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Veröffentlicht am 14.11.2024

Leben in der netten WG

Wohnverwandtschaften
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„Wohnverwandtschaften“ gehen manchmal sehr viel tiefer als echte Verwandtschaft – das zeigt Isabel Bogdahn in ihrem liebevollen und warmherzigen Roman, der mir im Hinblick auf seine innovative Erzählidee ...

„Wohnverwandtschaften“ gehen manchmal sehr viel tiefer als echte Verwandtschaft – das zeigt Isabel Bogdahn in ihrem liebevollen und warmherzigen Roman, der mir im Hinblick auf seine innovative Erzählidee gut gefallen hat.

Über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren folgt der Leser dem Leben in der WG von Jörg, Constanze, Anke und Murat – Einblicke erhält man unmittelbar über die unterschiedlichen Ich-Perspektiven. Unterbrochen werden die einzelnen Reflexionen und Berichte der Figuren über ihr Leben in und außerhalb der WG, über ihre Gemeinschaft, Sorgen, Ängste und ihre Vergangenheit durch Gemeinschaftsszenen, die als dramatischer Text verfasst sind. Diese Erzählstruktur ist sehr gelungen und abwechslungsreich, allerdings hat mir bei der Umsetzung ein bisschen die ureigene Stimme der Figuren gefehlt. So unterschieden sich die Kapitel in ihrer inhaltlichen Ausrichtung natürlich, aber bis zu dem Zeitpunkt, an dem Jörgs Kapitel von der fortschreitenden Demenz gekennzeichnet werden, fehlte mir der klar identifizierbare Ton der jeweiligen Figur – so wie man es z.B. aus Nick Hornbys A Long Way Down kennt, wo man eigentlich gar keine Überschrift braucht, da die Erzählstimme so klar erkennbar dem entsprechenden Charakter zuzuordnen ist.

Inhaltlich haben mich sowohl die Darstellung tiefer erwachsener Freundschaft als auch die des sich entwickelnden Gemeinschaftsgefühls überzeugt, der schmerzhafte allmähliche Verlust eines Freundes an die Demenz wird von Isabel Bogdahn ebenfalls sehr eindrücklich dargestellt, zumal sie das Abgleiten in das Vergessen nicht nur aus der Perspektive der Umgebung, sondern auch aus dem Blickwinkel des Betroffenen selbst schildert.

Dennoch hat mich der Roman insgesamt nicht wirklich mitreißen und begeistern können. Mir war insgesamt alles ein wenig zu niedlich, oftmals auch hinsichtlich der Figurenkonzeption zu verspielt und kindlich, die Figuren denken und fühlen häufig nicht unbedingt erwachsen, auch wiederholt sich so einiges – das mag authentisch und unterhaltsam sein, aber es verleiht diesem in Thema und Erzählstruktur durchaus ambitioniertem Roman eine zu oberflächliche Note. So habe ich den Roman durchaus mit einigem Interesse und auch Vergnügen gelesen, aber er wird in mein Lesetagebuch als „nettes Buch“ eingehen – unterhaltsam und voller Wärme, aber ohne nachhaltigen Effekt.

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Veröffentlicht am 28.10.2024

Wer ist Grace Turner?

Das Comeback
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Grace Turner, Teenie-Star, dessen Ruhm nach Ansicht von Able Yorke, der sie entdeckte, einzig und allein auf seiner Arbeit mit ihr beruht, kämpft sich nach einer einjährigen Auszeit zurück in die Glitzerwelt ...

Grace Turner, Teenie-Star, dessen Ruhm nach Ansicht von Able Yorke, der sie entdeckte, einzig und allein auf seiner Arbeit mit ihr beruht, kämpft sich nach einer einjährigen Auszeit zurück in die Glitzerwelt Hollywoods, wird dabei aber von ihren Dämonen, die im Missbrauch ihres Gönners wurzeln, immer wieder heimgesucht. Trotz der erlittenen Erniedrigungen und Verunsicherungen gibt sie nicht auf und erkennt dabei mehr und mehr, wer sie eigentlich ist.

Ella Bermans Roman berichtet in klaren und präzisen Worten von Graces Leiden in der Vergangenheit und von ihrem beschwerlichen Weg zu einer stärkeren, selbstbewussteren jungen Frau. Dies gelingt ihr ohne einen Hauch von Gefühlsduselei, der Stil ist sachlich und zurückgenommen und beeinflusst auch sehr nachhaltig, wie der Leser Grace wahrnimmt. Denn bei aller Sympathielenkung zugunsten der Protagonistin, bleibt das Mitleid glücklicherweise doch auf der Strecke – Grace selbst verfällt ebenfalls nicht in passive Schuldzuweisung (obwohl dies absolut verständlich wäre), sondern übernimmt die Kontrolle und geht ihre Situation und die Bewältigung ihres Traumas aktiv und überlegt an – dies ist sehr mitreißend, überzeugend und inspirierend dargestellt. Graces Entwicklung liest sich fast wie ein Krimi, zumal die Autorin es versteht quasi mittendrin zu sein, wie Grace ist sich auch der Leser nicht immer sicher, was der nächste Schritt sein wird, welche Optionen ihr offen stehen. Gleichzeitig ist es beeindruckend zu erkennen, wie weltfremd jemand sein kann, der zu früh in den Ruhm gedrängt wurde.

In der Konzeption seiner Protagonistin ist der Roman sehr stark, aber auch in der Auswahl seiner feinen Bilder und Metaphern hat er mir sehr gut gefallen, weil er Subtexte ermöglichte und Interpretationen zuließ, die sich nicht aufdrängten, bei genauer Betrachtung aber Graces Geschichte ergänzten. Auch auf der literarischen Ebene hat der Roman also etwas zu bieten.

Eine weitere Stärke des Textes ist darüber hinaus sicherlich auch der Umstand, dass er, trotz der Tatsache, dass es sich um ein sehr aktuelles und präsentes Thema handelt, sich eines didaktischen Ansatzes entzieht, was wiederum auch dem genannten reduzierten Stil und der Nüchternheit mit der Emotionen beschrieben werden, zu verdanken ist.

Ich habe den Roman sehr gerne und mit viel Spannung gelesen.

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Veröffentlicht am 02.10.2024

Lust und Frust in Schweden

Three Swedish Mountain Men (Why Choose)
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Schweden, Winter, Lovestory – was kann da schief gehen? Offenbar für mich persönlich so einiges, denn ich hatte wohl völlig falsche Erwartungen an den Roman. Erhofft hatte ich mir ein bisschen Eskapismus ...

Schweden, Winter, Lovestory – was kann da schief gehen? Offenbar für mich persönlich so einiges, denn ich hatte wohl völlig falsche Erwartungen an den Roman. Erhofft hatte ich mir ein bisschen Eskapismus auf dem Weg in die dunkleren Jahreszeiten, eine schöne, etwas ungewöhnliche Liebesgeschichte mit viel Gefühl und ein bisschen Humor und Unterhaltung. „Three Swedish Mountain Men“ hat zwar einen witzigen Titel und ein niedliches Cover, aber abgesehen davon habe ich mich immer wieder zum Durchhalten zwingen müssen – obwohl ich ein großer RomCom-Fan bin.

Dass es in RomComs die ein oder andere spicy Szene gibt, gehört dazu, ist sehr erwünscht und belebt das Geschehen, bei den „Mountain Men“ entsteht allerdings der Eindruck, dass die Story völlig zweitrangig ist. Es gibt ein „Problem“, das letztlich nicht so recht überzeugt und letztlich nur dazu dient, eine erotische Passage an die nächste zu ketten, denn es gibt kaum ein Kapitel, in dem es nicht richtig zur Sache geht – und wenn ich „richtig“ schreibe, dann meine ich „RICHTIG“. Die Szenen sind äußerst explizit geschildert. Da die Handlung so mager ist und die Figurenzeichnung bis auf Äußerlichkeiten und männliches Höhlenmensch-Gehabe rudimentär ist (es wird sehr viel gegrunzt und geknurrt, die Frau muss beschützt werden, denn sie heißt Daisy (!) und so ein Blümchen ist zart und verletzlich), kommt man sich vor wie in einer ausgedehnten Männer-Fantasie oder einem P*-Film - von Gefühl oder Romantik leider keine Spur. Nordschweden selbst ist leider auch kaum mehr als eine holzschnittartige Kulisse mit Holzhäusern, sehr viel Schnee, Elchen, Huskies und natürlich Nordlichtern.

Dieser Roman und ich passen leider überhaupt nicht zusammen und ich kann nichts wirklich Positives ausmachen. Ich kann mir aber dennoch vorstellen, dass der Roman die Wünsche von Lesern, die ein Faible für heiße und ausufernde erotische Szenen haben und über eine quasi nicht existente Story hinwegsehen können, erfüllen kann.

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Veröffentlicht am 23.09.2024

Warten auf den Frieden

Und später für immer
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Das Kriegstagebuch seines Großvaters inspirierte Volker Jarck zu „Und später für immer“ – dieser Umstand verleiht dem Roman noch eine zusätzliche faszinierende Note, dabei ist er auch so schon sehr gelungen. ...

Das Kriegstagebuch seines Großvaters inspirierte Volker Jarck zu „Und später für immer“ – dieser Umstand verleiht dem Roman noch eine zusätzliche faszinierende Note, dabei ist er auch so schon sehr gelungen. Im Gegensatz zu vielen Romanen, die im Zweiten Weltkrieg angesiedelt sind, setzt sich dieser Roman nur ganz am Rande mit dem politischen Geschehen auseinander, stattdessen betrachtet die letzten Kriegsmonate aus der Sicht eines einfachen Soldaten, der das Ende der Kämpfe nicht abwarten will, sondern bereits Wochen vorher die Flucht wagt. In der Scheune von Verwandten hält er sich versteckt, wird aber schon bald von der Nachbarstochter Frieda entdeckt und gerät in eine unkomfortable Abhängigkeit von ihr.

Oberflächlich betrachtet passiert in diesem Roman eigentlich nicht viel, denn eigentlich verschwimmen die Tage des desertierten Johann Meinert zu einer einzigen Masse des Wartens, geprägt von Furcht, Bangen, Hoffen, latenter Bedrohung und Einsamkeit. Jarck gelingt es jedoch diese Eintönigkeit durch die Figur der für ihr Alter recht undurchsichtigen Frieda zu durchbrechen. Obwohl auch die Zahl der Begegnungen zwischen Johann und Frieda überschaubar sind, entwickelt sich durch ihre Anwesenheit eine Dynamik und eine Spannung, die den Lesefluss bestimmen. Der eigentliche Handlungsstrang dieser eigenwilligen Beziehung wird durch zahlreiche Rückblicke unterbrochen. Diese sind nicht chronologisch angeordnet, aber Jarck versteht es diese vielen kurzen Einschübe mit zeitlichen Markierungen und so viel erzählerisch überzeugender Genauigkeit zu versehen, dass man an keiner Stelle die Orientierung verliert. Für mich sind es gerade diese Erinnerungen und Einblicke in Johanns Geschichte, die den Roman mitreißend und bedeutsam gemacht haben. Die Hilflosigkeit, das Grauen des Krieges und der Traum vom Frieden werden kitschfrei und überzeugend transportiert, man ist ohne Gefühlsdusel ganz nah dran am Seelenleben des Feldwebels Johann Meinert und kann sich sehr gut vorstellen, was die Ungewissheit, die Angst vor dem Tod und die Unausweichlichkeit der ungewollten Pflichten sowie die Unkenntnis des zeitlichen Rahmens für die Psyche eines Menschen bedeutet haben mögen.

„Und später für immer“ ist ein ruhiger, leicht melancholischer Roman, in dem die konkrete Gefahr der Entdeckung mit wenigen Ausnahmen nur als Hintergrundrauschen wahrnehmbar ist. In seiner Figurenzeichnung ist er norddeutsch reduziert – bis auf Johann durchdringt man keinen der Charaktere, denn Wortkargheit bestimmt die Dialoge. Gut zu lesen und angenehm geschrieben, gewährt der Roman eine eher seltene Perspektive auf eine besondere Form von Mut und Tapferkeit, die ich sehr gern gelesen habe.

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Veröffentlicht am 12.09.2024

Halligleben mit Licht und Schatten

Die Gräfin
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Die Halliggräfin Diana von Reventlow-Criminil ist eine schon fast legendäre Figur der schleswig-holsteinischen Geschichte. Mit ihrem unangepassten, eigenwilligen Charakter und ihrem der Gesellschaft abschwörenden ...

Die Halliggräfin Diana von Reventlow-Criminil ist eine schon fast legendäre Figur der schleswig-holsteinischen Geschichte. Mit ihrem unangepassten, eigenwilligen Charakter und ihrem der Gesellschaft abschwörenden Lebensstil bietet sie die Grundlage für zahlreiche Anekdoten und Erzählungen. Nachdem Florian Knöppler für seinen im vergangenen Jahr erschienen Roman „Südfall“ bereits die Rettung eines englischen Piloten im Wattenmeer während des Krieges durch die Halliggräfin als Ausgangspunkt seiner Erzählung nahm, widmet sich nun Irma Nelles ausführlich der Begebenheit und vor allem der schillernden Persönlichkeit und Biographie der bekannten Gräfin.

Nelles‘ Roman besticht besonders durch die Schilderungen der unvergleichlichen Halliglandschaft und des Wattenmeers. In der Kategorie „Atmosphäre“ verdient der Roman Höchstnoten. Ohne zu dick aufzutragen gelingt es der Autorin Hitze, flirrendem Licht und Wolkenbergen nachzuspüren, gleichzeitig aber auch die Naturgewalten zu entfesseln, denen die Hallig immer wieder ausgesetzt ist. Neben diesem sehr überzeugend gezeichneten Setting ist auch die Darstellung der Halliggräfin überaus gelungen. Immer wieder flicht die Autorin Begebenheiten und Ereignisse aus der Vergangenheit Dianas ein. Man erfährt viel Interessantes über die Historie des Gutes Emkendorf und der Adelsfamilie der Reventlow-Criminils, diese Einblicke sind wiederum überaus elegant an das Auftreten und die Figur der Halliggräfin während des Zweiten Weltkrieges gebunden. Aber Diana von Reventlow-Criminil ist nicht die einzige gut konzipierte Figur des recht kurzen Romans, auch das Arztehepaar wird umfassend und authentisch gezeichnet. Im Gegensatz zu diesem bleiben jedoch der englische Pilot und das Dienstpersonal der Gräfin eher blass.

Die Story selbst leidet etwas unter einer gewissen Ereignislosigkeit. Bei aller eigentlich gegebenen Dramatik passiert recht wenig bis nichts. Die Figuren leben alle eher nebeneinander her und bespiegeln sich hauptsächlich selbst, es findet – außer der erwartbaren obligatorischen Liebeshandlung, auf die sogar ich als bekennende Romantikerin in diesem Fall sehr gut hätte verzichten können – kaum eine nennenswerte Interaktion zwischen den Figuren statt. Die Bedrohung, der sich die Gräfin mit der Beherbergung des Piloten aussetzt, schwebt allenfalls diffus am Horizont, denn letztlich zieht das gesamte Personal des Romans an einem Strang. Auch das Ende hat mich leider, obwohl ich offene Ausgänge sehr schätze, nicht begeistert. Es kam für meinen Geschmack zu abrupt und unter Zuhilfenahme einer auf den letzten Metern eingeführten Figur. Da hatte ich mir einfach mehr erhofft. Auffällig waren für mich auch einige logische Unstimmigkeiten im Handlungsablauf und auf der Figurenebene. Dialoge setzten z.B. Inhalte voraus, die die andere Figur nicht wissen konnte oder bei der Figurenbeschreibung genannte Aspekte fanden sich in der Handlung nicht wieder.

So bleibt „Die Gräfin“ ein schöner Roman mit Nordseeluft und viel plattdeutschem Lokalkolorit, das mir persönlich sehr viel Freude gemacht hat (ich weiß nicht, wie das für Leser ist, die kein Plattdeutsch verstehen), der aber für meinen Geschmack in zu ruhigen Bahnen lief angesichts des historischen Kontexts.

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