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Veröffentlicht am 01.10.2018

Versteckt im Bösland

Bösland
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Das Buch beginnt damit, dass Ben an seinem 10. Geburtstag seinen Vater auf dem Dachboden findet, aufgehängt an dem Gürtel, den Ben immer wieder auf seinem Rücken zu spüren bekommen hatte, wenn ...

Das Buch beginnt damit, dass Ben an seinem 10. Geburtstag seinen Vater auf dem Dachboden findet, aufgehängt an dem Gürtel, den Ben immer wieder auf seinem Rücken zu spüren bekommen hatte, wenn sein Vater ihn bestrafte. Gründe dafür fand der Vater zur Genüge. Und die Mutter? Die hat hilflos die Augen davor verschlossen. Ben hatte nur einen einzigen Freund, mit dem er viel Zeit verbracht hat: Kux, den Sohn des Apothekers.
Drei Jahre später findet man auf demselben Dachboden die Leiche eines ermordeten Mädchens, im Arm von Ben. Ben landet in einer Psychiatrischen Einrichtung.

Das Cover ist schlicht gehalten, wirkt aber sehr gruselig durch das Farbspiel. Verstärkt wird dieser Eindruck, wenn man erst mehr über das Bösland erfahren hat.
Die Geschichte ist nach Bens Entlassung nicht vorbei. Er führt ein sehr zurückgezogenes Leben, hat eine Arbeit in einem Fotolabor und ist damit zufrieden.
Psychologische Begleitung hatte er schon während der Zeit in der Psychiatrie durch Frau Therese Vanek. Ben erinnert sich nicht an den Tathergang und die Psychologin hilft ihm bei der Aufarbeitung seiner Vergangenheit.
Schon die Leseprobe dieses Buches hat mich fasziniert und sie hat nicht zuviel versprochen. Schon nach einigen Kapiteln habe ich einen dicken Kloß in der Magengegend gespürt und Schreckliches geahnt. Doch auch nachdem sich die Vermutung bestätigt hatte, wurde es nicht besser, sondern die Spannung hatte mich ganz eisern im Griff.

Das Layout des Buches ist sehr gelungen und damit ganz nach meinem Geschmack. Der Zeilenabstand ist nicht ganz eng. Dadurch „fliegen“ die Seiten noch schneller. Die Kapitel sind recht kurz gehalten und das Besondere daran: Ein einzelner Satz aus dem jeweiligen Kapitel bildet die Überschrift, die allein auf einer ganzen Seite Platz findet und damit große Wirkung erzielt. Das bietet an einigen Stellen Zeit zum „Luftholen“ und auch zum Nachdenken. Nicht zu vergessen auch die übersichtliche Gestaltung der Dialoge, die ohne Anführungszeichen auskommt.

Auch wenn meine erste Ahnung schnell zur Gewissheit wurde, gab es doch ständig neue spannende und unvorhersehbare Elemente in der Geschichte, die mich bis zur letzten Seite gepackt hielt. In Ben konnte ich mich gut hineinversetzen und sein Verhalten verstehen, wenn auch nicht immer gut heißen, weil ich oft Angst um ihn hatte. Nur notgedrungen habe ich das Buch kurzzeitig aus der Hand gelegt. Ein Buch, das ich unbedingt empfehlen kann – für alle, die Psycho-Thriller mögen!

Veröffentlicht am 26.09.2018

Gefühle von Liebe und Hass

Stern des Nordens
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von liesmal - Der Prolog erzählt von dem Tag im Jahre 1998, als Soo-min zusammen mit einem 19-Jährigen vom Strand einer südkoreanischen Insel ganz in der Nähe Nordkoreas ganz plötzlich verschwand. ...

von liesmal - Der Prolog erzählt von dem Tag im Jahre 1998, als Soo-min zusammen mit einem 19-Jährigen vom Strand einer südkoreanischen Insel ganz in der Nähe Nordkoreas ganz plötzlich verschwand. Die Suche nach den beiden jungen Leuten wurde bald eingestellt. Man ging davon aus, dass sie ertrunken wären. Doch die Zwillingsschwester von Soo-min, Jenna Williams, glaubt nicht an ein Unglück und will alles versuchen, dem Grund des Verschwindens ihrer Schwester auf die Spur zu kommen. Sie glaubt fest daran, dass Soo-min noch lebt, und nutzt im Jahr 2010 die Gelegenheit, nach ihr zu suchen, als sie sich unter anderem Namen als Agentin der CIA in geheimer Mission nach Nordkorea schicken lässt.

Agententhriller sind so gar nicht das Genre, das mich interessiert. Doch in diesem Fall habe ich gehofft, etwas mehr Wissen über das Land Nordkorea zu erlangen, das ich bisher nur aus den Nachrichten kannte – und die waren in der Vergangenheit fast ausschließlich negativ. Meine Neugier und mein Wissensdurst haben mich nicht enttäuscht.
Ich kann nicht sagen, dass der Roman mich von Anfang an gepackt hat, denn das Lesen fiel mir zu Beginn nicht leicht wegen der vielen verschiedenen und fremdartig klingenden Namen und Handlungsorte. Doch dann hat mich das Buch völlig in den Bann gezogen. Es ist unfassbar und unglaublich, welche Gesetze es in dem Land gibt und wie arm die Menschen dran sind, weil sie keine eigene Meinung haben dürfen.
Da hat mir Frau Moon, eine Bäuerin aus der nordkoreanischen Provinz, sehr gut gefallen. Sie ist eine unglaublich starke Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und sich einsetzt für die Gerechtigkeit. Innerhalb kurzer Zeit hat sie als neu hinzugekommene Marktfrau eine Gemeinschaft mit den anderen Frauen gebildet und bei ihnen durch ihre kämpferische Art schnell Ansehen erworben. Vor der Obrigkeit ist das für sie selbst natürlich nicht unbedingt von Vorteil, doch wo sie auch ist, sie gibt nicht auf und kämpft weiter.

„Die Saat der Klassenfeinde, wer auch immer sie sind, muss bis in die dritte Generation ausgerottet werden.“ Mit diesem Leitsatz des „Großen Führers“ Kim Il-Sung aus dem Jahr 1970 ist der erste Teil überschrieben.
In Pjönjang bekommt das der vor einer Beförderung stehende Parteifunktionär Cho zu spüren, als seine familiäre Vergangenheit durchleuchtet wird.

Nachfolger von Kim Il-Sung wurde sein Sohn Kim Jong-Il, bezeichnet als „Geliebter Führer“. Doch auch unter der neuen Herrschaft änderte sich nichts für das unterdrückte Volk. Immer noch konnten Christen sich nur heimlich in Verstecken treffen. Der Geliebte Führer war derjenige, der angebetet werden wollte. Wer beim Verteilen von Bibeln erwischt wurde, für den galt die Todesstrafe!

Besonders dankbar bin ich für die vom Autor verfasste Vorbemerkung über das Land Nordkorea und die Anmerkungen am Ende des Buches, die den Leser erkennen lassen, welche Teile des Romans auf Tatsachen beruhen.

Veröffentlicht am 14.09.2018

Keine Chance

Mexikoring
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In Hamburg brennt ein Auto. Das ist jetzt nichts Besonderes, weil in jeder Nacht in Hamburg so wie in vielen anderen Städten Autos brennen. Nur etwas ist diesmal anders: In dem verschlossenen ...

In Hamburg brennt ein Auto. Das ist jetzt nichts Besonderes, weil in jeder Nacht in Hamburg so wie in vielen anderen Städten Autos brennen. Nur etwas ist diesmal anders: In dem verschlossenen Wagen sitzt ein Mann. Schnell wird er als Nouri Saroukhan identifiziert. Nouri gehörte zu einem Clan aus Bremen, dessen Familie sich aber von ihm losgesagt hatte. In diesem Mordfall ermittelt Staatsanwältin Chastity Riley. Mit ihrem Team befasst sie sich zunächst mit der Welt der Clan-Familien. Das war für mich sehr interessant und lehrreich, so etwas über die Mhallamiye zu erfahren.
Der Schreibstil ist etwas ungewöhnlich, aber leicht verständlich und macht Spaß. Trotz der Thematik kommt auch der Humor im Kollegenteam nicht zu kurz.
Mir war leider lange nicht klar, wer da in der Ich-Form erzählt, wahrscheinlich weil ich bisher kein Buch aus der Reihe gelesen habe. Ich war der Meinung, es müsse ein Mann sein, der spricht. Darum habe ich auf Chastity Riley gewartet. Bis ich endlich auf Seite 40 erfahren habe, dass es kein Mann ist, sondern sie, die die Geschichte erzählt. Nachdem sich die Ermittler über die Mhallamiye schlau gemacht haben, ging es mit den Nachforschungen richtig los und es entwickelte sich eine spannende Geschichte, die durch kurze Kapitel mit tollen Überschriften gut zu verfolgen war.
Gerade die Kapitel, in denen wieder Neues über Nouri und seine Freundin Aliza bekannt wurde, haben mir besonders gefallen.
Was mir allerdings nicht gefallen hat – mag es dazugehören oder nicht – ist die ständige Rede vom Rauchen, vom Anzünden über das Inhalieren… Das war mir zu viel des Guten, weil ich wirklich beim Lesen richtig fixiert war auf diese vielen Zigaretten.

Veröffentlicht am 09.09.2018

Verwirrende Wahrheit

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
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60 Jahre alt war Karl May, als er wahrscheinlich seine erste große Reise angetreten hat, die ihn in den Orient führte. Doch schon viele Jahre zuvor wurde er bekannt durch seine Reiseerzählungen. Viele ...

60 Jahre alt war Karl May, als er wahrscheinlich seine erste große Reise angetreten hat, die ihn in den Orient führte. Doch schon viele Jahre zuvor wurde er bekannt durch seine Reiseerzählungen. Viele Bücher schrieb er in der Ich-Form und vermittelte dadurch den Eindruck, er selbst wäre einer seiner Buchhelden wie Old Shatterhand oder auch Kara Ben Nemsi und hätte auch verschiedene Länder bereist.
In diesem Buch lernen wir den privaten Karl May, seine Ehefrau und seine Freunde Richard und Klara Plöhn kennen und erfahren viel über deren Leben.
Mich hat die Geschichte sehr beeindruckt, die sich gut lesen und mich oft schmunzeln lässt. Der Autor Philipp Schwenke hat seinen Schreibstil der Zeit angepasst, aus der er erzählt, ca. zwei Jahre vor bis zwei Jahre nach 1900.
„Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste“ ist ein gut gewählter und passender Name für diesen Roman. Es ist tatsächlich so, dass dieses Flimmern mich beim Lesen ständig begleitet und ich mich mehr als einmal frage, ist das, was ich gerade lese, Wahrheit, Lüge oder Illusion? Das hat sich Karl wohl auch häufig gefragt, denn es wirkt tatsächlich so, als ob er seine Geschichten selbst glaubt.
Wechselweise geht es in der Geschichte einmal um seine Reise in den Orient, in der er aufregende, spannende und verrückte Abenteuer erlebt, und zum anderen um sein Leben in seiner deutschen Heimat nach dieser Reise. Dieser Wechsel hat mir zu Beginn gut gefallen, in dem letzten Drittel des Buches allerdings nicht mehr, weil es meinen Lesefluss oft unterbrochen hat. Außerdem waren mir einige Passagen zu umfangreich erzählt, aber es geht natürlich um Karl May, der nicht nur selbst gern sehr ausschweifend erzählen, sondern sich scheinbar auch selbst endlos lange zuhören mochte. Die Orte und damit die Erzählungen auf den letzten Buchseiten wechselten manches Mal mehrmals pro Seite. Komischerweise hat mir das wieder gut gefallen, weil es irgendwann irgendwie zu einem Ganzen verschmolz.
Karls Beziehung zu von Hoven war für mich ganz besonders interessant.
Dass Karl May bis zu seinem 5. Lebensjahr blind war, habe ich nicht gewusst, bevor ich dieses Buch gelesen hatte. Das erklärt mir einiges über das „Flimmern“ und über Karls Fantasie.
Tolle Geschichte – nicht nur für Karl-May-Fans!

Veröffentlicht am 07.09.2018

Gewalt ist keine Option

Mit der Faust in die Welt schlagen
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Schornsteine, die nicht mehr rauchen, Überreste von Schienen und verlassene Fabriken erinnern an das Leben vor der Wiedervereinigung und erzählen davon, wie das Leben der Menschen früher verlaufen ...

Schornsteine, die nicht mehr rauchen, Überreste von Schienen und verlassene Fabriken erinnern an das Leben vor der Wiedervereinigung und erzählen davon, wie das Leben der Menschen früher verlaufen ist.
Im Jahr 2000 freuen sich Vater und Mutter mit ihren Söhnen Philipp und Tobias über den Neubau ihres Hauses in Neschwitz, einer Kleinstadt in Sachsen, und damit auch auf ihr neues Leben. Doch die Zukunft mit ihren Wünschen und Plänen sieht anders aus als in ihren Vorstellungen. Großen Anteil daran hat das Weltgeschehen.

Die Geschichte ist in 3 Bücher eingeteilt. Das erste erzählt aus den Jahren 2000 bis 2004, das zweite aus 2004 bis 2006 und das dritte aus 2013 bis 2015.
Der Autor, selbst in Ostsachsen geboren, erzählt die Geschichte eher sachlich und unverschnörkelt, aber realitätsnah.
Wie leicht man auf eine Bahn gerät, auf der man gar nicht sein möchte, und Dinge – auch mit eigener Beteiligung – geschehen lässt, nur um dazuzugehören, ist einfach erschreckend, wird aber sehr glaubhaft vermittelt.
Philipp und Tobias leben in einer Familie, in der keine Liebe zu spüren ist. Der Vater lässt offen seinen Fremdenhass spüren. Tobias, der Jüngste, muss erfahren, dass seine selbstgemachten Geschenke nichts wert sind. Das lässt ihn so wütend werden, dass er sie nicht verschenkt, sondern mit den Füßen zertrampelt. Irgendwann gibt es keine Perspektiven mehr.
Der Bezug zum Weltgeschehen, besonders die Aufnahme vieler Flüchtlinge und das Zusammenleben mit ihnen, ist ein Problem vieler Menschen, nicht nur in Sachsen, sondern leider in unserem ganzen Land.
Am Ende des Romans angelangt und durch das Beispiel das Wissen zu haben, wie sich Hass aufbauen kann, verstehe ich, dass man manchmal am liebsten „Mit der Faust in die Welt schlagen“ möchte.
Doch Gewalt ist keine Option!
Die hochaktuelle Geschichte lässt mich nachdenklich zurück.
Sehr empfehlenswertes Buch!