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Veröffentlicht am 08.08.2019

Erschreckend und berührend

Ein Lied von Liebe und Verrat
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Aliki ist mittlerweile eine alte Frau. Sie bezeichnet sich selbst als das letzte berufsmäßige Klageweib in ihrem kleinen Dorf im Nordosten Griechenlands. Genau das ist der Grund des Besuches einer jungen ...

Aliki ist mittlerweile eine alte Frau. Sie bezeichnet sich selbst als das letzte berufsmäßige Klageweib in ihrem kleinen Dorf im Nordosten Griechenlands. Genau das ist der Grund des Besuches einer jungen amerikanischen Frau, deren Forschungsgebiet mediterrane Ethnografie ist. Aliki bekommt einen Kassettenrecorder mit der Bitte, alles aufzuzeichnen. Die Ethnografin ist wieder fort und Aliki erzählt. Sie spricht darüber, dass sie Klagelieder, Lieder für Totenwachen verfasst, bevor ihr einfällt, dass sie die Lieder eigentlich gar nicht verfasst, sondern dass sie allein aus ihr herausströmen. So redet sie und redet, bis ihr einfällt, dass sie aus ihrer Vergangenheit berichten möchte. Schnell sind ihre Gedanken zurück in ihrer Kindheit. Aliki erinnert sich an ihren liebevollen Vater, der als Köhler gearbeitet hat, bis die Köhlerei im Krieg zum Erliegen gekommen ist. Sehr eindrücklich berichtet Aliki vom Kriegsgeschehen in Griechenland, so auch davon, dass sie mitansehen musste, wie ihr Vater von den Deutschen exekutiert wurde. Aufgenommen wurde sie von der Nachbarin Chrysoula, deren Sohn Takis wie ein Bruder für sie war. Chrysoula war eine hilfsbereite und fürsorgliche Frau, die nicht nur wie eine Mutter für Aliki war, sondern auch sofort bereit war, die Flüchtlinge Stelios und seine Mutter bei sich aufzunehmen und zu verstecken, als bekannt wurde, dass sie Juden waren. Eine erste zarte Liebe begann zwischen Stelios und Aliki. Doch die Schrecken des Krieges waren noch nicht vorbei. Zum Schluss hatten sie Familien und Heimat verloren. Takis, Aliki und Stelios waren noch zusammen. Geblieben war ihnen nur ein Schattentheater, mit dem sie Kinder und Erwachsene gleichermaßen erfreuen konnten. Doch zu Vieles war geschehen in der Vergangenheit, Verrat, Krankheit, Heimatlosigkeit und Eifersucht ließen die drei jungen Menschen nicht glücklich werden.
Die Idee des Autors James William Brown, die Geschichte aus Sicht der inzwischen alt gewordenen Aliki als Kassettenaufzeichnung zu erzählen, gefällt mir außerordentlich gut. Den von Zeit zu Zeit notwendigen Kassettenwechsel nutzt Aliki für Erzählungen aus der Gegenwart. So entsteht reibungslos und ohne Schnitt – wie automatisch – eine Einheit zwischen Früher und Heute.
Besonders interessant und lehrreich sind für mich die ausführlichen Beschreibungen über die Zeit des Krieges in Griechenland und auch der Nachkriegszeit, in der es ebenfalls noch grausame Verbrechen gab.
Abwechslungsreich und leicht verständlich geschrieben hat mich dieses Buch gut unterhalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Thema
Veröffentlicht am 08.08.2019

"Und hätten die Liebe nicht..."

Die Dinge, die wir aus Liebe tun
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„Sie wünschte, sie könnte weinen wie zu der Zeit, als sie noch ein Kind war. Tränen reinigten die Seele, hieß es, und wenn man Glück hatte, spülten sie den Kummer fort.“

Seit vielen Jahren haben sich ...

„Sie wünschte, sie könnte weinen wie zu der Zeit, als sie noch ein Kind war. Tränen reinigten die Seele, hieß es, und wenn man Glück hatte, spülten sie den Kummer fort.“

Seit vielen Jahren haben sich Angie und Conlan nach einem Kind gesehnt, doch dieser Wunsch wurde ihnen nicht erfüllt. Gelitten hatten sie beide, doch Angie war so erfüllt von ihrem eigenen Schmerz, dass sie nicht erkennen konnte, dass Conlan ebenso traurig war wie sie. Daran ist schließlich sogar ihre Ehe gescheitert.

Angie verlässt die Großstadt und kehrt zu ihrer Familie zurück in einen kleinen Ort am Pazifik. Nach dem Tod des Vaters haben Angies Mutter und ihre Schwestern das Restaurant allein weitergeführt. Jetzt hat Angie sich vorgenommen, das Restaurant aus den schwarzen Zahlen herauszuholen.

Zufällig begegnet Angie einem jungen Mädchen. Lauren lebt allein mit ihrer Mutter, bekommt von ihr allerdings keine Unterstützung. Doch sie ist fleißig und versucht alles, um studieren zu können. Angie bewundert Laurens Stolz, ihren Ehrgeiz und ihre Stärke, und sie möchte ihr gern helfen.

Kristin Hannah erzählt eine aufrüttelnde Geschichte mit einem gewohnt fesselnden Schreibstil. Sie zeigt dabei Unterschiede auf zwischen Arm und Reich und den „verschiedenen Welten“, in denen die Menschen leben. Gibt der eine für ein Essen in einem Restaurant bedenkenlos so viel Geld aus, wie die andere braucht, um mehrere Wochen davon zu leben, dann macht das natürlich nachdenklich. Doch die Autorin zeigt auch, dass Liebe, Fürsorge und Freundschaft keiner materiellen Werte bedürfen.

Mir gefällt dieser „bittersüße Roman über das, was man manchmal loslassen muss, um lieben zu können“.

Gut – besser – Kristin Hannah! Sehr gern empfehle ich diesen Roman über Hoffnung, Liebe, Vertrauen, Angst und Sehnsucht und über das Suchen und Finden.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Dunkle Geheimnisse

Die Melodie der Schatten
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Schottland im Jahr 1837. Fiona ist unterwegs nach Inverness, als ihre Kutsche in einen Hinterhalt gerät. Sie kann ihr Leben retten, weil es ihr noch rechtzeitig gelingt, die Kutsche unbemerkt zu verlassen. ...

Schottland im Jahr 1837. Fiona ist unterwegs nach Inverness, als ihre Kutsche in einen Hinterhalt gerät. Sie kann ihr Leben retten, weil es ihr noch rechtzeitig gelingt, die Kutsche unbemerkt zu verlassen. Zitternd vor Angst und Kälte flüchtet sie und gelangt schließlich in der unbekannten verlassenen Gegend an ein altes Herrenhaus. Nicht gerade freundlich wird sie empfangen, aber dennoch bietet man ihr ein Zimmer zum Übernachten an. Kalt, düster und unheimlich ist es in dem alten Gemäuer. Es gibt nur wenig Bedienstete und der Hausherr macht einen ebenso düsteren Eindruck wie das Haus. In der Nacht wird Fiona wachgehalten von schrecklichen Geräuschen, einer seltsamen Melodie und einer unheimlichen schwarzen Gestalt, die herumschleicht. Dann hört sie Schritte und obwohl ihre Tür abgeschlossen ist, glaubt sie, dass jemand in ihrem Zimmer war. Sind das alles nur Alpträume? Sieht sie Gespenster? Oder lastet ein Fluch auf dem Haus?

Zunächst der Überfall auf die Kutsche, dann der Empfang in dem düsteren Herrenhaus – das Buch nimmt mich sofort gefangen und verbreitet Gruselgefühle und knisternde Spannung von Anfang an. Aidan, der Besitzer des Herrenhauses, ist sehr undurchsichtig, wirkt unnahbar und wenig gastfreundlich.

Die Menschen aus dem Dorf sind überzeugt davon, dass das Anwesen, Thirstane Manor, verflucht ist, seit die gälischen Pächter vor Jahren von ihrem Land vertrieben worden sind. Geister, Gespenster und Dämonen scheinen hier nachts ihr Unwesen zu treiben. Fiona reißt all ihren Mut zusammen und versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie begibt sich dabei in große Gefahr und macht grausame Entdeckungen.

Der Autorin Maria W. Peter ist mit dem Roman ein historisches Meisterwerk gelungen, mit Herz und Verstand geschrieben . Der Spannungsbogen ist ununterbrochen straff gespannt. An keiner Stelle kommt Langeweile auf – nur Gänsehaut pur. Der Schreibstil ist so anregend, bildhaft und immer wieder mit Überraschungen gespickt, dass man das Buch am liebsten gar nicht aus der Hand legen möchte. Zudem tauchen Fragezeichen über Fragezeichen auf, die natürlich mit Antworten gestillt werden wollen.

Schon während des Lesens konnte ich spüren, da schreibt eine Autorin, die nicht nur die Highlands gut kennt, sondern die auch intensive Recherchen angestellt hat. Dies wird besonders deutlich im Nachwort, das viele spezielle Antworten auf historische Fragen bereithält.

Ein Glossar mit einfachen Erklärungen vieler unbekannter Begriffe, ein Abschnitt über schottisch-gälische Ausdrücke, Redewendungen und Sätze sowie eine Übersicht über historische Persönlichkeiten machen das Buch zu einem kompletten Ganzen.

Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 01.08.2019

Die Kunst, sich selbst zu vergeben

Die Tage mit Bumerang
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Seit ihre Eltern vor einigen Jahren gestorben sind, lebt Annu allein in dem kleinen windschiefen Haus in einem 87-Seelen-Dorf in Bayern. Sie erinnert sich gern an ihre liebevollen Eltern, den finnischen ...

Seit ihre Eltern vor einigen Jahren gestorben sind, lebt Annu allein in dem kleinen windschiefen Haus in einem 87-Seelen-Dorf in Bayern. Sie erinnert sich gern an ihre liebevollen Eltern, den finnischen Vater und die deutsche Mutter. Vor allem benutzt sie gern die lustigen finnischen Sprichwörter, die sie von ihrem Vater kennt. Annu arbeitet zu Hause als Übersetzerin und ihre freie Zeit verbringt sie gern mit Lars und seiner kleinen Familie. Lars und Annu sind allerbeste Freunde. Sie kennen sich bereits seit ihrer Kindheiit und es gibt nichts, was diese Freundschaft gefährden könnte…
Doch dann begeht Annu einen folgenschweren Fehler. Nur durch einen Moment der Unachtsamkeit verursacht sie einen tragischen Unfall. Von den Leuten im Dorf wird sie gemieden und selbst Lars wendet sich von ihr ab. Einsam und allein bleibt sie mit ihren Schuldgefühlen und verlässt kaum noch ihr kleines geliebtes windschiefes Haus. Dann steht plötzlich dieses Schaf vor ihrer Tür. Annu versucht es wieder loszuwerden, doch das Schaf lässt sich nicht wegschicken, es kommt immer wieder zurück. So ist es zu seinem Namen gekommen – Bumerang.
Mit viel Herz und Gefühl schreibt Nina Sahm die Geschichte von Annu, erzählt von ihren großen Schuldgefühlen und von ihrer Hoffnungslosigkeit. Es scheint für Annu keine lebenswerte Zukunft mehr zu geben. Immer wieder denkt sie an ihre Freundschaft mit Lars, erinnert sich an die vielen schönen Zeiten und Momente, die sie miteinander verbracht haben.
Aber jetzt muss sie sich erstmal um Bumerang kümmern! Ganz langsam findet Annu durch dieses verrückte Schaf, das unbedingt in ihrem inzwischen verwilderten Garten und bei ihr bleiben möchte, zurück ins Leben. Sie lernt wieder, wie schön das Leben sein kann und hofft darauf, sich eines Tages selbst vergeben zu können.
Eine warmherzige und gefühlvolle Geschichte, die ich gern weiterempfehle. „Die Tage mit Bumerang“ bekommt einen Platz in meinem Regal „Lieblingsbücher“.

Veröffentlicht am 27.07.2019

Schrei nach Gerechtigkeit

Die Nickel Boys
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In dem Roman „Die Nickel Boys“ verbindet der Autor Colson Whitehead Realität und Fiktion. Sind die Charaktere frei erfunden, so ist die Geschichte um Ausgrabungen und forensische Analysen durch ...

In dem Roman „Die Nickel Boys“ verbindet der Autor Colson Whitehead Realität und Fiktion. Sind die Charaktere frei erfunden, so ist die Geschichte um Ausgrabungen und forensische Analysen durch Archäologiestudenten auf dem Gelände einer Besserungsanstalt in Florida, wo ein geheimer Friedhof entdeckt wurde – tatsächlich geschehen.
Beispielgebend erzählt Whitehead die Geschichte des 16-jährigen Ellwood, der mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee lebt. Ellwood bewundert Martin Luther King und träumt davon, dass es keine Unterschiede mehr zwischen Schwarz und Weiß gibt. Doch der Rassismus ist auch Anfang der sechziger Jahre noch tief verwurzelt. Ellwood ist höflich, fleißig und ein guter Schüler. Er freut sich, dass er einen Platz am College bekommt, doch dann geschieht das Unfassbare: Ohne es zu wissen, lässt sich Ellwood in einem gestohlenen Auto mitnehmen, wird dafür vollkommen zu Unrecht in die Besserungsanstalt, das Nickel, eingewiesen. Es sollte eine Schule sein, in der die Jungen unterrichtet werden, doch die Hoffnung darauf kann Ellwood schnell begraben. Stattdessen wird er mit menschenunwürdigen Zuständen und Ungerechtigkeiten konfrontiert. Nicht nur, dass die Jungen missbraucht und geprügelt werden, manchmal verschwindet jemand einfach so, nur um dann nie wieder aufzutauchen. Und niemanden scheint es zu kümmern.
Der Schreibstil ist nach meiner Meinung eher einer der leisen Töne, wodurch aber die lauten Schreie der Ungerechtigkeit und des Schreckens weithin hörbar werden, nachdenklich machen und zur Sensibilität anregen.