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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.07.2020

Sehr informativ und lehrreich

Eine Liebe zwischen den Fronten
2

Maria W. Peter widmet sich in ihrem historischen Roman einem hierzulande weitestgehend vergessenen Konflikt – dem deutsch-französischen Krieg, der vor 150 Jahren dazu führte, dass das Elsass und Lothringen ...

Maria W. Peter widmet sich in ihrem historischen Roman einem hierzulande weitestgehend vergessenen Konflikt – dem deutsch-französischen Krieg, der vor 150 Jahren dazu führte, dass das Elsass und Lothringen nicht länger Teil Frankreichs waren. Ihre Geschichte baut die Autorin um die Schicksale von fünf Figuren auf, deren Leben miteinander verknüpft sind: den preußischen Stabsarzt Paul und seine französische Verlobte Madeleine, ihren Bruder Clément und das algerische Dienstmädchen Djamila sowie deren Bruder Kamil.

Eine Liebe zwischen den Fronten ist ein absolut superb recherchierter und minutiös ausgearbeiteter Roman, der, was den historischen Kontext angeht, nichts dem Zufall überlässt. Die Autorin hat sich mit einem unglaublichen Maß an Engagement, Ausdauer und Hingabe den historischen Fakten gewidmet, von der Art der eingesetzten Gewehre über (Alltags-)Anekdoten bis hin zu den großen Schlachten und den historischen Persönlichkeiten. Entstanden ist ein in seinem Umfang und seiner historischen Verwurzelung geradezu monumentales Werk, das dem Leser sehr wertvolle, lehrreiche und neue Einblicke in einen eher in den Untiefen des kollektiven Gedächtnisses verschwundenen Konflikt bietet.

Allerdings kann die Fülle an Informationen zeitweise auch etwas erschlagen, was durch die Schwere der Thematik verstärkt wird. Ein Krieg ist nun einmal kein freudiges Ereignis. Insgesamt fehlte mir daher im Gesamtbild vielleicht etwas die Balance. So sind die Figuren gut konzipiert, besonders Clément ist ein sehr realistischer und überzeugender Charakter, aber ihre Geschichte tritt angesichts des großen Ganzen manchmal auch etwas in den Hintergrund.

Die Perspektiven- und Handlungswechsel sind äußerst abwechslungsreich und der gesamte strukturelle Aufbau des Romans hervorragend gelungen, aber ich hatte zeitweise Schwierigkeiten, eine emotionale Bezugsebene zu den Figuren zu finden, da der Handlungsaufbau und der Figureneinsatz stark an die historische Abfolge gebunden waren und so die Entwicklungs- und Aktionsmöglichkeiten der Figuren der Illustration des historischen Kontexts untergeordnet wurden. Dieser Kritikpunkt bezieht sich nicht auf die gesellschaftlichen Gegebenheiten, an die die Figuren gebunden waren – im Gegenteil, ich schätze die Autorin für ihre absolute Konsequenz, Lesererwartungen und -hoffnungen durchaus auch zu enttäuschen.

Ich habe Eine Liebe zwischen den Fronten, auch wenn es mich nicht vollends mitgerissen hat, sehr gern gelesen und bin insbesondere von der Aufbereitung des historischen Kontexts unglaublich fasziniert.

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  • Geschichte
  • Thema
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 07.07.2020

Auf der Suche nach den Schwestern

Elijas Lied
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Elija, Noa und Loth sind als Schwestern untrennbar miteinander verbunden, aber ihre Leben und Werte könnten unterschiedlicher nicht sein. Auf einer Wanderung, die an vergangene Kindheitstage erinnern soll, ...

Elija, Noa und Loth sind als Schwestern untrennbar miteinander verbunden, aber ihre Leben und Werte könnten unterschiedlicher nicht sein. Auf einer Wanderung, die an vergangene Kindheitstage erinnern soll, tritt deutlich zutage, dass man zwar zusammen aufwachsen, aber nicht zusammen erwachsen sein kann.

Der Roman hat mich nachhaltig beeindruckt - und das, obwohl Schwestern-Geschichten mich eher wenig interessieren und der Inhalt mich auf den ersten Blick nicht so sehr angesprochen hat. Amanda Lasker-Berlin ist jedoch ein wirklich bemerkenswerter Roman gelungen, der vor allem erzähltechnisch und sprachlich sehr überzeugt. Sie versteht es, mit wenigen - oft sehr schönen - Worten sehr viel Gefühl und tiefe Emotion unterschiedlichster Färbung zu transportieren. So kann man Noas Leere und Ohnmacht ebenso greifen wie Elijas Nichtverstehen und ihren Wunsch nach Zuneigung oder Loths Wut. Diese Gefühlsebenen werden durch die Erzählperspektive zwar auch durch die Gedanken der Figuren, aber häufiger durch Handeln oder Unterlassen der Figuren illustriert. Der Schreibstil ist für mich besonders deshalb so eindrucksvoll, weil er keine Scheu hat, Dinge auszuformulieren, aber es dennoch oftmals auch dem Leser überlässt, sich einen eigenen Reim auf das Erzählte zu machen.

Das Berückende an der Handlung ist, dass die Wanderung die Rahmenhandlung für die Annäherung des Lesers an die drei Schwestern bildet. So erfährt man Stück für Stück, Fragment für Fragment, immer mehr über jede einzelne der Frauen. Die Art wie dies vonstatten geht, erinnert an menschliche Denkprozesse: erst ist man im hier und jetzt bei der Wanderung und schon driftet die Gedankenwelt in die Vergangenheit oder zu ungelösten Problemen. Das ist schon sehr, sehr gut überlegt und umgesetzt.

Die Figuren sind sehr komplex und damit sehr authentisch und auch hier hat sich die Autorin einer recht schwierigen Herausforderung gestellt. Ihr gelingt es, die Gefühlslage Elijas, die durch ihr Down-Syndrom die Welt anders wahrnimmt, ebenso nachvollziehbar einzufangen, wie die Loths, die vollkommen der rechten Gesinnung verfallen ist - beide sind keine einfachen Charaktere.

Auch wenn der Roman auf subtile Weise distanziert wirkt, so ist man doch emotional berührt - die Geschichte und die Schwestern entfalten eine Sogwirkung. Elijas Lied ist ein sehr lesenswerter Roman mit viel Interpretationspotential. Sehr gelungen!

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.06.2020

Wenn es still wird in Holt

Kostbare Tage
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Kent Harufs Roman ist ein kostbarer Roman, der die Stille, Langsamkeit und das Kleinstadtleben würdigt. Allen, die die Thematik des Sterbens und der Krankheit abschrecken mag, sei versichert: ja, es geht ...

Kent Harufs Roman ist ein kostbarer Roman, der die Stille, Langsamkeit und das Kleinstadtleben würdigt. Allen, die die Thematik des Sterbens und der Krankheit abschrecken mag, sei versichert: ja, es geht um das Ende des Lebens, aber nicht auf eine verstörende oder abschreckende Weise und vor allem geht es auch nicht nur um den Tod. Haruf gelingt es im Gegenteil, das Sterben zum Teil des Lebens zu machen - was es ja letztlich auch ist. So ist der Roman durchsetzt mit Erinnerungen an Fehler und Situationen, die das Leben der Figuren in Kostbare Tage beeinflusst oder auch entschieden haben. Die Handlung wechselt zwischen Dad Lewis Geschichte und Reverend Lyles Gewissenskonflikten, Alenes trauriger Liebesgeschichte, John Wesleys Teenagernöten und Alices neuem Leben in Holt, sodass an Dad Lewis Ende auch der Beginn oder die Mitte anderer Schicksale geknüpft sind, wodurch ein Panorama verschiedener menschlicher Leben in einer Kleinstadt geschaffen wird.

Beschrieben wird Holt mit seinen Einwohnern in einer sehr reduzierten, unaufgeregten und stillen Sprache, verstärkt durch den konsequenten Verzicht auf die Anführungszeichen der wörtlichen Rede. So stört nichts den ruhigen, aber unaufhaltsamen Lauf des Lebens in dem kleinen Ort. Eine Sprache, die so sehr der Romanhandlung angepasst gibt, findet man nur selten.

Eine richtige Nähe zu den Figuren kommt aufgrund der Erzählsituation und des Schreibstils zwar nicht auf, dennoch berührt der Roman. Die Trauer, Traurigkeit, Missverständnisse, Fehlentscheidungen und das Abschiednehmen sind Konstante der menschlichen Existenz und beeindrucken daher sehr. Die stärksten Szenen sind für mich die, in denen Dad Lewis auf dem Sterbebett um Vergebung bittet - ohne sich dessen selbst wirklich bewusst zu sein.

Kostbare Tage ist ein Roman, der nachwirkt und reicher macht. Schön und traurig und auch alltäglich.

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Veröffentlicht am 25.05.2020

Zwischen Gelting und Kappeln liegt ein ganzes Leben

Zwei Wochen im Juni
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Adas und Tonis Mutter ist gestorben. Die beiden Schwestern treffen sich in Angeln in Schleswig-Holstein, um den Nachlass zu sichten und das Haus für den Verkauf vorzubereiten. Diese Aufgaben sind nicht ...

Adas und Tonis Mutter ist gestorben. Die beiden Schwestern treffen sich in Angeln in Schleswig-Holstein, um den Nachlass zu sichten und das Haus für den Verkauf vorzubereiten. Diese Aufgaben sind nicht nur ein Ausflug in die Vergangenheit, sondern auch eine Reise in die Untiefen einer Geschwisterbeziehung.

Was für ein schöner Roman - er spielt in meiner Heimat - "dem wunderbaren Fleckchen Erde da oben", wie Anne Müller es so absolut treffend formuliert. Und er ist ganz viel Schleswig-Holstein (das Cover ist übrigens in den Farben der Stadt Schleswig gehalten, ganz viel Angeln, ganz viel Sommer, ganz viel Kindheit, hoher Himmel, frischer Wind und Ostsee. All dies hat in mir ein Heimwehgefühl erzeugt, denn der Roman feiert und zelebriert die Welt dort oben auf eine sanfte und einfühlsame Art mit (für mich) hohem Widererkennungswert.

Die idyllische Kulisse des echten Nordens bildet den Hintergrund für die Auseinandersetzung der beiden Schwestern Ada und Toni mit Lebensentwürfen, falschen Entscheidungen, zu hohen Erwartungen, Missverständnissen und der Vergangenheit. Erzählt wird all dies aus Adas Perspektive, die als Fokalisierungsinstanz sehr gut gewählt ist, da ihr Leben sehr viel weniger "gefestigt" ist und daher mehr Unsicherheiten birgt, die der Reflexion bedürfen. Das in ihren Ausführungen über die Maßen präsente Gefühl ist das der Nostalgie, der Schmerz über den Verlust der Mutter, der gleichzeitig auch ein Verlust des "Kind sein" und des bekannten Familienverbunds ist - und dies ist auch der Grund, warum dieser Roman so bittersüß ist, denn neben der Schönheit der Erinnerung und der Kindheitswelt steht hier auch die Erkenntnis, dass das Leben weiter gelebt werden muss. Für den Leser ist das Leseerlebnis denn auch bittersüß, denn hier wird Sommer-Wohlfühlatmosphäre mit Trauer kombiniert - beides zusammen ergibt eine sehr gelungene Mischung.

Zwei Wochen im Juni ist ein absolut lesenswerter Roman, der ein besonderes Stück Deutschland feiert und sich liebevoll und auch mit Schmerz von einer wundervollen Kindheit verabschiedet. Das Thema berührt und betrifft letztlich jeden.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Der Liebe auf der Spur

Der Kuss
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Zu Kurzgeschichten haben viele Leser/innen (und auch ich) ein eher zwiegespaltenes Verhältnis: man muss sich auf die verdichtete Art der Erzählung einlassen und kaum ist man in der Geschichte und bei der ...

Zu Kurzgeschichten haben viele Leser/innen (und auch ich) ein eher zwiegespaltenes Verhältnis: man muss sich auf die verdichtete Art der Erzählung einlassen und kaum ist man in der Geschichte und bei der Figur angekommen, naht auch schon das Ende. Dieses sollte den Leser im Idealfall nicht so schnell wieder loslassen und zum weiteren Nachdenken anregen. Genau diese Enden sind es, die den Reiz von Kurzgeschichten für mich ausmachen.

Umso glücklicher bin ich, dass Tina Harf in Der Kuss dies in fast allen Fällen wirklich ausgezeichnet gelingt. Egal ob Pauline, Amelie, Marlene, Josephine oder Marie: wenn der letzte Satz der jeweiligen Geschichte gelesen ist, hat sich der Blick nicht nur für die Protagonistin, sondern auch für die Leserin geweitet.

Alle in diesem Band veröffentlichten Geschichten befassen sich mit Aspekten weiblicher Liebeserfahrung, die sehr unterschiedlich sind, aber dennoch Anknüpfungspunkte für eigene Erfahrungen bieten und so zum Mitfühlen einladen. Meine Lieblingsgeschichten sind die erste und die letzte des Bandes, da in beiden Erzählungen etwas Märchenhaftes mitschwingt. Den stärksten Nachhall hat bei mir jedoch Amelies Liebe, ihr Lieben und ihre Gedanken bilden eine richtig gute Kurzgeschichte mit viel Diskussionspotential.

Allen Geschichten gemeinsam ist, dass sie zeitweise Momente und Themen beschreiben, die mir unangenehm sind und ein Gefühl von „lieber nicht“ auslösen, aber wunderbarer Weise sind alle Erzählungen durch einen optimistischen Grundton verbunden, der nicht zuletzt durch Tina Harfs treffsichere und stilistisch ansprechende Prosa zur Geltung kommt. Hier wird eine wirklich gute Sprache passend eingesetzt.

Der Kuss ist eine lohnenswerte und kurzweilige Geschichtensammlung über die Liebe aus der Sicht von Frauen für Frauen, die ich so schnell nicht vergessen werde. Das Cover gehört für mich jetzt schon zu den schönsten des Jahres und die Widmung der Sammlung ist die beste, stimmigste und klarste, die ich je gesehen habe. Ein Buch, das „Für die Liebe“ geschrieben wurde, sollte man lesen.

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