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Veröffentlicht am 05.11.2017

Beeindruckende Biografie

Und die Erde wird zittern
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„...Meine arme Schwiegertochter begreift nicht, dass sie die Dynastie und sich selbst ruiniert. Sie glaubt aufrichtig an die Heiligkeit eines Abenteurers, und wir sind ohnmächtig, das Unglück abzuwenden, ...

„...Meine arme Schwiegertochter begreift nicht, dass sie die Dynastie und sich selbst ruiniert. Sie glaubt aufrichtig an die Heiligkeit eines Abenteurers, und wir sind ohnmächtig, das Unglück abzuwenden, das unvermeidlich sein wird...“


Grigori.Jefimowitsch Rasputin – wer war der Mann, der die russische Gesellschaft und Kirche gespalten hat, der Zugang zum Palast des Zaren hatte, obwohl er nicht aus dem Adel stammte, und über den eine Menge an Mythen und Geschichten kursierten? Der Autor Douglas Smith, Historiker und Russland-Spezialist, hat eine Annäherung an die vielschichtige Persönlichkeit von Rasputin versucht. Gleichzeitig zeichnet er ein Zeitgemälde der russischen Oberschicht in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts.

Der Autor hat die Biografie in sieben Teile gegliedert.

Im ersten Teil fragt er nach Rasputins Vorfahren. Er beschreibt, so weit bekannt, seine Kindheit und Jugend als Sohn eines Bauern im sibirischen Dorf Pokrowskoje, seine Pilgerschaft und sein Leben bis zu seiner Reise nach St. Petersburg im Jahre 1904.

Der zweiten Teil beschäftigt sich mit den zunehmenden Kontakten von Rasputin zum Zarenhaus und endet 1909.

Die Jahre 1910 und 1911 lassen Rasputin immer mehr in die öffentliche Wahrnehmung gelangen. Die Gesellschaft trennt sich in Bewunderer und Gegner.

Der vierte Teil widmet sich den Untersuchungen gegen Rasputin, dem ersten Attentat und seinem Verhalten bis Juni 1914.

Danach setzt sich der Autor mit dem Leben des Protagonisten in den ersten beiden Kriegsjahren auseinander. Sein Verhalten gegenüber Frauen und sein Alkoholismus werden ebenso thematisiert wie seine politischen und religiösen Ansichten. Ein Zitat aus einem seiner Briefe zeigt, dass er sich anfangs gegen die Kriegsteilnahme Russlands ausgesprochen hat:;

„...Ich weiß, sie alle wollen den Krieg von Dir und begreifen offenbar nicht, dass er den Ruin bedeutet...“

Der sechste Teil spannt den Bogen bis zur Ermordung Rasputins und beleuchtet die darauf folgenden Untersuchungen.

Der letzte Teil endet mit dem Tode des Zaren und seiner Familie.

Der Schriftstil des Buches ist sehr sachlich gehalten. Trotzdem lesen sich manche Teile wie ein Roman, denn der Autor versteht es, trockene Themen anschaulich darzustellen.

In jeder Zeile ist die exakte und umfangreiche Recherche des Autors spürbar. Er hat eine Vielzahl an Originaldokumenten studiert und verwendet. Eingerückt im Text wird häufig aus diesem Dokumenten, seien es Zeitungsartikel, Briefe oder Bücher, zitiert. Dabei werden die verwendeten Aussagen aus verschiedenen Blickwinkel beleuchtet, unterschiedliche Quellen miteinander verglichen und dann kritisch der Wahrheitsgehalt überprüft. Viele Aussagen verweist der Autor dabei ins Reich der Mythen und Legenden, weil sie persönliche Standpunkte wiedergeben und einer Überprüfung an der gesellschaftlichen Realität nicht standhalten.

Obiges Zitat stammt aus einem Brief von Maria Fjodorowna, der Mutter des Zaren. Sie muss ohnmächtig zusehen, wie Alexandra den Zaren dominiert.

Doch der Autor hat es nicht nur bei der Biografie von Rasputin belassen. Er erzählt dessen Leben im Lichte der politischen Verhältnisse im zaristischen Russland. Am Zarenhof trifft man auf eine Gesellschaft, die die Bodenhaftung verloren hat und sich an Dekadenz überbietet. Zar Nikolaus ist nicht sehr entscheidungsfreudig und hat keinen Blick für die Nöte seines Volkes. Die Frauen der gehobenen Gesellschaft frönen dem Okkultismus. Da kommt ihnen ein sibirischer Bauer gerade recht, der geschickt mit Worten umzugehen weiß. Alexandra, die Zarin, macht dabei keine Ausnahme. Hinzu kommt, dass sie in Rasputin den Retter ihres kranken Sohnes Alexei sieht.

Die russisch-orthodoxe Kirche ist ebenfalls vorwiegend mit sich beschäftigt. Rasputin polarisiert. Für die einen ist er ein Altgläubiger, andere verehren ihn. Exakt beschreibt der Autor die Lebensläufe etliche Personen, die Rasputins Weg gekreuzt haben, seine es Freunde oder Feinde. Insbesondere Iliodor sind dabei umfangreiche Abschnitte gewidmet. Als geschworener Feind Rasputins hat er versucht, sein Wissen nicht nur in Russland zu Geld zu machen. Mit seinem Buch „Der heilige Teufel“ hat er seine Version von Rasputins Leben dargelegt. Der Autor Douglas Smith weist allerdings nach, dass der Wahrheitsgehalt eher minimal ist. Das Buch enthält mehr Phantasien als Tatsachen.

Deutlich wird herausgearbeitet, wie sich die Situation zuspitzt. Geheimdienst, Presse und Duma interessieren sich zunehmend für den Mann, dem man eine aktive Rolle bei politischen Entscheidungen zuspricht. Die Zeit verändert aber auch Rasputin, je mehr er zum einzigen Feind hochstilisiert wird. Die wahren Gefahren für die russische Gesellschaft werden nicht gesehen. Dieses Zwiespalt stellt der Autor ausgezeichnet dar. Auch das folgende Zitat bringt dies zum Ausdruck:

„...Fast kein Russe sah mehr realistisch, was mit seinem Land geschah, wer dafür verantwortlich war und wie Russland gerettet werden könnte...Für die meisten Menschen musste Rasputin sterben, damit Russland leben konnte. Bald sollten sie erkennen, wie sehr sie sich geirrt hatten...“

Eine Karte Russlands und ein Stadtplan von ST. Petersburg ergänzen das Buch. Im Anhang befinden sich ein umfassende Anmerkungen, eine Bibliografie, Bildnachweise und ein Register. Eingebettet in die Biografie wurden an zwei Stellen insgesamt 102 Fotos.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Ein Toter auf dem Friedhof

Umkehrschuss
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„...Eine Leiche auf nüchternen Magen ist sicher schwer zu verdauen...“

Wir befinden uns in der Schnee-Eifel. Hier treffen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Belgien aufeinander. Katja Klein leitet ...

„...Eine Leiche auf nüchternen Magen ist sicher schwer zu verdauen...“

Wir befinden uns in der Schnee-Eifel. Hier treffen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Belgien aufeinander. Katja Klein leitet das Restaurant „Einkehr“. Verstört kommt Gudrun, ihre Freundin und Mitarbeiterin, ins Restaurant. Sie hat auf dem Friedhof einen Toten gefunden.
Die Autorin hat einen humorvollen Krimi geschrieben. Es ist mein erstes Buch aus der Reihe, aber ich hatte keinerlei Probleme, der Handlung zu folgen.
Den Toten scheint weder jemand zu kennen, noch zu vermissen. Obwohl sich Katja nicht an sein Gesicht erinnern kann, findet man bei der Obduktion im Magen ein Gericht von ihrer Karte. Aber Katja hat gerade viel Arbeit und keine Zeit, für polizeiliche Ermittlungen. Es gilt, eine Goldene Hochzeit auszurichten.
Der Schriftstil des Buches lässt sich zügig lesen. Ich mag die gekonnten Wortspielereien. Gerade bei den Dialogen wird auf eine Stichwort häufig geschickt gekontert. Obiges Zitat ist ein Beispiel für den oft trockenen Humor. Es gibt aber auch ernste Themen. Das ist nicht nur der Mord, der die Gemüter bewegt. Auffallend ist, dass der Mann keinerlei persönliche Sachen bei sich hatte. Er wurde neu eingekleidet – mit Garderobe eines Werbeflyers.
Beim Treffen in Katjas Restaurant bleibt natürlich die politische Diskussion nicht aus. Dabei habe ich eine Menge über dieses Fleckchen Erde dazugelernt. Hier treffen sich Vertreter zweier Bundesländer mit Belgiern. Manche Begriffe können durchaus zu Missverständnissen führen. Ein Reichsbürger ist in Deutschland etwas völlig anderes als in Belgien. Außerdem gibt es Diskussionen über Ostbelgien. Bei reichlich Alkohol werden ebenfalls die Kriegsjahre und Nachkriegsjahre aufgearbeitet.
Schwieriger ist es für Mathilde. Sie hat einen Teil ihrer jüdischen Familie verloren und muss erleben, dass der Enkel ihrer besten Freundin sich rechtsradikalen Ideen verschreibt. Wie geht man mit einer solchen Situation um, zumal Mathildes 100. Geburtstag in wenigen Tagen ansteht?
Als dann noch ein Fernsehteam auftaucht, braucht Katja Nerven wie Stahlseile.
Nebenbei erzählt die Autorin während der Handlung weitere Lebensgeschichten. Eine davon betrifft Sandra, die Schwiegertochter des Goldenen Hochzeitspaares. Die junge Frau stammt aus Siebenbürgen. Deren Sprache hat erstaunlich viel Ähnlichkeit mit der der Luxemburger.
Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Gekonnt werden alle Fäden zusammengeführt.
Eine Karte zu Beginn des Buches veranschaulicht alle Handlungsorte. Im Vorwort werden nicht nur die Gegend, sondern auch die wichtigsten Protagonisten des Buches vorgestellt.
Vor jedem Kapitel wird mit wenigen Worten auf den zu erwartenden Inhalt hingewiesen. Außerdem beginnt jedes Kapitel mit einem Rezept, das kursiv gedruckt wurde.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Sympathische Protagonisten, eine abwechslungsreiche Handlung, sehr viel Lokalkolorit und mal humorvolle, mal ernste Gespräche nicht nur am Stammtisch haben dafür gesorgt. Auch mag ich geschickt eingestreute historische Fakten.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Spannende Fortsetzung

Die Jahre der Schwalben
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„...Ich urteile nach Können und nicht nach Rasse...“

Wir schreiben das Jahr 1930. Frederike besucht die Familie in Ostpreußen. Sie braucht Hilfe auf ihrem Gut, denn ihr Mann Ax wird immer noch wegen seiner ...

„...Ich urteile nach Können und nicht nach Rasse...“

Wir schreiben das Jahr 1930. Frederike besucht die Familie in Ostpreußen. Sie braucht Hilfe auf ihrem Gut, denn ihr Mann Ax wird immer noch wegen seiner Tuberkulose in Davos behandelt. Natürlich sind die Spannungen zwischen Frederike und ihrer Mutter mit den Händen greifbar, denn im Gegensatz zu Frederike wusste ihre Mutter von Ax` Krankheit.
Das Buch ist der zweite Teil einer Familien-Saga. Es schließt sehr zeitnah an den ersten Teil an. Die Geschichte lässt sich zügig lesen und hat mich schnell wieder in ihren Bann gezogen. Ich darf Frederikes Leben bis ins Jahr 1944 verfolgen.
Frederike wurde nach ihrem Hochzeit sinnbildlich ins kalte Wasser geworfen. Sie ist noch nicht volljährig, muss aber ein großes Gut leiten. Glücklicherweise greifen ihr ihr Stiefvater Erik und ihre Tante Edeltraud kurzfristig unter die Arme. Nur Stefanie, ihre Mutter, bleibt selbstherrlich und egoistisch.
Der Schriftstil des Buches ist ausgewogen. Detailgenau wird das Leben auf dem Gut beschrieben. Genauso intensiv werde ich über die politischen Entwicklungen informiert. Der Inspektor auf Ax` Gut ist schon 1930 ein strammer Nazi. Er versucht, Frederike seine Entscheidungen aufzuzwingen. Erik allerdings setzt ihn kurzerhand vor die Tür. Das Überleben eines Gutes ist wichtiger als Politik. Obiges Zitat stammt von dem neuen Inspektor, der aus adligen Haus stammt, aber sich als dritter Sohn eine Arbeitsstelle suchen muss. Seine Frau ist ein konvertierte Jüdin. Dass schränkt seine Arbeitsmöglichkeiten ein. Die unterschiedlichen politischen Ansichten spalten Familien.
Während Erik und Frederike hoffen, dass die NSDAP keine Chance hat, versprechen sich die meisten Gutsbesitzer in Ostpreußen und Schlesien von Hitler eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Auf deren Seite steht auch Stefanie.
Ein Besuch bei Thea in Berlin ist für Frederike ein Aufatmen in ihrer schwierigen Lebenslage. 1930 präsentiert sich Berlin noch weltoffen. Das aber sollte sich bald ändern.
Während der Kriegsjahre ist selbst auf den Gütern des Adels das Leben mit Einschränkungen verbunden. Steckrübensuppe gehört zum Alltag. Hinzu kommt, das man sich jedes Wort zweimal überlegen muss, denn Verrat hat Hochkonjunktur. Auch bei der Behandlung von Kriegsgefangenen, die den Gutsbesitzern zugewiesen werden, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Frederike hat in ihren ersten Ehejahren gelernt, schwierige Situationen durchzustehen und selbst Hand anzulegen. Das kommt ihr nun zugute. Menschlichkeit siegt über Hass und Fanatismus.
Vielfältige Informationen sind in der Handlung eingebettet. So werde ich über eine mögliche Impfung gegen Tuberkulose informiert. Für Ax allerdings kommt sie zu spät, denn sie ist nur kurz nach der Infektion wirksam. Durch Caspar zu Mansfeld erhalte ich einen Einblick in die Verschwörung gegen Hitler vor Kriegsausbruch. Außerdem hat er als Diplomat Einsicht in die internationale Politik. Fritz von Fennhusen, Frederikes Halbbruder, lässt sich als Pilot ausbilden. Seine Vorstellung von der Entwicklung der Flugzeugindustrie in Friedenszeiten kommen der Realität sehr nahe.
Der Cliffhanger vor dem dritten Teil ist heftig.
Ein ausführliches Personenverzeichnis und ein sehr informatives Nachwort ergänzen das Buch.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. In einer spannenden Handlung und anhand sehr persönlicher Schicksale wird ein dunkles Stück deutscher Geschichte beleuchtet.

Veröffentlicht am 31.10.2017

Nach uns die Sintflut??

Planet Planlos
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„...Wir sind nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird, aber wir sind die letzte Generation, die etwas gegen den Klimawandel tun kann. Barack Obama...“


In 7 Kapitel beschäftigen sich ...

„...Wir sind nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird, aber wir sind die letzte Generation, die etwas gegen den Klimawandel tun kann. Barack Obama...“


In 7 Kapitel beschäftigen sich die Autoren mit dem Klimawandel. Das erste Kapitel dient der Einleitung in das Thema.

Danach führen mich das Buch rund um die Welt. Es wird mir an anschaulichen Beispielen gezeigt, wo die ersten Folgen der Temperaturerhöhung schon spürbar sind. Ich darf die große Schmelze auf Spitzbergen beobachten, lerne die Schönwetterflut in Florida kennen und erfahre von den Problemen der Reisbauern in Vietnam, um nur drei der Beispiele zu nennen.

Im dritten Kapitel verfolge ich die Auswirkungen der kleinen Eiszeit in Thüringen des Jahres 1315. Folgendes Zitat fasst das Geschehen und seine Folgen zusammen:

„...Kurzfristige Klimaänderungen hatten oft gravierende Auswirkungen auf die Gesellschaft. Ulf Büntgen...“

Danach werden wissenschaftliche Leistungen der letzten reichlich hundert Jahre aufgelistet, die auf eine mögliche Erwärmung der Erde durch Kohlendioxid hinweisen. Gleichzeitig wird deutlich gemacht, wie bestimmte Industriezweige gegen dieses Wissen Sturm liefen oder Gegengutachten in Auftrag gaben.

Im Kapitel 4 geht es um den momentanen Stand der Erkenntnis. Viele der Sätze beginnen hier mit „...Wir wissen...“

Kapitel 5 versucht ausgehend vom gegenwärtigen Zustand und mittels aktuellen Zahlenmaterial einen Ausblick. Wichtig sind die Kipp-Elemente. Sind die bei einem Vorgang erreicht, dann lässt er sich nicht mehr umkehren. Es erfolgt eine Kettenreaktion. Das kann bedeuten, dass ein linearer Vorgang sich plötzlich exponentiell verhält.

Im Kapitel 6 bekomme ich vorgerechnet, wie viel Kohlendioxid ich täglich durch mein Tun und Handeln in die Atmosphäre schicke. Die Zahlen sind erschreckend.

Im letzten Kapitel wird ein 10-Punkte-Masterplan vorgestellt.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Wissenschaftliche Fakten werden allgemeinverständlich erläutern. Viele Beispiele veranschaulichen die Theorie. Diagramm und Karten sind in den Text eingebunden. Die behandelten Fragen werden aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Dort, wo es verschiedenen Wege und Szenarien gibt, werden sie auch alle berücksichtigt. Offene Fragen werden ehrlich angesprochen.

Das Besondere am Schriftstil ist es, dass er nicht trocken daherkommt, sondern mit einem fein dosierten Humor die Dinge betrachtet, wie das folgende Zitat zeigt:

„...Und wir widmen unser Dasein der Ansammlung von möglichst vielen Gegenständen, von denen die liebe Verwandtschaft einen Großteil an die Fürsorge spendet oder auf den Sperrmüll schmeißt, sobald wir mal die Radieschen von unten betrachten...“

Aussagen von Wissenschaftlern und Politiker werden grau unterlegt. Dazu gehört das Eingangszitat.

Jedes Kapitel beginnt mit einer Überschrift und einem Zitat zum Thema.

Ein Nachwort und Ein Verzeichnis von Literatur & Co. ergänzen das Buch.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich wünsche ihm viele interessierte Leser und könnte mir vorstellen, dass es zur Unterrichtsliteratur werden könnte. Stefan Bonner und Anne Weiss legen gekonnt den Finger in die Wunden unserer Zivilisation. Das Buch kann und will aufrütteln. Ein Zitat möge meine Rezension abschließen.

„...Wäre die Welt eine Bank, hätten wir sie längst gerettet. Greenpeace...“

Veröffentlicht am 30.10.2017

Menschliche Einblicke

Begegnungen - Geschichten aus der Psychiatrie
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„...Aha, nicht die Psyche, endlich mal was Materielles...“

In dem Buch erzählt der Autor 22 Geschichten aus der Psychiatrie. 1988 hat er begonnen, als Ergotherapeut in einer gerontopsychiatrischen Abteilung ...

„...Aha, nicht die Psyche, endlich mal was Materielles...“

In dem Buch erzählt der Autor 22 Geschichten aus der Psychiatrie. 1988 hat er begonnen, als Ergotherapeut in einer gerontopsychiatrischen Abteilung zu arbeiten. Dort werden Menschen in höherem Lebensalter mit psychischen Problemen aufgenommen. Aus diesen Anfangsjahren stammen die Erzählungen.
Diese 22 Geschichten spielen die Vielfalt des Leben in der Psychiatrie wieder. Dazu gehört, dass natürlich unterschiedliche Krankheitsbilder , aber auch verschiedene Charaktere in den einzelnen Erzählungen enthalten sind.
Der Schriftstil ist gut lesbar und leicht verständlich. Fachbegriffe werden im Kontext oder am Beispiel erklärt.
Es gibt Geschichten, die einen feinen Humor beinhalten. Dazu gehört die erste Erzählung. Die Reaktion des Arztes auf das Geschehen habe ich als Eingangszitat gewählt. Nicht jeder würde es so gelassen hinnehmen, wenn Erbrochenes auf seinen Schuhen landet.
Einige Geschichten zeigen, dass ein Ergotherapeut oft in der Praxis dazu lernt. Zu den Angeboten gehört es, den Patienten vorzulesen und dann Fragen zum Text zu stellen. In „Die unendliche Geschichte“ wird klar, dass nicht jede Lektüre dafür geeignet ist. In „Anziehtraining“ zeigt sich, dass Theorie und Praxis manchmal zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind.
Die Ergotherapie ist ein Angebot, dass der Patient annehmen kann, aber nicht muss. In mehreren Erzählungen wird berichtet, wie schwierig es ist, Patienten dazu zu motivieren. Gelingt es, kommt es ab und zu zu überraschenden Ergebnissen.
Zu meinen Lieblingsgeschichten gehört „Der Direktor“. Jahrelang eingeübte Verhaltensmuster und gefestigtes Auftreten bleibt trotz Demenz erhalten.
Gut gefallen hat mir, dass der Autor die Patienten als Menschen mit Wünschen und eigenen Willen betrachtet. Er lässt ihnen trotz aller Defizite, die nicht verschwiegen werden, ihre Würde.
Wichtig ist das Nachwort. Eigentlich wäre es sogar als Vorwort günstiger, denn es enthält wesentliche Informationen zur Entstehung des Buches.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.