Starke Frauen
Bebes Vermächtnis„...Es war paradox. Ich lag in meiner Gefängniszelle auf der unteren, quietschenden Eisenpritsche eines Stockbetts, starrte zu der fleckigen Matratze über mir hinauf und dachte an den Tag, an dem ich zum ...
„...Es war paradox. Ich lag in meiner Gefängniszelle auf der unteren, quietschenden Eisenpritsche eines Stockbetts, starrte zu der fleckigen Matratze über mir hinauf und dachte an den Tag, an dem ich zum ersten Mal die Bedeutung des Wortes paradox verstanden hatte...“
Dieser Tag war 10 Jahre her, denn im Jahre 1910 war ihre Großmutter Bebe im Gefängnis gelandet. Sie hatte Whiskyfässer zerschlagen. Und nun sitzt Harriet im Gefängnis, weil sie Alkohol transportiert hat.
Die Autorin hat einen fesselnden Roman geschrieben. Sie erzählt drei Generationen Familiengeschichte. Genaugenommen erzählt Harriet, denn während ihrer Nacht im Gefängnis geht ihr durch den Kopf, was ihre Großmutter Bebe ihr über sich und die Vorfahren berichtet hat.
Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Es gibt humorvolle Szenen, aber auch ernste Abschnitte. Und es gibt einen Ausspruch von Bebes Mutter, der sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht:
„...Das Leben verändert sich immerzu und fließt wie ein Fluss. Nichts bleibt immer gleich. Und wir müssen uns auch weiterentwickeln und verändern…“
Bebes Mutter war in der Bewegung gegen die Sklaverei aktiv. Es ist erstaunlich, wie sie selbst in schwierigsten Situationen ihr Glauben getragen hat. Bebe, die Jüngste der Familie und das einzige Mädchen, wird dadurch selbst geprägt. Schon das Gespräch zu Bebes Geburt zeigt den festen Glauben der Mutter.
„...“Das sollte eine Junge werden, Hannah. Ein Mann kann nie genug Söhne haben, die ihm helfen.“ „Ich weiß, mein Lieber“, sagte sie sanft, „aber der gütige Gott hat es für richtig befunden, uns diesmal eine Tochter zu schenken“...“
In Bebes Leben gab es immer wieder überraschende Wendungen. Letztendlich war sie aktiv in der Abstinenzlerbewegung tätig – und das aus gutem Grund. Ihr Leben wird mit allen Höhen und Tiefen erzählt. Dazu gehören auch ihre inneren Kämpfe. Vor allem das Thema Vergebung spielt eine entscheidende Rolle. Auf einer Farm geboren steigt Bebe nach der Hochzeit in bessere Kreise auf – wird dort aber nie richtig ankommen. Trotzdem ist sie es, die die Familie in schwierigen Zeiten über Wasser hält. Ihr Mann Horatio hat in den Krieg gegen die Sklaverei gekämpft. Das hat bei ihm psychische Spuren hinterlassen.
Das Buch verfügt über eine hohe innere Spannung. Die ergibt sich aus den komplexen Beziehungen der Protagonisten. So sind die Geschwister Alice und Harriet völlig gegensätzlich. Erste hat gerade eine pompöse Hochzeit hinter sich, Harriet will nie heiraten. Genauso schwierig ist das Verhältnis zwischen Bebe und ihrer Tochter Luzy. Luzy ist vor allem von ihrer Großmutter, Bebes Schwiegermutter, erzogen worden. Die Welt ihrer Mutter und ihr Kampf bleiben ihr fremd. Doch nach Alices Hochzeit hat Luzy plötzlich keine Aufgabe mehr. Plötzlich geht sie völlig neue Wege.
Im Mittelpunkt stehen starke Frauen. Es geht um die Kraft des Glaubens, aber auch um gesellschaftliche Veränderungen, die insbesondere christliche Frauen in Amerika bewirkt haben. Das letzte Gespräch zwischen Harriet und Bebe ist eines der spannendsten, weil hier Bebe die Quintessenz ihres Lebens zieht.
„...Es ist nicht unsere Aufgabe als Christen, Gesetze zu verfassen, die die Menschen zwingen, ein moralisches Leben zu führen. […] Die Zehn Gebote haben wir seit Moses, und noch immer morden und stehlen Menschen jeden Tag. Nur Gott kann Menschen ändern...“
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es behandelt auf leichte Art sehr schwierige Themen und zwingt mich als Leser, über das Leben nachzudenken.