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Veröffentlicht am 14.03.2022

Topaktueller Roman über internationale und persönliche Beziehungen

Die Diplomatin
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Wir lernen die Protagonistin Fred, eigentlich Friederike Andermann, in Uruguay kennen. Sie sitzt auf einem scheinbar langweiligen Posten als Botschafterin, der sich plötzlich in einen diplomatischen Alptraum ...

Wir lernen die Protagonistin Fred, eigentlich Friederike Andermann, in Uruguay kennen. Sie sitzt auf einem scheinbar langweiligen Posten als Botschafterin, der sich plötzlich in einen diplomatischen Alptraum verwandelt. Dieses kurze Vorspiel in Südamerika dient vor allem dazu, die Charaktere zu etablieren und ein erstes Gefühl für die Diplomatin zu bekommen. Sie ist eine starke Frau in einem von Männern dominierten Bereich. Ihre einst großen Träume haben sich mit den Jahren in Ernüchterung aufgelöst und die Autorin Lucy Fricke bringt die Gedanken und Erlebnisse der Ich-Erzählerin mit feiner Ironie und einer Portion Zynismus zu Papier. Fred ist eine vielseitige Protagonistin und es macht Spaß, ihren anstrengenden Arbeitsalltag beim Lesen zu begleiten.

Der Großteil des Buches und der Handlung spielt schließlich in der Türkei, wohin Fred nach einem Zwischenspiel in Deutschland als Konsulin versetzt wird. Hier wird die Geschichte hochaktuell, denn es geht unter anderem um deutsche Journalisten und Menschenrechtler, die zu Unrecht im türkischen Gefängnis sitzen. Fred und der deutsche Botschafter bemühen sich darum, sie auf diplomatischem Wege zu befreien. Das ist enervierend, erfordert viel Fingerspitzengefühl und Geduld. Die Autorin zeigt, wie kalt und berechnend Politik und Diplomatie sein können und schafft es doch immer wieder, feinen schwarzen Humor mit der Handlung zu verweben.

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Veröffentlicht am 06.02.2022

Eine Künstlerin findet ihren Platz in der Welt

Misfits
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Kern dieses Buchs ist das Redemanuskript eines Vortrags, den Michaela Coel auf einer wichtigen Veranstaltung der britischen TV-Branche gehalten hat. Darin hinterfragt sie ihren Weg von einer Kindheit in ...

Kern dieses Buchs ist das Redemanuskript eines Vortrags, den Michaela Coel auf einer wichtigen Veranstaltung der britischen TV-Branche gehalten hat. Darin hinterfragt sie ihren Weg von einer Kindheit in Armut über ihr Schauspielstudium bis hin zu ihrem ersten großen Erfolg: "Chewing Gum", eine TV-Serie, die sie als Autorin und Schauspielerin entwickelte. Ihre einzelnen Erlebnisse und Schritte setzt sie in einen größeren Kontext und spricht so u.a. über Erfolg und strukturellen Rassismus. In klarer, präziser Sprache schreibt sie anschaulich über das Leben als Misfit - also als Außenseiterin oder Person, die nicht dazu gehört und mit entsprechenden Herausforderungen zu kämpfen hat. Bis sie bei ihrer TV-Show plötzlich einen ganz neuen Einfluss hat und merkt, dass sie sich plötzlich für andere stark machen und etwas bewirken kann. Der eindrucksvolle Vortrag ist eingerahmt von kurzen, lebendigen Erzählungen aus der Zeit, in der die Autorin die Rede geschrieben hat, und wie sie nachgewirkt hat.

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Veröffentlicht am 02.01.2022

Charmante interkulturelle Reise

Auf Basidis Dach
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Mona Ameziane erzählt so anschaulich von Marokko, ihrer Familie und ihren Erlebnissen zwischen ihren beiden Heimatländern, dass man die Szenen bildlich vor Augen hat, den Minztee riecht und die Geräuschkulisse ...

Mona Ameziane erzählt so anschaulich von Marokko, ihrer Familie und ihren Erlebnissen zwischen ihren beiden Heimatländern, dass man die Szenen bildlich vor Augen hat, den Minztee riecht und die Geräuschkulisse der Medina von Fes im Ohr klingt. Man spürt beim Lesen stark, wie sehr die Autorin Marokko liebt, aber wie zwiegespalten sie mit ihren beiden Heimaten oft in ihrem Leben war. Die Themenbreite ist dabei riesig und reicht von großen Themen wie Religion bis hin zu sehr persönlichen Momenten mit ihren Großeltern. Sympathisch fand ich, dass Mona zugibt, dass es ihr manchmal schwerfällt, Marokko nicht durch die Klischeebrille zu betrachten - ihr ist bewusst, dass das Land viele Probleme hat, aber gleichzeitig ist es für sie ein wichtiges Stück Heimat, dem sie warme Gefühle entgegenbringt. Ein Hin-und-Hergerissensein, das sie anschaulich beschreibt.

Zwar ist "Auf Basidis Dach" ein Sachbuch, es ist jedoch sehr erzählerisch geschrieben und lässt sich in einem Fluss lesen.

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Sollte Pflichtlektüre in Schulen werden

Schwarzes Herz
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Knallhart und ungeschönt erzählt Jasmina Kuhnke die Geschichte einer Schwarzen, namenlosen Frau, die in Deutschland mit Rassismus und Sexismus aufwächst und die ständige Herabwürdigung und Diskriminierung ...

Knallhart und ungeschönt erzählt Jasmina Kuhnke die Geschichte einer Schwarzen, namenlosen Frau, die in Deutschland mit Rassismus und Sexismus aufwächst und die ständige Herabwürdigung und Diskriminierung irgendwann so verinnerlicht, dass sie ohne jegliches Selbstwertgefühl in eine scheinbar ausweglosen Situation gelangt: Mit zwei Kindern und ohne abgeschlossene Berufsausbildung lebt sie mit ihrem gewalttätigen Partner zusammen. Mit viel Kraft kämpft sie sich selbst aus dieser Lage.

Die Geschichte springt atemlos zwischen verschiedenen Altersstufen der Protagonistin hin und her, sodass sich nach und nach ein immer komplexeres und erschreckenderes Bild ihrer Erlebnisse und Erfahrungen aufbaut. So führt das Buch direkt vor Augen, welche krassen Auswirkungen die ständige Diskriminierung hat. Besonders erschreckend ist das Verhalten derer, die eigentlich helfen und fördern sollen. Da ist beispielsweise der Sportlehrer, der die Protagonistin trotz herausragender Leistungen schlechter bewertet, weil er irgendwas von der unterschiedlichen Anatomie Schwarzer und Weißer Menschen schwurbelt. Oder die Krankenschwester, die sich weigert, ihren Job zu machen und der Protagonistin zu helfen, weil sie nach eigener Aussage Schwarze Menschen nicht gerne anfasse.

Die Autorin zeigt klug, anschaulich und schonungslos, jedoch ohne dabei auf die Tränendrüse zu drücken, wie die Protagonistin unter struktureller Diskriminierung leidet und welche Kraft es kostet, damit umzugehen und sich aus der Opferrolle zu befreien. Besonders Menschen, die solche Erfahrungen im Alltag (zum Glück) selbst nicht machen müssen, profitieren von der Lektüre und erhalten wichtige und schockierende Einblicke. Das Buch sensibilisiert und sollte möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht werden, z.B. in der Schule.

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Veröffentlicht am 17.09.2021

Wichtig!

Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance
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In seinem bewegenden Sachbuch erzählt der junge Jeremias Thiel über seine Armutserfahrung, das Aufwachsen in einer kaputten Familie und im SOS-Kinderdorf. Die Beschreibungen sind brutal ehrlich und erschrecken. ...

In seinem bewegenden Sachbuch erzählt der junge Jeremias Thiel über seine Armutserfahrung, das Aufwachsen in einer kaputten Familie und im SOS-Kinderdorf. Die Beschreibungen sind brutal ehrlich und erschrecken. Sie geben einen wichtigen Einblick, was Armut in Deutschland bedeuten kann und wie vor allem Kinder der Situation oft hilflos ausgeliefert sind. Aus seinen Erfahrungen zieht der Autor Schlussfolgerungen und erklärt seine Forderungen dazu, was sich ändern müsste. Das untermauert er auch mit kurzen Auswertungen verschiedener Studien. Sehr empfehlenswert!

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