabe und einem ungewöhnlichen Ermittlungsansatz punkten. Die Charakterzeichnung der beiden Hauptfiguren war hervorragend und in hohem Maße authentisch. Auf die Nebenfiguren wurde jedoch weniger Wert gelegt, sie blieben für meinen Geschmack zu blass. Sophie Kaiser war mir durch die detaillierte Beschreibung ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten auf Anhieb sympathisch, ebenso ihr Ermittlungspartner Leonhard Michels. Die Tatsache, dass die Autoren auch Einblicke in das Privatleben dieser beiden Figuren gewährten, erzeugte eine gewisse Nähe, welche mir bei deren Kollegen oder Familien hingegen fehlte.

Die fieberhafte Suche nach einem Zusammenhang zwischen den beiden Fällen sorgte für Spannung im Buch. Durch die Protagonistin Sophie erhält der Leser tiefe Einblicke in die Welt der Fallanalyse, indem er an ihren Gedanken und Schlussfolgerungen zur Tatrekonstruktion im Haus der Familie Reinhard teilhaben darf. Mir haben Sophies direkte Art, ihre Ehrlichkeit, die kühle, analytische Denkweise sowie ihre Persönlichkeit ausnehmend gut gefallen. Ihren Umgang mit Ironie oder Lügen anderer Menschen wie auch mit Redewendungen fand ich erfrischend.

Axel Petermann und Petra Mattfeldt erzählen diese auf ein wahres Verbrechen beruhende Geschichte in einem flüssigen und flapsigen Schreibstil. Ereignisse rund um den geheimnisvollen Sandmann, dessen Identität lange im Dunkeln bleibt, sind kursiv gedruckt dargestellt. Hier erfährt man nach und nach immer mehr Einzelheiten zu den Hintergründen der Entführungsfälle, was den Spannungsbogen kontinuierlich erhöht.

Zu guter Letzt möchte ich auf das aufwändig gestaltete Buchcover hinweisen, das nicht nur in optischer Hinsicht einen Blickfang darstellt. Auch die Tatsache, dass auf den beiden Innenseiten dieser Hochglanzbroschur die Autoren sowie die beiden Protagonisten kurz vorgestellt werden, habe ich sehr begrüßt. Diese Vorgehensweise wäre in jedem Buch wünschenswert, da man als interessierter Leser bereits vorab relevante Informationen in knapper Form erhält.

FAZIT: „Im Kopf des Bösen – Der Sandmann“ war ein interessanter Kriminalroman, der mir einen faszinierenden Einblick in die Welt der Fallanalyse gewährte, mich sehr gut unterhalten und die Neugier auf die Identität und die Motive des geheimnisvollen Sandmannes geschürt hat. Da es sich hierbei um den Auftakt der „Im Kopf des Bösen-Reihe“ um die Ermittlerin Sophie Kaiser handelt, darf ich mich bereits jetzt auf den Nachfolgeband mit der sympathischen Ermittlerin freuen. Im Epilog wird zudem eine zukünftige berufliche Zusammenarbeit mit Leonhard Michels angedeutet – ein Szenario, dem ich ebenfalls erwartungsvoll entgegenblicke. Abschließend möchte ich anmerken, dass speziell für diese Reihe sogar eine eigene Website sowie ein eigener Instagram-Kanal eingerichtet wurde (@imkopfdesboesen).

Veröffentlicht am 18.06.2023

Die Historie des mysteriösen Leuchtturms

Lighthouse Bookshop
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Die Historie des mysteriösen Leuchtturms

„Ich war hier und doch nicht hier – das Erlebnis, die Welt aus einer eigenartigen Perspektive betrachten zu können.“

Achtzigtausend Bücher und ein Leuchtturm ...

Die Historie des mysteriösen Leuchtturms

„Ich war hier und doch nicht hier – das Erlebnis, die Welt aus einer eigenartigen Perspektive betrachten zu können.“

Achtzigtausend Bücher und ein Leuchtturm in Schottland – dies ist die Welt der Rachel Talbot, die vor fünf Jahren einen Neubeginn suchte und in Newton Dunbar in der antiquarischen Buchhandlung des James-MacDonald-Turms sesshaft wurde. Als jedoch dessen Besitzer Cullen MacDonald stirbt, droht Rachel der Verlust ihres Jobs und ihrer Unterkunft. Die eingeschworene Gemeinschaft einiger liebenswerter Stammkunden, die zugleich auch zum engeren Freundeskreis des Verstorbenen gehören, steht dem drohenden Verkauf von Cullens Besitz zunächst machtlos gegenüber…

Der Roman „Lighthouse Bookshop“ war mein erstes Buch der Autorin und hat bereits durch das bestechend schöne Cover, den faszinierenden Schauplatz Newton Dunbar in Schottland und der vielversprechenden Leseprobe meine Aufmerksamkeit gewonnen. Besonders angetan war ich von der Kurzvorstellung der einzelnen Charaktere auf den beiden Cover-Innenseiten, die den Leser bereits vorab über die handelnden Figuren informiert.

Diese warmherzige Geschichte punktet mit liebenswürdigen Figuren, die durch ihre gemeinsame Liebe zur Literatur und ihre regelmäßigen Begegnungen in der Buchhandlung zu einer richtigen kleinen Wahlfamilie geworden sind. Des Weiteren gilt es, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, lange schwelende Konflikte zu klären und Geheimnisse aufzudecken. Die Autorin besitzt einen sehr saloppen, aber einnehmenden und humorvollen Schreibstil, der zudem durch bildhafte Beschreibungen der Schauplätze und einer eindrucksvollen Charakterzeichnung ihrer Figuren besticht. Lediglich die Einbindung derber Flüche und Kraftausdrücke fand ich unnötig, es hat mein Lesevergnügen zugegebenermaßen ein klein wenig getrübt.

Der zierlichen und bezaubernden Buchhändlerin Rachel wird als Protagonistin die größte Aufmerksamkeit zuteil, die Autorin stellte ihr jedoch ebenso überzeugend ausgearbeitete und sympathische Nebenfiguren zur Seite. Die beiden Senioren und langjährigen Freunde Cullen MacDonald und Ron Forrester verbindet nicht nur die Buchhandlung im Leuchtturm, sondern auch deren Leidenschaft für das Schachspiel. Der ehemalige Angestellte einer Bohrinsel namens Ezra Jones und die Künstlerin Edie Strang zählen ebenfalls bereits zu den älteren Semestern. Ihr Umgang miteinander ist trotz der Vermittlungsversuche ihrer Freunde von gegenseitiger Abneigung, Feindseligkeit und Streit gekennzeichnet. Der charmante Neuzugang Toby Hollingwood hat ein Ferienhaus in Newton Dunbar gemietet und arbeitet als ehemaliger Kriegsreporter an seinen Memoiren. Das jüngste Mitglied dieser eingeschworenen kleinen Gemeinschaft ist die kratzbürstige und großmäulige Ausreißerin Gilly, deren unstetes Vagabundenleben in Newton Dunbar eventuell endlich ein Ende finden könnte. Meine favorisierte Figur dieses Buches war unbestreitbar die verschrobene Künstlerin Edie. Ihre Charakterzeichnung ist Sharon Gosling hervorragend gelungen und insbesondere ihre Wortgefechte mit Ezra und Gilly brachten mich wiederholt zum Schmunzeln. Die hartnäckige und herablassende Immobilienentwicklerin Dora McCreedy zeigt verstärktes Interesse an Newton Dunbar – sie zeichnete als Antagonistin dieses Buches für unangenehme Auftritte und einigen Ärger verantwortlich.

Ich kann mich vorangehender Rezensionen nur anschließen, die dieses Buch als „richtigen Wohlfühlroman“ bezeichnen. Darüber hinaus haben mir die liebevoll ausgearbeiteten und sympathischen Charaktere sowie deren persönliche Entwicklung im Verlauf des Buches großes Lesevergnügen bereitet. Die Geschichte dieses skurrilen, kilometerweit vom Meer entfernten Leuchtturms steht zwar im Zentrum des Geschehens, Freundschaft, Liebe, Hilfsbereitschaft und Vergangenheitsbewältigung sowie der Mut zum Neubeginn waren jedoch ebenso relevante Themen dieses Buches. Durch die allmähliche Enthüllung der Vergangenheit und die bereits erwähnten Geheimnisse, die es seitens Autorin aufzudecken gilt, wurde auch ein gewisser Spannungsfaktor ins Buch gebracht.

FAZIT: „Lighthouse Bookshop“ war ein warmherziger, berührender, äußerst unterhaltsamer und durch etliche humorvolle Passagen bereicherter Wohlfühlroman. Die Geschichte dieses ungewöhnlichen Leuchtturms und seiner liebenswerten Stammkunden hat mir ausgesprochen gut gefallen und vergnügliche Lesestunden bereitet.

Veröffentlicht am 13.06.2023

Der Bund der Frühlingstöchter

Das Pensionat am Holstentor: Frühlingstöchter
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Der Bund der Frühlingstöchter

„Wir, die Frühlingstöchter, schwören feierlich, dass wir einander beschützen werden. Wir werden uns beistehen wie Schwestern und einander niemals im Stich lassen, so wahr ...

Der Bund der Frühlingstöchter

„Wir, die Frühlingstöchter, schwören feierlich, dass wir einander beschützen werden. Wir werden uns beistehen wie Schwestern und einander niemals im Stich lassen, so wahr uns Gott helfe.“

Der Name „Frühlingstöchter“ symbolisiert gemäß Nora, Fanny, Agnes und Lotte die Jugend, den Neuanfang und die Lebenslust. Eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft in einem exklusiven Pensionat für höhere Töchter der Gesellschaft manifestiert sich im hanseatischen Lübeck des Jahres 1899 zu einer Freundschaft, die weit über die Zeit im Pensionat hinaus bestehen soll. Die vier Mädchen absolvieren die Abschlussklasse und fühlen sich unbesiegbar. Die hübsche Lübecker Senatorentochter Charlotte Dabel entpuppt sich manchmal als überhebliches Biest, die theatralische Kaufmannstochter Agnes Kneseke leidet unter ihren vernarbten Wangen und die ruhige Franziska Grape verdankt als mittelloses Waisenmädchen den Schulbesuch einem Stipendium. Das Eintreffen der temperamentvollen Grafentochter Eleonore von Jagow stellt für die Leiterin des Pensionats nicht nur eine willkommene zusätzliche Einnahmenquelle, sondern vielmehr auch einen enormen Prestigegewinn dar. Doch für die freiheitsliebende Nora, die wilde Ausritte auf dem elterlichen Gut oder das Lenken einer Kutsche klassischen Beschäftigungen wie Handarbeiten, Klavierspielen oder höfliche Konversation in Teestunden vorzieht, stellt das Pensionat zunächst eine Strafe dar. Doch animiert durch die kluge und progressive Lehrerin Gesche Petersen freut sie sich bald schon darauf, ihren Horizont zu erweitern und sich Wissen anzueignen. Einzig die Tatsache, von ihrem Jugendfreund Karl getrennt zu sein, bereitet Nora großen Kummer…

Bereits mit dem ersten Band ihrer aus zwei Teilen bestehenden Buchreihe „Das Pensionat am Holstentor“ konnte Anna Perbandt mich voll und ganz überzeugen. Der überaus einnehmende Schreibstil, die gewählte Sprache sowie der mitreißende Plot haben es geschafft, mein Interesse an dieser Lektüre durchgehend aufrecht zu halten. Das Leben der vier Hauptfiguren im Pensionat, ihr Alltag und die Interaktion mit der Schulleiterin und den Lehrenden, aber auch die Sehnsüchte, Wünsche und Träume dieser vier jungen Mädchen waren überzeugend dargestellt. Die Autorin konzentrierte sich darüber hinaus auf die Grafenfamilie von Jagow und erlaubt dem Leser Einblicke in das Leben auf Gut Rosenhagen, dem geschwisterlichen Verhältnis zwischen Nora und ihrem Bruder Henry, einer chronisch kranken Mutter und dem permanent abwesenden Vater. Der junge Stallarbeiter Karl war stets Noras Spielgefährte und Vertrauter – aber allmählich wuchs diese innige Freundschaft zu einer großen gegenseitigen Anziehungskraft. Einer Liebe zwischen den beiden jungen Menschen stehen jedoch die gesellschaftlichen Konventionen im Weg.

„Warum können wir nicht lieben, wen wir wollen? Wird sich das jemals ändern? (Nora)
„Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe es sehr.“ (Gesche)


Der Autorin ist die Charakterzeichnung ihrer handelnden Figuren vortrefflich gelungen. Zwar konzentriert sie sich in erster Linie auf ihre Protagonisten, brachte darüber hinaus aber auch interessante und ebenso überzeugende Nebenfiguren in die Geschichte ein. Meine favorisierte Darstellerin war die hoch qualifizierte junge Lehrerin Gesche, die nach einem abenteuerlichen und aufregenden Leben an der Seite ihres Vaters eine Anstellung im Pensionat erhält. Ihre aufgeschlossene Art, ihr politisches Interesse, ihre mutige und unerschrockene Meinungsäußerung sowie ihr progressives Gedankengut stehen in starkem Kontrast zu den konservativen und teilweise sogar ignoranten Vorstellungen der anderen Lehrkräfte.

Die Geschichte dieser Freundschaft zwischen vier Zöglingen des Pensionats am Holstentor ist im Jahr 1899 in Lübeck angesiedelt. Die Autorin vermochte es auf vortreffliche Art und Weise, mir durch ihre Beschreibungen ein Bild des Umfelds, aber auch des Lebens in dieser Zeit vor Augen zu führen. Die „Frühlingstöchter“ zu lesen war für mich ein Eintauchen in frühere Zeiten und darüber hinaus ein sehr unterhaltsames Leseerlebnis, das ich in hohem Maße genossen habe. Ich freue mich bereits jetzt auf den Abschlussband dieser Reihe und brenne darauf zu erfahren, was das Schicksal für die Figuren dieses Buches noch alles bereithält.

Begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.06.2023

Nächte mit leisen Worten in der Dunkelheit

Unsere Stimmen bei Nacht
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Nächte mit leisen Worten in der Dunkelheit

„Manchmal fand Lou das, was Menschen nicht erzählten, sehr viel interessanter, als das, was sie tatsächlich sagten.“

Lou-Ann Weber mietet das letzte freie ...

Nächte mit leisen Worten in der Dunkelheit

„Manchmal fand Lou das, was Menschen nicht erzählten, sehr viel interessanter, als das, was sie tatsächlich sagten.“

Lou-Ann Weber mietet das letzte freie Zimmer in der kleinen Villa des Ehepaares Gloria und Herbert Sobrowski in Berlin, wo bereits der alleinerziehende Professor Gregor Mader mit seiner Tochter Alissa und der Student Johann „Jay“ leben. Mit der offenen und selbstbewussten Lebenskünstlerin Lou ist die kleine Wohngemeinschaft schließlich komplett. Während der Hausbesitzer Herbert und der Chemieprofessor Gregor Abweichungen in ihrem gewohnten Alltag ablehnend gegenüberstehen, sind Jay und Lou regelrechte Freigeister: spontan, neugierig, voller Fragen und an ihren Mitbewohnern interessiert. Und obgleich die Lebenspläne, die Vorstellungen und die Alltagsroutine dieser völlig gegensätzlichen Menschen in keiner Weise übereinstimmen, entsteht aus dieser ungewöhnlichen Gemeinschaft dank der unkonventionellen Lou als Bindeglied schließlich eine richtige kleine Wahlfamilie. Gemeinsame Mahlzeiten fungieren als Basis für interessante Gespräche, entspanntes Chillen im Garten und tiefsinniger Gedankenaustausch in schlaflosen Nächten erzeugen eine zusätzliche emotionale Bindung zwischen den Hausbewohnern.

„An manche Menschen musste man sich sehr langsam herantasten, jede Person hatte einen eigenen Rhythmus, ihr eigenes Tempo, um ihre Lebensgeschichte zu teilen.“

Diese Neuerscheinung der mir bislang unbekannten Autorin Franziska Fischer hat meiner hohen Erwartungshaltung in jeder Hinsicht entsprochen. Sowohl der einzigartige und wunderschöne Schreibstil der Autorin, als auch die starken Emotionen und tiefgründigen Gedanken machten diesen Roman zu einer herzerwärmenden Lektüre. Es gibt Bücher, die mich als Leser tief berühren und unter die Haut gehen. „Unsere Stimmen bei Nacht“ ist eines davon – eine erlesene kleine Perle, die mich vollständig in den Sog ihrer Geschichte zog und mir durch die poetische Sprache, durch kostbare und wohlformulierte kluge Lebensweisheiten und Gedanken außergewöhnlichen Lesegenuss bescherte.

Die Handlung selbst wird weder von Spannung, noch aufregenden Höhepunkten beherrscht. Es handelt sich vielmehr um ein leises, unaufdringliches Buch, das seine Magie auf vielfältige Weise entwickelt. Und zwar durch kleine, aber wichtige Episoden im Alltag dieser sechs Protagonisten, die detailliert und liebevoll beschrieben werden und das Buch zu einem Leseerlebnis machten, das ich nicht mehr missen möchte. Franziska Fischer bedient sich hervorragend ausgearbeiteter Charaktere und schreibt von dem Bestreben eines jeden Einzelnen, seinen Weg zu finden, tiefsten Wünschen und Sehnsüchten Ausdruck zu verleihen und den Mitbewohnern nach und nach Einblick in seine ganz persönliche Lebensgeschichte zu gewähren.

„Sie waren eine merkwürdige Gruppe an Menschen, dachte Lou. Alle zusammen in dieses Haus geschüttet, und manchmal war es so, als gäbe es keine Außenwelt mehr, nur sie, sechs Personen, die einander genug sein mussten.“

Sowohl die hochwertige Aufmachung, als auch Optik und Haptik dieses Buches sind bemerkenswert. Eine in bunte Farben getauchte Abbildung mehrerer Äpfel auf dem tiefschwarzen Einband zieht den Blick des Betrachters unweigerlich auf sich. Der Buchtitel wurde in stark kontrastierendem Weiß gedruckt, der dunkle Hintergrund und die etwas dezentere Einbringung des Verlags- sowie des Autorennamens sowie ein rotes Lesebändchen vervollständigen das edle Erscheinungsbild.

Franziska Fischers Roman offenbart seinen Inhalt ganz behutsam und langsam. Es handelt sich um eine Erzählung, die den Leser dazu auffordert, sich vollständig ins Geschehen hinein zu begeben, die ihre Geheimnisse nur nach und nach Preis gibt und nicht mit einer Fülle von Informationen überquillt, sondern vielmehr mit leisen Andeutungen arbeitet. Das Unausgesprochene, das in vielen Familien im Raum steht, spielt hier die Hauptrolle. Die Antwort auf etliche Fragen findet sich zwischen den Zeilen, findet sich in den wechselnden Perspektiven und in den Erzählungen der einzelnen Figuren. „Unsere Stimmen bei Nacht“ ist ein sehr ruhiges, leises Buch, das dem Leser in eindringlichen Worten und mit zahlreichen, teilweise emotionalen Details, die Lebensgeschichten seiner Figuren erzählt. Mir hat die bedächtige Art, die Vergangenheit aufzurollen, überaus zugesagt und ich wurde auf diese Weise immer vertrauter mit Gloria, Herbert, Gregor, Alissa, Jay und Lou. Es werden nicht nur innere Konflikte, sondern auch tief zurück liegende Verletzungen innerhalb der Familie und des Freundeskreises aus der Vergangenheit zur Sprache gebracht, und keine der handelnden Personen bleibt davon unbeeinflusst.

„Manchmal ist jeder Schritt eine Geschichte, jedes Lachen eine Erzählung, jedes Wort ein Roman.“

Fazit: „Unsere Stimmen bei Nacht“ war mein erstes, aber mit Sicherheit nicht mein letztes Werk dieser Autorin. Die ruhige, unaufgeregte und behutsam erzählte Geschichte bietet dem Leser weder turbulente Höhepunkte, noch hohe Spannungsmomente, wartet dafür aber mit einem außergewöhnlichen Schreibstil, tiefen Emotionen und einer Vielzahl kluger Gedanken und Lebensweisheiten auf. Franziska Fischer beschreibt in poetischen Worten das gemächliche gegenseitige Kennenlernen und Annähern völlig konträrer Charaktere. Dieser beeindruckende Roman war für mich eine ganz besondere Lektüre. Es ist ein leises Buch, das lange nachwirkt, mit handelnden Figuren, die man nicht so rasch wieder vergisst, deren Geschichte die Gedanken des Lesers auch noch über das Zuschlagen der letzten Seite hinaus beschäftigen. Das Buch hat meinem persönlichen Lesegeschmack in jeder Hinsicht entsprochen und ich möchte dieses kleine Highlight ganz besonders Menschen, die ruhige und tiefgründige Bücher lieben, ans Herz legen.

Veröffentlicht am 04.06.2023

Ludovika Lichtenberg sucht den Superpraktikanten!

Love Always Hopes
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Ludovika Lichtenberg sucht den Superpraktikanten!

Juna Behnke erhält die Möglichkeit, ein Praktikum in dem zur Lichtenberg-Kette gehörenden Luxushotel Ludovika am Brombachsee zu absolvieren. Für die einundzwanzigjährige ...

Ludovika Lichtenberg sucht den Superpraktikanten!

Juna Behnke erhält die Möglichkeit, ein Praktikum in dem zur Lichtenberg-Kette gehörenden Luxushotel Ludovika am Brombachsee zu absolvieren. Für die einundzwanzigjährige Studentin ist es die Gelegenheit, ihrem Traum, Hotelmanagerin zu werden, ein kleines Stück näherzukommen. Juna hat jedoch nicht damit gerechnet, dass plötzlich ein zweiter Praktikant auf der Bildfläche erscheint, der als Sohn der Hotelbesitzer dem vorgegebenen Lebensplan seiner Eltern folgen soll. Ihre einflussreiche Vorgesetzte Ludovika Lichtenberg initiiert noch dazu einen Wettbewerb zwischen den beiden und Leopold wird auf diese Weise zu Junas größtem Konkurrenten. Der überhebliche und einschüchternd wirkende Erbe widmet Juna lediglich herablassende Blicke und spöttische Kommentare, er und behandelt sie unhöflich und arrogant. Er wirkt zudem sichtlich gelangweilt und bringt ganz klar und deutlich seine Aversion gegen eine Zukunft in der Hotelbranche zum Ausdruck. Für Juna und Leo beginnt eine aufreibende Zeit, in der sie sich Einblick in die Abläufe des Hotels verschaffen, zugleich aber auch darum kämpfen müssen, letztendlich als Gewinner dieses Wettkampfes hervorzugehen. Zwar haben die beiden sehr konträre Vorstellungen von ihrer Zukunft, im Falle eines Sieges wird ihnen jedoch die Möglichkeit geboten, ihren jeweiligen Träumen ein ganzes Stück näherzukommen. Was aber, wenn Gott ganz andere Pläne für Juna und Leo bereithält? Je besser die beiden sich im Zuge ihrer Zusammenarbeit kennenlernen, umso unmöglicher erscheint es ihnen, ihre gegenseitige Aversion noch länger aufrecht zu erhalten. Denn nach und nach werden unerwartete Gefühle mit ins Spiel gebracht…

Melissa C. Feurer liefert mit ihrer aktuellen Neuerscheinung „Love always hopes“ einen interessanten Auftakt ihrer neuen Lichtenberg-Reihe. Die Autorin konzentriert sich vorrangig auf ihre beiden Protagonisten Juna und Leopold, den Nebenfiguren wird abgesehen von Junas Familie weniger Aufmerksamkeit zuteil, sie blieben für meinen Geschmack ein klein wenig zu blass. Ich hätte generell gerne mehr über die Kollegenschaft im Hotel und speziell über das Denken und die Motivationen bestimmter Figuren erfahren. Der alte Haustechniker und „gute Geist des Hotels“ namens Gabriel war mir auf Anhieb sympathisch. Was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat war die Charakterzeichnung der einzelnen Mitglieder der Familie Behnke und die Beschreibung ihres Alltagslebens. Die Pfarrerin Susanne Behnke überraschte mich mit ihrer ungewöhnlichen Einstellung, ihren Vorlieben und ihrem fröhlich-bunten Äußeren. Ihre einfühlsame und liebevolle Art und die Passagen, in denen durch Susanne und Thomas Behnke christliche Werte und der Glaube in die Geschichte eingebracht wurde, haben mir ausgezeichnet gefallen. Junas jüngere Brüder Pepe und Rico fand ich absolut unterhaltsam und süß, und auch ihre Studienkollegin, Mitbewohnerin und beste Freundin Enni empfand ich als Sympathieträgerin. Leopold ist als eine der beiden Hauptfiguren dieses Buches gefordert. Einerseits muss er sich völlig unerwartet einem Konkurrenzkampf mit der zielstrebigen, energiegeladenen und optimistischen Juna stellen, andererseits trägt er schwer an seiner Last als Hotelerbe. Sein Herz und seine ganze Leidenschaft gehören der Musik, er fühlt sich durch das kontrollierende und bestimmende Verhalten seiner Eltern in die Enge getrieben und zutiefst unglücklich. Die Autorin versteht es gekonnt, dem Leser Leos inneren Kämpfe zu vermitteln, gibt aber auch großzügige Einblicke in Junas Gedanken- und Gefühlswelt sowie ihre Konflikte, die sie ausschließlich mit sich selbst auszutragen versucht.

Melissa C. Feurer besitzt einen einnehmenden und flüssigen Schreibstil, die saloppe Sprache scheint einer jugendlichen Zielgruppe angepasst. Der Glaube hat in der Familie Behnke einen sehr hohen Stellenwert inne – dieser Fokus auf christliche Werte hat mir wie bereits erwähnt ganz besonders gefallen. An einigen Passagen wird durch witzige Alltagsszenen bei den Behnkes Humor ins Buch eingebracht, lediglich die sporadische Verwendung von Kraftausdrücken im Buch vermochte mein Lesevergnügen ein klein wenig zu trüben. Die Neugier auf den Ausgang dieses Wettbewerbes und auf die Entwicklung der persönlichen Beziehung zwischen Juna und Leo animiert dazu, sich immer mehr in die Geschichte zu vertiefen. Für meinen Geschmack kam das Ende dann viel zu rasch und ich sehe dem zweiten Band dieser Buchreihe bereits jetzt mit großer Vorfreude entgegen.

FAZIT: Die aktuelle Neuerscheinung aus der Feder von Melissa C. Feurer hat meiner hohen Erwartungshaltung in jeder Hinsicht entsprochen! Ich empfand den Auftakt dieser neuen Buchreihe als sehr unterhaltsam, abwechslungsreich und interessant, die Autorin punktet mit hervorragend charakterisierten Hauptfiguren und liebenswerten Nebenfiguren. Der Glaube als wichtiger Bestandteil des Buches und die überzeugende Darstellung der Gefühls- und Gedankenwelt der beiden Protagonisten sorgten dafür, dass ich diese Lektüre nicht mehr aus der Hand legen mochte. Mit „Love always hopes“ hat die christliche Romanautorin Melissa C. Feurer sich erneut in mein Herz geschrieben und mir wie schon so oft großes Lesevergnügen bereitet. Begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!