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Veröffentlicht am 12.09.2020

Viel los in Vertikow

Bandenkrieg in Vertikow
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„...Es ist niemals alles in Ordnung. Und momentan scheint hier immer weniger in Ordnung zu sein...“

Mit diesen Worten legt Frau Treskow genau den Finger auf die Wunde. In Vertikow stimmt einiges nicht. ...

„...Es ist niemals alles in Ordnung. Und momentan scheint hier immer weniger in Ordnung zu sein...“

Mit diesen Worten legt Frau Treskow genau den Finger auf die Wunde. In Vertikow stimmt einiges nicht. Der 13jähige Ludwig, der sich mit Peer in kriminalistischen Übungen ergeht, glaubt nicht an den Selbstmord seines Vaters. Noch weniger gibt er dem Dorfklatsch recht, der seine Mutter darin verwickelt sieht. Kevin hat sich neue Freunde gesucht, die stark nach Rechts tendieren. Und bei der Frau Baronin ist der Sohn wieder eingezogen und hat seine zukünftige Braut mitgebracht. Die ist schwanger. Aus dem Schloss sollen nun Antiquitäten verkauft werden.
In der Eiche bei Eilien werden die Gäste immer weniger. Zwar erscheinen zwei Herren, die dort übernachten wollen, doch auf deren Fragen reagieren die Dorfbewohner eher skeptisch. Die geplante Fernsehserie hat echt wenig mit dem Dorfleben zu tun.
Peer nimmt sich vor, sich um den Tod von Ludwigs Vater zu kümmern.
Der Autor hat einen spannenden und vielschichtigen Krimi geschrieben.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Die Protagonisten werden ausreichend charakterisiert. Peer zum Beispiel schätzt Ludwig so ein:

„...Natürlich wäre Ludwig eine unermessliche Hilfe. Sein Wissen, seine methodische Herangehensweise, seine scharfsinnigen Schlüsse wären Gold wert...“

Aber Ludwig ist an dem Fall persönlich zu nahe dran. Deshalb muss er außen vor bleiben. Er ist intelligent genug, um das zu akzeptieren.
Sehr genau wird das Dorfleben beschrieben. Seitdem der junge Baron zurück ist, ist Hermann auf dem Schloss nicht mehr gern gesehen. Seine Treffen it der Baronin werden seltener. Im Büro blüht der Dorfklatsch. Gewisse okkulte Veranstaltung heißen das Klima weiter an. Und als Eilien einen Billardtisch in der Kneipe aufstellt, holt sie sich damit nur Ärger. Gleichzeitig sorgen zwei verfeindete Schwestern dafür, das sich sogar der junge Baron einmischt.
Peer hätte eigentlich alle Hände voll zu tun, um seinen Fall zu klären. Neuerdings aber hat er eine feste Arbeitsstelle und die konterkariert ab und an seinen Job als Detektiv. Trotzdem gelingt es ihm auf geschickte Weise, an die Ermittlungsakten zu kommen. Plötzlich erhält nicht nur die Mordtheorie einen gewaltigen Schub. Peer scheint in ein Wespennest gestochen zu haben. Und dann kommt es im Dorf zu Einbrüchen und Hakenkreuzschmierereien. Ernste Dialoge wechseln mit humorvollen Szenen. Auch auf musikalischen Gebiet öffnen sich für Peer neue Möglichkeiten.
Am Ende bleibt keine Frage offen. Nicht nur der Fall, auch die Schwierigkeiten im Dorf finden eine Lösung.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Wohlfühlroman mit Tiefe

Das kleine Pfötchencafé zum großen Glück
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„...Innere Werte sind gut und schön. Trotzdem sollten deine optischen Vorzüge ins Auge fallen. Aschenputtel war gestern, heute wirst du aussehen wie eine Märchenprinzessin...“

Mit diesen Worten mit Mila ...

„...Innere Werte sind gut und schön. Trotzdem sollten deine optischen Vorzüge ins Auge fallen. Aschenputtel war gestern, heute wirst du aussehen wie eine Märchenprinzessin...“

Mit diesen Worten mit Mila von ihrer besten Freundin Lilly für ein Bewerbungsgespräch gestylt. Bei Mila lief es in der letzten Zeit eher schlecht als recht. Sie hat ihren Freund Daniel verlassen und ist zu den Eltern zurückgezogen. Beide sind Ärzte, haben ein gutes Verhältnis zu Mila, sind für sie da, redet ihr aber nicht in ihr Leben hinein. Ihr Arbeitsvertrag in der Bank ist befristet. Nur ihre Sheltie – Hündin Amy macht ihr viel Freude. Ihr Blog „Hundherum glücklich“, auf dem Amy im Mittelpunkt steht, ist ein Erfolg.
Das Bewerbungsgespräch hat nichts gebracht. Mila denkt darüber nach, ob sie wirklich wieder in einer Bank arbeiten will. Als sie ihre Oma in der Seniorenresidenz besucht, läuft ihr Sam über den Weg. Der macht dort ein soziales Jahr und will danach ein eigenes Cafè eröffnen. Er ist gelernter Konditor. Da sich Mila mit Finanzen auskennt, bittet er sie, über seine Pläne drüber zu schauen.
Mila bäckt in ihrer Freizeit mit Begeisterung. Vor allem die alten Rezepte ihrer Oma haben es ihr angetan. Mila kommt die Idee, zusammen mit Sam ein Pfötchencafè zu eröffnen. Hundekekse hat sie schon für Amy gebacken.
Die Autorin hat einen stimmungsvollen und humorvollen Roman geschrieben.
Der Schriftstil ist leicht und locker, die Geschichte vielschichtig. Es geht nicht nur um Backen und Hunde. Auch soziale Fragen werden angesprochen, vor allem wenn Mila ihre Oma besucht.
Gekonnt setzt die Autorin amüsante Vergleiche:

„...Meine Arbeitskolleginnen steigen mindestens zweimal am Tag auf die Waage und verfolgen ihre Gewichtskurve mit der gleichen Aufmerksamkeit wie den Aktienmarkt...“

Sehr bildhaft wird die Landschaft rund um den Tegernsee beschrieben.
Gut gefällt mir, wie lebendig und vielschichtig die Protagonisten gezeichnet werden. Das gilt nicht nur für die Hauptakteure, sondern gleichermaßen für deren Freundeskreis. Jeder hat besondere Vorlieben, aber auch Fehler und Schwächen. Sie werden aber so angenommen, wie sie sind.
Und es gibt Sätze, die bleiben hängen, weil sie wichtig sind und viel über die Person, die sie ausspricht, sagen. Der folgende Satz stammt von Tristan, Sams Freund, als er erlebt, wie sich Daniel, Milas Ex, ihr gegenüber verhält.

„...Ich kann es nicht ausstehen, wenn Frauen schlecht behandelt werde. Das gehört sich nicht...“

Ich darf als Leser Mila und Sam bei der Suche nach einem geeigneten Objekt, bei der Ausgestaltung des Cafès und der Eröffnungsfeier gedanklich begleiten.
Natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz. Aber Vorsicht! Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint! Wie sagt einer der jungen Männer?

„...Merk dir: Ein perfekter Tag beginnt mit einem Kaffee und endet mit einem Kuss...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es greift gekonnt verschiedene Themen des Alltags auf und verknüpft sie zu einer lesenswerten Handlung.

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Veröffentlicht am 10.09.2020

Fesselnd und überraschend

Elbfang
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„...Inzwischen wusste er, dass die Vergangenheit einen jederzeit einholen konnte. Egal, wohin und egal wie schnell man auch davonrannte. Man trug sie in sich. Das war das Problem...“

Diese Gedanken gehen ...

„...Inzwischen wusste er, dass die Vergangenheit einen jederzeit einholen konnte. Egal, wohin und egal wie schnell man auch davonrannte. Man trug sie in sich. Das war das Problem...“

Diese Gedanken gehen Kommissar Philipp Goldberg durch den Kopf. Er hat sich eine Auszeit genommen, ohne seinen Kollegen zu sagen, warum und wohin. Die Kophusener Beamten Hauke und Peter könnten aber jetzt dringend seine Hilfe gebrauchen. Sie haben einen geheimnisvollen Fall zu lösen. Was war passiert?
Moritz und Hanna hatten sich zu einem Picknick getroffen. Moritz wollte ihr endlich einen Antrag machen. Doch dazu kommt es nicht. Ein nachtschwarzer Kahn mit einem unheimlichen Fährmann fährt an ihnen vorbei. Weit schallt der Ruf des Fährmanns über das Wasser. Beide fliehen aus Angst und informieren die Polizei über den Vorfall.
Während Hauke die Sache am liebsten zu den Akten legen würde, glaubt Peter, dass da mehr dahintersteckt.
Die Autorin hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Positiv fällt erneut der ausgefeilte Sprachstil der Autorin auf. Sie beherrscht ausgezeichnet den Umgang mit Sprachbildern.
Bei ihren Recherchen stoßen die Beamten auf zwei alte Vermisstenfälle. Könnte einer der Vermissten der Fährmann sein? Was aber hat er vor? Die Technik, mit der der Fährmann den Kahn bewegt hat, heißt wriggen. Sie ähnelt dem der Gondoliere in Venedig und bedarf langer Übung.
Die beiden Vermissten dürften sie beherrschen.„...
Zwischendurch lässt mich die Autorin einen Blick in den Seelenzustand von Philipp werfen. Er ist gerade dabei, seine Vergangenheit zu verarbeiten.
Sehr amüsant entwickeln sich immer die Gespräche, wenn Hauke und Peter in der Gaststätte bei Haukes Schwester und Mutter einkehren. Seine Mutter sagt ihm deutlich, was sie denkt:

„...Hauke – Maus, von wem hast du bloß deine Miesepetrigkeit?…

Zu den stilistischen Höhepunkten gehört für mich die Unterhaltung zwischen Hauke, Peter und Philipp, als letzterer ins Revier zurückkehrt. Vor allem Philipps stille Gedanken dabei haben eine ungeahnte Tiefe.

„...Er musste an Magda denken. Er hatte ihre wertvolle Zukunft für einen billigen Aufguss der Vergangenheit eingetauscht. Dabei wusste er, wie schal es schmeckte, den Espresso zweimal aufzubrühen...“

Mit Philipp nehmen die Ermittlungen Fahrt auf.
Das Buch bringt sehr viel Lokalkolorit rüber. Das geschieht einmal, durch die genaue Beschreibung von Land und Leuten, aber auch durch die Verwendung von Fachbegriffen, die meist selbsterklärend sind.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Am Ende wartet eine handfeste Überraschung.

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Veröffentlicht am 09.09.2020

Körpertausch und seine Folgen

Arthurs wildes Hundeleben
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„...Meine Eltern wissen genau, dass mein größter Wunsch vier Pfoten hat und bellt… Aber so leicht sie sonst auch nachgeben, bei diesem Thema bleiben sie stur...“

Dieser Gedanke geht Arthur auf den Heimweg ...

„...Meine Eltern wissen genau, dass mein größter Wunsch vier Pfoten hat und bellt… Aber so leicht sie sonst auch nachgeben, bei diesem Thema bleiben sie stur...“

Dieser Gedanke geht Arthur auf den Heimweg von der Schule durch den Kopf. Er ist sauer. Alle anderen haben ein Haustier, nur bei ihm will es nicht klappen. Heute aber wartet eine Überraschung auf ihn. Er soll für eine Woche auf den Hund Lucky aufpassen. Der ist alles andere als begeistert.

„...Meine Zweibeiner müssen verrückt sein! Die wollen mich doch nicht ernsthaft einem Welpen überlassen? Arthur heißt er und liebt angeblich Hunde...“

Die Autorin hat ein humorvolles Kinderbuch geschrieben. Das Besondere daran ist, dass die Geschichte einmal aus Arthurs und einmal aus Luckys Sicht erzählt wird.
Einen Hund wollen und über das Halten eines Hundes Bescheid zu wissen, sind zwei unterschiedliche Seiten einer Medaille. Arthurs bester Freund Karim dagegen geht behutsam mit Lucky um und nähert sich ihm auf Augenhöhe.
Am nächsten Morgen allerdings erwartet sowohl Arthur als auch Lucky eine handfeste Überraschung. Ersterer findet sich im Hundekörper, zweiterer auf zwei Beinen.Plötzlich sieht jeder die Welt aus der Sicht des anderen.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er ist gekonnt auf die Zielgruppe zugeschnitten und trotzdem ausgereift.
Natürlich führt der Körpertausch zu manch außergewöhnlichen, mal stressigen, mal humorvollen Situationen. Schnell sind sich beide einig, dass sie das Ganze wieder rückgängig machen wollen. Nur wie?
Gleichzeitig gewinnt vor allem, aber nicht nur, Arthur ein Gefühl, wie es seinen Hund in gewissen Situationen geht. Die unterschiedliche Ausprägung der Sinnesorgane von Mensch und Tier stellt beide vor neue Anforderungen. Hier ist Luckys Meinung dazu:

„...Natürlich war es wirklich interessant, mal in die Haut eines Zweibeiners zu schlüpfen. Zu erfahren, wie sich anfühlt, zu sprechen oder auf Stühlen herumzusitzen. Aber ganz ehrlich: Mir reicht`s...“

Schöne Schwarz-Weiß-Illustrationen veranschaulichen die Handlung. Die Seitenzahlen in Hundeknochen sind etwas Besonderes.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Nicht nur Arthur, auch ich als Leser habe eine Menge über Hunde und ihre Befindlichkeiten gelernt. Außerdem habe ich mich beim Lesen köstlich amüsiert.

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Veröffentlicht am 08.09.2020

Beeindruckende Familiengeschichte

So weit die Störche ziehen (Die Gutsherrin-Saga 1)
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„...Ich könnte nicht leben ohne das alles hier, ohne die Pferde, ohne die Hunde, ohne die Störche, ohne die Wiesen, ohne den Wald und die Seen. Ach Elli, auch wenn ich manchmal mit meiner Mutter oder Marianne ...

„...Ich könnte nicht leben ohne das alles hier, ohne die Pferde, ohne die Hunde, ohne die Störche, ohne die Wiesen, ohne den Wald und die Seen. Ach Elli, auch wenn ich manchmal mit meiner Mutter oder Marianne zanke, ich könnte Ostpreußen niemals auf immer verlassen…“

Als die 16jährige Dora Twardy diese Worte zu ihrer besten Freundin spricht, ahnt sie nicht, was das Leben für sie bereit hält. Noch ist alles Freude und Leichtigkeit. Wir schreiben das Jahr 1939. Für die Erwachsenen gibt es am 1. September ein erstes Ahnen, dass dunkle Zeiten auf sie zukommen. An diesem Tag heiratet Doras Cousine Grete. Und Dora hofft, dass sich Wilhelm von Lengendorff mit ihr verlobt.
Doch die Hochzeit wird jäh unterbrochen, als die Nachricht kommt, dass Deutschland in Polen einmarschiert ist. Die ältere Generation weiß aus dem Ersten Weltkrieg, was das bedeutet.
Die Autorin hat einen fesselnden Familienroman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Dora ist eine hübsche junge Dame. Das weiß sie, und das nutzt es gegebenenfalls zu ihren Vorteil. Häusliche Arbeiten allerdings sind ihr ein Graus. Sie ist sportlich und reitet vortrefflich. Das Leben ist für sie noch ein Spiel. Sie möchte ihren Willen sofort durchsetzen und kann ein Nein nur schwer akzeptieren.
Wilhelm von Lengendorff wird einst den Hof und das Gestüt seiner Eltern erben. Er hat Pläne für die Zukunft, ist aber Realist genug, um zu wissen, dass der Krieg ihn die durchaus zerstören kann. Deshalb bleibt er vernünftig und erläutert Dora, dass momentan keine Zeit für eine Verlobung ist.
Sehr anschaulich beschreibt die Autorin das Leben in Ostpreußen.

„...Die harte Zeit der Roggenernte war vorüber, keine Mähmaschine klapperte auf den mehr Feldern, und auch das Dengeln war verstummt, dieser helle metallische Klang, der an den ostpreußischen Sommerabenden die Luft erfüllte, wenn die Bauern ihre Sensen auf den Amboss legten und mit gleichmäßigen Hammerschlägen auf die Schnittflächen für den Einsatz am nächsten Tag schärften...“

Das Zitat zeigt gleichzeitig den ausgewogenen Schriftstil, der auf Genauigkeit setzt und passende Metapher findet.
Der erste Einschnitt in Doras Leben kommt nach dem Ende der Schulzeit. Ihr Onkel Hermann wurde plötzlich Witwer. Da die Familie zusammenhält, hat Doras Vater bestimmt, dass sie sich um dessen Haushalt und seine kleinen Kinder in Königsberg kümmert soll. Dort lernt Dora den Fotografen Curt von Thorau kennen. Er zeigt ihr in ihrer wenigen Freizeit das Stadtleben. Der Krieg ist weit weg. Seine einzigen Spuren sieht man daran, dass nach und nach immer mehr Männer eingezogen werden. Wilhelm zum Beispiel ist in Frankreich. Doras Bruder Hans geht freiwillig zu den Fliegern. Sein Vater ist dagegen, kann aber nichts machen.

„...Dazu brauche ich eure Genehmigung nicht. Ab achtzehn kann man sich melden. So stand es in der Zeitung...“

Als der Onkel wieder heiratet, kehrt Dora ins Dorf zurück. Ich darf verfolgen, wie aus dem unbeschwerten und zum Teil egoistischen jungen Mädchen eine Frau wird, die sich den Anforderungen der Zeit stellt und in vielen Situationen über ich hinauswächst. Mittlerweile wurde auch der Vater eingezogen. Sehr behutsam und detailliert schildert die Autorin Doras Entwicklung und bettet sie ein in die gesellschaftlichen Verhältnisse. Es dauert lange, bis man in Ostpreußen wirklich begreift, welche Folgen der Krieg hat. Gut, es gibt materielle Einschränkungen, aber die Kämpfe und die Bombenangriffe sind weit weg. Auf dem Gut geht das Leben seines Gang. Fremdarbeiter ersetzen die Einheimischen.
Zu den stilistisch und inhaltlichen Höhepunkten gehört für mich ein Gespräch zwischen Curt und Dora. Er versucht, ihr die Augen zu öffnen, denn als Kriegsberichterstatter weiß er, was wirklich Sache ist.

“...Ja, so schreiben es die Zeitungen. Aber glaub mir, Dora. Kein Wort davon ist wahr. […] Seit der Niederlage von Stalingrad ist es vorbei. Die Russen marschieren gen Westen, als wären die tapferen deutschen Soldaten nur Streichhölzer in der Landschaft...“

Es sind die vielen kleinen Szenen, die das Buch zu etwas Besonderen machen. Mal sachlich, mal voller Gefühl wird deutlich, welche Entscheidungen notwendig sind und was für Folgen sie haben. Erst als Dora selbst den Schrecken der Bombennacht von Königsberg erlebt, kann sie die Angst ihrer Cousine in Hamburg nachvollziehen. Ihre Mutter war stets für Haus und Kinder zuständig. Deshalb liegt die Last der Entscheidungen auf Dora. Glücklicherweise war sie schon früher dem Vater auf dem Gut zur Hand gegangen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Allerdings sollte man sich von dem Text auf der Rückseite nicht irritieren lassen. Er entspricht nicht den Tatsachen. Das ändert aber nichts daran, dass der Autorin ein beeindruckendes Epos über eine noch gar nicht so lange zurückliegende Vergangenheit gelungen ist.

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