Auf dem Weg in den Wahnsinn
Die Beichte einer NachtMarianne Philips Roman ist durch seinen monologischen Stil sehr besonders. Über die gesamte Strecke des Textes kommt nur Heleen zu Wort, die einer Nachtschwester gegenüber ihre Lebensbeichte ablegt, und ...
Marianne Philips Roman ist durch seinen monologischen Stil sehr besonders. Über die gesamte Strecke des Textes kommt nur Heleen zu Wort, die einer Nachtschwester gegenüber ihre Lebensbeichte ablegt, und dabei völlig unbewusst der eigenen psychischen Störung und der eigenen Schuld auf die Spur kommt.
Die Ausgangssituation ist denkbar einfach, denn es gibt eigentlich nur zwei Personen in diesem Kammerspiel der Rahmenhandlung: Heleen und die Nachtschwester. Letztere besitzt jedoch keinen Redeanteil und ihre Reaktion ist ausschließlich aus den spärlichen Kommentaren seitens Heleens ablesbar, wenn diese z.B. versucht, ihr Gegenüber zum weiteren Zuhören zu animieren. Diese kurzen Momente der Gegenwart unterbrechen wohltuend und ordnend immer wieder Heleens Reminiszenzen, sind für meinen Geschmack jedoch etwas zu selten, da gerade diese Passagen den besonderen monologischen Charakter des Textes unterstreichen.
Die Lebensbeichte selbst befasst sich neben der ärmlichen Kindheit Heleens und ihrem sozialen Aufstieg durch eine vorteilhafte Heirat mit ihrer obsessiven Liebe zu Hannes, die Dreh- und Angelpunkt ihres Handelns, ihrer Schuld und ihrer psychischen Erkrankung ist. Dem Roman gelingt es dabei vorzüglich darzustellen, wie ein Lebensweg mit späterem Handeln verknüpft wird und welche Auswirkungen frühere Lebensentscheidungen auf späteres Sein haben können. Der besondere Reiz des Textes liegt allerdings im Ausloten des einsetzenden Wahnsinns, ein Prozess der von der Protagonistin höchst selbstreflektierend im Rahmen ihres Geständnisses analysiert wird. Parallel gelingt aber auch die Sympahtielenkung des Romans einwandfrei, sodass man als Leser Heleen trotz ihrer Schuld, ihres Verhaltens und all ihrer Verfehlungen empathisch gegenübersteht. Dies ist sowohl das Verdienst der schonungslosen Offenheit des Monologs als auch der anscheinenden Unmittelbarkeit der erzählerischen Vermittlung, die wesentlich dazu beiträgt, dass Heleen als Figur vollkommen überzeugen kann.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Roman um einen sehr lesenswerten, ungewöhnlichen Text, der durch sein intimes, direktes und schonungsloses Psychogramm eines gestörten Geistes überzeugt. Sein herausragendes Merkmal ist dabei sicherlich, dass es ihm gelingt, die psychische Störung glaubhaft zu vermitteln und nachvollziehbar zu machen.