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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.10.2019

Unterhaltsame schülerische Wissenslücken

Nenne drei Streichinstrumente: Geige, Bratsche, Limoncello
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Kurzweilig und unterhaltsam, wenn auch nicht tiefschürfend. Ich habe das Buch hauptsächlich früh in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit gelesen, als ich noch nicht vollkommen wach war, und da hat es mich ...

Kurzweilig und unterhaltsam, wenn auch nicht tiefschürfend. Ich habe das Buch hauptsächlich früh in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit gelesen, als ich noch nicht vollkommen wach war, und da hat es mich gut unterhalten. Die beiden Autorinnen haben hier zum dritten Mal skurrile und lustige Antworten von Schülern zusammengetragen, die ihre Lehrer an Spiegel Online geschickt hatten. Sie sind thematisch nach Fächern sortiert, wobei die Autorinnen zwischen den einzelnen – stets sehr kurzen – Schülerantworten kurze Verbindungstexte geschrieben haben. Die haben meistens für einen guten Lesefluss gesorgt und manchmal ein bisschen Wissen vermittelt, waren manchmal aber auch etwas inhaltsleer. Eine reine Aneinanderreihung der Zitate wäre allerdings ermüdend gewesen. Angereichert wird das Buch zudem mit kleinen Karikaturen sowie am Ende mit der Revanche der Schüler, denn hier wurde bizarres Lehrerverhalten gesammelt. Für mich kein Buch, das ich am Stück durchlesen würde, aber super für zwischendurch.

Veröffentlicht am 02.10.2019

Manchmal wirr, manchmal spannend

ATME!
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Der Titel verspricht ein bisschen viel, denn so richtig atemlos hat mich die Geschichte nicht zurückgelassen. Sie ist jedoch zum Großteil durchaus spannend geschrieben und besitzt einige überraschende ...

Der Titel verspricht ein bisschen viel, denn so richtig atemlos hat mich die Geschichte nicht zurückgelassen. Sie ist jedoch zum Großteil durchaus spannend geschrieben und besitzt einige überraschende und einige weniger überraschende Wendungen.
Nile beschreibt ihre Beziehung mit Ben als hollywoodreifes Glück, das vor Kitsch nur so trieft. Dass ihre Darstellung nicht so ganz stimmen kann, wird schnell klar. Das Paar ist von Freunden und Familie komplett isoliert; Nile redet ihre Ausbrüche klein, sieht sich immer in der Opferperspektive und hasst es, die Kontrolle über eine Situation zu verlieren. Dieser Widerspruch aus Selbst- und Fremdwahrnehmung sorgt für eine fesselnde Protagonistin, bei der man nicht immer weiß, was real ist und was nicht. Die Autorin zeichnet vor allem Niles irre Gedankenwelt sehr plastisch und zeigt, wie sich die Ich-Erzählerin immer wieder selbst davon überzeugt, dass sie im Recht ist. Leider etwas chaotisches und für mich enttäuschendes Ende.

Veröffentlicht am 23.09.2019

Faszinierend unperfekte Gespräche

Gespräche mit Freunden
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Ja, eigentlich ist die Handlung von „Gespräche mit Freunden“ arg überschaubar. Es geht um die verworrenen und wechselnden Beziehungen zwischen den beiden Freundinnen und ehemaligen Liebhaberinnen Frances ...

Ja, eigentlich ist die Handlung von „Gespräche mit Freunden“ arg überschaubar. Es geht um die verworrenen und wechselnden Beziehungen zwischen den beiden Freundinnen und ehemaligen Liebhaberinnen Frances und Bobbi, beide Anfang 20, und dem Ehepaar Nick und Melissa, beide in ihren 30ern. Sie verbringen mal zu viert, mal zu zweit oder dritt Zeit miteinander, sie lieben, streiten, zweifeln und reden. Diese Gespräche finden mal persönlich, mal per E-Mail oder Messenger statt. Das fühlt sich ziemlich authentisch an, denn statt gestelzter Dialoge liefert die Autorin Gespräche, bei denen die Beteiligten manchmal aneinander vorbeireden, sich manchmal missverstehen und manchmal ihre wahren Gefühle krampfhaft vor dem Gegenüber zu verstecken versuchen. Das empfand ich als ziemlich faszinierend zu lesen. Es geht hier sowohl um das, was gesagt wird, als auch um das, was nicht gesagt wird.
Frances bleibt als Ich-Erzählerin merkwürdig schwer zu greifen, was zu ihrer Unsicherheit passt. Die junge Studentin und Autorin hat keine Pläne für die Zukunft, ist in vielen Situationen gehemmt und unehrlich, obwohl sie geschätzt und geliebt wird. Sie verschleiert ihre Gefühle und Wünsche, tritt nach außen oft eher emotionslos auf, aber verletzt sich dann insgeheim selbst. Die Menschen in ihrem Umfeld nehmen sie teilweise ganz anders wahr als sie sich selbst.
Leider haben sich einige Klischees bei der Personenzeichnung eingeschlichen. Nick ist Schauspieler und natürlich umwerfend attraktiv. Melissa, die ein Portrait über Frances und Bobbi schreibt, kann für den kurzen Artikel mehrere Fotosessions mit den beiden durchführen, was für einen Freiberufler finanziell völlig unrealistisch ist. Und Frances mit ihrem destruktiven Verhalten ist natürlich Scheidungskind mit einem alkoholkranken Vater.
Abgesehen davon lohnt sich „Gespräche mit Freunden“ schon allein wegen des großartigen Schreibstils und dem Talent der Autorin, alltägliche Szenen und Gespräche so präzise einzufangen.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Wenig persönliche Anekdoten, zu viel Sprachtheorie

Alles außer fern
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Die Russin Ksenia Konrad ist Germanistin und wanderte nach Österreich aus, irgendwo in ein kleines Nest in Tirol. In ihrem Buch erzählt sie nun in ziemlich kurzen Kapiteln von ihrer Erfahrung als Deutschlehrerin ...

Die Russin Ksenia Konrad ist Germanistin und wanderte nach Österreich aus, irgendwo in ein kleines Nest in Tirol. In ihrem Buch erzählt sie nun in ziemlich kurzen Kapiteln von ihrer Erfahrung als Deutschlehrerin - beziehungsweise Deutsch-Trainerin, wie sich selbst nennt. Sie arbeitet mit Migranten und versucht Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen die Sprache beizubringen. Einige wenige Episoden sind pointiert erzählt, die meisten berichten eher nüchtern.
Einige der Einblicke in den Alltag der Sprachlernenden und -lehrenden fand ich wirklich interessant, schließlich hat man als Muttersprachler kaum ein Gefühl dafür, wie schwer es ist Deutsch zu lernen und welche speziellen Herausforderungen die Menschen erwarten. Leider waren viele Abschnitte jedoch ganz schön langatmig. Das Buch erzählt nicht nur Geschichten, es vermittelt in vielen Teilen gleichzeitig grammatikalisches Wissen. Das war mir manchmal zu viel. Vielleicht eignet es sich daher eher für Deutschlernende mit fortgeschrittenen Kenntnissen. Die Idee mit den Einschüben für Muttersprachler fand ich zunächst gelungen. Hier fasst die Autorin kurz grammatikalische Besonderheiten der deutschen Sprache zusammen, über die man als Muttersprachler kaum oder gar nicht nachdenkt. Nach einer Weile nutzt sich das aber ab, zumal sich diese Stellen mehr und mehr wie ein Lehrbuch-Auszug lesen. Mich hätten viel mehr die persönlichen Geschichten der Trainerin und der Lernenden mit der deutschen Sprache interessiert, statt die Infos zur Sprache an sich.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Die etwas andere Krankengeschichte

Wir von der anderen Seite
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In ihrem Debutroman erzählt Anika Decker pointiert und kurzweilig eine Krankengeschichte. Ihre Ich-Erzählerin Rahel wacht aus dem Koma auf, kann sich aber nicht an die Ereignisse erinnern, die sie ins ...

In ihrem Debutroman erzählt Anika Decker pointiert und kurzweilig eine Krankengeschichte. Ihre Ich-Erzählerin Rahel wacht aus dem Koma auf, kann sich aber nicht an die Ereignisse erinnern, die sie ins Krankenhaus gebracht haben. Das Buch erzählt von ihrem langsamen und kräftezehrenden Genesungsprozess, dem Kampf um die Erinnerungen und den sich verändernden Verhältnissen zu ihrer Familie und ihrem Freund Olli.
Rahel arbeitet eigentlich als Drehbuchautorin, sie schreibt Komödien, ist eine etwas neurotische Person mit einem skurrilen Sinn für Humor, der selbst in den schwierigsten Situationen immer wieder zum Vorschein kommt. Im Kontrast dazu wirken die dramatischen Momente, die immer wieder plötzlich passieren und die Rahel überfordern, umso eindringlicher.
„Wir von der anderen Seite“ ist keine Selbstmitleidsgeschichte, aber auch kein überdrehter Quatsch – Anika Decker hat hier eine wunderbare Balance zwischen Humor und einfühlsamem Erzählen gefunden. Die Handlung ist eigentlich ziemlich überschaubar: Rahels Genesung steht im Mittelpunkt. Aber wie die Autorin die Gefühle der Protagonistin und die kleinen Alltäglichkeiten erzählt, ist wirklich beeindruckend und macht den Roman zu einer positiven, lebensbejahenden Geschichte.