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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.11.2019

Emotional, aufwühlend und nachdenklich stimmend

Die Zeit der Töchter
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"Die Zeit der Töchter" von Katja Maybach ist bereits der zweite Band, jedoch auch ohne Kenntnis des Vorgängerbandes gut zu lesen. Der erste Band trägt den Titel "Die Stunde unserer Mütter". Wie die Titel ...

"Die Zeit der Töchter" von Katja Maybach ist bereits der zweite Band, jedoch auch ohne Kenntnis des Vorgängerbandes gut zu lesen. Der erste Band trägt den Titel "Die Stunde unserer Mütter". Wie die Titel schon erkennen lassen, geht es im ersten Band vorrangig um die Erlebnisse der Mütter, wobei der zweite Band den Schwerpunkt mehr auf die Töchter verschiebt.

Was mir sehr gut gefällt, sind die Cover. Beide sind eher schlicht gehalten, passen wunderbar zu der Zeit, in der die Handlung spielt und haben einen Wiedererkennungswert.

Der Einstieg in den zweiten Band war ein leichtes. Ich war sofort von der Handlung und den Charakteren in den Bann gezogen. Der Schreibstil ist sehr atmosphärisch, schafft Bilder, in denen man selbst die Geschichte begleiten kann. Gleichzeitig sind die Schilderungen auch sehr emotional und aufrüttelnd. Gut gefallen hat mir zudem, dass auch kleinen Details Raum gegeben wird. Das macht die Geschichte gleich authentischer, die Figuren nahbar und liebenswert. Es ist ein leichtes sich in das Leben, die Gedanken- und Gefühlswelt der Frauen hineinzuversetzen. Ich fand es sehr spannend und rührend, etwas über ihr Leben zu erfahren. Manchmal war ich entsetzt, wie es nach dem Krieg war. Eine wage Ahnung hatte ich zwar, allerdings habe ich mich bisher eher mit der Zeit des Krieges oder zwischen den Kriegen befasst.
"Rassismus wird nie aufhören. [...] Nach dem Krieg hat sich jeder gesagt, nie wieder darf Hass auf andere Rassen oder Religionen so schreckliche Ausmaße annehmen, niemand wollte es. Und jetzt?"
Ein eindringliches und aufrüttelndes Zeugnis, das leider auch ein Spiegel der heutigen Zeit und damit umso trauriger und nachdenklich stimmender ist.

Es ist sehr bewegend zu sehen, wie die Frauen ihr Leben meistern und dabei auf einige Widerstände stoßen. Ich finde es einfach wunderschön, dass alle Hauptfiguren weiblich sind. Klar, Männer und Liebe spielen ebenfalls eine Rolle, aber nur nebenher, die Frauen leuchten für sich. Ihre Gefühle werden sehr intensiv geschildert und es ist sehr realistisch, nah am Leben. Jede von ihnen hat ein ganz eigenes Päckchen, bringt neben Schwächen auch wunderbare Stärken mit. Ich habe mit ihnen allen mitgefiebert. Dieses Buch zeigt alle Spielarten des Lebens und ist sehr facettenreich.

"Die Stunde der Töchter" von Katja Maybach ist ein emotionaler und aufrüttelnder Roman, der sich wunderbar liest. Ich kann ihn überzeugt allen Lesern empfehlen, die sich für Schicksale, die deutsche Geschichte und anspruchsvolle Romane interessieren.

Veröffentlicht am 04.11.2019

Lesegenuss, der zum Träumen einlädt und Mut macht

Und dann kamst du
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Der Roman "Und dann kamst du" von Heike Abidi war ein wahrer Lesegenuss - wunderhübsch anzusehen und wundervoll geschrieben.

Um es gleich vorwegzunehmen: geschrieben und beworben wurde dieser Roman als ...

Der Roman "Und dann kamst du" von Heike Abidi war ein wahrer Lesegenuss - wunderhübsch anzusehen und wundervoll geschrieben.

Um es gleich vorwegzunehmen: geschrieben und beworben wurde dieser Roman als Jugendbuch. Für junge Leser ist er auf jeden Fall geeignet, überzeugt aber auch, wenn man schon etwas über die Jugend hinaus ist.

Der Schreibstil ist locker-leicht und dennoch sehr emotional, tiefgehend und warmherzig. Es war ein leichtes in die Geschichte rein zu finden und es entstand sofort ein Lesesog. Besonders schön ist die Abwechslung zwischen Fließtext und Tagebuch-Einträgen. Dadurch erschien es gleich noch realistischer und es unterstützte die Handlung, da alles mit dem Tagebuch eines Fremden beginnt. Als Claire ihn im Bus sieht, empfindet sie es "als blickte sie in den Spiegel ihrer eigenen Seele". Denn der Junge "strahlte eine tiefe Traurigkeit aus", wie auch Claire sie empfindet.
Claire war mir sofort sympathisch und ihre Gefühle nachvollziehbar. Was mir besonders gut gefallen hat, war, dass Claire einige ihrer Handlungen zunächst selbst albern findet und hinterfragt. Dadurch wirkte es sehr authentisch und war für mich leichter nachzuvollziehen, auch wenn ich selbst anders gehandelt hätte. Das hat wunderbar die Brücke geschaffen zwischen 'etwas verrückt' und 'Ausdruck einer emotionalen Ausnahmesituation'. In einer solchen befindet Claire sich als "übrig gebliebene Hälfte von Colin und Claire". Es ist richtig schön zu sehen, wie Claire langsam beginnt zu heilen und zu sich selbst zu finden.
Dabei lernt sie neue Menschen kennen, macht neue Erfahrungen, die sie nie für möglich gehalten hat. Das inspiriert als Leser, auch wieder etwas Neues auszuprobieren, weil damit etwas positives erreicht werden kann.

Ich habe es auch sehr genossen, dass die Geschichte im Hier und Jetzt spielt, es gibt keine großen Rätsel - außer der Suche nach dem Fremden - kein Bezug zur Historie oder einem realen Ort, einer realen Person. Stattdessen begleitet der Leser Claire auf ihrer Reise zu sich selbst. Schlicht und dennoch wunderbar intensiv und emotional. Eine wirklich schöne, glaubhaft geschilderte Geschichte, die zum Träumen einlädt und Mut macht.

Was für ein tolles Buch! Es ist nicht nur wunderhübsch anzusehen, sondern auch bis zur letzten Seite überzeugend. Für mich war es höchster Lesegenuss und ich empfehle es sehr gerne weiter.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Nicht überzeugend

Traumhafte Wirklichkeit
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'Fan kommt von Fanatismus'. An diesen Satz einer meiner Kommilitonen während meines Studiums musste ich beim Lesen des Romans "Traumhafte Wirklichkeit - Love & Lies in L.A." von Jutie Getzler mehrfach ...

'Fan kommt von Fanatismus'. An diesen Satz einer meiner Kommilitonen während meines Studiums musste ich beim Lesen des Romans "Traumhafte Wirklichkeit - Love & Lies in L.A." von Jutie Getzler mehrfach denken. Mich konnte dieser Roman leider nicht überzeugen.
Aufmerksam geworden bin ich auf diesen Roman aufgrund des schönen vorläufigen Covers. Inzwischen wurde er mit einem anderen Cover veröffentlicht, das aber ebenfalls sehr niedlich und verspielt daher kommt und gut zum Titel passt.
Nach der Kurzbeschreibung und der Leseprobe war dann auch meine Neugier geweckt. Schließlich sind einiger der sogenannten 'Stars' teils attraktive und auch sympathisch wirkende Menschen. Aber das ist ja nur das Bild, das medial vermittelt wird. Wirklich begeistern können nur Menschen, die man von Angesicht zu Angesicht kennenlernt. Ich war sehr gespannt, wie es der Autorin gelingt, eine glaubhafte und emotional ansprechende Geschichte rund um das Thema meet-your-star zu entwerfen.
Leider konnte mich die Geschichte jedoch nicht überzeugen. Die Sprache ist durchaus niveauvoll und auch der Schreibstil ist locker-leicht zu lesen. Nur die Protagonisten haben bei mir eher Unverständnis und Kopfschütteln hervorgerufen. Viele ihrer Gedanken und Verhaltensweisen waren für mich nicht nachvollziehbar. Klar, es handelt sich um einen fiktiven Roman - wobei Jutie Getzler im Vorwort schildert, selbst eine ganz ähnliche Begebenheit erlebt zu haben - aber dennoch war vieles für mich nicht stimmig, zu abgehoben und unsympathisch. Gerade bei Clara ist der Fanatismus mit dem sie ihrem Traummann gegenüber agiert sehr deutlich zu spüren. Und Tom selbst unterhält sich etwas mit Clara und ist auf einmal "einfach superglücklich", weil er durch sie erkannt haben will, dass er seine Frau nicht mehr liebt. Da sowieso "[t]äglich [...] tausende Ehen geschieden" würden, komme es bei seiner auch nicht mehr drauf an. Sympathisch finde ich anderes... Zudem habe ich das ständige Stottern von Clara, weil ihr Angebeteter in ihrer Nähe ist, irgendwann als etwas nervtötend empfunden und die groß aufgezogene Notlüge ist zum Einen weniger dramatisch als angenommen, vielmehr einfach nur sehr unüberlegt und naiv gewesen und zum Anderen spricht diese nicht für den tollen Charakter Claras, den uns die Autorin eigentlich gern vermitteln möchte.
Da Jutie Getzler sicher sehr viel Herzblut, Arbeit und Zeit in ihren Roman investiert hat, möchte ich gern betonen, dass es sich um meine subjektiven Eindrücke handelt. Ich vergebe nach meinem Leseeindruck lediglich zwei Punkte und würde das Buch nicht voller Überzeugung weiter empfehlen. Ein anderer Leser mag dies ganz anders empfinden.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Höchst amüsant, dennoch aber auch nachdenklich stimmend

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse
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"Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" von Thomas Meyer war ein herrlich ausgewogener Lesegenuss.
Der Schreibstil ist locker und mitreißend. So manche Szene ist höchst amüsant, so ...

"Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" von Thomas Meyer war ein herrlich ausgewogener Lesegenuss.
Der Schreibstil ist locker und mitreißend. So manche Szene ist höchst amüsant, so dass ich einige Male herzhaft lachen konnte. Gleichzeitig gelingt es jedoch Thomas Meyer in seiner lockeren Schreibweise auch Kritik anklingen zu lassen. So befasst er sich mit Übermüttern, Männern, die sich nicht trauen gegenüber ihren Frauen ihre Meinung zu vertreten, Vorurteilen gegenüber jüdischen Menschen und erzwungenen Lebenswegen, die jungen Menschen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten berauben.
Die Sprache ist etwas ganz besonderes und neu für mich. Die Protagonisten sprechen überwiegend jiddisch und so musste mancher Satz ein zweites Mal gelesen und dabei auf Anregung des Autors laut mitgesprochen werden. Damit findet man sich dann sehr gut zurecht und notfalls besteht die Möglichkeit im Glossar nachzusehen. Da ich sehr gerne Bücher mit außergewöhnlicher Sprache lese, hatte ich viel Freude beim Lesen.
Die Protagonisten selbst sind ebenfalls jiddisch dargestellt. Das hat mir gut gefallen, gewinnt man doch einen guten Einblick in die Umgangsformen und Gebräuche einer jüdischen Familie. Auch wenn vermutlich einiges humoristisch-überspitzt dargestellt ist, habe ich noch einiges neue Wissen vermittelt bekommen.
Mordechai - Motti - Wolkenbruch kann sich nicht mehr mit dem Leben identifizieren, das seine Eltern, insbesondere seine Mame, für ihn vorgesehen haben. Ist er Anfangs noch sehr unsicher und rebelliert eher innerlich, beginnt er immer mutiger zu werden. "Den eigenen Weg zu gehen, überlegte ich, heißt wohl nichts anderes, als sich den Dingen zu stellen, die einem begegneten. Nicht zu versuchen, sie zu umschleichen. Nicht vor ihnen stehen zu bleiben. Sondern durch die Schwierigkeiten hindurchzumarschieren."
Mitzuerleben, welche Schwierigkeiten ihn alles erwarten, ist teils sehr komisch, teils auch tragisch. Es ist ein leichtes, Motti gegenüber Sympathie zu entwickeln und mit ihm mitzufühlen.
Die größte Schwierigkeit, die Motti auf seinem Weg zu sich selbst begegnet, ist seine Mame. Seine "stets leicht agitierte, überpräsente Mutter, um alles besorgt und unnachgiebig in ihrem Willen". Diese Frau sympathisch zu finden, ist bei weitem nicht so leicht, macht sie doch ihrer Familie so manches Mal das Leben unnötig schwer. Aber dennoch geht gerade von ihr auch durchaus ein Teil des Humors dieses Buches aus.
"Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" von Thomas Meyer hat mir vergnügliche Lesestunden beschert. Ich kann diesen Roman allen Lesern empfehlen, die Freude an speziellen Charakteren und einem höchst amüsanten Schreibstil haben.

Veröffentlicht am 30.10.2019

Überzeugendes Buch mit zwei Theaterstücken

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«
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Dankenswerter Weise habe ich von Martin Schörle sein Buch "»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«: Zwei Theaterstücke" als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt ...

Dankenswerter Weise habe ich von Martin Schörle sein Buch "»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«: Zwei Theaterstücke" als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen. Über die Anfrage habe ich mich sehr gefreut und gern möchte ich mich hier nochmal bedanken für die Möglichkeit dieses außergewöhnliche Buch lesen und rezensieren zu dürfen. Selbstverständlich hat dies keinen Einfluss auf meinen im folgenden geschilderten ganz persönlichen Eindruck des Buches genommen.

Bisher habe ich privat noch kein Buch mit Theaterstücken gelesen. Lediglich in der Schule habe ich mich mit Klassikern wie Woyzeck befasst. Es war deshalb eine ungewohnte und sehr interessante Leseerfahrung für mich. Besonders schön finde ich, dass zu Beginn in der Beschreibung des Autors gesagt wird, dass er sich mit diesem Buch den Traum erfüllt, seine Theaterstücke zu veröffentlichen. Es ist toll, wenn man den Mut hat, sich seine Träume zu erfüllen und einen Weg findet dies zu schaffen.

Da es sich um zwei für sich abgeschlossene Theaterstücke handelt, werde ich meinen Eindruck jeweils einzeln schildern. Die Hauptfragen, die mich jedoch beim Lesen begleitet haben, waren: Kann ich mir das Stück gut auf der Bühne vorstellen, könnte es das Publikum fesseln? Und spricht es mich als Leser des reinen Textes an?

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten«

In diesem ersten Theaterstück erlebt der Leser einen Bürotag des "Vollblutverwaltungsgenies" Fredenbek mit. Wer jetzt jedoch vermutet, dass es sich um lustige und sarkastische Darstellungen handelt, wie sie bei Baumann & Clausen zu finden sind, irrt. Dieses Stück geht weit darüber hinaus. Denn Fredenbek vermag nicht mehr zu trennen zwischen Büroalltag und seinem Leben. Seinen ganzen Lebenszweck definiert er über das erfolgreiche Erledigen seiner täglichen Arbeitsroutine. "Problematisch wird's nur an den Wochenenden und im Urlaub. Wenn meine Frau verreisen will, mutieren Urlaube mit einer ununterbrochenen Abwesenheit von der Dienststelle von mehr als einer Woche zu ernsthaften Krisen."
Beginnt dieses Theaterstück sehr amüsant und herrlich überspitzt, bleibt das Lachen schnell im Hals stecken. Fredenbek gerät immer mehr zu einer tragischen Figur, die vollkommen neben der Realität lebt und darüber auch seine sozialen Kontakte einbüßt. Und so verfasst er gedanklich für sich selbst einen Nachruf :"Wir verneigen uns vor einem Mann, der sein eigener Freund sein musste, weil da niemand war, der sein Freund hätte sein können."

Der Schreibstil ist sehr eigen und hat eine individuelle Note. Es wird deutlich, dass Martin Schörle Freude an Sprache hat und mit Fredenbek eigene berufliche Erfahrungen verschriftlicht hat. Vieles hat einen allzuwahren Kern. Durch die übertriebene Darstellung wird es jedoch leicht gemacht die versteckte Kritik anzunehmen und sich zwischen dem Lachen zu fragen, ob man nicht selbst ungewollt manchmal etwas zu sehr mit der Arbeit verheiratet ist. Außerdem wäre ich ohne den angenehmen Schreibstil vermutlich bei so mancher Beschreibungen leicht genervt oder sogar abgestoßen gewesen, konnte so jedoch milde darüber hinwegsehen und Mitleid mit der Figur des Fredenbek entwickeln.

Als Leser des reinen Textes konnte mich dieses Theaterstück mit leichten Einschränkungen, durchaus überzeugen. Stelle ich mir vor, es als Theaterstück auf der Bühne aufgeführt zu erleben, bin ich mir dessen nicht so sicher. Über einiges muss man länger nachdenken, so dass ich vermutlich nicht in den vollen Genuss gekommen wäre, wenn ich Fredenbeks Monolog lediglich gehört und nicht gelesen hätte.

»Einladung zum Klassentreffen«

In diesem zweiten Theaterstück verfolgt der Leser ein Telefonat zwischen Carsten und Marina. Beide telefonieren nach zwanzig Jahren erstmals wieder anlässlich eines bevorstehenden Klassentreffens miteinander. Eine Geschichte, die zunächst mit einem bissigen, aber sehr realitätsnahen, Austausch über die gemeinsamen Klassenkameraden und deren momentane Leben beginnt. Schnell konzentrieren sich Carsten und Marina jedoch auf die gemeinsame Vergangenheit und unterhalten sich bald auf einer sehr emotionalen Ebene. "Ich rede hier mit dir... wie ich mit niemandem rede. Du bist mir so nah und vertraut."

Besonders charmant finde ich die Idee, das Publikum des Gespräches geschickt in das Theaterstück einzubinden. Auch hier wird, wie bei Fredenbek, mit einer Übertreibung gearbeitet, die einen allzuwahren Kern hat. Ich konnte über die Szenen herzhaft lachen und ungläubig den Kopf schütteln, denn ja, so abwegig ist das Verhalten der 'Lauscher' nicht.

Mich hat dieses Stück sprachlich und emotional mehr angesprochen und war deshalb überzeugender für mich. Es war ein leichtes sich in Marina und Carsten hineinzuversetzen. Sehr schön ist auch die Botschaft, dass es diesen einen Menschen gibt, bei dem gleich wieder eine Nähe und Verbundenheit da ist, auch wenn einiges an Raum und Zeit dazwischenstehen.

Als Leser des reinen Textes konnte mich dieses zweite Theaterstück komplett überzeugen. Es war sehr angenehm dem Dialog zu folgen, ein leichtes mit den beiden warm zu werden und viele Überlegungen durchaus nachvollziehbar. Stelle ich mir vor, es als Theaterstück auf der Bühne aufgeführt zu erleben, wäre ich begeistert gewesen. Genau solche Stücke mit leisen Tönen, aus dem Leben gegriffen, emotional und dennoch mit einer Portion Humor, machen einen Theaterbesuch zum Erfolg.

»Gesamteindruck«

Insgesamt hat mir das Buch "»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«: Zwei Theaterstücke" von Martin Schörle gut gefallen. Es war ein ganz neues, kurzweiliges Leseerlebnis, an dem ich Freude hatte. Da mich Fredenbek und damit das erste Stück, nicht ganz überzeugen konnte, vergebe ich lediglich vier Punkte.
Eine Leseempfehlung kann ich auf jeden Fall aussprechen. Interessant könnte das Buch sein für alle begeisterten Theaterbesucher oder Laien-Schauspieler und für Leser, die sich gern mal an ungewöhnliches wagen.