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Veröffentlicht am 29.06.2020

Eine Entscheidung des Herzens

Leuchtturmnächte
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Eine Entscheidung des Herzens

„Leuchtturmnächte“ ist mein erster Roman von Debbie Macomber, er versprach, mich in eine idyllische Gegend mit charmanten Charakteren zu entführen. Als Schauplatz fungiert ...

Eine Entscheidung des Herzens

„Leuchtturmnächte“ ist mein erster Roman von Debbie Macomber, er versprach, mich in eine idyllische Gegend mit charmanten Charakteren zu entführen. Als Schauplatz fungiert eine entzückende Kleinstadt namens Cedar Cove, die direkt am Wasser liegt und einen Leuchtturm sein Eigen nennt. Olivia Lockhart ist Protagonistin dieses Buches. Die geschiedene Richterin und Mutter von drei erwachsenen Kindern ist in ihrem aktuellen Gerichtsfall felsenfest davon überzeugt, dass eine Scheidung zwischen einem jungen Ehepaar der falsche Weg ist. Durch ihr Urteil verhindert sie eine formlose und rasche Trennung von Cecilia und Ian Randall und zwingt die beiden dazu, sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen. Der Leser lernt das private Umfeld der Richterin, aber auch jenes der Randalls kennen, in etlichen Rückblenden erfährt man von deren Vergangenheit und dem Leben in Cedar Cove. Widerstrebende Gefühle wie Zorn, Sehnsucht, Bedauern, Verzweiflung und Liebe werden thematisiert, Probleme von verschiedenen Seiten beleuchtet.

Die Autorin wartet zudem mit einer Fülle von Nebenfiguren auf. Olivias verwitwete Mutter Charlotte Jefferson engagiert sich für das Cedar-Cove-Rehazentrum. Sie lernt einen einsamen alten Bewohner kennen, der sich nach einem Schlaganfall nicht mehr artikulieren kann, sich für Charlottes Zuwendung und Freundschaft jedoch dankbar zeigt. Während Charlottes Bruder William und Olivias Kinder Jordan und James im Buch lediglich kurz Erwähnung finden, wird Justine Lockhart große Aufmerksamkeit zuteil. Deren aktuelle Liaison mit einem zwanzig Jahre älteren Bauunternehmer ist ihrer Mutter Olivia ein Dorn im Auge. Man erfährt eine Menge über die Schwierigkeiten des jungen Ehepaares Cecilia und Ian Randall, die Autorin geht detailliert auf ihre Probleme ein. Cecilias Vater Bobby Merrick, Ians Freunde Andrew und Cathy Lackey sowie ein attraktiver neuer Redakteur im Cedar Cove Chronicle sorgen ebenfalls für gefühlsbetonte Szenen und unerwartete Wendungen. In einem weiteren Handlungsstrang berichtet Debbie Macomber über die Ehekrise von Olivias Freundin Grace Sherman, ihren Ehemann Dan sowie die beiden Töchter Kelly und Maryellen. Grace ist leidenschaftliche Leserin und Bibliotheksleiterin von Cedar Cove, sie kämpft um ihre Beziehung, ihre Freundschaft mit Olivia schenkt ihr Trost und Halt.

Ich habe dieses Buch mit gemischten Gefühlen beendet. Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren war für mich nicht immer glaubwürdig, deren Aktivitäten vermochten mich in etlichen Fällen ebenfalls nicht zu überzeugen. Für meinen Geschmack blieben auch zu viele Fragen offen, ich hatte darüber hinaus den Eindruck, dass die Autorin rasch zu einem Ende kommen wollte und schnelle Lösungen fabrizierte, die aus meiner Sicht unlogisch waren. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Personen erschienen mir an mancher Stelle etwas undurchsichtig, vieles konnte ich angesichts der vorherigen Charakterisierung der Figuren letztendlich nicht nachvollziehen. Obgleich man bei diesem Genre keinen Spannungsfaktor erwarten kann, empfand ich den Roman stellenweise als sehr langatmig – die Autorin schaffte es trotz des locker-leichten Schreibstils nicht, mich wirklich ins Geschehen einzubeziehen.

FAZIT: Ich bewerte „Leuchtturmnächte“ als leichte Lektüre für Zwischendurch, die keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Weder die Figuren, noch die Handlung dieses Buches vermochten mich zu überzeugen. Ich kann aus diesem Grund nur eine eingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Aufgerundete drei Bewertungssterne.

Veröffentlicht am 29.06.2020

Ich werde auf dich warten, ganz gleich, wie lange es dauert

Eine Liebe zwischen den Fronten
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Ich werde auf dich warten, ganz gleich, wie lange es dauert

Die Verlobungsfeier des deutschen Adelssprosses Paul von Gerlau und der französischen Arzttochter Madeleine Tellier findet durch Pauls Einberufung ...

Ich werde auf dich warten, ganz gleich, wie lange es dauert

Die Verlobungsfeier des deutschen Adelssprosses Paul von Gerlau und der französischen Arzttochter Madeleine Tellier findet durch Pauls Einberufung ein jähes Ende. Nachdem während einer äußerst angespannten politischen Lage Napoleon III Preußen den Krieg erklärt hat, stehen Paul und Madeleine plötzlich auf gegnerischen Seiten. Paul arbeitet in seiner Funktion als Stabsarzt an der Front, in ihm schwelt ein ohnmächtiger Zorn über die sinnlosen Gräuel des Krieges. „Er sieht in den Menschen stets nur den Patienten, ohne Ansehen der Person, der Herkunft oder der Vergangenheit.“

Während Paul sich um das Wohlergehen seiner Verlobten sorgt, muss diese einen schweren persönlichen Verlust hinnehmen. Madeleine arbeitet während des Krieges bis zur völligen Erschöpfung als Krankenschwester, ein Loyalitätskonflikt zerreißt sie innerlich. Schließlich ist die große Liebe ihres Lebens nun plötzlich „der Feind“, und besonders Madeleines Bruder Clément würde niemals einen Preußen als Schwager akzeptieren.

Die abrupte Trennung der beiden Liebenden, die kriegerischen Auseinandersetzungen ihrer Heimatländer, Hunger, Krankheit, Erschöpfung und das Grauen in den Lazaretten werden grausame Realität. Paul und Madeleine wünschen sich nichts sehnlicher, als eine gemeinsame Zukunft nach dem Krieg.

Maria W. Peter präsentiert mit ihrer aktuellen Neuerscheinung einen atemberaubenden, über sechshundert Seiten umfassenden Roman über den Deutsch-Französischen Krieg. Sie beschreibt die Geschicke dreier Familien in einem Zeitraum von 1870 bis 1872, eingebettet in akribisch recherchierte historische Fakten. Ihre Protagonisten Paul und Madeleine erleben nach der geplatzten Verlobung den Ausbruch des Krieges, den Sturz des französischen Kaisers und die Ausrufung der République française. Bis zum Friedensschluss des neuen Deutschen Kaiserreiches mit der neu gegründeten Republik darf man als Leser die Protagonisten begleiten, spürt hautnah die Schrecken des Krieges, die ohnmächtige Wut, den grenzenlosen Hass, die Angst, Unsicherheit und schlimmste Entbehrungen der handelnden Figuren, aber dazwischen auch immer wieder Funken der Menschlichkeit mitten im Elend und in der Not.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren hat mir ausgezeichnet gefallen. Sowohl die beiden Protagonisten, als auch sämtliche Nebenfiguren sind vielschichtig dargestellt und besitzen hohe Authentizität. Madeleine und Paul müssen um ihre Liebe und ihr zukünftiges gemeinsame Leben bangen, sie setzen während des Krieges aufopfernd und unermüdlich ihr medizinisches Wissen im Dienst an den Verwundeten ein. Das zierliche algerische Dienstmädchen der Familie Tellier steht Madeleine zur Seite. Die sanftmütige und ruhige Djamila hat eine tragische Vergangenheit, sie sorgt sich zudem um ihren geliebten Bruder Karim. Dieser wird ebenfalls zu einer Schlüsselfigur im vorliegenden Roman – durch ihn lernt der Leser die Trailleurs Algérien kennen, die sogenannten Turcos, die als Söhne der Wüste und unerschrockene Kämpfer der französischen Armee gegen die deutschen Feinde agieren. Der Fokus der Autorin richtet sich jedoch auch auf Madeleines Bruder Clément, einen jungen Jurastudenten mit ungezügeltem Temperament und aufrührerischem Gedankengut. Clément hält nichts von den Idealen seines friedliebenden Vaters, er ist eine getriebene Seele, innerlich zerrissen zwischen hasserfüllten und fanatischen Überzeugungen und der Liebe zu seiner Familie. Sein radikaler Einsatz für die Pariser Kommune bestimmt letztendlich Cléments Denken und Handeln.

Paul von Gerlaus unsicherer und weltfremd wirkender Bursche Hagemann, das unbeirrbare Dienstmädchen Schultze Kathrin, die resolute, aber äußerst warmherzige alte Ordensschwester Gertrud und die arrogante und selbstgerechte Mutter von Madeleine sind wichtige Nebenfiguren dieses Buches. In kleinen Gastauftritten begegnet man darüber hinaus historischen Persönlichkeiten wie Henri de Rochefort, Léon Gambetta, Kaiserin Eugénie und Otto von Bismarck.

Der wunderschöne Schreibstil der Autorin und ihre gewählte Sprache haben mich auch in der vorliegenden Neuerscheinung begeistert. Die Kriegshandlungen und die unvorstellbaren Schrecken auf den Schlachtfeldern sowie das große Leid der Verwundeten, aber auch die schlimmen Entbehrungen der Bevölkerung im Zuge der Belagerungen werden dem Leser drastisch vor Augen geführt. Und dennoch dürfen die Figuren der Handlung immer wieder auch Lichtblicke in all dem Grauen erleben – sie erfahren Menschlichkeit und Nächstenliebe, Hilfe unter Einsatz des Lebens inmitten des Krieges. Obgleich die historischen Fakten bekannt sind, birgt dieser Roman einen gewissen Spannungsfaktor und ich brannte förmlich darauf, mehr über das Schicksal der einzelnen Charaktere in Erfahrung zu bringen. Die Einbindung von Dialekten sowie französischer und algerischer Ausdrücke unterstrich die glaubwürdige Darstellung der handelnden Figuren. Ein ausführliches Glossar am Ende des Buches lässt keine Fragen über die Bedeutung bestimmter Begriffe sowie in die Handlung eingebrachte Redewendungen und Ausdrücke in algerischer oder französischer Sprache offen.

Neben der anziehenden optischen Aufmachung dieses Buches mit der Abbildung der Protagonistin Madeleine Tellier auf dem Cover möchte ich auch das Personenverzeichnis und eine detaillierte Karte der Schauplätze der Handlung des Jahres 1870 hervorheben. Ein vierzehn Seiten umfassendes Nachwort entpuppt sich als wertvolle Zusammenfassung historischer Fakten, die Autorin erläutert hier auch ihre eigenen Beweggründe für die Entstehung dieses Buches. Interessante Reise- und Stöbertipps runden das Ganze ab und laden den Leser dazu ein, sich die Schauplätze der Handlung näher anzusehen und auf den Spuren von Madeleine und Paul zu wandeln.

Maria W. Peter hat mir bereits mit einigen Romanen allergrößtes Lesevergnügen bereitet, und ich wurde auch diesmal nicht enttäuscht. Ich empfand „Eine Liebe zwischen den Fronten“ als interessante Unterhaltung auf sehr hohem Niveau, als beeindruckende, emotional fordernde, aber auch äußerst tiefgründige Lektüre, die mich voll und ganz in ihren Bann gezogen hat. Die Geschichte einer großen Liebe, tragische Familienschicksale und der Funke der Menschlichkeit inmitten der Gräuel des Deutsch-Französischen Krieges wurden zu einem imposanten Roman verwoben, der noch lange in mir nachwirken wird.

Fazit: Großartige Unterhaltung, lebendige Charaktere, ausgezeichnet recherchierte historische Fakten und ein atemberaubender Inhalt, dargebracht in hervorragendem Schreibstil – absolut begeisterte fünf Bewertungssterne für dieses grandiose Lesehighlight!

„Das Wissen darum, dass alle Menschen gleich sind, das habe ich von meinem Vater. Dass es überall Gute und Schlechte gibt. Und dass gerade auch in dunklen Zeiten nichts wichtiger ist als die Menschlichkeit. Im Übrigen bin ich nicht gewillt, Menschen als Feinde zu sehen, nur weil sie zufällig auf der anderen Seite des Rheins geboren sind und eine andere Sprache sprechen.“ (Madeleine Tellier)


Veröffentlicht am 16.06.2020

Man kann vor der Wahrheit nur eine Zeit lang davonlaufen

Ein neuer Himmel
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Man kann vor der Wahrheit nur eine Zeit lang davonlaufen

„Warum haben wir einen anderen Glauben, Mama? Warum werden wir politisch verfolgt?“ Hannah war ratlos. Wie sollte man eine so irrsinnige Ideologie ...

Man kann vor der Wahrheit nur eine Zeit lang davonlaufen

„Warum haben wir einen anderen Glauben, Mama? Warum werden wir politisch verfolgt?“ Hannah war ratlos. Wie sollte man eine so irrsinnige Ideologie wie die Weltanschauung der Nationalsozialisten einem Kind erklären?

Für die Jüdin Hannah Rosenberg wird die Situation im Frühling des Jahres 1939 in Berlin unerträglich. Aufgrund ihrer Abstammung hat die Musiklehrerin und talentierte Geigerin nicht nur ihre Anstellung, sondern auch ihre Wohnung verloren. Gemeinsam mit ihrer dreijährigen Tochter Melina macht sie sich auf den Weg in ein Dorf namens Erlenthal in der Nähe von Würzburg, wo sie auf Unterkunft und Arbeit hofft. Hannah und Melina finden auf dem Sandnerhof herzliche Aufnahme und ein liebevolles neues Zuhause, sie fühlen sich geborgen und werden wie Familienmitglieder behandelt. Doch als der Sturm gegen die Juden losbricht, brennen in den Städten die Synagogen und auch die neue Zuflucht auf dem Land bietet bald keinen Schutz mehr vor der Gewalt der Nationalsozialisten…

Margit Steinborn präsentiert mit ihrem Erstlingswerk die Geschichte einer ledigen Mutter, die in ihren jungen Jahren nicht nur die Liebe ihres Lebens, sondern zudem auch noch ihre Sicherheit, ihre Anstellung und ihr Zuhause verliert. Die Protagonistin dieses Buches begegnet auf ihrem Lebensweg, der beginnend vom Jahr 1932 erzählt wird, Menschen, die stillen Widerstand leisten. Im kleinen Dorf Erlenthal finden sich selbstlose und hilfsbereite Einwohner, die Angehörige jüdischer Abstammung vor den Zugriffen der Nationalsozialisten beschützen, sie verstecken und ihnen zur Flucht ins sichere Ausland verhelfen. Friedrich und Klara Sandner und ihre Angehörigen Konrad, Annie, Maria, Hans und David sowie Pfarrer Simon Petersen verurteilen die menschenverachtende Einstellung der Nazis. Sie sind neben Hannah Rosenberg die wichtigsten Figuren dieses Buches. Der Autorin ist es gelungen, mich mit der Charakterzeichnung ihrer handelnden Figuren sowie den emotionalen Passagen in ihrer Geschichte tief zu berühren. Der Zweite Weltkrieg mit der Verwandlung Deutschlands von einer parlamentarischen Demokratie in eine nationalsozialistische Diktatur, die tödliche Ideologie mit ihrer Rassenlehre, dem Ariertum, der systematischen Ermordung unzähliger Kranker und Behinderter sowie die unfassbare Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung und die Gräueltaten in den Konzentrationslagern bilden einen schrecklichen und beklemmenden Hintergrund. Margit Steinborn lässt die unheilvollen Jahre der Regentschaft des „unberechenbaren Verrückten aus Berlin, den alle unterschätzt haben“ wiederaufleben und erzählt beispielhaft das Schicksal einer Jüdin namens Hannah. Eine nicht unrelevante Rolle in diesem Geschehen spielt Dr. Peter Hagen, der sich in ranghoher Stellung an den furchtbaren Aktivitäten der SS beteiligt. Peters anfänglicher Enthusiasmus, seine Leichtgläubigkeit, seine langsam aufkeimenden Bedenken und Skrupel, und angesichts des vollen Ausmaßes des Grauens schließlich sein Beschluss, dieses Regime zu bekämpfen, werden dem Leser eindrucksvoll vor Augen geführt. Margit Steinborn beschreibt, wie das Leben eines verliebten jungen Mannes, das gerade noch klar und voller Verheißungen vor ihm lag, eine unerwartete Wendung nahm und dass letztendlich sogar Selbstbeschwichtigung und Verleugnung der Wahrheit sein Gewissen nicht mehr beruhigen können. Zu den fiktiven Figuren gesellen sich in diesem Buch auch berüchtigte Persönlichkeiten wie beispielsweise Reinhard Heydrich oder Heinrich Himmler als Hauptorganisatoren des Holocausts und Verantwortungsträger für die Ermordung von Millionen Menschen.

Bereits angesichts der Thematik dieses Buches war mir bewusst, dass Margit Steinborns Roman aufrüttelt, tief bewegt und angesichts der Einblicke in historische Fakten keine leichte Lektüre darstellt. Die Autorin besitzt jedoch einen flüssigen und einnehmenden Schreibstil, ihre Erzählung beinhaltet trotz der schrecklichen geschichtlichen Fakten auch Hoffnung und erzählt von der Liebe ihrer Protagonistin zu ihrer kleinen unschuldigen Tochter, die sie dazu veranlasst, auch die schlimmsten Erfahrungen im Lebens auszuhalten und zu versuchen, um jeden Preis zu überleben. Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft, und die Hoffnung auf ein Ende des Krieges durchdringen die Seiten dieses Buches und machen es zu einem beeindruckenden Lese-Erlebnis.

„Ein neuer Himmel“ von Margit Steinborn hat mir ausgezeichnet gefallen und ich kann dafür eine klare Leseempfehlung aussprechen.

Veröffentlicht am 11.05.2020

Sie dachten, es wäre für die Ewigkeit…

Wer, wenn nicht wir
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Sie dachten, es wäre für die Ewigkeit…

„Ich weiß nicht, ob ich dich noch liebe. Ich glaube eigentlich nicht.“ (Viola)
„Geht mir genauso.“ (Florian)

„Was war mit ihnen passiert? Wann waren sie in diese ...

Sie dachten, es wäre für die Ewigkeit…

„Ich weiß nicht, ob ich dich noch liebe. Ich glaube eigentlich nicht.“ (Viola)
„Geht mir genauso.“ (Florian)

„Was war mit ihnen passiert? Wann waren sie in diese Mühle geraten, die ihre Liebe zu Staub zermahlen hatte?“


Bei einem gemeinsamen Abendessen sollen die Einzelheiten der Beendigung einer fünfundzwanzigjährigen Beziehung zwischen Viola Janicki und Dr. Florian Quandt besprochen werden. In die Ehe der virtuosen Klarinettistin und Lehrerin an einer Musikhochschule und des leitenden Oberarztes schlich sich eine zunehmende Entfremdung ein, sie fühlen sich unverstanden, ihre Beziehung ist von Gleichgültigkeit erfüllt, ihre Liebe scheinbar erkaltet. „Sie liebten einander nicht mehr genug, um all ihre größeren und kleineren Unzulänglichkeiten mitzulieben.“

Neben der schwierigen Aufgabe, ihre Kinder Josephine und Jonathan mit der neuen Situation zu konfrontieren müssen Viola und Florian sich nun auch noch mit dem Problem einer nicht mehr stornierbaren Urlaubsreise nach Rhodos befassen. Letztendlich entschließen die beiden sich, diese Reise getrennt anzutreten.

Die Autorin präsentiert mit ihrer aktuellen Neuerscheinung einen Roman, der zwar das Scheitern einer Beziehung als tiefgründiges und gewichtiges Thema in den Mittelpunkt stellt, dabei aber durchaus auch mit locker-leichten Passagen punktet. Während der erste Teil des Buches von den Eheproblemen zwischen Viola und Florian, kleineren und größeren Verletzungen und den Reaktionen ihres Umfelds auf ihre Trennung handelt, wechselt der Schauplatz kurz darauf zur malerischen Insel Rhodos. Die Aufarbeitung der Beziehungsprobleme der beiden Protagonisten ist der Autorin sehr gut gelungen. In vielen verschiedenen Rückblicken werden die Ereignisse, die nach und nach zu dieser Entfremdung führten, näher beleuchtet. Während des Aufenthalts auf Rhodos und fern von der eintönigen Routine des Alltags dürfen die Hauptfiguren dieses Romans sich selber, aber auch den Partner, neu entdecken und mit anderen Augen betrachten. Barbara Leciejewski weckt durch ihre bildhaften Beschreibungen dieser schönen griechischen Insel und durch das tiefe Eintauchen in diesen ungewöhnlichen Sommerurlaub die Lust, selber zu verreisen und für kurze Zeit dem Alltag zu entfliehen.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren – insbesondere der beiden Protagonisten – hat mir sehr gut gefallen, ich empfand sie authentisch und konnte mich in ihre Gefühls- und Gedankenwelt gut hineinversetzen. Violas weiche, sensible und ernste Art und ihre aufgegebenen Träume haben mich sehr bewegt. Der kurze Einblick in einen Arbeitstag des Spitzenchirurgen Florian lässt dessen Zweifel und Versagensängste erahnen, er kann warmherzig, aber durchaus auch bissig und abschreckend in seinen Anstrengungen sein, mit den beruflichen Belastungen fertigzuwerden. Mit dem griechischen Hotelbesitzer Socrates Koronaios und seinen liebenswerten Verwandten sowie einigen Hotelgästen bringt die Autorin interessante und zum Teil amüsante Nebenfiguren in die Handlung ein. Während Hera Spät mit ihrer schüchternen und unsicheren Art sofort Beschützerinstinkte weckt, entpuppt sich ein junger blonder Britney-Spears-Verschnitt mit aufgesetztem Kleinmädchencharme als nervtötende Klette, die man nur sehr schwer wieder los wird. Äußerst sympathisch und überzeugend dargestellt fand ich die beiden Kinder der Protagonisten, das mürrische alte Original Tante Ludovica brachte mich mit ihren Schrullen zum Schmunzeln.

Fazit: „Wer wenn nicht wir“ war eine Lektüre, die einerseits gewichtige Beziehungsprobleme thematisierte, mich als Leser jedoch andererseits an den malerischen Schauplatz einer der größten griechischen Inseln versetzte und pures Urlaubsfeeling vermittelte. Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren sowie die Entwicklungen zwischen den Protagonisten und einigen Nebenfiguren haben mir gefallen und mich sehr gut unterhalten. Dennoch musste ich feststellen, dass mir der Vorgängerroman „So lange sie tanzen“ sowohl in sprachlicher Hinsicht, als auch inhaltlich, weit besser gefallen hat. Doch angesichts dieses ganz großen Lesehighlights war meine Erwartungshaltung auch unverhältnismäßig hoch. Nichtsdestotrotz kann ich dieses Buch wärmstens weiterempfehlen - von mir gibt es für diesen schönen Roman 4 Sterne.

Veröffentlicht am 31.03.2020

Die Wendungen des Schicksals

Gut Greifenau - Goldsturm
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Die Wendungen des Schicksals

Im vierten Band der Buchreihe um das Pommersche Gut Greifenau stehen im Jahre 1919 politische und wirtschaftliche Probleme im Mittelpunkt des Geschehens. Durch die Entstehung ...

Die Wendungen des Schicksals

Im vierten Band der Buchreihe um das Pommersche Gut Greifenau stehen im Jahre 1919 politische und wirtschaftliche Probleme im Mittelpunkt des Geschehens. Durch die Entstehung der ersten deutschen Republik werden die Vorrechte des Adels nach und nach aufgelöst, eine Tatsache, mit der die arrogante und selbstherrliche Gräfin Feodora von Auwitz-Aarhayn sich weder arrangieren kann, noch möchte. Im Streit um die Auflösung des Familienfideikommisses entzweien sich Konstantin, Nikolaus und Alexander von Auwitz-Aarhayn. Konstantin obliegt es als Erbe und neuer Gutsherr von Gut Greifenau, die drohende Insolvenz abzuwenden und den Schuldenberg, den sein verstorbener Vater hinterlassen hat, abzutragen. Das ganze Land stürzt ins Chaos, ein wirtschaftliches Inferno bricht über die Menschen herein und die Geldentwertung führt zu Hunger, Elend, bitterster Armut und millionenfachem Elend. Hannah Caspian entführt ihre Leser nach Pommern, wo sie gespannt das Schicksal der Adelsfamilie von Auwitz-Aarhayn sowie deren Bediensteten mitverfolgen dürfen.

Der einnehmende Schreibstil der Autorin und der starke Fokus auf die Geschicke der einzelnen handelnden Figuren gestalteten diesen Roman für mich zu einem wahren Pageturner. Liebevoll gezeichnete Charaktere und tiefe Emotionen zogen mich rasch in den Bann. Nikolaus von Auwitz-Aarhayn und seine Ehefrau Rebecca fungieren als Protagonisten dieses vierten Bandes, sie müssen sich als neue Gutsherren auf Greifenau bewähren. Konstantins Bruder Nikolaus engagiert sich als Putschist, sein abgrundtiefer Egoismus und seine gnadenlose Rücksichtslosigkeit sorgen für Aufruhr und schlimme persönliche Tragödien. Während der selbstherrliche und unverschämte junge Adelige Unfrieden stiftet, entzieht sich sein Bruder Alexander durch ein Musikstudium dem Einfluss seiner Familie. Doch auch in seinem Privatleben gibt es ein brisantes Geheimnis, das um keinen Preis an die Öffentlichkeit gelangen darf. Anastasia von Auwitz-Aarhayn, verheiratete Gräfin von Sawatzki, spielt eine relativ kleine Nebenrolle im Buch. Ihrer Schwester Katharina jedoch wird sehr große Aufmerksamkeit zuteil. Konstantins kleine Schwester „Katja“, wie dieser sie liebevoll nennt, scheint mit dem Bürgerlichen Julius Urban das große Los gezogen zu haben. Sie lebt im Luxus, wird von ihrem Ehemann vergöttert, und nach Strich und Faden verwöhnt. Doch ihre Leidenschaft für die Medizin und ihren großen Traum, Kinderärztin zu werden, konnte sie bis dato nicht umsetzen. Gräfin Feodora von Auwitz-Aarhayn, die Witwe und ehemalige Gutsherrin von Greifenau, wird ihrer Rolle als Antagonistin dieses Buches mehr als gerecht. Ich lernte im Verlauf der Seiten, ihre Niedertracht, ihre gehässige und herablassende Art und die permanenten Demütigungen, mit denen sie ihre Kinder überschüttet, zutiefst zu verabscheuen. Zu meiner Freude schenkte die Autorin jedoch den Bediensteten des Gutshofes sehr große Aufmerksamkeit. Die Geschicke von Albert und Ida Sonntag, Mamsell Ottilie Schott, Eugen Lignau, Wiebke Plümecke, Kilian Hübner, Bertha Polzin und natürlich allen voran des obersten Hausdieners und Butlers Theodor Caspers waren eng mit jenen ihrer adeligen Arbeitgeber verwoben. Einige Figuren aus den Vorgängerbüchern wie beispielsweise Pastor Wittekind oder die Hindemith-Schwestern erhielten ebenfalls kleine Nebenrollen.

Ich fühlte mich durch diese imposante Familiengeschichte nicht nur hervorragend unterhalten, mir wurde nebenbei auch die Situation in der ersten Weimarer Republik eindringlich vor Augen geführt. Anhand dieses Buches erhielt ich nicht nur Einblick in die drastischen Veränderungen für den Adel, ich erlebte auch hautnah das Elend und die Not der armen Bevölkerungsschichten mit.

„Goldsturm“ war ein sehr eindrucksvolles Buch, das mir ausgezeichnet gefallen hat. Begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!