Bewegende Familiensaga
Libellenjahre„...Alles ist verloren. Nicht nur der verdammte Krieg. Wohin sind die Jahre? Wohin sind die Jugend, die Leichtigkeit, das Lachen, die Liebe?...“
Diese Worte gehen Constanze durch den Kopf, als sie mit ...
„...Alles ist verloren. Nicht nur der verdammte Krieg. Wohin sind die Jahre? Wohin sind die Jugend, die Leichtigkeit, das Lachen, die Liebe?...“
Diese Worte gehen Constanze durch den Kopf, als sie mit einem Lazarettzug Danzig verlässt. Sie hofft auf eine Zukunft mit ihren Kindern. Ihr Bruder Justus hat sie in diesen Zug gesetzt. Es soll der letzte sein, der die Stadt gen Westen verlässt.
Dann geht die Erinnerung zurück ins Jahr 1930. Die 19jährige Constanze von Warthenberg nimmt mit ihren älteren Brüdern Justus und Armin an einer Segelregatta in ihrer Heimatstadt Königsberg teil. Sie schlagen das Boot von Clemens Rosanowski. Für Constanze und Clemens ist diese erste Begegnung nicht die letzte.
Die Autorin hat einen fesselnden und berührenden historischen Roman geschrieben.
Die Personen werden gut charakterisiert. Constanze ist eine selbstbewusste junge Dame. Ein Blick in ihre Vergangenheit zeigt, dass sie schon einiges gesundheitlich durchgemacht, daraus aber viel Stärke gewonnen hat. Sie möchte Biologie studieren und kann mit der Unterstützung des Vaters rechnen.
Clemens stammt aus Warschau und lebt nun in Danzig. Er hat einen polnischen Vater, eine deutsche Mutter und eine jüdische Großmutter. Schon diese Konstellation zeigt, mit welchen Problemen sich der junge Mann wird herumschlagen müssen. Seine Familie ist zwar nicht arm, kann sich aber mit den von Warthenberg nicht messen.
Es bedeutet Kampf, bis Constanzes Eltern der Heirat der beiden zustimmen. Ausschlaggebend dafür ist Charlotte, Constanzes Großmutter väterlicherseits, die noch immer auf den Gut lebt und arbeitet. Zu ihrem Sohn Karl sagt sie:
„...Ich denke ein wenig moderner als deine Vorfahren und vertrete die Auffassung, niemand hat das Recht, die Wege seiner Kinder zu bestimmen. Leiten, stützen, ausstatten mit alle, da ihnen nützen kann, ja! Aber sich niemals vor eine Liebe werfen und versuchen, das Glück zweier Menschen zu verhindern...“
Sehr viel heftiger noch sind die Worte, die sie ihrer Schwiegertochter entgegenhält. Constanzes` Vater Karl sieht genau wie Charlotte mit klarem Blick, wohin politisch die Reise geht. Das war einer der Gründe seiner Skepsis gegenüber Clemens.
Für das junge Paar beginnen wenige Jahre der Leichtigkeit. Clemens‘ Hochzeitsgeschenk symbolisiert diese Leichtigkeit, die er an Constanze schätzt. Doch die Zeit vergeht schnell und die politische Lage fordert harte Entscheidungen.
Die Autorin versteht es, die innere Zerrissenheit von Clemens wiederzugeben. Er tut alles für seine kleine Familie. Er hat nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Constanze trägt seine Entscheidung mit. Die Kriegserlebnisse hinterlassen tiefe Spuren. Und wie soll er seinen Eltern und Geschwistern sein Leben erklären?
Hautnah lässt mich die Autorin den Kriegsbeginn in Danzig und Königsberg miterleben. Die Grausamkeiten sind nur schwer erträglich. Clemens hat nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: SS oder Wehrmacht. Ersteres kommt für ihn nicht mehr in Frage. Zuviel hat er schon gesehen. Constanze trägt seine Entscheidung mit. Die Kriegserlebnisse hinterlassen tiefe Spuren. Und wie soll er seinen Eltern und Geschwistern sein Leben erklären? Was ist mit seinen polnischen Wurzeln?
Im ausgefeilten Schriftstil gibt es einige Besonderheiten. Das sind an manchen Stelen kurze Sätze und Ein – Wort – Sätze. Im ersten Kapitel zeigen sie, das nun jede Sekunde zählt. Hier wird sprachlich die nötige eile umgesetzt
.
„...Leere Gassen, stille Stadt. Nur der Motor. Und in der Ferne dieses dumpfe Grollen. Viel zu dicht schon...“
Und dann gibt es die romantischen Szenne, mal ausgeschmückt, mal kurz gehalten, malals Kombination von beiden:
„...Und am Ende einfach so sitzen bleiben wollen. Zwischen den beiden Männern, die ihr, jeder auf seine Weise, so viel bedeuteten. Vor der Kulisse des Waldes, der Felsen, unter dem dunkelblauen Himmelszelt mit seinen unendlich vielen glitzernden Lichtern...“
Die beiden Männer im Zitat sind Clemens und ihr Bruder Justus. Charlotte und Justus sind die beiden Menschen, die für Constanze nicht nur in den Jahren der Krieges zum Halt werden. Die Weisheit ihrer Großmutter ist durch nichts zu ersetzen. Und Justus? Das sollte der künftige Leser selbst herausfinden.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Das offen Ende lässt auf einen schnellen zweiten Band hoffen.