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Veröffentlicht am 17.04.2018

Der Übergang

Der Übergang
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Unter dem Deckmantel „Horrorroman bzw. Vampirroman“ liegt für mich das eigentliche Thema, das Hauptthema, verborgen: ein Endzeitszenario.

Justin Cronin verwendet die ersteren Themen zwar, um die Spannung ...

Unter dem Deckmantel „Horrorroman bzw. Vampirroman“ liegt für mich das eigentliche Thema, das Hauptthema, verborgen: ein Endzeitszenario.

Justin Cronin verwendet die ersteren Themen zwar, um die Spannung aufrecht zu erhalten, die Geschichte interessant und lebendig zu machen – im Grunde aber lege ich als Leser das Hauptaugenmerk auf die fast vollständige Ausrottung der menschlichen Rasse. Cronin zeichnet ein Schreckensbild vom Zusammenbruch der Zivilisation – keine Nahrungsmittelindustrie, keine Fortbewegungsmöglichkeiten, keine schöngeistigen Dinge – nichts, was wir als so selbstverständlich hinnehmen, beinahe schon als unsere Grundrechte bezeichnen, bleibt übrig.

Ein sehr ernstes Thema, bei dem der Autor sich nicht nur auf die materiellen Dinge beschränkt. Vielmehr geht er auf die psychischen Auswirkungen ein und bringt Beispiele, wie Menschen in Extremsituationen reagieren, wenn es um die eigene Existenz geht, wenn uneingeschränkt nur noch die Faustregel gilt. Er zeigt aber auch, wie die übrig gebliebenen Menschen sich organisieren, Gruppen bilden, ein System zur Erhaltung der Ordnung erschaffen und Regeln einführen. Im Bezug auf diese Dinge liest man dieses Buch nicht leichtfertig als Unterhaltungsroman des Genres Fantasy oder Science Fiction, sondern man reflektiert auch viel, malt sich mögliche Szenarien aus und taucht nach dem Lesen dieses dicken Wälzers nur sehr langsam wieder in der Realität auf. Danach sieht man eine Weile die Dinge aus einer ganz anderen Sicht. Wie wundervoll es doch ist, den Abendhimmel zu betrachten … wie selbstverständlich wir uns im Alltag bewegen, uns keine Gedanken um unsere körperliche Sicherheit machen … wie selbstverständlich wir bei Hungergefühlen einfach in einen Supermarkt marschieren und unsere Bedürfnisse befriedigen … und wie selbstverständlich wir auch die kulturelle, schöngeistige Seite des Lebens genießen … all das und noch viel mehr vermochte dieses Buch Justin Cronins in mir hervor zu rufen und ich kann nur sagen: sehr gute Grundidee, außergewöhnlich gut umgesetzt.

Für Spannung ist gesorgt in diesem Buch, das kann ich definitiv bestätigen. Justin Cronin sorgt dafür, dass man nicht selten den Atem beim Lesen anhält, die Seiten regelrecht verschlingt und Zeit und Raum um sich vergisst. Die Übergriffe der „Virals“ werden oft und detailliert beschrieben – und dennoch: wenn es soweit ist, erfolgen diese so rasch und brutal, dass es den Leser fast aus dem Sessel reißt. Die spannungsgeladene Atmosphäre zieht sich durch das gesamte Buch, einen einzigen Höhepunkt würde ich aber nicht benennen können. Durch die Länge dieser Geschichte baut Cronin sehr viele Höhepunkte in den Plot ein und es ist im Grunde ein ständiges „Auf und Ab“ – nicht nur der Gefühle, sondern auch der Höhepunkte.
Der Schreibstil des Autors ist klar und eindringlich. Er verwendet keine langen, verschachtelten Sätze, sondern schreibt eher kurz und prägnant. Trotz allem gelingt ihm das Kunststück, sämtliche Szenen sehr genau und bildhaft zu beschreiben, ebenso die Emotionen.

Der Autor schrieb das Buch in der Erzählform, mal aus seiner Sicht, mal aus der Sicht eines Protagonisten. Der Übergang ist jedoch so fließend und doch klar formuliert, dass es wahrlich ein Genuss ist, dieses Buch zu lesen.

Justin Cronin versteht es, nicht zu viele verschiedene Personen in die Geschichte zu verpacken und konzentriert sich bei den Beschreibungen auf die Protagonisten dieses Romans. Detailliert gezeichnet, sehr tief auf die Emotionen und Gedankenwelt des jeweiligen Darstellers eingehend gelang es ihm mühelos, mich nicht nur sehr rasch mit ihnen vertraut zu machen, sondern sie zu mögen. Mit all ihren Eigenheiten, mit all ihren kleinen und größeren Problemen und Ängsten war ich sozusagen eingegliedert in die Gemeinschaft dieser Überlebenden. Und doch beschränkt er sich nicht nur darauf, auf besagte Überlebende einzugehen. Er taucht auch tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der „Bösen“, der „Virals“ oder „Verwandelten“ ein, wie sie hier genannt werden. Cronin versteht die Kunst, den Leser so ins Geschehen mit einzubeziehen, dass er völlig in die Geschichte versinkt, beinahe selber zum Darsteller wird. Man spürt die lähmende Angst vor den zahlreich stattfindenden tödlichen Übergriffen ebenso wie die Erleichterung, wenn ein neuer Morgen graut. Man trauert mit den Müttern, erlebt die Enttäuschung der Kinder, wenn sie an ihrem 8. Geburtstag die Zuflucht verlassen müssen und die Wahrheit über ihre Welt erfahren, fühlt die Resignation und ist fasziniert vom Mut und Pioniergeist einiger Protagonisten. Ja, Justin Cronin hat sich definitiv nicht bemüht, Seiten füllend zu schreiben, ihm gelang es sogar in mir den Wunsch zu erwecken, das Buch möge noch einige tausend Seiten weiter gehen. Abschließend möchte ich noch die Behauptung aufstellen, dass es im Grunde die Figuren sind, die dieses Buch so bereichern, so lebendig machen. Vampirromane oder Endzeitszenarien gibt es viele … aber Justin Cronin hat wahrlich einen Bestseller verfasst, indem er sich stark auf die Figuren konzentriert

Es handelt sich hierbei um ein sehr dickes, über 1000 Seiten zählendes Buch in gebundener Ausführung. Aufgrund des Coverfotos, einem verwahrlost aussehenden Mädchen mit traurigem, fast unheimlichen Blick, war ich fälschlicherweise der Meinung, das Buch handle ausschließlich von diesem Mädchen. Weit gefehlt. Hier war die Gestaltung ein wenig ungeschickt gewählt. Das Buch ist weiters in Kapitel eingeteilt, wobei zu Beginn eines jeden Kapitels ein Einleitungstext sowie die Zeit genannt werden, in der sich der Leser gerade befindet. Zusätzlich gibt es Unterkapitel, die ich aufgrund der hohen Seitenanzahl als sehr willkommen empfand und die mir den Eindruck einer besseren Übersichtlichkeit vermittelten.

Der Autor befriedigt mit diesem Buch nicht nur die Leselust der Fantasy- und Science Fiction-Fans und bringt eine gute Portion Spannung und Thrill in die Geschichte ein, sondern es gelingt ihm vielemehr, den Leser nachdenklich zu machen. Sich der Welt, wie wir sie kennen, bewusster zu werden, ja, Dankbarkeit zu entwickeln für die Dinge, die wir haben – sei es im materiellen oder auch im geistigen Sinn.

"Der Übergang" ist ein großartiges Buch, das ich nur zu gerne weiter empfehle und nach dessen Lektüre man nur sehr langsam und schwer wieder in die Realität zurück findet.

Veröffentlicht am 17.04.2018

Die Chroniken der Elfen

Die Chroniken der Elfen
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Die Protagonistin Pia landet gemeinsam mit ihrer Bekannten Alica auf ihrer Flucht vor gefährlichen Kriminellen in einer für sie völlig fremden, unbekannten Welt. Der Übergang von den finsteren Winkeln ...

Die Protagonistin Pia landet gemeinsam mit ihrer Bekannten Alica auf ihrer Flucht vor gefährlichen Kriminellen in einer für sie völlig fremden, unbekannten Welt. Der Übergang von den finsteren Winkeln der Favelas Rio de Janeiros nach WeißWald gelingt durch ein Portal, das auf mysteriöse Weise erschienen – und auch wieder verschwunden zu sein scheint. Pia wird in dieser Welt als Gaylen verehrt, die nach einer alten Legende nach dem Volk Frieden und Freiheit bringen soll – doch nicht jeder der seltsamen Bewohner dieser fremden Welt ist ihr wohl gesonnen…
Hohlbein ist es vortrefflich gelungen, seiner Idee Ausdruck zu verleihen, sie in diesem magischen Roman umzusetzen. Er findet einen raschen Übergang von der Realität zur magischen Welt und nimmt den Leser dabei einfach mit. Eine grandiose Idee mit einer großartigen Umsetzung!

Wolfgang Hohlbeins Schreibstil ist von Zauber und Fantasie geprägt. Er erzählt die Geschichte von Pia (Gaylen) und wählt dazu die Mitvergangenheitsform, aus der Sicht des Autors selber. Hohlbein vermag es wie kein anderer, verschiedene Genres in einer Geschichte zu vereinen. Man kann ihn sowohl als Meister der Spannung, als auch als Meister der Fantasie, bezeichnen. Geschickt umhüllt der den Leser mit seinen Worten wie mit einem Mantel aus Magie, verwickelt ihn in seine reiche Gedankenwelt, lässt ihn nicht mehr aus seinen Fängen. Ein Autor, der für meine Person Suchtfaktor besitzt.

Wolfgang Hohlbein gewöhnt den Leser an den Alltag seiner Protagonistin in den Straßen der Favelas in Rio und katapultiert ihn dann mit einem rasanten Tempo in die fremde Welt. Obgleich ich Hohlbein auch als Spannungsautor überaus schätze, finde ich seine Fantasie, seine Kreativität bezüglich magischer Geschichten großartig. Es gelang ihm, mich gedanklich in die Geschichte hinein zu versetzen, ich vermeinte, körperlich beschriebene Dinge wie Kälte und Hunger zu spüren und die Emotionen Pias wurden sehr rasch auch zu meinen eigenen. Er zerstreut beim Leser jegliche Skepsis, entreißt ihn der vernunftgesteuerten Realität und lässt ihn uneingeschränkt an Magie, Zauberei und märchenhafte Wesen glauben. Man könnte fast sagen: Hohlbein schafft das Kunststück, den Menschen die Fantasiewelt seiner Kindheit wieder zu geben – zwar nur für die Dauer eines Buches, aber uneingeschränkt und vollständig.

Hohlbein geizt auch nicht mit Spannung – durch die abenteuerlichen Ereignisse in WeißWald hält er sie durchgehend aufrecht und obgleich das Buch 762 Seiten hat, musste ich es einfach durchlesen, ohne zu pausieren.

Der Fantasie Hohlbeins scheint auch bei der Beschreibung von Ort und Bewohner keine Grenzen gesetzt – er begeistert mit skurillen Figuren, absonderlichen Tieren und vermittelt durch seine detaillierten Beschreibungen der Wohnstätten und Bewohner von WeißWald einen sehr genauen Eindruck der Lebensweise dieses Volkes. Man meint, sich mitten drin zu bewegen, durch die winkeligen Gässchen WeißWalds zu wandeln, an Pias Seite deren Abenteuer hautnah mit zu erleben.

Hohlbeins Protagonisten sind überzeugend, detailliert beschrieben und sympathisch. Die Gute bleibt auch in der magischen Welt die Gute, ebenso verfährt er mit den Bösewichten. Pia, ihr bester Freund Jesus und der Bösewicht Hernandez tauchen allesamt auch in WeißWald auf, es verändern sich ihre Erinnerungen und ihr Bewusstsein, nicht jedoch ihr Charakter und ihr Aussehen. Bei Pia selber hat man den Eindruck, sie im Verlauf der Geschichte immer besser kennen zu lernen, ihre inneren Gewissenskonflikte und widerstreitenden Gefühle werden sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Erstaunlicherweise gibt es in diesem Buch nicht sehr viele Nebenfiguren, deren Beschreibungen empfand ich jedoch ebenfalls als völlig ausreichend. Nicht zu viele Details, aber genau die richtige Dosis an Informationen über die Personen, um sich ein Bild von ihnen machen zu können. Hohlbein verwirrt nicht mit zu vielen Namen, er hebt vielmehr die wichtigsten hervor und webt mit ihnen seine magischen Fäden, fabriziert sein märchenhaftes Abenteuer. Für meine Person kann ich nur sagen, dass ich sofort in die Rolle von Pia schlüpfte, mit ihr mit lebte, mit bangte und kämpfte. Ihre Gefühle wurden zu meinen, ebenso ihre Hoffnungen und Träume. Faszinierend.

Dieses zauberhafte Buch von Wolfgang Hohlbein besticht schon allein durch seine Optik. Man wird sofort von dem Coverfoto angezogen, das die Protagonistin „Gaylen“ mit ihrer Kapuze, dem widerspenstig-offenen langen Blondhaar und ihrem magischen Schwert zeigt. Ihre Haltung ist kämpferisch, ihr Blick rätselhaft. Die Person ist umgeben von einem magischen Ring, der das Portal in die andere Welt auszudrücken scheint. Die Schrift auf dem Coverfoto ist erhoben, Autor in grünglänzender Farbe, Titel in Gold. Ein märchenhafter Anblick, der mich sofort zu diesem Buch greifen ließ. Ich kann mir gut vorstellen, dass Fantasy-Leser es allein aufgrund der Optik kaufen könnten …

Das Buch wurde in gebundener Ausgabe aufgelegt, was allein schon durch seine stattliche Seitenanzahl ein klarer Vorteil ist. Was ich hier jedoch vermisse war eine genaue Karte der Welt, in der Pia (hier Gaylen genannt) gelandet ist. Ich hätte mich gerne auch bildhaft in die verschlungenen Gassen und Winkeln der mysteriösen Stadt WeißWald vertieft, hätte gerne die Wege vom Gasthaus zum Markt und zum bedrohlichen Turm des Hochkönigs mit verfolgt und Pia so begleitet.

Fazit: Dieses Buch stellt für mich ein Glanzstück aus den Federn eines großartigen Fantasyautors dar, das ich aus voller Überzeugung weiter empfehlen kann. Ein Zauberwerk an Magie, das es schaffte, die Realität für einige Stunden vollkommen verschwinden zu lassen.

Veröffentlicht am 17.04.2018

Am Ende eines Sommers

Am Ende eines Sommers
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Isabel Ashdown beschreibt das Leben einer Familie. Einer Familie mit Problemen, wie sie wohl laufend vorkommen. Menschliche Tragödien, Kummer, Leid, kleines Glück, Zusammenhalt, Trauer, Freundschaft, ...

Isabel Ashdown beschreibt das Leben einer Familie. Einer Familie mit Problemen, wie sie wohl laufend vorkommen. Menschliche Tragödien, Kummer, Leid, kleines Glück, Zusammenhalt, Trauer, Freundschaft, winzige Lichtblicke und große Enttäuschungen – der Autorin steht eine riesige Palette an Emotionen zur Verfügung, mit denen sie durchaus gelungen spielt.

Besagte Familiengeschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Mary in den Sechzigerjahren und von ihrem Sohn Jake im Jahre 1985 erzählt. Mit jeder neuen Seite verdichtet sich dieser Roman und der Leser taucht tiefer in das Geschehen ein. Isabel Ashdown ist es gelungen, viele unterschiedliche Gefühlen in ihre Geschichte zu verweben und als Leser schafft man es kaum, das Buch aus der Hand zu legen. Ein leises Drängen, der Aufruf, die Geheimnisse und Hintergründe zu erforschen lassen es nicht zu, die Lektüre zu unterbrechen. Kein abenteuerlicher Spannungsroman, sondern ein Buch voll von Emotionen und voller Leben. Dem Leben, das sich Tag für Tag abspielt. Ein über alle Maßen realistisches Buch, das sehr berührend ist.

Das Buch wird abwechselnd aus der Sicht von Mary und Jake erzählt, jeweils in der Ich-Form und in der Gegenwart. Bei jedem Wechsel der Sichtweise wird dies mit einer großen Überschrift, dem Namen der jeweiligen Person und dem Datum markiert. Eine sehr übersichtliche Darstellung, die es dem Leser ermöglicht, sofort ins jeweilige Geschehen einzusteigen.

Die Handlung selber wird nicht von Spannung oder rasanten Themen beherrscht. Es handelt sich vielmehr um ein leises, unaufdringliches Buch, das seine Magie auf vielfältige Weise entwickelt. Und zwar durch kleine, aber wichtige Episoden im Alltag der Protagonisten, die detailliert und liebevoll beschrieben werden – wie beispielsweise das Erleben der ersten Liebe, die Unsicherheit und die Emotionen der Kinder aufgrund der Trunksucht der Mutter und deren selbst zerstörerisches Verhalten, die Unsicherheit aufgrund der Inaktivität des Vaters, die aufkeimende Freude über die Wiedervereinigung der beiden Schwestern Mary und Rachel, aber auch die lähmende Trauer wegen der radikalen Haltung der Eltern. All das und noch viele Dinge mehr bereichern dieses Buch und machen es zu einem regelrechten Leseerlebnis, das man nicht mehr missen möchte.

Meine größte Sympathie beim Lesen dieses Buches galt dem Jungen Jake, dessen detailgetreue Beschreibung mich von Anfang an zu ihm hingezogen hat. Ein kleiner Junge, der sehr früh erwachsen werden musste, der aber trotz seines Ernstes immer noch Kind bleibt. Facettenreich gezeichnet weckt Jake im Leser das Verlangen, ihn vor allen Übeln zu beschützen. Zugleich aber keimt auch eine Bewunderung für diesen „kleinen Mann“ auf, der neben der Schule einen Job annimmt, um seine unerfüllten kleinen Wünsche Realität werden zu lassen; der auf seine wochenlang im Bett liegende trunksüchtige Mutter und auf seinen kleinen Bruder achtet, der viel zu ernst für sein Alter zu sein scheint. Trotz allem lässt Isabel Ashdown diesen Jungen liebenswert erscheinen und dringt in seine Gedanken- und Gefühlswelt ein – man würde ihn am liebsten mehrfach in die Arme nehmen.

Doch die Autorin konzentriert sich nicht allein auf Jake – auch die anderen Charaktere werden sehr ausführlich und mit einer Liebe zum Detail gezeichnet. Lediglich die Mutter von Mary und Rachel bleibt ein ewiges Geheimnis – sie wird zwar erwähnt, deren Beweggründe, die Motive für die völlige Isolation bleiben unausgesprochen. Ebenso erging es mir mit Matthew, dem ältesten Sohn der Familie, der einfach über Nacht verschwunden ist und nur zweimal wieder auftaucht: einmal durch ein Telefonat und einmal durch einen kurzen Besuch in Abwesenheit der Familie, bei dem er die Ersparnisse von Jake einfach mitnimmt. Was waren seine Motive? Wie steht er zu der Familie, zu seinen Geschwistern? Wie ist es um seinen Charakter bestellt? Hier hätte ich sehr gerne mehr erfahren …

Es handelt sich beim vorliegenden Buch um eine Gebundene Ausgabe mit sehr ansprechender Covergestaltung. Zwei Jungen, die Steine ins Wasser werfen, vor ihnen die unendliche Weite des Meeres, unterbrochen von zwei kleinen Inseln. Das Ganze wurde in blassem blaugrau gehalten und allein die Optik schafft es, den Leser auf den Klappentext neugierig zu machen. Die Unterteilung der Kapitel in Sichtweise seitens Mary abwechselnd mit der Sichtweise von Jake macht das Buch interessant und ermöglicht eine rasche Orientierung beim Lesen.

Fazit: Isabel Ashdown hat ein Buch geschrieben, das seine Geschichte nicht einfach als pures Lesevergnügen serviert. Sie macht es dem Leser nicht so einfach. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Erzählung, die es verlangt, sich vollständig ins Geschehen hinein zu begeben, die ihre Geheimnisse nur nach und nach Preis gibt und nicht mit einer Fülle von Informationen überquillt, sondern mit leisen Andeutungen arbeitet. Das Unausgesprochene, das in vielen Familien im Raum steht, spielt hier die Hauptrolle. Die Antwort auf die Fragen des Lesers findet sich zwischen den Zeilen, findet sich in den wechselnden Erzählungen von Mary und Jake.

Veröffentlicht am 17.04.2018

Zorn - Vom Lieben und Sterben

Zorn - Vom Lieben und Sterben
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Im ersten Fall „Zorn. Tod und Regen“ der beiden Hauptkommissare Claudius Zorn und dem „dicken Schröder“ wurde es sehr gefährlich für die beiden Protagonisten.

Der Einstieg in den zweiten Fall „Zorn. ...

Im ersten Fall „Zorn. Tod und Regen“ der beiden Hauptkommissare Claudius Zorn und dem „dicken Schröder“ wurde es sehr gefährlich für die beiden Protagonisten.

Der Einstieg in den zweiten Fall „Zorn. Vom Lieben und Sterben“ schildert, wie Claudius Zorn seinen Kollegen aus dem Krankenhaus abholt, aus dem er nach der Entfernung einer Niere und Teilen seines Dünndarms endlich entlassen wurde. Schröder, der sich im Krankenhaus bereits gelangweilt hatte, stürzt sich sogleich eifrig ins Geschehen und heftet sich gemeinsam mit Claudius Zorn auf die Spuren eines Mörders, der einen Mountainbiker beinahe geköpft hatte. Das Opfer, der Jugendliche Björn Grooth, war Mitglied einer Clique, sehr beliebt und hatte keine offensichtlichen Feinde.

Die Ermittlungen zeigen kaum bis gar keine Fortschritte, bis plötzlich ein weiterer Mord passiert: ein zweites Mitglied der Jugendclique, der arbeitslose und gewaltbereite Udo Kempff, wurde umgebracht. Die Umstände, die dazu führten, lassen darauf schließen, dass der Täter die Gewohnheiten seiner Opfer sehr gut zu kennen scheint – doch auch jetzt noch ermitteln die beiden Protagonisten scheinbar ins Leere. Als der dritte Jugendliche aus dem Freundeskreis in Todesangst einen der Kommissare auf seinem Mobiltelefon kontaktiert, kann er dem Zugriff des Mörders buchstäblich in letzter Sekunde entzogen werden – und endlich gibt es eine heiße Spur. Der widerwillige, faule Zorn zeigt ungewöhnlichen Einsatz, wohingegen der akribische, hoch konzentrierte und eifrige Ermittler Schröder plötzlich seltsam reagiert…

Stephan Ludwig hat mich mit dem zweiten Band um das ungleiche Ermittlerpaar im positiven Sinne überrascht. Der mir vollkommen unsympathische Hauptkommissar Claudius Zorn konnte mich zwar immer noch nicht für sich gewinnen, ich entdeckte jedoch bereits sporadisch einige positive Charaktereigenschaften, die für den Ermittler sprachen. Seine Sympathie für Schröder scheint beständig zu wachsen, und der von sich überzeugte Zorn gibt mittlerweile auch Ermittlungsfehler und Charakterschwächen seinerseits zu.

Schröder war, und bleibt, mein persönlicher Favorit unter Stephan Ludwigs handelnden Figuren. Der fleißige, unscheinbare und schlecht gekleidete Mann ist mir im Verlauf der Handlung immer mehr ans Herz gewachsen, und wie schon im ersten Band war er auch hier jene Person, mit der für meinen Geschmack die meisten Emotionen verbunden waren. Speziell die Passagen, in denen der hoch intelligente Schröder den faulen, eigennützigen Zorn „auflaufen“ lässt und ihm sogar frech den Spiegel vorhält, sind mir positiv in Erinnerung. Der kleine Mann wehrt sich nun endlich gegen die Übervorteilung durch seinen faulen Vorgesetzten, und das mit herrlicher Raffinesse. Die kleinen, aber durchaus humorvollen Schikanen, brachten Claudius Zorn mehrfach um seine Fassung – und mich, als Leserin, wiederholt zum Schmunzeln. Die beiden Ermittler scheinen sich zu einem höchst amüsanten Duo zu entwickeln, von dem ich sehr gerne noch viele weitere Fälle lesen würde.

Im vorliegenden Mordfall scheinen die Indizien zunächst ganz klar auf einen bestimmten Täter zu weisen – doch letztendlich gibt es noch weitere Fährten, die es zu überprüfen und verfolgen gilt.

Die Hintergründe dieses Falles sind weit komplexer, als es zuvor den Anschein hatte, der Leser profitiert von einem durchgehend hohen Spannungsbogen. Im letzten Teil des Buches steigert sich das Tempo und alles steuert auf ein rasantes Finale zu, bei dem man auch einige erstaunliche Details aus dem Leben des dicken Schröder erfährt.

Der in flüssigem Schreibstil gehaltene Thriller wird in fünfunddreißig Kapiteln erzählt, die allesamt von kurzen, kursiv geschriebenen Passagen, die vom Mörder stammen, unterbrochen werden. Das optisch dem ersten Band sehr ähnliche Coverfoto weist vertraute Züge auf – das große Brandloch anstelle des Buchstaben „O“ im Titel „Zorn“ sowie die farbliche Gestaltung erinnern an „Zorn. Tod und Regen“.

FAZIT: Die Lektüre des zweiten Falles „Zorn. Vom Lieben und Sterben“ von Stephan Ludwig hat mir erneut großes Lesevergnügen bereitet und ich freue mich bereits darauf, an weiteren Ermittlungen mit den beiden Hauptkommissaren teilzunehmen. Unbedingte fünf Bewertungssterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.04.2018

Zorn - Tod und Regen

Zorn – Tod und Regen
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In der mitteldeutschen Großstadt Mansfeld wird eine Frau mittleren Alters ermordet aufgefunden. Ihr Körper weist schlimme Verstümmelungen auf, der Schauplatz des Mordes gleicht einem Schlachtfeld. Die ...

In der mitteldeutschen Großstadt Mansfeld wird eine Frau mittleren Alters ermordet aufgefunden. Ihr Körper weist schlimme Verstümmelungen auf, der Schauplatz des Mordes gleicht einem Schlachtfeld. Die beiden polizeilichen Ermittler Claudius Zorn und sein Partner, gemeinhin „der dicke Schröder“ genannt, werden mit den Ermittlungen beauftragt. Zunächst scheinen die Untersuchungen von wenig Erfolg gekrönt und die kaum vorhandenen Spuren führen zu keinem Verdächtigen. Bis plötzlich in Claudius Zorn der Verdacht keimt, dass ihr Vorgesetzter, Staatsanwalt Sauer, so einiges unternimmt, um ihre Ermittlungen zu behindern. Mithilfe von Sauers Sekretärin Hannah sammeln sie Beweise, und plötzlich ergeben sich neue Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen...

Stephan Ludwig ist es mit „Zorn – Tod und Regen“ gelungen, einen interessanten und geschickt konstruierten Mordfall zu liefern. Viele lose Enden führen nach den Untersuchungen des konträren Ermittlungsteams Claudius Zorn und seinem Kollegen Schröder letztendlich zu einem gemeinsamen Nenner. Was mir am vorliegenden Kriminalroman äußerst gut gefallen hat, ist die Person des „dicken Schröders“, des eifrigen und klugen Ermittlers an Zorns Seite.

Schröder ist der Inbegriff eines Kriminalbeamten, der nicht nur eine außerordentliche Begabung für das Erkennen logischer Zusammenhänge aufweist, sondern zudem durch hohe Intelligenz, einem beinahe fotografischem Gedächtnis und einem guten Gespür für Intuitionen glänzt. Obgleich seine äußere Erscheinung als unscheinbar und eher unattraktiv beschrieben wird und er im Schatten von Claudius Zorn agiert, ist Schröder die sympathische Hauptfigur dieses Buches, die man innerhalb kürzester Zeit aufgrund ihres Einsatzes sogar bewundern muss.

Im Gegensatz dazu brachte ich Claudius Zorn keinerlei Sympathie entgegen. Im Gegenteil. Der faule und schlampige Polizist zeichnet sich durch Behäbigkeit und Ignoranz aus, sieht sich als absoluten Mittelpunkt seiner kleinen, beschränkten Welt, ignoriert geflissentlich ihm durch seine Arbeit auferlegte Regeln und Normen, nutzt den Fleiß seines Kollegen Schröders schamlos für seine Zwecke aus und scheint in jeder Hinsicht in seiner Funktion als Ermittlungsbeamter unfähig zu sein. Sein Widerwillen gegenüber jeglicher Art der beruflichen Betätigung wird von Seite zu Seite deutlicher, und im gleichen Maße auch meine Antipathie ihm gegenüber.

Abgesehen von Claudius Zorn baut der Autor jedoch auch einige interessante Nebenfiguren in seine Handlung ein, besonders Henning Mahler wird vielschichtig und authentisch gezeichnet. Dieser Kriminalroman „lebt“ jedoch vor allem durch die Präsenz des dicken Schröders, der unerschütterlich seine Ermittlungen führt und dabei Verstand und Intuition einsetzt.

Die in drei Teile gegliederte Handlung dieses Kriminalromans wartet mit einem durchgehenden Spannungsbogen auf, wobei sich die Ereignisse im dritten Teil zuspitzen und es zu einem aufregenden Finale kommt, in dem Zusammenhänge offengelegt, lose Fäden zueinander geführt und Hintergründe erkennbar werden. Der flüssige Schreibstil des Autors bereitete mir gemeinsam mit dem sympathischen Ermittler Schröder großes Lesevergnügen und ich habe gedanklich nur allzu gerne an den Ermittlungen in diesem Mordfall teilgenommen.

Besonders erwähnt werden sollte neben einem eindrucksvollen Cover mit großem Brandloch anstelle des Buchstaben „O“ im Titel „Zorn“ auch die Gestaltung der letzten Seite. Obgleich man es leider nur sehr selten – bis überhaupt nicht – findet, werden im vorliegenden Kriminalroman von Stephan Ludwig die beiden Hauptpersonen seines Buches auf der letzten Seite vorgestellt. Dem jeweiligen Namen folgen Vorlieben und eine kurze Charakterzeichnung des betreffenden Protagonisten – ein liebevolles Detail, das ich mir bei jedem Buch aus dem Bereich der Belletristik wünschen würde.

FAZIT: Ich habe die Lektüre dieses Buches sehr genossen und freue mich bereits auf den nächsten Fall mit dem sympathischen „dicken Schröder“.