Wie Feuer und Wasser
Irish feelings„...Je weiter ich auf den Ortskern zusteuere, umso mehr spürte ich, wie ich entspanne. Alles strahlte hier eine solche Ruhe, eine tiefe Gelassenheit und Beständigkeit aus, wie ich sie selten erlebt habe...“
Grace ...
„...Je weiter ich auf den Ortskern zusteuere, umso mehr spürte ich, wie ich entspanne. Alles strahlte hier eine solche Ruhe, eine tiefe Gelassenheit und Beständigkeit aus, wie ich sie selten erlebt habe...“
Grace ist von Boston nach Greycastlehill gereist. Dort will sie die Hochzeit ihrer Freundin Liz managen. Währenddessen gibt es aber in ihrer Firma Probleme. George, der gern jedes Fettnäpfchen mitnimmt, hat statt 300 leider 3000 Kerzen bestellt. Wer soll die ihr nun abnehmen, zumal die Farbe gewöhnungsbedürftig ist?
Und dann läuft Grace im Ort als erstes Tom über den Weg. Der Kriminalist aus Dublin verbringt ein paar Tage bei seinem Bruder. Außerdem kümmert er sich in der Zeit um seine Großmutter, die an leichten Demenz leidet. Grace und Tom sind wie Feuer und Wasser. Jede Begegnung endet mit einem gekonnten verbalen Schlagabtausch.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Liebesroman geschrieben. Es ist der fünfte Band der Reihe. Obwohl ich nicht alle Vorgänger kenne, hatte ich kein Problem, der Handlung zu folgen. Wichtige Fakten werden geschickt während des Geschehens erwähnt.
Der Schriftstil ist locker und leicht, aber sprachlich ausgefeilt. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Beschreibung der irischen Landschaft.
„...Unzählige moosbewachsene Natursteinmäuerchen ziehen sich durrh die Landschaft und lassen sie wie das urtümliche Schachbrett eines Riesen wirken. Manche der auf diese Weise eingegrenzten Areale sind leer, in anderen weiden Schafe, Ziegen oder Pferde...“
Die Geschichte wird abwechselnd von Tom und Grace erzählt. Beide haben mit ihrer Vergangenheit noch nicht abgeschlossen. Das geschieht erst im Laufe der Handlung. Grace hatte es außerdem nicht einfach, sich als selbstständige Geschäftsfrau durchzusetzen.
„...Mache ich einen Fehler, ist es typisch Frau. Habe ich Erfolg, heißt es: dieses unweibliche Miststück. Bleibe ich bei Verhandlungen stark und fordere das Gleiche ein wie männliche Kollegen, werde ich als kalt und herzlos dargestellt...“
Die Begegnungen zwischen Tom und Grace strotzen vor Fehlinterpretationen und Missverständnisse. Sie ahnen nicht im mindesten, wie ähnlich sie sich eigentlich sind. Der Dorfklatsch ist da schon wesentlich weiter. Kupplungsversuche lassen nicht auf sich warten. Toms anfängliche Gedanke über Grace klingen so:
„...Unfassbar, dass sie Flos Schwester ist. Flo ist herzlich, liebenswert und aufgeschlossen, während Grace die Wärme einer Eisskulptur versprüht. Ich habe sie bisher nie anders als spröde und unnahbar erlebt...“
Besonders gefallen mir die Sprüche von Morty. Er hat in jeder Situation den passten parat.
„...Weißt du … auch das Vogeljunge dachte von sich, es sei glücklich im Nest. Bis es zum ersten mal die Flügel aufspannte und flog...“
An manchen Stellen liest sich ds Buch wie eine Reisebeschreibung durcjhTeile von Irland. Das tut aber dem hohen Spannungsbogen, der sich durch die komplexen Beziehungen der Protagonisten und ihre Konflikte ergibt, keinerlei Abbruch. Auch das Einbinden der irischen Hochzeitsbräuche gefällt mir sehr gut.
Ein feiner Humor durchzieht die Geschichte und kommt unter anderem in den Gesprächen im Pub zum Tragen.
„...Sully tendiert zu der Ansicht: Was man nicht braten kann, sei nicht essbar. Einmal habe ich ihn sogar dabei erwischt, wie er versucht hat, Porridge anzubraten...“
Nach und nach erkennen Tom und Grace, dass sie den jeweils anderen sehr einseitig gesehen haben. Außerdem wächst die Anziehung zwischen ihnen. Das ist aber durchaus kein linearer Prozess, sondern ein gekonntes Auf und Ab.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Meine Rezension möchte ich mit einem irischen Segensspruch beendet, der anlässlich einer Taufe formuliert wurde:
„...Möge es in deinem Leben keine verschenkten Tage geben, aber viele, die du anderen schenkst...“