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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.03.2019

Lebensgefährliches Internet

Sieh mir beim Sterben zu
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"Sie mir beim Sterben zu" hat mir gut gefallen, auch wenn es für mich kein richtiger Thriller war. Die Charaktere waren sehr gut ausgearbeitet und besonders positiv fiel mir auf, dass die Protagonisten ...

"Sie mir beim Sterben zu" hat mir gut gefallen, auch wenn es für mich kein richtiger Thriller war. Die Charaktere waren sehr gut ausgearbeitet und besonders positiv fiel mir auf, dass die Protagonisten nicht nur typische Heldenfiguren sind (wie sie besonders in der US-amerikanischen Kultur so oft dargestellt werden), sondern auch ihre Fehler und Eigenarten haben. Dadurch wurden sie mir einfach viel sympathischer und ich habe mit ihnen mitgefiebert.

Das Buch fängt knallhart direkt mit zwei schockierenden Morden an, kann das Tempo, das es zu Anfang vorlegt, aber nicht halten und fällt ab. Trotzdem gibt es noch viele spannende Momente wie beispielsweise die Rettung von Lisa. Schade, dass nicht das ganze Buch so fesselnd ist. Das Thema rund um Internetkriminalität ist immer noch hochbrisant und auch wenn die Leute von Monkeewrench unglaubliche Computerkenntnisse haben, klingt doch an, dass das Internet mit seiner Anonymität und Unüberschaubarkeit ein Nährboden für Kriminalität ist.

Etwas enttäuscht war ich dann allerdings vom Ende - alles kommt sehr plötzlich und auch, wenn anscheinend alle Mörder identifiziert werden können, erhält man doch zu wenige Informationen. Ich hätte gerne gewusst, wie der Mann, den der Richter zum Golfplatz bestellt, denn nun heißt und was genau seine Motivation war, die Liste des Richters "abzuarbeiten". Außerdem ist mir nicht ganz klar, wer von beiden am Ende nun gestorben/verblutet ist - der Mörder oder der Richter?

Erst nach dem Lesen habe ich erfahren, dass schon vor "Sieh mir beim Sterben zu" weitere Romane um die Monkeewrench-Crew erschienen sind. Das hat aber gar nicht gestört, denn wenn die Bücher aufeinander aufbauen sollten, hat mir das Vorwissen beim Lesen nicht gefehlt.

Insgesamt ein gutes Buch, das viel Wert auf interessante Charaktere legt, aber etwas mehr Spannung hätte erzeugen sollen. Ich habe mich unterhalten gefühlt, aber muss jetzt nicht unbedingt noch andere Bücher des Duos lesen.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Nicht ganz nachvollziehbar

Inside AFD
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Franziska Schreiber berichtet über ihre Erlebnisse als AfD-Mitglied und Vorsitzende der Jungen Alternative in Sachsen bis zu ihrem Ausstieg aus der Partei. Dabei verwebt sie ihre persönlichen Ansichten, ...

Franziska Schreiber berichtet über ihre Erlebnisse als AfD-Mitglied und Vorsitzende der Jungen Alternative in Sachsen bis zu ihrem Ausstieg aus der Partei. Dabei verwebt sie ihre persönlichen Ansichten, Erlebnisse und Motivationen mit der Entwicklung und Radikalisierung der Partei. Ihre persönliche Perspektive ist durchaus interessant, auch wenn es mir schwerfällt, ihre Entscheidungen nachzuvollziehen. Die Abschnitte zur generellen Parteientwicklung beinhalten nicht wirklich viel Neues. Das Buch enthält zudem viel Spekulation („Ich glaube, Björn Höcke sind die anhänglichen Burschen[schaftler] manchmal selbst ein bisschen unheimlich.“) und auch einige banal-bizarre Details (Vertraute Frauke Petrys nennen sie "Sternchen").

Zwar distanziert sich die Autorin von den rassistisch und nationalistisch geprägten Zweigen der Partei, deren Entwicklung sie über Jahre verfolgt hat, aber sie vermittelt für mich nicht nachvollziehbar, warum sie trotzdem so lange Mitglied war und das auch noch in einer führenden Position. Sie gibt zu, in ihrer öffentlichen Kommunikation für die AfD falsche Zahlen und Daten verwendet zu haben, um AfD-Anhänger aufzuwiegeln. Die Quellen und Berichte, auf die sie sich dabei bezog und deren Inhalt sie bewusst falsch wiedergab, hat sie nicht gelesen, denn der „Empfängerkreis der Pressemitteilung würde [sie] auch nicht lesen.“ Selbst als ihr auffällt, dass die und ihr Partei-Umfeld immer radikaler werden, macht sie lange weiter und trägt aktiv zu dieser Entwicklung bei. Rückblickend sagt Schreiber von sich selbst, dass sie Angst vor dem Islam entwickelte, aber gar keine Muslime kannte. Immerhin zeigt sie zumindest in manchen Bereichen, wie sie sich weiterentwickelt hat und ihr Handeln und ihre Positionen hinterfragte, obwohl das in dem radikalen Umfeld schwer war.

Man darf jedoch nicht erwarten, dass sie alles abgelegt hat. Gleich in der Einleitung glorifiziert sie die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry, die nun wirklich kein Symbol für Demokratie und Toleranz ist. Diese unkritische Unterstützung zieht sich durch das gesamte Buch. Den Applaus, mit dem Petrys Wahl zur Parteivorsitzenden bedacht wurde, nutze Schreiber fast zwei Jahre lang als Klingelton auf ihrem Handy. Auch die Begeisterung, mit der sie beschreibt, wie Petry ein Stück Pizza mit der Hand ist, empfand ich einfach nur als skurril.

Einige Argumentationsketten sind mir auch einfach zu simpel. Beispielsweise äußert die Autorin, dass die Basis in einer Art Gruppenzwang die führenden Köpfe zu immer radikaleren Aussagen drängt und dass sich Weidel und Co so krass äußern müssen, wenn sie ihren Posten nicht verlieren wollen. Typisches Muster in der AfD-Kommunikation: Irgendwie sind immer andere Schuld, diese Opferdenkweise hat Schreiber anscheinend noch nicht richtig abgelegt.

Was trieb also einen jungen, durchaus gebildeten Menschen zu dieser Partei? Von der FDP enttäuscht und von Luckes Rationalität begeistert, trat Schreiber 2013 kurz entschlossen der AfD bei. Gleich zu Beginn hat sie ein Schlüsselerlebnis, was sie an die Partei schweißt: Als sie freiwillig an einem Wahlkampfstand arbeitet, wird dieser von Anhängern der Antifa zerstört. Schreibers Reaktion dazu: „Unser Land ist in Gefahr, dachte ich. Die sind noch gefährlicher als die Neonazis. […] Ich werde diese Leute bekämpfen“. Diese Stelle fand ich besonders bemerkenswert, denn der gemeinsame Feind schweißt wohl immer noch am meisten zusammen. Mit diesem Erlebnis scheint sie der Partei treu ergeben zu sein und das Gefühl zu haben, einer Mission zu folgen.

Auf Basis ihrer eigenen Erfahrung und auch durch die Darstellung ihres eigenen Fehlverhaltens hat Franziska Schreiber ein durchaus wichtiges Buch verfasst, das man jedoch kritisch lesen sollte.

Veröffentlicht am 13.03.2019

Faszinierendes Thema mit wenig überzeugender Umsetzung

Der Turm der blauen Pferde
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Die Geschichte klang zunächst vielversprechend: Das weltberühmte, aber im 2. Weltkrieg verschwundene Gemälde "Der Turm der blauen Pferde" von Franz Marc taucht plötzlich wieder auf. Ist es echt und wenn ...

Die Geschichte klang zunächst vielversprechend: Das weltberühmte, aber im 2. Weltkrieg verschwundene Gemälde "Der Turm der blauen Pferde" von Franz Marc taucht plötzlich wieder auf. Ist es echt und wenn ja, was geschah mit dem Gemälde in mehr als 70 vergangenen Jahren? Das soll die Kunstdetektei von Schleewitz aus München klären. Die Krimihandlung zu der dramatischen Vergangenheit des Bildes fand ich streckenweise fesselnd. Die Nachforschungen bringen teilweise interessante Ereignisse ans Licht, allerdings scheinen einige Wendungen, die sich vor allem Ermittler Max zusammenreimt, ziemlich aus der Luft gegriffen zu sein. Eine wirklich zufriedenstellende Lösung bietet der Roman nicht.

Parallel zu den Ermittlungen in der Gegenwart schiebt der Autor immer wieder Rückblenden ein, die erzählen, was mit dem Bild geschah. Während die Detektive ermitteln, kann der Leser also den angeblich richtigen Weg des Gemäldes ab 1945 verfolgen. Ganz am Ende wird aufgelöst, was es mit diesen Rückblenden wirklich auf sich hat. Diese Idee fand ich eher enttäuschend.

Eine weitere Schwachstelle sind für mich die Protagonisten, die beinahe alle ungemein unsympathisch sind. Nun ist das an sich kein Problem, im Gegenteil, Charaktere mit Ecken und Kanten machen Geschichten meist erst interessant. Hier scheint es aber keinen Grund für die Eigenarten zu geben. Warum lügt Max zum Beispiel seine Kollegen und seine Familie ständig an? Warum ist Rupert so ein widerlicher Schleimer, der ständig mit seiner Angestellten Klara flirten will und extrem herablassend wird, wenn er eine Abfuhr kassiert ("Jetzt sei halt nicht so zickig!", als sie nicht mit ihm während der Arbeitszeit nacktbaden will)? Warum relativiert Klara das abstoßende und unprofessionelle Verhalten ihres Chefs, obwohl sie sich unwohl fühlt?

Bei vielen Verhaltensweisen fehlt mir einfach der tiefere Sinn, denn sie tragen nichts zur Handlung bei und sorgen auch nicht dafür, dass ich die Charaktere besser verstehe. Dazu kommt, dass das Privatleben der drei Ermittler Rupert, Klara und Max teils exzessiv behandelt wird. Diese Szenen haben ebenfalls beinahe nichts mit der Handlung zu tun, wirken teils unheimlich banal und verlangsamen das Erzähltempo unnötig. Leider eher eine Enttäuschung.

Veröffentlicht am 11.02.2019

12 fesselnde Kurzgeschichten rund um die Herausforderungen zwischenmenschlicher Beziehungen

Cat Person
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Die Titelgeschichte "Cat Person" habe auch ich mit Begeisterung gelesen, als sie auf der Website des New Yorker erschien. In dieser Kurzgeschichten-Sammlung ist sie für mich immer noch der Höhepunkt. Kristen ...

Die Titelgeschichte "Cat Person" habe auch ich mit Begeisterung gelesen, als sie auf der Website des New Yorker erschien. In dieser Kurzgeschichten-Sammlung ist sie für mich immer noch der Höhepunkt. Kristen Roupenian fasst hier einige der Herausforderungen des modernen Datings äußerst treffend zusammen: In der Geschichte um Margot und Robert, die ein gemeinsames Date auf ganz unterschiedliche Weise erleben, drückt sie Unsicherheiten, die unbegründeten Annahmen, die man über gerade kennengelernte Menschen trifft, und Ängste sehr lebensnah und nachvollziehbar aus.

Weitere Storys gehen ähnlich wie die Titelgeschichte kritisch mit der Dynamik zwischen den Geschlechtern um. "Look at Your Game, Girl" erzählt beispielsweise auf wirklich gruslige, aber nachvollziehbare Weise, wie sich ein älterer Mann an eine Jugendliche heranmacht und mit welchen inneren Gefühlen sie dabei kämpft. In "Ein netter Typ" beschreibt Roupenian hingegen den klassischen selbsternannten "nice guy", der alles andere als nett ist, sondern sich selbst in eine Opferrolle drängt und damit sein schlechtes Verhalten sich selbst gegenüber rechtfertigt. Diese Persönlichkeitstypen beschreibt die Autorin unglaublich genau und lebensecht.

Einige der weiteren Kurzgeschichten dieser Sammlung sind für mein Empfinden zum Teil etwas abgehobener. Da geht es unter anderem um eine Frau mit Beißfetisch und es gibt eine Allegorie über eine extrem selbstverliebte Prinzessin, die im Märchen-Stil verfasst wurde.

Alle Erzählungen drehen sich im weitesten Sinne um zwischenmenschliche Beziehungen und ihre besonderen Herausforderungen. Dieses Thema beleuchtet die Autorin auf unglaublich vielfältige und tiefsinnige Weise. Manchmal konnte ich die Gedankengänge und Handlungen der Protagonisten nachvollziehen, manchmal nicht. Zum Nachdenken angeregt hat das Buch aber allemal. Ein kurzweiliges, aber sehr intensives Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 16.01.2019

Wenig Handlung, viel Gefühl

Der Wald
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Fasziniert hat mich an diesem Roman vor allem der Stil. Besonders der kleine Pawel, dessen Gedanken ziemlich authentisch wirken, hat eine lebendige Fantasie. Er fühlt alles Erlebte äußerst intensiv, was ...

Fasziniert hat mich an diesem Roman vor allem der Stil. Besonders der kleine Pawel, dessen Gedanken ziemlich authentisch wirken, hat eine lebendige Fantasie. Er fühlt alles Erlebte äußerst intensiv, was sich hervorragend in der poetischen Sprache widerspiegelt. Hier hat die Autorin wirklich Schönes geschrieben.

Die Geschichte gliedert sich in drei ziemlich unterschiedliche Phasen:
Zunächst erzählt die Autorin von dem Leben von Pawels Familie in Polen während des Zweiten Weltkriegs. Die Angst des Jungen, der Verlust der Angestellten, die ständig ins Haus eindringenden Kriegsgeräusche oder die Nahrungsmittelknappheit: Das wirkt oftmals eindringlich und äußerst packend. Viele Details lassen die Szenen lebendig werden. Gleichzeitig hätte dieser Teil von mir aus ruhig etwas gekürzt werden können. Die Handlung bewegt sich nur schleppend vorwärts, da vor allem Pawel das Haus natürlich selten verlassen darf. So lässt sich für den Jungen (und damit auch für den Leser) nur erahnen, was draußen gerade passiert.

Im zweiten Teil haben sich Pawel und seine Mutter Zofia vor den Nazis in einer Scheune im Wald versteckt. Sie bestechen die Besitzerin Baba, um hier mehr schlecht als recht versteckt leben zu können. Der Abstieg von der wohlsituierten Familie mit Angestellten zu einem Leben mit dem absolut Nötigsten beeinflusst auch die Mutter-Sohn-Beziehung sehr. Einerseits sind sich beide durch das fehlende Kindermädchen näher. Gleichzeitig weiß gerade die Mutter oft nicht richtig mit der Nähe umzugehen. Pawel wendet sich daher verstärkt Baba zu, die ihm vom Farbenmischen bis zum Gemüseanbau viel beibringt.

Im dritten Teil begegnen wir nun dem erwachsenen Pawel, der sich in seiner neuen Heimat England Paul nennt. Hierher ist er mit seiner Mutter geflohen. Durch den riesigen Zeitsprung wirkt der letzte Teil beinahe wie ein neues Buch. Nach und nach wird jedoch klar, wie die Kriegserlebnisse die beiden Protagonisten auch Jahrzehnte später noch beeinflussen. Vor allem Babas Einfluss merkt man Pauls Lebensgeschichte an.

Da die Handlung eher dünn ist, spielt sich vieles in den Köpfen der Charaktere ab. Die Autorin gibt vor allem Pawel/Paul ein reiches Innenleben. Manchmal hätte ich mir trotzdem ein bisschen mehr Handlung gewünscht, aber im Großen und Ganzen hat mich der Roman sehr bewegt.