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Veröffentlicht am 05.09.2019

Ganz nah dran

Roll.on
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Es ist unvorstellbar! Gerade bist du noch der Held auf deiner Maschine, liebst die Freiheit und kennst keine Grenzen, und plötzlich – ohne Vorwarnung – scheint Gott dich mit einem anderen zu verwechseln ...

Es ist unvorstellbar! Gerade bist du noch der Held auf deiner Maschine, liebst die Freiheit und kennst keine Grenzen, und plötzlich – ohne Vorwarnung – scheint Gott dich mit einem anderen zu verwechseln und von einer Sekunde auf die andere ist nichts mehr wie vorher. Erst im Krankenhaus schlägst du die Augen wieder auf, hast keine Ahnung, was los ist, und erhältst dann die Diagnose: vom Hals ab querschnittsgelähmt.
So ist es Lars Höllerer ergangen, der mit dem Buch „ROLL.ON“ seine Geschichte erzählt, die an dem verhängnisvollen Tag im Mai des Jahres 1991 beginnt, als er mit 21 Jahren auf die Pfannkuchen seiner Mutter verzichtet, um lieber noch eine kleine Spritztour auf dem Motorrad zu machen…
Mit einem großen Herzen, viel Humor, der manchmal auch etwas schwarz ist, und großem Gottvertrauen nimmt Lars Höllerer die Leser und Leserinnen mit auf seinen ganz persönlichen Lebensweg.
Wenn man die Worte liest „Vom Hals ab querschnittsgelähmt“, dann klingt das erst einmal schlimm. Doch welche Ängste, Probleme und auch Gefahren damit verbunden sind, das ist mir erst so richtig bewusst geworden durch die vielen kurzen Geschichten, die zwar immer mit einer gehörigen Portion Witz gewürzt sind, doch – oft auch nur zwischen den Zeilen – die ganzen Schwierigkeiten und oft auch die eigene Ohnmacht in verschiedenen Situationen deutlich werden lassen. Dabei muss man bedenken, dass selbst für die einfachsten alltäglichen Handgriffe Hilfe erforderlich ist. Viele von Lars‘ Helfern, von denen er Lustiges und auch manchmal schier Unglaubliches zu berichten weiß, waren Zivis. Wie sehr sie Teil seines Lebens geworden sind, wird erkennbar daran, dass er zu vielen den Kontakt bis heute nicht verloren hat.
Die einzelnen Kapitel tragen Überschriften und zum Thema passende, aber immer Fröhlichkeit ausstrahlende Illustrationen, an denen dennoch oftmals erkennbar ist, ob es sich eher um eine lustige, traurige oder schmerzhafte Geschichte handelt. Ein kleines Sahnehäubchen ist der virtuelle Tagebucheintrag am Ende eines jeden Kapitels.
Die erwähnten Illustrationen im Buch und auch die Covergestaltung hat Lars Höllerer selbst gestaltet. Zum Glück hat er noch alle fünf Sinne beisammen, von denen die Nase ihm schon brenzlige Situationen gemeldet hat. Doch der Mund hat neben dem Sprechen eine großartige Bedeutung dazugewonnen: Das Malen mit dem Mund ist ihm zu einem wichtigen Lebensinhalt geworden.
Ich würde gern immer mehr über das Buch erzählen, um meiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen, aber stattdessen empfehle ich allen, die neugierig geworden sind: Kauft euch das Buch. Lasst euch anstecken von der Fröhlichkeit, dem Optimismus, der Herzlichkeit und der Liebe des Autors zu den Menschen. Denn das alles bewirkt dieses Buch – und verbreitet Hoffnung, sein Leben „in die Hand zu nehmen“ und neu anzufangen, egal wie aussichtslos es erscheinen mag!

Veröffentlicht am 25.08.2019

Brasilien ist nichts für Anfänger

Hans Noll in Amazonien
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Bereits als Neunjähriger konnte sich Hans Noll begeistern für Reiseberichte und abenteuerliche Geschichten aus fernen Ländern. Darum ist es nicht verwunderlich, dass der Geologe dreißig Jahre in Brasilien ...

Bereits als Neunjähriger konnte sich Hans Noll begeistern für Reiseberichte und abenteuerliche Geschichten aus fernen Ländern. Darum ist es nicht verwunderlich, dass der Geologe dreißig Jahre in Brasilien lebt – in Belém, dem Einfallstor zum tropischen Regenwald, wie es in der Buchbeschreibung heißt. Zurück in Deutschland, trifft sich Noll zwei Jahre lang regelmäßig mit einem Mann, dem er viele seiner Erlebnisse, berufliche, private und auch ganz persönliche, erzählt. Ohne sich irgendwelche Notizen zu machen, bringt der Chronist das Gehörte zu Papier.
Der Schreibstil des Autors Franz Josef Brüseke ist nicht alltäglich, sondern sehr ungewöhnlich, abenteuerlich, originell und unglaublich unterhaltsam.
Neben Nolls Forschungsprojekt zum Goldbergbau in Amazonien und zur Verwendung von Quecksilber (und Zyankali) zur Goldgewinnung führt ihn seine Arbeit durch das ganze Land. Diese Reisen sind recht abenteuerlich. Es macht Spaß, die Orte, von denen ich zum Teil noch nie gehört habe, auf der Landkarte zu suchen. Doch es geht nicht nur um Goldsucher, sondern auch um Waffenschmuggel und illegalen Holzhandel. Brandrodungen, die den Regenwald, die grüne Lunge der Erde, bedrohen, sind zurzeit ein brisantes Weltthema, was dieses Buch zum jetzigen Zeitpunkt für mich besonders interessant macht.
Es sind manchmal nur ein paar kurze Sätze, die sehr viel beinhalten. So liebt Noll eher den Schatten als die Sonne, besonders genießt er den Schatten der Mangobäume – eine herrliche Vorstellung! Umso mehr erschrecke ich, wenn ich lese, dass ein 100 Jahre alter Mangobaum gefällt wird für umgerechnet 30 Euro!
Doch dieses Buch hat mehr zu bieten! So lernt Noll in einer Kneipe zum Beispiel den „Doktor“ kennen. Der erzählt gern und viel, liebt Wortspielereien und kann über seinen eigenen „Blödsinn“ herzhaft lachen. Der Chronist drückt es so aus: „Der Doktor brütet seine eigenwilligen Theorien aus.“ Jedenfalls fachsimpeln die beiden Männer gern und häufig miteinander.
Wer gern mal einen Krimi oder auch einen Liebesroman liest, aber noch interessierter daran ist, neben guter, humorvoller und kurzweiliger Unterhaltung so ganz nebenbei auch noch etwas zu lernen, dem empfehle ich gern „Hans Noll in Amazonien“. Ich zähle mich zu dieser Gruppe und habe mich sehr gut unterhalten.

Veröffentlicht am 18.08.2019

Wir wollen eine große Familie sein

Familie Flickenteppich 1. Wir ziehen ein
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Auch ohne Mama sind Emma, Ben, Jojo und Papa eine tolle Familie, deren Geschichte mit dem Umzug in eine kleinere Wohnung in der Nummer 11 beginnt. Ben ist das älteste der Geschwisterkinder, die zwei Jahre ...

Auch ohne Mama sind Emma, Ben, Jojo und Papa eine tolle Familie, deren Geschichte mit dem Umzug in eine kleinere Wohnung in der Nummer 11 beginnt. Ben ist das älteste der Geschwisterkinder, die zwei Jahre jüngere Emma ist Erzählerin der Geschichte und Nesthäkchen Jojo kümmert sich liebevoll um die Stoffschildkröte Gerti. Durch ein kleines Missgeschick von Emma lernen sie schnell einige Nachbarn der Nr. 11 kennen und finden sogar die ersten Freunde, Aylin und Tarek, die mit ihrer Mutter zusammen leben. Die alte Frau Becker ist lieb wie eine richtige Oma. So steht für die Kinder bald fest, dass es doch schön wäre, wenn die ganze Hausgemeinschaft eine große Flickenteppich-Familie wäre. Allerdings gibt es da auch das ältere Ehepaar mit dem piekfeinen, akkurat gepflegten Garten – Oma und Opa von Freddy, der viel Zeit bei seinen Großeltern verbringt. Jedenfalls sind Freddys Großeltern richtige Erbsenzähler! Ja, und dann ist da noch der geheimnisvolle Graf, der den Kindern Rätsel aufgibt, weil es scheint, als wäre die Wohnung unbewohnt. Da ist detektivischer Spürsinn gefragt!
Das Buch „Familie Flickenteppich – Wir ziehen ein“ ist erschienen im Oetinger Verlag. Der Autorin Stefanie Taschinski ist mit dem Band 1 der der Auftakt zu einer spannenden Kinderbuchreihe für Kinder ab 8 Jahren gelungen. Mit Emma als Ich-Erzählerin und einem abwechslungsreichen Schreibstil, bei dem keine Wünsche offen bleiben, sind kleine und große Leser von Beginn an begeistert und gleich mittendrin in der Geschichte. Die bunten Illustrationen von Anne-Kathrin Behl lassen die Kopfbilder noch deutlicher werden. Auch die Schilder mit der Anzeige der Kapitelnummer und den kleinen Untertiteln sind sehr liebevoll gestaltet.
Die Geschichte ist nicht nur zum Selberlesen, sondern auch zum Vorlesen in einer kleinen Gruppe sehr gut geeignet. Gerade die Stellen mit „Tiefgang“ können in einer Gruppe intensiv besprochen werden – und auch das Lachen und Mitfiebern macht in Gemeinschaft doppelt so viel Spaß.

Veröffentlicht am 08.08.2019

Erschreckend und berührend

Ein Lied von Liebe und Verrat
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Aliki ist mittlerweile eine alte Frau. Sie bezeichnet sich selbst als das letzte berufsmäßige Klageweib in ihrem kleinen Dorf im Nordosten Griechenlands. Genau das ist der Grund des Besuches einer jungen ...

Aliki ist mittlerweile eine alte Frau. Sie bezeichnet sich selbst als das letzte berufsmäßige Klageweib in ihrem kleinen Dorf im Nordosten Griechenlands. Genau das ist der Grund des Besuches einer jungen amerikanischen Frau, deren Forschungsgebiet mediterrane Ethnografie ist. Aliki bekommt einen Kassettenrecorder mit der Bitte, alles aufzuzeichnen. Die Ethnografin ist wieder fort und Aliki erzählt. Sie spricht darüber, dass sie Klagelieder, Lieder für Totenwachen verfasst, bevor ihr einfällt, dass sie die Lieder eigentlich gar nicht verfasst, sondern dass sie allein aus ihr herausströmen. So redet sie und redet, bis ihr einfällt, dass sie aus ihrer Vergangenheit berichten möchte. Schnell sind ihre Gedanken zurück in ihrer Kindheit. Aliki erinnert sich an ihren liebevollen Vater, der als Köhler gearbeitet hat, bis die Köhlerei im Krieg zum Erliegen gekommen ist. Sehr eindrücklich berichtet Aliki vom Kriegsgeschehen in Griechenland, so auch davon, dass sie mitansehen musste, wie ihr Vater von den Deutschen exekutiert wurde. Aufgenommen wurde sie von der Nachbarin Chrysoula, deren Sohn Takis wie ein Bruder für sie war. Chrysoula war eine hilfsbereite und fürsorgliche Frau, die nicht nur wie eine Mutter für Aliki war, sondern auch sofort bereit war, die Flüchtlinge Stelios und seine Mutter bei sich aufzunehmen und zu verstecken, als bekannt wurde, dass sie Juden waren. Eine erste zarte Liebe begann zwischen Stelios und Aliki. Doch die Schrecken des Krieges waren noch nicht vorbei. Zum Schluss hatten sie Familien und Heimat verloren. Takis, Aliki und Stelios waren noch zusammen. Geblieben war ihnen nur ein Schattentheater, mit dem sie Kinder und Erwachsene gleichermaßen erfreuen konnten. Doch zu Vieles war geschehen in der Vergangenheit, Verrat, Krankheit, Heimatlosigkeit und Eifersucht ließen die drei jungen Menschen nicht glücklich werden.
Die Idee des Autors James William Brown, die Geschichte aus Sicht der inzwischen alt gewordenen Aliki als Kassettenaufzeichnung zu erzählen, gefällt mir außerordentlich gut. Den von Zeit zu Zeit notwendigen Kassettenwechsel nutzt Aliki für Erzählungen aus der Gegenwart. So entsteht reibungslos und ohne Schnitt – wie automatisch – eine Einheit zwischen Früher und Heute.
Besonders interessant und lehrreich sind für mich die ausführlichen Beschreibungen über die Zeit des Krieges in Griechenland und auch der Nachkriegszeit, in der es ebenfalls noch grausame Verbrechen gab.
Abwechslungsreich und leicht verständlich geschrieben hat mich dieses Buch gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 08.08.2019

"Und hätten die Liebe nicht..."

Die Dinge, die wir aus Liebe tun
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„Sie wünschte, sie könnte weinen wie zu der Zeit, als sie noch ein Kind war. Tränen reinigten die Seele, hieß es, und wenn man Glück hatte, spülten sie den Kummer fort.“

Seit vielen Jahren haben sich ...

„Sie wünschte, sie könnte weinen wie zu der Zeit, als sie noch ein Kind war. Tränen reinigten die Seele, hieß es, und wenn man Glück hatte, spülten sie den Kummer fort.“

Seit vielen Jahren haben sich Angie und Conlan nach einem Kind gesehnt, doch dieser Wunsch wurde ihnen nicht erfüllt. Gelitten hatten sie beide, doch Angie war so erfüllt von ihrem eigenen Schmerz, dass sie nicht erkennen konnte, dass Conlan ebenso traurig war wie sie. Daran ist schließlich sogar ihre Ehe gescheitert.

Angie verlässt die Großstadt und kehrt zu ihrer Familie zurück in einen kleinen Ort am Pazifik. Nach dem Tod des Vaters haben Angies Mutter und ihre Schwestern das Restaurant allein weitergeführt. Jetzt hat Angie sich vorgenommen, das Restaurant aus den schwarzen Zahlen herauszuholen.

Zufällig begegnet Angie einem jungen Mädchen. Lauren lebt allein mit ihrer Mutter, bekommt von ihr allerdings keine Unterstützung. Doch sie ist fleißig und versucht alles, um studieren zu können. Angie bewundert Laurens Stolz, ihren Ehrgeiz und ihre Stärke, und sie möchte ihr gern helfen.

Kristin Hannah erzählt eine aufrüttelnde Geschichte mit einem gewohnt fesselnden Schreibstil. Sie zeigt dabei Unterschiede auf zwischen Arm und Reich und den „verschiedenen Welten“, in denen die Menschen leben. Gibt der eine für ein Essen in einem Restaurant bedenkenlos so viel Geld aus, wie die andere braucht, um mehrere Wochen davon zu leben, dann macht das natürlich nachdenklich. Doch die Autorin zeigt auch, dass Liebe, Fürsorge und Freundschaft keiner materiellen Werte bedürfen.

Mir gefällt dieser „bittersüße Roman über das, was man manchmal loslassen muss, um lieben zu können“.

Gut – besser – Kristin Hannah! Sehr gern empfehle ich diesen Roman über Hoffnung, Liebe, Vertrauen, Angst und Sehnsucht und über das Suchen und Finden.