Weit entfernt und doch so nah
Die Jahre ohne unsIch habe das Cover gesehen und dabei sind mir direkt die Beine der Frau aufgefallen, die zu einer älteren Frau gehören. Die beiden Menschen scheinen auf den ersten Blick auf einer Bank zu sitzen und sich ...
Ich habe das Cover gesehen und dabei sind mir direkt die Beine der Frau aufgefallen, die zu einer älteren Frau gehören. Die beiden Menschen scheinen auf den ersten Blick auf einer Bank zu sitzen und sich viel zu erzählen zu haben. Allein dieses schlicht gehaltene Bild macht mich unglaublich neugierig. Es besticht durch Einfachheit und ist dadurch auf jeden Fall ganz anders als die meisten anderen Buchcover. Ob die Geschichte ebenso ist?
Der Autor Barney Norris beantwortet meine Fragen in dem Buch "Die Jahre ohne uns", das erschienen ist im Verlag Dumont.
Tatsächlich sitzen die beiden älteren Menschen, eine Frau und ein Mann, zusammen – an einer Hotelbar. Der Zufall hat sie an diesem Ort zusammengeführt. Habe ich an dieser Stelle noch mit einer leicht-lockeren Unterhaltung gerechnet und mir sogar schon insgeheim den weiteren Verlauf vorgestellt, so wurde ich schnell eines Besseren belehrt. In den beiden ersten Teilen, die fast den gesamten Raum des Buches einnehmen, lässt der Autor in einer ganz eigenen Sprachgestaltung die Frau und dann den Mann ihr bisheriges Leben erzählen. Das geschieht auf eine Art und Weise, wie ich sie so weder erwartet noch jemals gelesen hatte, und an die ich mich erst gewöhnen musste. Aber das Lesen hat sich gelohnt, denn spätestens in der zweiten Hälfte mochte (m)ich das Buch nicht mehr loslassen.
Fasziniert hat mich die Frau, deren Gedanken häufig bei ihrem Vater sind, der sie verlassen hatte, als sie noch ein kleines Kind war, die aber auch ihr Leben lang davon geträumt hat, eine Enzyklopädie zu schreiben: „Ich habe immer gedacht, dass ich einmal ein Meisterwerk in die Welt hineinweben würde, eine Enzyklopädie aller Worte, in die ich mich jemals verliebt habe…“ – Unerfüllte Träume, die sie begleiten.
Fantastisch und an vielen Stellen dennoch sehr realistisch klingt die Geschichte des Mannes, der als Schauspieler gearbeitet hat, aber auch „im richtigen Leben“ immer wieder in neue und ganz verschiedene Situationen gerät, die an die Rollen eines Schauspielers erinnern lassen. – Er bleibt immer auf der Suche. Hier sind Realität und Fiktion gut miteinander verwoben.
Ein besonderes Buch mit einem Hang zum Träumen und den Wünschen, die Frau und der Mann – tatsächlich werden keine Namen genannt – mögen ihrer Einsamkeit entfliehen.