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Veröffentlicht am 18.03.2019

Fesselnde Geschichte, die verzaubert

Der Freund der Toten
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„Der Freund der Toten“ hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Die Autorin Jess Kidd vereint eine spannende Geschichte um einen brutalen Mord mit magischen Elementen und einem wunderbar poetischen ...

„Der Freund der Toten“ hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Die Autorin Jess Kidd vereint eine spannende Geschichte um einen brutalen Mord mit magischen Elementen und einem wunderbar poetischen und schwarzhumorigen Stil.

Der Roman beginnt mit einem Prolog, in dem die Autorin unmissverständlich klarmacht, dass 1950 ein Mord geschehen ist. Doch die Einwohner des irischen Dorfes Mulderrig verweigern sich der Realität und möchten die Vergangenheit am liebsten vergessen – alle haben dabei ihre eigenen Motive. 26 Jahre später kommt Mahony, der Sohn der Ermordeten, zurück an den Schauplatz des Geschehens, um herauszufinden, was mit seiner Mutter passierte. Er wuchs in einem Waisenhaus in Dublin auf und besitzt nur ein Foto von seiner Mutter, aber keine Erinnerung an sie. Das Besondere: Mahony kann als einziger die Geister der Toten sehen. Diese kommunizieren aber nicht so, wie er es sich wünscht, weshalb er auf die Hilfe der Lebenden angewiesen ist. In Mulderrig trifft er zahlreiche schräge Charaktere. Je näher Mahony der Wahrheit kommt, desto dramatischere Dinge geschehen…

Die Geschichte und die vielschichtigen Charaktere haben mich absolut gefesselt. Auch die übernatürlichen Elemente gefielen mir sehr gut, da sie hervorragend zu der düsteren Stimmung des Buches passen. Gleichzeitig finde ich es gut, dass keiner der Charaktere zaubert oder irgendeine andere übernatürliche Gabe hat. So erhält sich die Geschichte trotz der Geister irgendwie ein realistisches Gefühl.

Trockener Humor lockert das Buch immer wieder auf und Jess Kidds Stil mit den poetischen Metaphern und dem ungewöhnlichen Sprachgebrauch ist einfach wunderbar. Die Autorin hat mit „Der Freund der Toten“ ein starkes Debut vorgelegt und ich freue mich schon jetzt auf ihre folgenden Romane.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Clever und interessant, aber kein Actionthriller

Das Einstein Enigma
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Als ich diesen Wälzer ausgepackt habe, war ich zunächst ziemlich erschrocken. Mit reichlich 600 eng bedruckten Seiten hat "Das Einstein Enigma" einen ziemlich großen Umfang. Letztendlich habe ich den Roman ...

Als ich diesen Wälzer ausgepackt habe, war ich zunächst ziemlich erschrocken. Mit reichlich 600 eng bedruckten Seiten hat "Das Einstein Enigma" einen ziemlich großen Umfang. Letztendlich habe ich den Roman jedoch schneller durchgelesen als erwartet. Es handelt sich um ein sehr ambitioniertes und respektables Projekt. Man merkt, wie intensiv der Autor J.R. Dos Santos recherchiert hat und mit welcher Liebe zum Detail er seine Story aus den vielen wissenschaftlichen Fakten und spirituellen Theorien zusammengepuzzelt hat.

Prinzipiell handelt es sich um ein vielversprechendes Konzept, das der Autor teilweise sehr spannend umsetzt. Sein Protagonist, der portugiesische Kryptanalyst Tomás Noronha, wird als unfreiwilliger Doppelagent für den Iran und die CIA in eine dramatische Entschlüsslung eines Geheimdokuments von Albert Einstein verwickelt.

Die Handlung an sich ist ziemlich überschaubar, denn ein Großteil der Seiten wird mit Theorien rund um Einsteins Gottesformel gefüllt. Tomás reist zwischen Portugal, dem Iran und Tibet hin und her, um das Rätsel zu lösen. Dabei trifft er viele Charaktere, die anscheinend gerne Vorträge halten. Sie erklären Tomás (und damit gleichzeitig dem Leser) viele spannende Themen, die von der Relativitätstheorie über die Stringtheorie bis hin zum Buddhismus reichen. J.R. Dos Santos gelingt es in den meisten Fällen, diesen theoretischen Teil interessant zu erzählen und organisch in die Handlung einzufügen. Er besitzt das Talent, selbst komplexe Theorien leicht verständlich aufzubereiten.

Gleichzeitig entsteht bei diesem theorielastigem Ansatz ein Problem, für das ich einen Stern abziehe: Während der seitenlangen Diskurse reduziert sich das Erzähltempo extrem. Die eigentliche Handlung lässt sich ziemlich kurz zusammenfassen, selbst dramatische Ereignisse wie Tomás' Gefängnisaufenthalt im Iran werden ziemlich schnell abgehandelt, ohne das dramatische Potential voll auszuschöpfen. Auch die Liebesbeziehung zwischen Tomás und der Iranerin Ariana wirkte auf mich erzwungen, zu knapp abgehandelt und wenig authentisch.

Sobald der Protagonist eine neue Person trift, geht dasselbe Spiel von vorne los: Tomás stellt eine Frage und sein Gesprächspartner erklärt eine wissenschaftliche Theorie. Die Handlung kommt dadurch mehrfach fast zum Stillstand, was bei so einem langen Buch anstrengend sein kann. Meist fängt sich der Autor relativ schnell wieder oder schafft es, die Theorien so lebendig wiederzugeben, dass man trotzdem weiterliest.

Im Laufe des Romans muss Tomás zwei Rätsel entschlüsseln. Das erste, ein Gedicht, löst er relativ schnell. Nur die zweite Chiffre bereitet ihm Probleme. Die Lösung findet er nach einigen Umwegen ganz am Ende des Buches. Nach all den Theorien, die darauf hinlaufen, fand ich des Rätsels Lösung allerdings etwas einfach und damit antiklimatisch.

Dazu kommt, dass der Autor immer wieder ungelenke und umständliche Formulierungen verwendet. Beispiel: "Die Melodie, die aus seiner Hosentasche klang, kündete von einem Anruf auf seinem Handy." (S.39) oder "Vögel zirpten niedlich in den Zweigen, flatternd und sorglos,..." (S.410). Dass Tomás mit Ariana teilweise ziemlich herablassend redet ("Braves Mädchen.", S.133), gefiel mir ebenfalls nicht. Es bleibt letztendlich unklar, ob diese merkwürdigen Formulierungen an der Übersetzung oder der Unerfahrenheit des Autors liegt.

"Das Einstein Enigma" ist ein Mammutwerk. Wer trotz des reißerischen Klappentexts keinen spannungsgeladenen Actionthriller erwartet und sich für komplexe wissenschaftliche Ideen interessiert, ist mit dem Roman gut beraten. Das Buch ist unterhaltsam und gleichzeitig clever.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Unsentimentale, aber bewegende Geschichte über Einsamkeit im Alter

Unsere Seelen bei Nacht
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"Unsere Seelen bei Nacht" hat mich tief beeindruckt. Die Geschichte ist unglaublich bewegend, ohne dabei kitschig oder sentimental zu sein.

Kent Haruf erzählt unaufgeregt von seinen liebenswerten Protagonisten ...

"Unsere Seelen bei Nacht" hat mich tief beeindruckt. Die Geschichte ist unglaublich bewegend, ohne dabei kitschig oder sentimental zu sein.

Kent Haruf erzählt unaufgeregt von seinen liebenswerten Protagonisten Addie Moore und Louis Waters, die sich im Alter einsam fühlen. Sie finden Trost und Zuneigung beieinander und teilen nachts das Bett, um nicht alleine zu sein. Dort liegen sie im Dunkeln, halten sich an den Händen und erzählen sich Geschichten aus ihrem Leben. In der amerikanischen Kleinstadt werden Addie und Louis schnell zum Gesprächsthema. Auch ihre Kinder versuchen, sich in die Beziehung der beiden einzumischen.

Die Geschichte ist sehr charmant und berührend. Einige unerwartete Wendungen treiben die Handlung immer wieder in eine andere Richtung. Schade dass das Buch so kurz ist. Ich habe jede Seite genossen.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Fesselnder Gesellschaftsroman

Die Zeit der Ruhelosen
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"Die Zeit der Ruhelosen" hat mich unglaublich gefesselt und in seinen Bann gezogen. Karine Tuil hat einen modernen Gesellschaftsroman geschaffen, der den Zeitgeist trifft. Auch wenn der Roman in Frankreich ...

"Die Zeit der Ruhelosen" hat mich unglaublich gefesselt und in seinen Bann gezogen. Karine Tuil hat einen modernen Gesellschaftsroman geschaffen, der den Zeitgeist trifft. Auch wenn der Roman in Frankreich spielt, ist er meiner Meinung nach allgemeingültig: Er greift hochaktuelle und grenzübergreifende Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Machtgier, Herkunft und soziale Ungerechtigkeit auf.

Die Geschichte handelt von drei Franzosen mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen und Lebensentwürfen. Da ist der Soldat Romain Roller. Er stammt aus einem Armenviertel und gehört nun mit seiner kleinen Familie zur Mittelschicht. Der Geschäftsmann Francois Vély gehört dem Großbürgertum an und hat seinen Reichtum nicht nur der eigenen Arbeit, sondern vor allem seinem erfolgreichen Vater zu verdanken. Im Kontrast dazu steht der ehemalige Streetworker Osman Diboula. Er hat sich aus Armut und prekären Verhältnissen hochgearbeitet zum Politiker und Berater des französischen Präsidenten.

Alle drei erleben im ersten Teil einen dramatischen Absturz: Roller kehrt traumatisiert von seinem Einsatz in Afghanistan zurück. Vély löst mit einem unbedachten Foto einen Medienskandal aus. Diboula regt sich über eine gegen ihn gerichtete rassistische Bemerkung auf und fällt dadurch beim Präsidenten in Ungnade.

Das Schicksal führt diese drei unterschiedlichen Männer immer wieder zusammen. Sie versuchen in ihren Berufen und Beziehungen die Kontrolle wiederzuerlangen, scheitern aber auf ganz unterschiedliche Weise. Kurz vor Ende finden sich alle drei bei einer Messe im Irak wieder. Hier ändert ein dramatisches Ereignis endgültig das Leben der drei Protagonisten.

Die Autorin hat einen fulminanten Roman geschrieben, der bis zur letzten Seite spannend bleibt. Sie lässt die komplexen Charaktere, die alle ihre schwierigen und unsympathischen Seiten haben, lebendig werden. Große Themen wie Rassismus und das Streben anch Macht behandelt sie auf elegante und menschliche Weise. Ein großartiges Buch!

Veröffentlicht am 18.03.2019

Neuauflage eines alten Krimis mit zeitgemäßem Thema

Es klingelte an der Tür
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"Es klingelte an der Tür" ist ein kurzweiliger Krimi mit hohem Unterhaltungswert. Es handelt sich um den 41. Fall des Privatdetektivs Nero Wolfe aus New York City, der mit bisher kein Begriff war. Das ...

"Es klingelte an der Tür" ist ein kurzweiliger Krimi mit hohem Unterhaltungswert. Es handelt sich um den 41. Fall des Privatdetektivs Nero Wolfe aus New York City, der mit bisher kein Begriff war. Das hat mich bei der Lektüre aber nicht gestört: Die Handlung ist in sich abgeschlossen und macht auch Sinn, wenn man die vorherigen 40 Geschichten nicht kennt.

Es geht um die reiche und exzentrische Mrs. Bruner, die dem FBI kritisch gegenübersteht und nun von der Behörde überwacht wird. Sie hofft, dass Wolfe die Überwachung stoppen kann und gibt ihm neben einem großen Scheck viel Freiraum bei der Ausführung des Auftrags. Wolfe und sein Assistent Archie Goodwin stellen dem FBI eine clevere Falle...

Das FBI wird in diesem Buch vor allem für illegale Abhöraktionen kritisiert. Obwohl der Krimi bereits 1965 veröffentlicht wurde, erhält er durch dieses Thema eine aktuelle Dimension.

Die beiden Protagonisten Nero Wolfe und Archie Goodwin sind ziemlich verschrobene und nicht unbedingt durchgehend sympathische Charaktere. Das macht die Geschichte aber zusätzlich interessant. Der übergewichtige Detektiv Wolfe verlässt so gut wie nie das Haus und züchtet mit großer Hingabe Orchideen. Er ist zwar ziemlich intelligent, reagiert aber oft knurrig und arrogant. Archie, Wolfes Assistent mit einer Vorliebe für Milch, berichtet aus der Ich-Perspektive.

Die nicht voraussehbaren Wendungen, das aktuelle Thema und die interessanten Charaktere machen "Es klingelte an der Tür" zu einer sehr unterhaltsamen Lektüre.