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Veröffentlicht am 04.06.2019

Flüchtlinge - einst und jetzt

Die UnWillkommenen
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„...Ein kleiner Junge am Strand an der türkischen Küste, in rotem T-Shirt und blauer Hose, die dunklen nassen Haare kleben am Kopf, bäuchlings mit dem Gesicht im Sand, drei Jahre alt wie Jasper und tot. ...

„...Ein kleiner Junge am Strand an der türkischen Küste, in rotem T-Shirt und blauer Hose, die dunklen nassen Haare kleben am Kopf, bäuchlings mit dem Gesicht im Sand, drei Jahre alt wie Jasper und tot. Ein Foto, das mich schlucken lässt...“

Wir schreiben das Jahr 2015. Jonathan, sechs Jahre alt, erzählt seiner Mutter, dass in seine Klasse ein Junge aus Syrien gekommen ist. Im Bus treffen sie wenige Tage später Rami, den Jungen, mit seinem kleinen Bruder und dem Vater. Sie kommen ins Gespräch.
Kurze Szenen von Flüchtlingsströmen gehen der Autorin durch den Kopf. Dazu gehört auch das Eingangszitat.
Die Autorin hat einen besonderen Roman zum Thema Flüchtlinge geschrieben. Einerseits erzählt sie von ihrer Bekanntschaft mit der syrischen Familie, andererseits gibt es viele Rückblenden in die Vergangenheit und in die eigene Familiengeschichte.

„...Da kamen so viele Flüchtlinge, man wusste gar nicht, wo man die alle unterbringen sollte. Die hatten nichts mehr, sie hatten alles verloren. Das war schrecklich, als die ankamen...“

Das Zitat beschreibt nicht die aktuelle Situation. Es stammt von Grete, der Oma der Autorin. Damit beginnt deren Bericht über die letzten Kriegstage. Ihr Vater war Bürgermeister in einem Dorf und damit für die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich. Schon damals wurden Unterschiede gemacht. Wer aus dem Osten kam, war ein Flüchtling, wer aus westlicher Richtung floh ein Evakuierter.
Über Albrecht, den Opa, fallen nur wenige Worte. Er war psychisch gezeichnet von den Erlebnissen im Russlandfeldzug.
Ein anderer Handlungsstrang erinnert an Christel, die andere Großmutter. Sie musste in jungen Jahren aus Ostpreußen fliehen. Erinnerungen an die Flucht gibt es in der Familie nicht. Die Enkelin besucht Kaliningrad. Die Fahrt hinterlässt einen schalen Geschmack.
Und dann gibt es Mo, einen Freund der Familie. Er fährt nach Serbien, um dort in Flüchtlingslagern zu helfen. Sein bitteres Fazit lautet:

„...Wenn ich diese Lager mit den unwürdigen Bedingungen schwarz-weiß eingefärbt hätte, hätte mich das an eine andere Zeit erinnert. Ich glaube nicht mehr an Europa...“

In der Gegenwart kommt es zu einer freundschaftlichen Beziehung zwischen der Familie der Autorin und Reyhan und Nadim, Ramis Eltern. Natürlich kommt es ab und an zu Missverständnissen. Zu unterschiedlich sind die gewohnten Traditionen. Für beide Seiten wird es ein Lernprozess. Es ist ein Geben und ein Nehmen.
Im Flüchtlingscafè lernt die Autorin weitere Personen kennen. Ihre Schicksale werden kurz erzählt.
Nadim war Rechtsanwalt, auch Reyhan hatte studiert. Doch die Abschlüsse werden nicht anerkannt. Nadim hat auch keine Chance auf eine geförderte Ausbildung, weil er mit 37 Jahren dafür zu alt ist. Die Autorin hilft der Familie durch den Dschungel des deutschen Bürokratismus und stößt immer wieder an Grenzen. Angeboten werden bestenfalls Jobs im Niedriglohnbereich. Die Autorin konstatiert:

„...Ich weigere mich zu glauben, dass es Utopie ist, einem geflüchteten Akademiker in Deutschland zu einer Ausbildung oder einer Arbeit zu verhelfen...“

In gemeinsamen Gesprächen werden Fest- und Feiertage erläutert. Außerdem wird deutlich, dass beide Religionen auf gleiche Wurzeln zurück gehen. Abraham und Joseph sind zwei Namen, die dabei fallen. Parallelen zeigen sich auch im Bereich der Märchen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es regt zum Nachdenken an. Gleichzeitig macht die Geschichte Mut, unvoreingenommen aufeinander zuzugehen.

Veröffentlicht am 04.06.2019

Der Weg in den Ruin

Das Handelshaus
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„...Lass mich dir einen Rat geben, Stephan, einen Rat, den dir keiner deiner verdrehten Professoren mit auf den Weg gegeben hat: Es gibt Menschen, die sich mit dem begnügen, was sie haben. Menschen, die ...

„...Lass mich dir einen Rat geben, Stephan, einen Rat, den dir keiner deiner verdrehten Professoren mit auf den Weg gegeben hat: Es gibt Menschen, die sich mit dem begnügen, was sie haben. Menschen, die ein Nein akzeptieren, wenn ihnen ein Nein serviert wird. [...].Und dann gibt es Menschen, es sind nur einige wenige, die ein Nein von vornherein ausschließen...“

Der Kaufmann Hans Loytz zwingt seine Söhne Simon und Stephan, mit ihm zum Fischen zu fahren. Sie sollen sich beweisen. Doch die Jungen kehren allein zurück. Der Vater wurde vom Fischnetz in die Tiefe gezogen.
Jahre später, im Jahre 1566, kehrt Stephan vom Studium der Rechte in Italien zurück. Michael, der älteste Sohn, ist nun der Regierer des Handelshauses. Den jüngsten Bruder Simon hat er des Hauses verwiesen. Er ist zum Alkoholiker geworden.
Der Autor hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Schon das Eingangszitat zeigt, dass Michael bestrebt ist, allein das Heft des Handelns in der Hand zu halten. Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Simon dagegen hat den Tod des Vaters nie verkraftet. An dem Tag ist auch sein Leben zerbrochen. Stephan versucht, ihn neu aufzubauen. Das aber gestaltet sich schwierig.
Stephan selbst erscheint nach seiner Rückkehr aus Italien als modischer Geck. Dann aber stellt sich heraus, dass das nur die äußere Fassade ist. Der Einsatz für einen jüngeren Bruder zeichnet ein anderes Bild von ihm. Auch hofft er, Teilhaber am Geschäft des Vaters zu werden.
Michael spielt mit den Menschen und benutzt sie zu seinen Zwecken. Allerdings hat er mit folgender Aussage nicht Unrecht:

„...Die Wirtschaft ist grausam heutzutage. Da bleibt jeder auf der Strecke, der nicht mithalten kann...“

Trotzdem heiligt der Zweck nicht die Mittel.
Und dann gibt es noch Leni. Die junge, selbstbewusste Frau arbeitet bei den Ärmsten der Armen im Hospital, obwohl ihr Vater Kaufmann ist. Der ist aber in finanziellen Schwierigkeiten. Einst wurden Leni und Michael einander versprochen. Leni aber will diese Ehe nicht. Sie ahnt nicht, wie nahe sie und Stephan sich kommen werden.
Sehr schnell wird deutlich, dass der Adel sein gutes Leben beibehalten will, ohne dafür etwas zu tun, und dazu auf das Geld der Kaufleute angewiesen ist. Rückzahlungen von Schulden versucht man geschickt zu umgehen. Nicht jeder Kaufmann erkennt die damit verbundene Gefahr. Andererseits sorgt der Krieg im Norden dafür, dass die Handelsgeschäfte beeinträchtigt sind. Und mit falschen Anschuldigen und Intrigen kann man ein Handelshaus schnell kaputt spielen. Verträge sind oft nicht das Papier wert, auf dem sie stehen.
Im Hause Loytz gibt es kein miteinander. Michael erwartet, dass sich jeder nach ihm richtet. Das kann nicht gut gehen.
Währenddessen nimmt im Lande die Hungersnot zu. Die Gutsherren verkaufen das Getreide an Kaufleute, die dafür gutes Geld im Ausland erhalten. Diejenigen, die es angebaut und geerntet haben, aber haben nichts zu essen. Nur einer der Gutsherren sieht die lage realistisch.

„...Und es sollte in Eurem Interesse sein, diese Arbeitskräfte zu erhalten, die das erwirtschaften, was Euch reich macht...“

Ein umfangreiches Nachwort trennt Fiktion von Realität.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Gier, Verrat und Intrige zerstören eine Familie und deren Erbe. Das die Wurzeln dafür schon in der Kindheit gelegt wurden, macht der Prolog deutlich.

Veröffentlicht am 02.06.2019

Spannende Freundschaftsgeschichte

Das Baumhaustrio und die geheimnisvolle Truhe
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„...Aber eines ist klar: Mit euch zusammen wird es trotzdem nie langweilig, ob wir jetzt einem Abenteuer hinterherjagen oder in unserem Baumhaus sitzen. Mit euch macht einfach alles Spaß...“

Marc trifft ...

„...Aber eines ist klar: Mit euch zusammen wird es trotzdem nie langweilig, ob wir jetzt einem Abenteuer hinterherjagen oder in unserem Baumhaus sitzen. Mit euch macht einfach alles Spaß...“

Marc trifft sich mit den Geschwistern Ruben und Paula in ihrem Baumhaus. Kurz reflektieren sie ihren letzten Fall. Ich kenne den zwar nicht, hatte aber kein Problem, die Anspielung zu verstehen. Die Kinder beseitigen danach mit dem Einverständnis der Eltern den maroden Zaun zwischen ihren Grundstücken, bevor sie zum Trödler gefahren werden. Dort dürfen sie sich Möbel für ihr Baumhaus aussuchen. Dabei fällt ihnen eine alte Reisetruhe auf. Nach einigen Verhandlungen können sie die Truhe mitnehmen.
Die Autorin hat ein spannendes und vielseitiges Kinderbuch geschrieben. Die Geschichte lässt sich zügig lesen.
Der Schriftstil ist der Zielgruppe angepasst. Die Personen werden gut charakterisiert. Das trifft insbesondere auf Marc zu. Der Junge ist gehörlos. Deshalb bedeutet es ihm viel, dass Rubin und Paula mit ihm normal umgehen. Durch seine Gedanken weiß ich als Leser, dass er wegen seiner Behinderung früher oft ausgegrenzt wurde. Kraft findet Marc in seinem Glauben. Seine Gebete drücken genau das aus, was er denkt und fühlt.
Als die Truhe im Baumhaus eines Tages verschwunden ist, machen sich die Kinder auf die Suche. Da allerdings ihr letzter Fall zu lebensgefährlichen Situationen führte, versprechen sie den Eltern, kein Risiko einzugehen. Sie einfach aber ist die Sache nicht. Sie kennen nur wenige Fakten. Paula stellt fest:

„...Aber leider war es im wirklichen Leben nicht so, dass man wie bei einem spannenden Buch heimlich die letzten Seiten lesen konnte, damit man schneller wusste, wie die Geschichte ausgeht...“

Gut gefällt mir, wie Marc seinen Freunden erklärt, was seine Implantate von normalen Hören unterscheidet und warum er deshalb froh ist, wie er ohne sie die Stille genießen kann.
Sein Gespräch, dass er mit Paula führt, als sie ihm beim Beten antrifft, ist kindgerecht und geht trotzdem in die Tiefe. Nur ein Zitat daraus möge genügen:

„...Manchmal spüre ich nach dem Beten überhaupt nichts. Aber oft ist es so, dass ich mich nach dem Beten einfach besser fühle, weil ich weiß, dass ich Jesus nicht egal bin...“

Als besonderes Highlight hat die Autorin die Geschichte der Truhe mit in die Handlung integriert. Als Leser erfahre ich nicht nur, wo sie herkommt, sondern auch, wie sie nach Deutschland kam.Im Anhang finden sich einige Worte in Gebärdensprache und ein vollständiges Gebärdenalphabet. Im Text wurden ebenfalls die Stellen gekennzeichnet, wo es um das Gebärden geht.

Veröffentlicht am 01.06.2019

Abenteuer Mirathasia

Gefangen im Riesenbuch (3)
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„...Das sollte wohl ein Witz sein! Bücher waren bloß beschriftete Seiten, die irgendjemand zusammengeheftet hatte...“

Im Hausaufgabenheft steht es Schwarz auf Weiß: Emily soll bis morgen ein Buch lesen. ...

„...Das sollte wohl ein Witz sein! Bücher waren bloß beschriftete Seiten, die irgendjemand zusammengeheftet hatte...“

Im Hausaufgabenheft steht es Schwarz auf Weiß: Emily soll bis morgen ein Buch lesen. Die Aufgabe hat sie geschickt vor sich hergeschoben, denn sie findet Bücher langweilig. Plötzlich flimmert die Luft um sie herum und ehe Emily sich versieht, ist sie in einer unbekannten Welt, in der Stadt Mirathasia. Als ein Alarm losgeht, wird sie zu Boden gestoßen. Julian hilft ihr. Das aber sieht sie erst einmal anders, denn zusammen mit ihm ist sie in einem Riesenbuch eingeschlossen.
Die Autorin hat ein erneut spannendes Abenteuer in Mirathasia geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen. Sie ist ein Plädoyer für die Lust am Lesen.
Der Schriftstil ist der Zielgruppe angemessen. Obiges Zitat stammt von Emily. Julian dagegen ist von Büchern begeistert.
Wenn sie den Ausgang aus dem Buch finden wollen, müssen sie zuerst herausfinden, warum sich das Buch geschlossen hat, denn das ist noch nie passiert. Auffallend ist, dass sich nicht nur die Bücher, sondern auch andere Einrichtungsgegenstände gegenüber Julian ganz anders verhalten als gegenüber Emily. Außerdem behauptet Julian, dass das Riesenbuch krank ist.
Als Leser darf ich Emily und Julian auf ihren Weg durch das Buch begleiten. Dabei erfahre ich eine Menge über die Entwicklung der Schrift und der Welt der Bücher. Nach und nach fasst Julian das Problem in Worte.

„...Und das nur, weil es so viele Menschen gibt, die nicht mehr richtig in ein Buch eintauchen können! […] Sie wissen nicht, wie schön es ist, mit den Protagonisten im Buch zu leiden oder aufzuatmen, wenn das Problem gelöst ist. Sie gucken nur auf ihr blödes Smartphone ...“
In jeder Zeile wird deutlich, dass Julian Bücher liebt. Er hindert Emily daran, sie zu beschädigen und trauert darum, dass mit dem Untergang des Buches viele Bücher verloren gehen.
Doch die Wanderung verändert auch Emily. Wie das gelingt? Dazu muss man das Buch lesen.
Eingebunden in die Handlung werden kurze Episoden aus den anderen Bänden von Mirathasia.
Etliche schöne Schwarz-Weiß-Zeichnungen veranschaulichen die Handlung.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie legt gekonnt die Finger in eine der Wunden unserer Zeit.

Veröffentlicht am 01.06.2019

Spannender roman über Katharina II.

Die Zarin und der Philosoph (Sankt-Petersburg-Roman 2)
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„...Die Zarin macht eine aufgeklärten Eindruck. Es wäre zu viel verlangt, dass sie von einem Tag auf den anderen mittelalterliche Zustände abschafft...“

Wir schreiben das Jahr 1762. In Russland wird Zar ...

„...Die Zarin macht eine aufgeklärten Eindruck. Es wäre zu viel verlangt, dass sie von einem Tag auf den anderen mittelalterliche Zustände abschafft...“

Wir schreiben das Jahr 1762. In Russland wird Zar Peter III. zu Grabe getragen. Kurze Zeit später lässt sich Katharina, seine Frau, zur Zarin krönen. Einst als Prinzessin Sophie von Anhalt - Zerbst geboren, nennt sie sich nun Katharina II.
In Potsdam empfängt Friedrich II. von Preußen den jungen Philosophen Stephan Mervier. Der hofft auf eine Anstellung an der preußischen Akademie, wird aber als Spion an den Hof von Katharina II. geschickt. Friedrich will wissen, was die russische Zarin vor hat.
Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Gekonnt werden historische Personen und fiktive Protagonisten miteinander in einer spannenden Handlung verwoben, um die Zeit Katharinas lebendig werden zu lassen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Zu den historischen Personen gehört Grigori Orlow. Der hofft, von Katharina geheiratet zu werden. Dann aber müsste sie die Macht teilen – und das liegt ihr gar nicht.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Das Eingangszitat stammt von Stephan. Es zeigt das Dilemma der Zarin. Einerseits geht die Zeit der Aufklärung nicht an Russland vorbei, andererseits kann sie, um ihre Macht zu erhalten, den Adel nicht vor den Kopf stoßen. Deshalb steht die Abschaffung der Leibeigenschaft nicht auf ihrer Agenda. Gleichzeitig benutzt sie selbst Menschen wie Figuren auf einem Schachbrett. Sie steuert die Heiratspolitik für ihre Untergebenen und ist sich nicht zu schade, Leibeigene als Preis für besondere Leistungen zu verschenken.
Zu den stilistischen und inhaltlichen Höhepunkten gehören für mich die verschiedensten Dialoge. Sonja, ein Mädchen, das die Zarin bei sich aufgenommen hat, ist weit für ihr Alter. Katharina versucht, ihr die aktuelle Politik zu erklären. Das klingt unter anderem so:

„...Man muss sich nicht mögen, nur respektieren, wenn man die Geschicke Europas gemeinsam bestimmt...“

Die Gespräche mit Mervier dagegen wirken eher wie ein gegenseitiges Abtasten. Stephan versteckt seine Kritik an der Politik der Zarin und sein Interesse an näheren Informationen in wohlgeformten Sätzen. Er will intellektuelle Diskussionen und sich nicht von Emotionen treiben lassen. Nicht immer gelingt ihm das. Sehr viel deutlicher wird Diderot gegenüber der Zarin.
Wesentliche historische Ereignisse werden mehr oder weniger in die Handlung integriert. Die Pestrevolte wird nur kurz gestreift, der Krieg gegen die Türkei spielt ebenfalls eine geringe Rolle. Ausführlicher wird der Aufstand unter Pugatschow dargestellt.
Anschaulich und in bildhafter Sprache wiedergegeben dagegen wird das Leben in St. Petersburg. Hier werden auch die Unterschiede zu anderen europäischen Metropolen thematisiert.

„...Es roch nach Dung und Fettgebackenen. Pastetenverkäufer trugen ihre Ware auf Tabletts vor sich her und priesen sie an, Frauen in bäuerlicher Tracht liefen zwischen herausgeputzten Adligen in feinstem Zwirn...“

Deutlich wird, dass sich auch Russland im Umbruch befindet. In intellektuellen Zirkel werden nicht nur philosophische Themen diskutiert. Es erscheinen erste regimekritische Bücher. Natürlich zieht die Zarin aus all dem Schlussfolgerungen für ihre aktuelle Politik. Eine straffere Organisation des Landes ist die eine, die Gründung von Schulen und eine allgemeine Schulpflicht eine andere.
Ein ausführliches Personenregister, eine Zeittafel und ein informatives Nachwort ergänzen das Buch. In den Umschlagseiten befindet sich eine historische Karte von St. Petersburg und eine von Russland.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeichnet ein manchmal farbenfrohes, manchmal düsteres Bild des Lebens in Russland.