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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.10.2020

Beeindruckendes Zeitgemälde

Und die Welt war jung
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„...Vermutlich war es kein guter Gedanke gewesen, den Silvesterabend nur zu zweit zu verbringen. Gerda feierte gern, aber er hatte sich Stille gewünscht. Ohne die Kinder, die ausgelassen nachholten, was ...

„...Vermutlich war es kein guter Gedanke gewesen, den Silvesterabend nur zu zweit zu verbringen. Gerda feierte gern, aber er hatte sich Stille gewünscht. Ohne die Kinder, die ausgelassen nachholten, was sie lange versäumt hatten...“

Es ist Neujahr 1950, als Heinrich diese Gedanken durch den Kopf gehen. Auch bei Gerdas Freundin Elisabeth in Hamburg wird Silvester eher ruhig gefeiert. Sie erfreuen sich an ihrem Enkel Jan, der seinen Vater nie gesehen hat. Wird der je aus dem Krieg zurückkehren?
Heinrichs Schwester Margarethe lebt mit ihrem Mann Bruno in San Remo. Dort hat die Schwiegermutter Agnese Canna das Sagen.
Die Autorin erzählt die Geschichte dreier Familien. Die einzelnen Episoden erlebe ich als Leser wie einzelne Schlaglichter, die Wesentliches und scheinbar Unwesentliches berichten. Zehn Jahre lang begleite ich die Protagonisten.
Der Schriftstil ist ausgereift. Die Personen werden sehr gut charakterisiert.
Neujahr 1950 steht vor allen die Frage, was das neue Jahrzehnt bringen wird. Nach und nach wird es mit der Wirtschaft aufwärts gehen. Die Wunden, die der Krieg in den Städten hinterlassen hat, werden sich schließen. Was aber ist mit den Wunden in den Seelen der Menschen? Haben sie eine Chance zu heilen? Genau diese Fragen machen für mich das Interessante im Buch aus. Sie geben der Geschichte einen inneren Spannungsbogen, der über manche Länge hinweghilft.
Da ist Nina, Elisabeths Tochter. Nach kurzem Kennenlernen hat sie vor Kriegsanbruch geheiratet. Seit fünf Jahren ist sie ohne Nachricht von ihrem Mann. Dann wird sie zu Silvester von einem englischen Journalisten angesprochen. Auch der ist gerade dabei, wieder ins Leben zurück zu finden. Er kennt ebenfalls Verlust und Tod. Wie soll sie sich entscheiden? Was sagt der Verstand? Was sagt das Herz?
Heinrich leitet eine Galerie. Wer aber kauft in der Zeit Bilder? Und dann bekommt er eins angeboten, das ihn zurück in die Vergangenheit führen wird. Plötzlich ist von einem Zyklus die Rede und einem jüdischen Maler.
Die sprachlichen Höhepunkte sind für mich die Vielzahl der Gespräche. Sie werfen ein Schlaglicht auf die Seelen der Protagonisten, ihre Verletzungen und ihre Hoffnungen.

„...“Nun fahre ich nach vielen Jahren wieder in die Ferien, und statt in Sonne, Sand und Meer zu schwelgen, spreche ich vom Krieg.“ „Er ist in uns allen. Für immer, Nina. Vielleicht noch in den Genen der Kinder, die wir haben werden.“...“

Immer wieder gibt es Rückblicke in die Kriegsjahre. Plötzlich werden Geschichten erzählt, die jahrelang verschwiegen wurden. Es geht um Schuld oder auch nur Schuldgefühl. Loslassen braucht Zeit.
Nur in San Remo scheint der Krieg keine Spuren hinterlassen zu haben. Hier geht es um Familienbande, Untreue und Herrschsucht. Einzig die wirtschaftlichen Schwierigkeiten weisen darauf hin, dass nicht alles rosig ist.
Wie lebt man mit dem Versagen? Heinrich bringt es auf den Punkt. Er gehört für mich zu den beeindruckendsten Personen der Geschichte.

„...Vorne an der Drususgasse gab es den Juwelier Himmelreich. Eines Tages war er nicht mehr da. Doch ich bin nicht zum Appellhofplatz gegangen und habe die Gestapo nach ihm gefragt. Nur geschwiegen wie viele andere...“

Es gibt nicht nur tiefsinnige Gespräche. Das Buch spiegelt das pralle Leben wider – Geburt, Tod, Neuanfang, Verlust. Der eine kommt aus der Fremde in die Heimat zurück. Ein anderer verlässt Köln, um der Erinnerung zu entfliehen. So unterschiedlich die Menschen, so unterschiedlich die Schicksale.
Fast auf der letzten Seite findet sich das folgende Zitat:

„...Am Neujahrstag sagte deine Mutter zu mir, der Krieg rücke von uns weg im letzten Jahr des Jahrzehnts. Aber er ist noch immer in uns...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist ein beeindruckendes Zeitgemälde.

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Veröffentlicht am 29.10.2020

Fesselnder Thriller

Elfenbeinkrieg
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„...Wieder einmal waren sie zu spät gekommen. Die Männer hatten sich im Halbkreis aufgestellt und blickten auf die grauen Riesen, die vor ihnen im niedergetrampelten Savannengras lagen...“

Die Park – ...

„...Wieder einmal waren sie zu spät gekommen. Die Männer hatten sich im Halbkreis aufgestellt und blickten auf die grauen Riesen, die vor ihnen im niedergetrampelten Savannengras lagen...“

Die Park – Ranger haben keine Chance gegen die professionellen Banden, die wegen des Elfenbeins Elefanten reihenweise abschlachten. Mit diesem heftigen Fund beginnt eine Geschichte, die die Hintergründe des Elfenbeinschmuggels im Blick hat.
Dann wechselt die Handlung nach Hamburg. Dort hat eine Razzia zu vier Toten geführt. Einer davon ist der BKA – Beamte Jürgen Rebhof. Das trifft Lukas schwer, denn Jürgen hat er seine Anstellung beim BKA zu verdanken.
Der Autor hat einen fesselnden Thriller geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Im Mittelpunkt steht Lukas. Er ist ein Mann mit mehreren Gesichtern, der von seiner beruflichen Vergangenheit geprägt wurde. Seine Frau konnte damit nicht umgehen und hat sich von ihm getrennt. Jedes seiner Treffen mit seiner kleinen Tochter Emilia wird von ihr kritisch beäugt. Mir hat der Umgang zwischen Vater und Tochter sehr gut gefallen. Ich mag den Humor zwischen beiden.

„...Deshalb ist es besser, du wartest noch bisschen damit, all die Jungs zu verhauen, die dich ärgern. Ein paar Jahre...“

Der Schriftstil unterstützt die über weite Teile rasante Handlung. Nachdem ein weiterer Zugriff in Hamburg nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, wartet auf Lukas ein Himmelfahrtskommando. Er soll den Anführer der Elfenbeinschmuggler im Sudan stellen.
Hintergrund der Geschichte ist der Tausch von Elfenbein gegen Waffen. Irgendwie müssen ja die einzelnen Terrororganisationen oder Rebellen in Afrika an Gewehre kommen. Hamburg ist dafür der Umschlagplatz. Und ein deutscher Banker muss sich von einem Afrikaner sagen lassen:

„...Ich habe verhindert, dass die einen Zeugen haben und jemand gegen uns aussagen kann. Besonders gegen Sie! Tote Männer reden nicht!...“

Das will heißen, dass schon mal die eigenen Leute erschossen werden, wenn sie sich erwischen lassen. Außerdem ist der Deutsche nur eine Marionette, die gekonnt unter Druck gesetzt wird.
Im Sudan wird Lukas schnell eines klar. Die einheimischen Behörden mögen zwar zum Teil in Deutschland studiert haben, aber hier haben sie das Sagen. Fremde Einmischung wird nicht toleriert.
Spannende Szenen beschleunigen die Handlung. Die örtlichen Grausamkeiten werden nicht ausgespart, aber auch nicht übermäßig strapaziert. Gleichzeitig werden die Verstrickungen, die bis nach Deutschland reichen, deutlich gemacht.
Am Ende bekommen leider nicht alle, was sie verdient haben. Für die Elefanten allerdings ist das Erreichte zumindest im Sudan ein Achtungserfolg.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie Menschlichkeit bei dem nötigen Profit auf der Strecke bleibt. Gleichzeitig erlaubt es mir einen Einblick in die Gedankenwelt der Söldner, die meist dem dienen, der am besten bezahlt.

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Veröffentlicht am 28.10.2020

Sehr schönes Kinderbuch

Die Weihnachtsgeschichte
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„...Maria und Josef wohnten in dem kleinen Dorf Nazaret...“

Mit diesem Satz beginnt ein Buch für Erstleser, das die Weihnachtsgeschichte in kindgerechter Form erzählt.
Schriftgröße, Satzbau und Erzählweise ...

„...Maria und Josef wohnten in dem kleinen Dorf Nazaret...“

Mit diesem Satz beginnt ein Buch für Erstleser, das die Weihnachtsgeschichte in kindgerechter Form erzählt.
Schriftgröße, Satzbau und Erzählweise sind sehr gut für Leseempfänger geeignet. Die Sätze sind kurz. Spätestens nach vier Sätzen folgt ein Abschnitt, sodass das Lesen gut gegliedert werden kann. Wörtliche Rede und selbst die Gedanken der Personen werden gekonnt eingebunden.
Inhaltlich passt sich die Geschichte eng an das biblische Original an. Die Begegnung Marias mit dem Engel, der Weg nach Betlehem, die Geburt, der Besuch der Hirten und das Geschehen um die drei Weisen aus dem Morgenland werden dabei thematisiert. Die Handlung ist gut nachvollziehbar. Auf der letzten Seite wird auf die entsprechenden Stellen im Evangelium hingewiesen.
Sehr schön sind die vielen farbigen Illustrationen, die die Geschichte veranschaulichen. Dabei fällt auf, dass die Darstellung gleicher Personen auf den folgenden Seiten sich nur in Nuancen, zum Beispiel der Körperhaltung oder dem Gesichtsausdruck, unterscheiden. Dadurch wissen die Kinder bis zum Schluss, wer auf den Bildern gemeint ist. Menschen und Tiere werden sehr lebensnah dargestellt. Die Zeichnungen enthalten alles Wesentliche.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 27.10.2020

Tischlers erster Fall

Prost, auf die Wirtin
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„...Die Schneider Heidi hat`s meiner Mama erzählt. Und die weiß es von der Grießbacher Gudrun, weil der ihr Mann im Schützenverein ist. Der war aber an dem Abend nicht da, aber Kleinschmidt Kurti hat`s ...

„...Die Schneider Heidi hat`s meiner Mama erzählt. Und die weiß es von der Grießbacher Gudrun, weil der ihr Mann im Schützenverein ist. Der war aber an dem Abend nicht da, aber Kleinschmidt Kurti hat`s ihr erzählt. Kurti ist der zweite Vorstand vom Schützenverein...“

Dorfklatsch vom Feinsten – und in der Atmosphäre soll Hauptkommissar Tischler einen Mord aufklären. Am Sonntag wurde Franziska Leidinger, die Wirtin eines örtlichen Gasthauses, im Wald erschossen. Gefunden hat sie der Hund des Försters Ferstel.
Für Tischler ist es der erste Fall, seitdem er von München nach Traunstein versetzt wurde. Die Polizei ist Kummer gewöhnt. Tischlers zwei Vorgänger haben es beide nicht lange ausgehalten.
Der Autor hat einen spannenden Krimi geschrieben, in dem sehr gut die lokalen Besonderheiten eingebunden werden. Tischlers Gedanken beim Anblick der Toten lesen sich so:

„...Wohin diese Frau auch gewollt hatte, sie hatte sicher nicht damit gerechnet, dass ihre Reise auf einer kleinen Waldlichtung enden würde. Und mit ihr auch ihr Leben, das sie noch vor sich gehabt hätte...“

Tischler hat allerdings nicht nur den Fall zu lösen, er muss auch das Selbstbewusstsein seines Partners Felix Fink aufbauen. Der wird ob seiner Eigenarten bei den Kollegen nicht für voll genommen. Gut, wenn etwas schief geht, ist es Fink, den es trifft. Bei seinen Verhören lässt er eine gewisse Leichtigkeit vermissen. Tischler sagt ihm zwar auch ab und zu gehörig die Meinung, sieht aber gleichzeitig seine Qualitäten. Es macht Freude zu lesen, wie Fink sich nach und nach zum Positiven entwickelt.
Ab und an blitzt ein feiner Humor auf. In einem Punkt kann ich Tischler nur zustimmen:

„...Zuallererst würde in sein Büro eine neue Kaffeemaschine einziehen. Denn das Leben war zu kurz, um schlechten Kaffee zu trinken...“

Erster Tatverdächtige ist der Ehemann der Toten. Der hat gern einmal zugelangt, wenn Franziska beim Bedienen einem anderen schöne Augen gemacht hat. Ansonsten war er sein bester Kunde und der Alkohol sein innigster Freund. Hätte er die ruhige Hand für einen solchen Schuss gehabt?

„...Felix, der Leidinger war wohl eher ohne Alkohol nicht zurechnungsfähig. Der funktionierte doch nur mit Sprit in den Adern...“

Im Ort verdeckt der schöne Schein manch dunkle Geschäfte. Eines davon ist Wilderei und Bio muss nicht Bio sein.
Fink kennt sich exzellent im Dorf aus. Die Antwort auf die Frage, woher er das weiß, ist ähnlich komplex und informativ wie das Eingangszitat.
Tischler hatte in seiner Kindheit und Jugend ein Internat in Traunstein besucht. Unabhängig von dem Fall wird er permanent an diese Zeit erinnert.
Am Ende wird der Täter überführt. Wieder einmal spielte das liebe Geld die Hauptrolle bei der Motivsuche.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Der eingebundene Dialekt gibt der Geschichte sein besonderes lokales Flair.

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Veröffentlicht am 25.10.2020

Gelungener Abschluss

Die Kaffeesiederin
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„...Scheint so, als würde ich nun auf Abdul hören...“

Das klingt bei Matthes sehr pragmatisch. Als Gefangener beim Sultan gelandet, gelingt es ihm, seinen wahren Stand zu verbergen. Als er dann Sultan ...

„...Scheint so, als würde ich nun auf Abdul hören...“

Das klingt bei Matthes sehr pragmatisch. Als Gefangener beim Sultan gelandet, gelingt es ihm, seinen wahren Stand zu verbergen. Als er dann Sultan Süleyman das Leben rettet, weil er einen feigen Angriff rechtzeitig registriert, wird er als Tierpfleger eingestellt.
Währenddessen macht sich Yana von Wien aus auf den Weg nach Belgrad, um dort Kaffeebohnen zu kaufen.
Die Autorin hat auch im zweiten Teil eine spannende Geschichte erzählt. Neben den historischen Gegebenheiten spielen hier Verrat und Intrigen eine besondere Rolle.
Nach dem ersten Kapitel kommt eine kurze Wiederholung der letzten Szenen von Teil 1.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er passt sich den Gegebenheiten an. Sehr deutlich wird die Boshaftigkeit von Frau Gohar. Sie hofft, dass Yana nie wieder in Wien erscheint. Damit hat sie aber Yanas Begleiter Mustafa in eine schwierige moralische Situation gebracht. Einerseits ist er Yana dankbar für alles, was sie für ihn getan hat, andererseits ist Gohars Drohung nicht ohne. Wie wird er sich entscheiden?
Aus Teil 1 weiß ich ja schon, dass Yana bei dem Sultan Matthes erkennt. Er allerdings zeigt keinerlei Reaktion. Dafür hat er gute Gründe.
Eingebettet sind weitere Lebensbeschreibung, so die von Veronica, die Yana auf der Reise kennenlernt. Ihre Gedanken zeigen eine besondere Wahrheit:

„...Aber manchmal muss man auf den Ruhm verzichten, wenn man ihn auch noch so sehr herbeisehnt...“

Während Yana an einem Scheideweg steht, gibt sich Gohar alle Mühe, das Kaffeehaus in ihren Besitz zu bringen. Die Hochzeit ihrer Tochter Tamar mit dem Sohn des Bürgermeisters scheint dafür ein probates Mittel.
Sehr schön werden die Anlagen im Reiche des Sultans beschrieben. Doch für die Frauen im Harem stellt sich die Zukunft so dar:

„...Eine Sklavin. Eine Gefangene in einem goldenen Käfig, aus dem es kein Entrinnen gab...“

Obwohl sich nicht nur Georg liebevoll um Yanas kleine Tochter kümmert, durchzieht deren Sehnsucht nach der Mutter die Geschichte wie ein roter Faden. Sehr schön fand ich das Märchen, dass Georg dem Mädchen erzählt hat. Es steckt voller Hoffnung.
Natürlich spielen auch Kriegsereignisse und insbesondere die Schlacht um Belgrad eine Rolle.
Ein aussagekräftiges Nachwort und ein Glossar runden das Buch ab.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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