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Veröffentlicht am 01.07.2021

Durch Dunkel zum Neuanfang

Im Taumel des Glücks
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„...Während er den unbekannten Mann anstarrte, der Shayna anlächelte, dachte er: Er tanzt besser als ich, aber ich würde gern einmal sehen, wie er eine Leiche seziert. Ihm wurde klar, wie lächerlich sein ...

„...Während er den unbekannten Mann anstarrte, der Shayna anlächelte, dachte er: Er tanzt besser als ich, aber ich würde gern einmal sehen, wie er eine Leiche seziert. Ihm wurde klar, wie lächerlich sein Vergleich war, und er lachte über sich selbst….“

Der 25jährige Trevor Wakefield, um den es im Eingangszitat geht, kennt seine Cousine Shayna Wakefield seit der Kindheit. Er liebt sie, ist aber zu schüchtern, um ihr das zu sagen. Momentan studiert er in Schottland Medizin.
Shaynas Vater Honor hat für seine 17jährige Tochter Shayna einen Ball ausgerichtet. Dort lernt sie Cathan Morgan kennen. Der schneidige junge Mann in Armeeuniform beeindruckt sie.
Der Autor hat erneut einen spannenden historischen Roman geschrieben. Dabei wird im Anschluss an den Vorgängerband eine Generation übersprungen. Es ist in dieser Zeit nicht viel passiert und alles Notwendige wird kurz erwähnt.
Wir schreiben das Jahr 1800. Der Krieg Englands gegen Napoleon ist im vollen Gange. Honor Wakefield nimmt als Kapitän zur See ab und an daran teil.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Personen werden gut charakterisiert. Trevor weiß zumindest in beruflicher Sicht, was er will. Er ist sehr zielstrebig.
Shayna hat in jungen Jahren ihre Mutter verloren. Honor hat sie allein aufgezogen und ziemlich verwöhnt. Ihr fehlt ein realistischer Blick auf das Leben. Das kommt Cathan gerade recht. Er nutzt ihre Naivität und Verliebtheit in der Hoffnung, dass ihnen ihr Vater das Leben finanziert. Bisher hat Cathan nicht viel auf die Reihe bekommen. Er ist das schwarze Schaf seiner Familie. Das bedrückt nicht nur seine Vater Ivor, sondern auch seinen Großvater Gareth, der ein bekannter Prediger ist.
Als Honor die Hochzeit ablehnt und verlangt, dass Cathan sich erst in einem Beruf bewährt, kommt es zu einer Kurzschlussreaktion, die keinen unbeschadet zurück lässt.
Der Autor versteht es, die Emotionen und Verletzlichkeiten der Protagonisten deutlich zu machen. Shayna hat ihre Unbeschwertheit verloren. Trevor hofft erneut, Shaynas Liebe zu erringen und Cathan hat genug damit zu tun, am Leben zu bleiben.
Sehr schön wird erzählt, wie sich Cathans Wandlung vollzieht. Er lernt Praise God Barebones kennen, einen Seemann, der ihm zum Freund wird und dabei unermüdlich über die Liebe Jesu und die Möglichkeit eines Neuanfangs spricht. Bei ihm spüre ich als Leser, wie er selbst in fast ausweglosen Situationen fest im Glauben und Vertrauen steht.

„...“Dieses Mal hat er mich erwischt – der Tod.“ „So etwas darfst du nicht denken. Gott ist noch nicht fertig mit dir, Junge“, erwiderte Praise leise...“

Nach der Seeschlacht ist vor der Seeschlacht. Zwei Mal ist Honor mit seinem Schiff gefordert. Während die Männer alles geben, hinterfragt Shayna, die ihren Vater an Bord begleitet hat, ihr Leben. Sie wird als eine anderen in diesem Kampf mit sich selbst hervorgehen.
Zu den inhaltsreichsten Gesprächen gehört der Dialog zwischen Honor und Madeline. Es geht um Glauben, Vertrauen und Liebe.

„...Ich denke, wahre Liebe möchte das Beste für den Menschen, den man liebt, auch wenn das bedeutet, das Schlimmste für sich selbst in Kauf zu nehmen…“

Die Geschichte verfügt über einen hohen Spannungsbogen. Die Dialoge zeugen von Tiefe und ermöglichen einen Einblick in die Gedankenwelt der Protagonisten. Vergebung spielt häufig eine Rolle.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 30.06.2021

wer hat hier die Finger drin?

Lautlos nach unten
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„...Willkommen in der Großstadtidylle, kleiner Sigi. Dein neues Zuhause. Du bist angekommen. Ganz unten...“

Sigi ist acht Jahre alt, als sein Vater arbeitslos wird. Das Bankensystem wurde umstrukturiert, ...

„...Willkommen in der Großstadtidylle, kleiner Sigi. Dein neues Zuhause. Du bist angekommen. Ganz unten...“

Sigi ist acht Jahre alt, als sein Vater arbeitslos wird. Das Bankensystem wurde umstrukturiert, er aussortiert. Nun beginnt ein konstanter gesellschaftlicher Abstieg. Was Sigi bleibt, ist seine Mutter, die trotz allem versucht, ihm Liebe und Wärme zu schenken.
Dann ändert sich die Szenerie. Dr. Kleinmann, der Vorstandsvorsitzende einer Privatbank, wird vermisst. Am nächsten Tag gerät die Bank in einem Schockzustand. Kleinmanns Konten wurden abgeräumt. Das Geld wurde in Chargen zu etwa 5000 Euro aufgeteilt und an verschiedene wohltätige Organisationen gespendet.
Der Autor hat einen spannenden Thriller geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil passt sich der Thematik an. Das bedeutet, dass es auch sachliche Abschnitte gibt, denn die Welt des Finanzwesens wird dabei allgemeinverständlich erklärt.
Der Fall Kleinmann zieht Kreise bis in die Politik. Kommissar Stein soll sich darum kümmern. Ich mag seinen Sarkasmus:

„...“Und das ruft den Herrn Minister auf den Plan?“ „Die beiden sind alte Duzfreunde. Sie waren Kommilitonen.“ „Ah! Alte Seilschaften.“...“

In Hamburg will von Andorff gerade die Gewinne seiner Hedgefonds einsacken, als sein Computer sich selbstständig macht. Nach Ablauf der Finanzaktionen steckt von Andorff tief in den Schulden. Seine hochfliegenden Pläne haben sich gerade in Luft aufgelöst. Dafür freuen sich Tausende Rentner und sozial Benachteiligte über einen höheren Geldbetrag auf ihren Konto.
In Bremen wird Professor Schwarz als Informatiker in die Ermittlungen eingeschalten. Er soll herausfinden, welche Schadsoftware hier wie agiert hat. Im computergesteuerten Handel läuten alle Alarmglocken. Eines sit nämlich schon klar. Die Buchungen lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Doch Schwarz und seine Fachleute stoßen auf Eigenartigkeiten.

„...Vielleicht hat sich der Virus tatsächlich nach getaner Arbeit in irgendeiner Form eingeschmolzen. Wie dies geschehen sein könnte und ob sich dieser Einschmelzungsprozess rückgängig machen lässt, ich weiß es wirklich nicht...“

Die unterschiedlichen Formen von Schadsoftware werden selbst für Laien nachvollziehbar im Laufe des Geschehens erläutert.
Während die Crème de la Crème um ihr Geld fürchtet, werden persönliche Schicksale von Menschen, die mit jeden Cent rechnen müssen, kurz wiedergegeben. Das sind zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter, die als Altenpflegerin arbeitet, oder ein Rentner, bei dem das Geld hinten und vorne nicht reicht. Sabrina die Altenpflegerin, stellt sich folgende Frage:

„...Wie schaffen es die Reichen, noch mehr und schwerer zu arbeiten als ich? Besitzen sie übermenschliche Kräfte?...“

Als in einer Sitzung der Investmentbanker ihre Konten vor aller Öffentlichkeit abgeräumt werden, schaltet sich die Politik ein:

„...Das Bundeskabinett hat in der heutigen Dringlichkeitssitzung ein ganzes Maßnahmebündel auf den Weg gebracht...“

Klingt das bekannt? Sehr geschickt wird vermittelt, wie gewisse politische Kreise die öffentliche Meinung manipulieren.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, ist der Schuldige schnell ausgemacht. Man gründet eine Antiterrorgruppe und quartiert sie im Luxushotel ein. Im Gegensatz zur Politik sind die Fachkräfte allerdings äußert skeptisch.

„...Waren Terroristen zu allem fähig? Nein, sie waren zu allem bereit, aber nicht zu allem fähig...“

Das Erstaunliche ist, dass ein großer Teil der Bevölkerung völlig anders reagiert, als man erwartet hat.
Das Buch hat mir sehr gtu gefallen. Die Hintergründe der Geschichte, die zu den Ereignissen führte, sind die eine Seite. Für Kenner moderner Entwicklungen in der Informatik sind sie ein famoses Gedankenexperiment. Andererseits gelingt es dem Autor, gekonnt auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen. Manch Schlagwort aus den letzten Jahren findet sich in der Geschichte wieder. Gleichzeitig wird der Spannungsbogen extrem hoch gehalten. Insgesamt aber spitzt sich die gesamte Handlung auf eine Frage zu: Was ist gerecht und wo endet Gleichheit?

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Veröffentlicht am 29.06.2021

Bewegendes Debüt

Die Bucht der Lupinen
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„...Sie dachte an ihr Leben zurück wie an eine Reise, Eine lange und stetige Reise. Sie dachte an jene Momente, die sich für immer in ihr Gedächtnis eingeprägt hatten. Aber das, an das sie sich am besten ...

„...Sie dachte an ihr Leben zurück wie an eine Reise, Eine lange und stetige Reise. Sie dachte an jene Momente, die sich für immer in ihr Gedächtnis eingeprägt hatten. Aber das, an das sie sich am besten erinnerte, war er...“

Diese Worte stehen im Prolog des Buches. In dem Moment, wo sie Louise durch den Kopf gehen, weiß sie, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Sie sieht dem Tod gelassen entgegen.
Die Autorin hat einen fesselnden Roman geschrieben. Einerseits erlebe ich, wie in der Gegenwart die Enkeltöchter Judith, Anna und Greta nach dem Tode ihrer Großmutter Louise nach ihren Wurzeln suchen, andererseits führt mich der Roman in die Vergangenheit und erzählt dort eine bewegende Liebesgeschichte.
Während Judith und ihre Schwestern in Deutschland aufgewachsen sind, lebte Großmutter Louise auf Neufundland. Schnell wird klar, dass es zwischen ihr und ihrer Tochter Helene heftige Spannungen gab. Eines aber war beiden eigen. Sie haben sich jede Frage nach der Vergangenheit verbeten. Das Schweigen wurde von Generation zu Generation wietergegeben.
Der Schriftstil ist ausgereift und abwechslungsreich. Das ist auch notwendig, denn die Geschichte steckt voller tiefer Emotionen.
Die drei Schwestern sind völlig unterschiedlich. Judith ist Juristin und geht zielstrebig ihren Weg. Gefühle schiebt sie schnell zur Seite. Anna hat momentan eine schwierige Entscheidung zu treffen. Verlässt sie sich auf ihr Herz oder ihren Verstand? Anna ist auch diejenige von den Dreien, die sich am meisten für die Wurzeln der Familie interessiert. Greta ist lebenslustig. Leben und leben lassen, ist ihr Motto.
Der Strang der Vergangenheit führt mich ins Jahr 1935 nach Hamburg. Jedes Kapitel beginnt mit einem Tagebuchauszug, der dann vertieft und fortgeführt wird. Louise ist die älteste Tochter des jüdischen Arztes David Blum. Sie ist befreundet mit dem Nachbarsjungen Carl von Hochstetten. Dessen Vater ist nicht nur Fabrikbesitzer, sondern ein hohes Tier bei den Nationalsozialisten. Wird ihre Liebe an den Zeitverhältnissen zerbrechen?

„...Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich wünschte, ich könnte immer bei dir sein, um dich zu beschützen, aber das kann ich nicht...“

Für Louises Familie beginnt der soziale Abstieg. Eine Ausreise zu Verwandten in Amerika lehnt der Vater ab, weil er seine Eltern nicht allein zurück lassen will. Beide würden keine Reise überstehen. Für Carl dagegen beginnt ein Leben voller Widersprüche. Er muss lavieren zwischen seinen persönlichen Empfinden - dass ist nicht nur seine Liebe zu Louise, sondern auch seine Einstellung zu Recht, Gerechtigkeit, Menschlichkeit – und den Erfordernissen der Zeit sowie den Ansprüchen seines Vaters.
In der Gegenwart erlebe ich bei einer Fahrradtour der Schwestern die Schönheiten von Neufundland.

„...Hunderte Meter unter ihnen schlugen die Wellen mit lauten Getöse gegen die steinigen Felsen und ließen Gicht aufsteigen. Vor ihnen schimmerten die Umrisse riesiger Eisberge...“

Beide Handlungsstränge verfügen über eine hohe innere Spannung. Während diese in der Gegenwart durch die menschlichen Befindlichkeiten und die komplexen Beziehungen aufgebaut wird, liegt sie in der Vergangenheit in den gesellschaftlichen Verhältnissen. Mehrere Male geht es um das nackte Überleben. Ab und an gestattet mir die Autorin einen kleinen Einblick in den Widerstandskampf gegen das Regime. Was man nicht weiß, kann man nicht verraten. Deshalb bleibt es in den Gesprächen bei vagen Andeutungen.
In beiden Zeitabschnitten werden die Protagonisten mit der folgenden Tatsache konfrontiert:

„...Es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht beeinflussen. Die passieren einfach. Ob man will oder nicht...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Für ein Debüt ist es von hoher erzählerischer Qualität. Außerdem zeugt es von exakter Recherche der Autorin. Mit dem Lebensmotto von Annas Großmutter möchte ich meine Rezension beschließen:

„...Morgen sieht die Welt wieder anders aus, und jeder Tag kann der Anfang einer neuen Geschichte deines Lebens sein...“

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Veröffentlicht am 28.06.2021

Gretchen geht ihren Weg

Die Damen vom Pariser Platz
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„...Bestimmt war die Stelle längst vergeben, man hatte nur vergessen, es ihr zu sagen! Gretchen gehörte zu den Menschen, die von anderen gern vergessen wurden...“

Auf Anraten ihrer Freundin Henni war ...

„...Bestimmt war die Stelle längst vergeben, man hatte nur vergessen, es ihr zu sagen! Gretchen gehörte zu den Menschen, die von anderen gern vergessen wurden...“

Auf Anraten ihrer Freundin Henni war Gretchen aus der Provinz nach Berlin gekommen. Sie sollte sich um eine Stellung im angesagtesten Modeatelier bewerben. Eigentlich weiß sie, was sie will, doch es mangelt ihr an Selbstbewusstsein. Dieses Mal aber hat sie Glück. Sie soll die Memoiren der Nachtclubsängerin Iris tippen.
Die Autorin hat einen aussagekräftigen historischen Roman im Berlin des Jahres 1926 geschrieben. Sie bildet in ihrer Geschichte die Zeitverhältnisse gekonnt ab.
Gretchen ist für ihre Zeit gut gebildet. Sie kann Latein und Griechisch. Sie träumt von einem Studium, aber dafür fehlt ihr das Geld. Nun hofft sie, es sich durch die Arbeit zusammen sparen zu können.
Henni dagegen nimmt das Leben, wie es ist. Sie schmeißt auch mal die Arbeit, wenn es ihr nicht passt. Sie hofft, dass schon jemand ihr Leben finanzieren wird.
Ich mag den subtilen Humor der Geschichte. So äußert Baronin von Withmannsthal, als sie den Schönheitssalon betritt und gefragt wird, ob sie eine angenehme Reise hatte:

„...Nein, es war ganz grauenhaft. Ich bin vollkommen erschöpft. […] Dieses ganze Kairo wimmelt nur so von Ägyptern!...“

Deutlich wird die Lebenslust der Zeit. Noch macht man über Hitler Späße. Doch erste Schatten zeigen sich schon am Horizont.
Fred George, Hennis Freund und Musiker, vermittelt Gretchen eine Unterkunft bei Fräulein Notter. Erst nach und nach wird mir klar, wie gekonnt Frieda Notter mit ihren Möglichkeiten spielt. Anfangs hielt ich sie für etwas verschroben.

„...Ich gehe nur mit verheirateten Männern aus. Schon seit Jahren. Das ist eben meine Natur. […] Ich sage immer, nichts macht einen Mann so attraktiv wie ein Goldring am Finger. Ein möglichst breiter...“

Frieda Notter will Spaß, aber keinesfalls geheiratet werden.
Henni führt Gretchen in das glamouröse Leben Berlins So lerne ich nicht nur das Varieté der damaligen Zeit, sondern auch manch Vergnügungslokal kennen. Je mehr aber Gretchens Selbstbewusstsein wächst und sie sich traut, ihre Meinung zu sagen, desto brüchiger wird die Freundschaft. Bei allem Tun bleibt Gretchen Realistin, während Henni wie auf Wolken schwebt. Wie schreibt die Autorin so schön?

„...Henni hat Flausen...“

Mit Iris kommt Henni gut zurecht. Sie bittet sie sogar, ihr Latein beizubringen. Das ist aber nur eine kurze Episode. Iris hat an einer Seite ihres Gesichts ein Narbe. Gerade die macht sie im Club zum Star. Woher aber stammt die? Jeder, den Gretchen fragt, erzählt eine andere Geschichte.
Ein informatives Nachwort und ein Glossar ergänzen die Geschichte.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist ein gelungenes Zeitgemälde.

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Veröffentlicht am 27.06.2021

Kriminalfall in Köln anno 260

Verrat in Colonia
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„...Sei vorsichtig! Hier stimmt etwas nicht. Ich rieche es, wenn Verrat in der Luft liegt, und in dieser Provinz stinkt es ganz gewaltig...“

Diese Worte, die der germanische Sklave zu Invita sagt, sollten ...

„...Sei vorsichtig! Hier stimmt etwas nicht. Ich rieche es, wenn Verrat in der Luft liegt, und in dieser Provinz stinkt es ganz gewaltig...“

Diese Worte, die der germanische Sklave zu Invita sagt, sollten sich bald als wahr erweisen. Doch dem war einiges vorausgegangen.
Wir schreiben das Jahr 260. Invita war mit ihrer Herrin Marcella von dessen Vater nach Colonia (Köln) geschickt wurden. Flavus sollte sie begleiten. Sie gehören zum Tross des Finanzprocurators. Schon unterwegs gab es den ersten Überfall. Glücklicherweise war Centurio Mucius Longinus mit seinen Soldaten rechtzeitig zur Stelle gewesen.
Die Autorin hat erneut einen spannenden historischen Krimi geschrieben. Die Geschichte wird von Invita erzählt. Invita ist nicht nur Marcellas persönliche Sklavin, sondern auch deren Vertraute. Außerdem hat sie gegebenenfalls eine ziemlich spitze Zunge.
Angekommen in Colonia vereinbaren Invita und Flavus ein Treffen in den Baderäumen, denn beides sind auch ein Paar. Dort findet Flavus einen schwer verletzten Mann. Damit nimmt das Unglück seinen Lauf. Der Mann stirbt und Flavus wird verhaftet.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Die verwendeten historischen Begriffe geben der Geschichte ihre Authentizität. Erläutert werden sie in einem Glossar im Anhang.
Sehr anschaulich wird die antike Stadt beschrieben. Hier haben sich nicht nur in der Architektur viele römische Eigenheiten durchgesetzt. So verfügt die Stadt über ein unterirdische Kanalsystem für Abwässer.
Bei der Beisetzung des Toten kommen Invita ernste Gedanken.

„...Und nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob es von Bedeutung war, auf welche Art die sterblichen Überreste eines Menschen zu Grabe getragen wurden und wer dabei zugegen war...“

Man könnte es in unserer heutigen Sprache auch anders formulieren: Gelten die gravierende Unterschiede in der damaligen Gesellschaft nach dem Tode weiter?
Mucius Longinus wird mit der Untersuchung des Mordes beauftragt. Das aber genügt Invita nicht. Sie stellt selbst Ermittlungen an. Dabei nutzt sie bei ihren Fragen raffiniert die Schwächen ihrer Mitmenschen aus. So gelingt es ihr, sie zum Sprechen zu bringen. Dass sie dabei selbst in Gefahr ist, ignoriert sie gekonnt.
Doch die Stadt hat mittlerweile ein weiteres Problem. Der Kaiser hat seinen Sohn als Statthalter eingesetzt. Der kennt nur Vergnügungen und schert sich einen Dreck um die Einwohner. Als der frühere Stadthalter Postumus mit einem Heer vor den Mauern steht, spitzt sich die Situation zu. Hunger und Pest zermürben die Bevölkerung. Und ein Herrscher, der unter Druck ist, reagiert irrational. Das gilt ebenso für den Kaisersohn. Überall sieht er Verrat und Intrige.
Marcella ist Christin. Das ist nicht ungefährlich. Doch sie ist sich nicht zu schade, selbst Hand anzulegen bei der Versorgung der Kranken und Siechen.

„...Es gibt Dinge, die es wert sind, etwas für sie zu riskieren, oder?...“

Die Autorin lässt viel Raum für die Emotionen ihrer Protagonisten. Und sie ist in der Lage, sie sehr bildhaft mit Metaphern darzustellen.

„...Die Traurigkeit in seinen Augen schien sich in einen unendlichen See zu verwandelt zu haben, der jeden, der ihm zu nahe kam, unbarmherzig in die Tiefe ziehen würde...“

Das Buch zeugt von ausführlicher Recherche der Autorin. Ein großer Teil der handelnden Personen sind historisch verbürgt. Das gilt auch für die Belagerung der Stadt.
Natürlich gibt es auch ruhige und besinnliche Momente:

„...Es gibt nichts Beeindruckenderes als einen Sonnenaufgang über dem Rheintal, wenn das ganze Land in gleißendes Gold getaucht wird...“

Natürlich wird am Ende der Fall gelöst. Wie in einem guten Krimi wartet dabei eine handfeste Überraschung auf den Leser.
Ein ausführliches Nachwort trennt Fakten von Fiktion. Ein Personenverzeichnis und Reisetipps zu antiken Stätten in Deutschland ergänzen das Buch.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich mag die Protagonisten mit ihren Ecken und Kanten.

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