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Veröffentlicht am 24.08.2022

Atemberaubende Familien-Mafia-Geschichte

City on Fire (ungekürzt)
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City on fire ist der erste Band der aktuellen Trilogie von Don Winslow. Es geht um Ehre, Freundschaft, Betrug, Liebe und Geld. Wir befinden uns in Dogtown, den Straßen von Providence in Rhode Island. Zwei ...

City on fire ist der erste Band der aktuellen Trilogie von Don Winslow. Es geht um Ehre, Freundschaft, Betrug, Liebe und Geld. Wir befinden uns in Dogtown, den Straßen von Providence in Rhode Island. Zwei Clans haben sich miteinander arrangiert. Iren und Italiener teilen sich die Geschäfte in der kleinen Stadt. Bis zu dem Tag, an dem einer der irisch-amerikanischen Murphys einem italienisch-amerikanischen Moretti die Frau ausspannt.







Das Gerangel auf den Straßen von Providence wird selbst dem FBI bald zu bunt und bald ist sich auf beiden Seiten niemand mehr seines Lebens sicher. Nach einem Mord kümmert sich Danny Ryan um die Geschäfte der Murphys. Er will Frieden, will Dogtown den Rücken kehren. Doch weder die eigene Familie noch der gegnerische Clan lassen Danny in Ruhe und fordern ihn zu immer neuen und kühnen Entscheidungen heraus.

Danny Ryan ist für mich nicht nur Protagonist sondern auch Ruhepol in dem Bandenkrieg. Danny hat es nicht leicht. Jede Seite fordert ihn, am meisten jedoch fordert Danny Ryan sich selbst. In dem Versuch, der Familie und dem angestrebten Frieden gerecht zu werden, muss er am Ende des Tages immer noch sich selbst in die Augen sehen können. Und seiner Frau.

Don Winslow lässt die Geschichte 1986 in seiner Heimatstadt spielen. In Providence, Rhode Island, kennt er sich aus. Kennt jeden Stein - und jeden Bewohner der kleinen Stadt. Genau dieses Gefühl vermittelt Don Winslow mir als Leser. Bereits nach kürzester Zeit gehe ich mit den Clanmitgliedern in der Stadt ein und aus. Ich weiß, wie der Kaffee schmeckt, wo es Chop Suey mit Weißbrot gibt. Und ich kenne die Familienmitglieder auf beiden Seiten der Mafia. Die italienische Familie, die irische Familie. Ich kenne die Eigenheiten, die Charakterzüge und ich tauche tief in die Geschichte und die zwischenmenschlichen Beziehungen ein.

Die kurzen Sätze, bzw. die kurzen Aneinanderreihungen von Geschehen, halten meine Aufmerksamkeit in Schach. Ich habe keine Gelegenheit mit meinen Gedanken abzudriften. Weder bei der Beschreibung der Örtlichkeiten noch bei längeren Wortgefechten. Ich bin stets im Geschehen. Immer darauf bedacht, ja nichts zu verpassen. Nicht die kleinste Wendung, das winzigste Detail darf mir bei dieser Familienfehde entgehen.

Während ich die tolle Aufmachung des Buches bewundere, lausche ich der Stimme von Dietmar Wunder, der das Buch eingelesen hat.

Das Buch ist in drei Abschnitte eingeteilt. Jeder Abschnitt ist mit einer schwarz-weiß Fotografie, einem extra Titel mit Ortsangabe und einem Zitat versehen. Das Bild lädt zum Verweilen ein, der Text schickt die Gedanken auf Reisen. Beim Hörbuch kann das nicht passieren. Da sorgt Dietmar Wunder mit seiner einzigartigen Stimme für den Fortgang der Handlung. Krieg, Sex und Macht werden stimmlich gekonnt miteinander vereint. Die Forderung, der Willen der Charaktere ist förmlich spürbar. Die Angst und die Gefahr aber auch. Die Stimme von Dietmar Wunder passt perfekt zu der Geschichte, zu dem Geschehen, zu den Charakteren. Am liebsten hätte ich die Geschichte in eins gehört.

Ich freue mich schon sehr auf die beiden Folgebände und bin ein wenig traurig, da Don Winslow angekündigt hat, dass es - hoffentlich nur vorerst - seine letzten Romane sein werden, die er geschrieben hat. Wichtig sind Don Winslow zur Zeit nämlich vor allen Dingen folgende: die Demokratie in Amerika und keinen Kandidaten wie Donald Trump an der Macht. Dafür hängt er seine Schriftstellerei erst einmal an den Nagel und setzt seinen Bekanntheitsgrad bei Twitter für seine Werte ein. Denn eins kann er auf keinen Fall: wegschauen und nichts dagegen tun, dass ein Trump wieder an die Macht kommt.



Fazit
City on fire ist für alle, die atemberaubende Geschichten um Mafiafamilien mögen und Spannung ertragen können.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.08.2022

Ein phantastisches Abenteuer

Luyánta
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Luyánta - Das Jahr in der Unselben Welt entführt mich an der Seite von Jolantha in eine phantastische Welt in der Murmeltiere sprechen können, dämonische Kräfte ihr Unwesen treiben und Krieg herrscht. ...

Luyánta - Das Jahr in der Unselben Welt entführt mich an der Seite von Jolantha in eine phantastische Welt in der Murmeltiere sprechen können, dämonische Kräfte ihr Unwesen treiben und Krieg herrscht. Die Fanesleute und ihre verbündeten Murmeltierfreunde haben schon lange auf die Rückkehr von Luyánta gewartet.









Jolantha/Luyánta hatte in der realen Welt schon genug mit sich selbst zu tun und hat laut fluchend ihre Familie in den Wanderurlaub begleitet. Eben noch stellte sie mürrisch fest, dass niemand sie tragen würde, während ihr kleiner Bruder Max den halben Wanderweg hinaufgetragen wurde und die kurzen Etappen, die er rannte galt er als "tüchtig". Was für ein Wort! Tüchtig! Und jetzt soll sie auf einmal die Königin der Fanesleute sein und ihr Volk vor den dämonischen Kräften und dem Adlerprinzen retten.

Luyánta - Das Jahr in der Unselben Welt wird mit viel Liebe zum Detail beschrieben. Da es mehrere verschiedene Etappen auf Luyántas Reise zu bestreiten gilt, werden immer neue Eindrücke geschildert. Einzig die Handlungen bleiben gleich. Luyánta latscht und kämpft, erholt sich und tauscht sich mit anderen aus nur um wieder zu Reisen und zu Kämpfen.

Albrecht Selge wird nicht müde die Handlungen aus jeder Vierteldrehung heraus eingehend zu beschreiben. Mit Ereignissen die "auf einmal" und "plötzlich" stattfinden, bin ich als Leser stets am Puls der Zeit und des Geschehens.

Auf die Geschichte muss man sich einlassen können. Mit dem vielen Geschimpfe und Gezeter am Anfang des Geschehens mit Jolantha hatte ich schon ein Lächeln auf dem Gesicht. Den Missmut der jungen Dame konnte ich nur zu gut verstehen. Als Heranwachsende hätte ich mich sicher auch über so eine Bergwanderung mit der Familie gefreut- wenn auch nicht so lautstark.

Und auch später mit Luyánta und den putzigen Kriegern hatte ich viel Spaß. Bringt doch jeder Charakter - auch bei den Murmeltieren - seine eigenen charakteristischen Züge mit und bereichert das Geschehen.

Luyánta - Das Jahr in der Unselben Welt ist ein schöner Ausflug aus den Teenager-Jahren zum Heranreifen, Verantwortung übernehmen und Gelassenheit erlangen. Es geht um Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt und darum, zu erkennen, dass nicht jeder einem wohlgesonnen ist.

Mir hat das Hörbuch große Freude bereitet. Die Erzählung in epischer Breite sollte der Leser mögen und genießen können.

Constanze Becker liest die Geschichte total toll. Dieser mürrische, mit dem Fuß aufstapfende Tonfall von Jolantha zu Beginn der Geschichte war mir allein schon ein Fest. Auch die Murmeltiere, die putzigen Krieger, haben ihre charakteristischen Stimmen bekommen. Herrlich, Alter!, ist wohl das schönste Murmeltierkompliment, das ich an dieser Stelle anbringen darf ohne der lieben Constanze Becker zu nahe zu treten.

Auch das Keckern des dämonischen, halbverfaulenden Esels ist eine wahre Pracht. Ich kann mir gut vorstellen, dass Constanze Becker hier ebensoviel Freude beim Lesen hatte, wie ich beim Zuhören. Ganz großes Kino!



Fazit
Luyánta - Das Jahr in der Unselben Welt ist für alle, die mürrische Heranwachsende verstehen (mürrische Heranwachsende eingeschlossen) und sich auf eine große, phantastische Reise mit Murmeltieren begeben wollen.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.07.2022

Falsche Wahrheit - Spannender dritter Band der Ackerman-Shirazi-Reihe

Die Stimme des Wahns
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Die Stimme des Wahns ist der dritte Band der neuen Reihe um Francis Ackerman jr.



Francis Ackerman jr. war Serienmörder und stand anschließend in den Diensten der Shepherd Organisation. Mittlerweile ...

Die Stimme des Wahns ist der dritte Band der neuen Reihe um Francis Ackerman jr.



Francis Ackerman jr. war Serienmörder und stand anschließend in den Diensten der Shepherd Organisation. Mittlerweile arbeitet er in einer geheimen Spezialeinheit des FBI. An seiner Seite ist die junge FBI-Agentin Nadia Shirazi.







Wer die Entwicklung - vor allem von Francis Ackerman jr. - von Anfang an verfolgen will, liest zunächst die sechs Bände umfassende Serie der Shepherd-Reihe und führt sich dann die ersten beiden Bände der Ackerman-Shirazi-Reihe zu Gemüte.

Alle, die die Bücher bereits kennen und alle, denen es nichts ausmacht eine Reihe mittendrin zu beginnen, sind herzlich eingeladen, weiterzulesen.



Die Stimme des Wahns erzählt von einem schier albtraumhaften Unterfangen: Francis und Nadia fahren ins Hochsicherheitsgefängnis um einen Häftling aufzusuchen. Auf der Fahrt dorthin gibt Ackerman Nadia zu verstehen, dass sie ganz unbefangen ins Gespräch mit Demon gelangen soll, während Ackerman die Gelegenheit nutzt, die Antworten zu bewerten. Lange hält das Vorhaben allerdings nicht an, denn Ackerman vermutet schnell, dass Demon nicht der ist, der er vorgibt zu sein. Wenn Demon jedoch nicht Demon ist, wo steckt dann der wahre Täter? Und was noch schlimmer ist: was heckt dieser als nächstes aus?

Mir war eingangs der Besuch von Demon im Hochsicherheitsgefängnis schon aufregend genug. Was dann folgt, ist ein rasanter Thriller, der mit jeder Menge Ermittlungsansätzen und einem Wiedersehen mit Ackermans Bruder Marcus aufwartet. Meine größte Schwierigkeit bestand darin, die Daumen und gelegentlich das Knöpfchen für die Pause zu drücken, wenn es mal allzu spannend war.

Der Schreibstil ist gewohnt locker und Francis Überheblichkeit lockert das Geschehen zwischendrin immer mal wieder auf.

Mir hat die Geschichte wieder ein tolles Hörerlebnis beschert. Die Stimme von Thomas Balou Martin gehört für mich unverkennbar zu Francis Ackerman jr.



Fazit
Die Stimme des Wahns ist für alle Francis Ackerman jr. Fans und für jene, die es werden wollen. - Auch, wenn es bedeutet, einen Serienmörder am Ende sympathisch zu finden.

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Veröffentlicht am 24.07.2022

Eine ruhige Geschichte vom Sich-selbst-finden in der Gelassenheit der Natur

In den Wäldern der Biber
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In den Wäldern der Biber erzählt die Geschichte von Alina. Alina lebt gemeinsam mit ihrem Freund in Frankfurt. Der Alltag ist vom Job bestimmt und vielmehr Freizeit, als etwas Erholung an den Wochenenden, ...

In den Wäldern der Biber erzählt die Geschichte von Alina. Alina lebt gemeinsam mit ihrem Freund in Frankfurt. Der Alltag ist vom Job bestimmt und vielmehr Freizeit, als etwas Erholung an den Wochenenden, ist oft nicht drin. Ein Streit über die gemeinsame Zukunft eskaliert, die Beziehung scheitert und Alina bricht Hals über Kopf auf. Der Weg führt sie zu ihrem letzten Wohlfühlort ihrer Kindheit: zu ihrem Großvater aufs Dorf.







Ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie ihr Großvater wohl reagieren wird, steht sie vor seinem viel zu großen Haus und macht sich nun doch Gedanken. Wie er wohl reagieren wird? - Gewohnt leise.

Franziska Fischer erzählt die Geschichte von Alina und ihrem Großvater in einer sehr ruhigen und bedachten Art. Malerisch anmutend sind die Schilderungen der Umgebung. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden beleuchtet, so dass die Charaktere stark ausgebildet werden. Gedanken und Gespräche mit einem befreundeten Geschwisterpaar aus Kindertagen fördern mehr und mehr Gestaltungsmöglichkeiten zutage, doch trauen muss sich jeder selbst und sein Leben gestalten.

Das fängt mit Änderungen der äußeren Umstände an und peu á peu rutscht man selbst mit der eigenen Entwicklung nach. Den Werdegang der Charaktere zu verfolgen, mit ihnen in der Natur unterwegs zu sein und den Austausch über die Chancen und Baustellen im Leben zu erfahren, sorgt dafür, dass ich beim Lesen wunderbar abschalten und mich ganz auf die Geschichte rund um Alina einlassen kann.

Im Laufe der Geschichte baut sich unter den Charakteren mehr und mehr Vertrauen auf, so dass ich im Gegenzug sehr viel mehr über ihre Handlungsweisen und das Zustandekommen ihrer Lebensumstände erfahre. Mit wachsendem Interesse folge ich ihren nächsten Schritten.

Charlotte Puder liest die Geschichte ganz wunderbar. Die Betonungen sind an den richtigen Stellen, im Redefluss nimmt sie auch mal ganz natürlich einen Tempowechsel vor und spricht mal sehr deutlich oder nimmt an Geschwindigkeit beim fröhlichen Erzählen zu. Wechseln die Charaktere, wechselt Charlotte Puder auch die Klangfarbe. Besonders hat es mir die glockenhelle Stimme von Isabell angetan. Isabell mit dieser Stimme reden zu hören, stimmt mich fröhlich. Die Stimme des Großvaters hingegen war gewöhnungsbedürftig dunkel und klang angestrengt. Das wäre für mich in der Intensität nicht nötig gewesen, weiß das aber sehr zu schätzen.

In den Wäldern der Biber habe ich sehr gern gehört und hätte die Charaktere rund um Alina auch gern noch länger begleitet.



Fazit
In den Wäldern der Biber ist für alle, die eine ruhige Geschichte vom Sich-selbst-finden in der Gelassenheit der Natur bevorzugen und beim Lesen gern "einen Gang runterschalten" um die Seele baumeln zu lassen.

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Veröffentlicht am 02.07.2022

Ein Wohlfühlroman der zeigt, wie herrlich unkompliziert das Leben sein kann

Ein unendlich kurzer Sommer
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"Wo soll man eigentlich hin, wenn man vor sich selbst davonläuft?" - Dieser eine Satz aus dem Klappentext hatte mich sofort gepackt.



Ein unendlich kurzer Sommer erzählt die Geschichte von Lale, die ...

"Wo soll man eigentlich hin, wenn man vor sich selbst davonläuft?" - Dieser eine Satz aus dem Klappentext hatte mich sofort gepackt.



Ein unendlich kurzer Sommer erzählt die Geschichte von Lale, die genau das versucht: vor sich selbst davonlaufen.







Lale steigt in einen Zug und landet auf einem heruntergewirtschafteten Campingplatz. So rau, wie der Campingplatz wirkt, ist auch das Benehmen des Besitzers Gustav. Trotzdem lässt er Lale auf dem Campingplatz übernachten und Lale hilft dem alten Mann bei den längst fälligen Renovierungsarbeiten.

In diese stillschweigende Übereinkunft platzt wenig später Christophe. Christophe ist auf der Suche nach sich selbst - oder vielmehr nach seinen Wurzeln. Die Suche führt ihn ebenfalls auf den Campingplatz von Gustav. Und auch, wenn sich Lale weiter in Schweigen hüllt, verlässt sich Christophe auf sein Gespür.



Ein unendlich kurzer Sommer ist ein sehr bildhaft und überaus atmosphärisch erzählter Roman. Kristina Pfister lässt ihre Charaktere eine immense Entwicklung durchlaufen. Alle Charaktere haben unverwechselbare Merkmale und aus ihrem Leben erworbene Besonderheiten, die sich in ihrem Umgang miteinander widerspiegeln. Obwohl nicht viel in der Geschichte passiert, herrscht durch die Weiterentwicklung der Charaktere stets Bewegung. Es fühlt sich an, wie ein lauer Sommerwind. Ein Windhauch, der zwischenzeitlich auch mal auffrischt, mich dann aber wieder wohlig umhüllt.

Vanida Karun liest die Geschichte in genau dem richtigen Tempo und befindet sich stimmlich mit dem Geschehen im Einklang. Das Timbre ihrer Stimme lässt die Charaktere zum Leben erwachen. Es fühlt sich für mich an, als wäre ich selbst mitten im Geschehen.



Fazit
Ein unendlich kurzer Sommer ist für alle, die eine wunderbar atmosphärisch erzählte Geschichte genießen wollen und für alle, die vielleicht auch gerade ein bisschen selbst entfliehen wollen. Vor sich selbst, aus dem Alltag, aus dem eigenen Wirrwarr an Gefühlen.

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