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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.11.2017

Traumhaft schön

Die Sternennacht
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„...Er sagt oft, die Sterne in den Bergen sind so schön wie auf dem Bild von der Sternennacht, das van Gogh gemalt hat...“

Als ich dieses Buch in die Hand bekam, stellte ich schnell fest, dass mir damit ...

„...Er sagt oft, die Sterne in den Bergen sind so schön wie auf dem Bild von der Sternennacht, das van Gogh gemalt hat...“

Als ich dieses Buch in die Hand bekam, stellte ich schnell fest, dass mir damit ein besonderes Geschenk gemacht wurde. Das liegt nicht nur an der hochwertigen Aufmachung, sondern auch an der erzählten Geschichte. Das Buch wird als Bilderbuch für Jugendliche und Erwachsene bezeichnet. Das trifft genau den Kern.
Die Geschichte wird von dem Mädchen erzählt. Die Texte sind sehr kurz gehalten und beschränken sich auf das Wesentliche. Es sind pro Seite nur wenige Zeilen, in vielen Fällen sogar nur eine. Manchmal steht der Text im Bild, manchmal darunter. Obiges Zitat stammt von ihrem Opa, der in den Bergen lebte.
Der Großteil der Erzählung geschieht durch bildhafte Darstellung. Im Mittelpunkt stehen zwei junge Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Die vielbeschäftigten Eltern haben keine Zeit für die Probleme der Heranwachsenden. Die Ich-Erzählerin fühlt sich einsam. Da kommt in die Schule ein Junge, der sich schwer einfügen kann. Sie geht auf ihn zu und hilft ihm. In der Beziehung ist sie der aktivere Teil. Eine gemeinsame Fahrt in die Heimat des Großvaters wird zu einem bleibenden Erlebnis. Es hinterlässt Spuren, die bis in die Zukunft reichen.
Beeindruckende Bilder illustrieren die Handlung. Mal nehmen sie eine Seite ein, mal eine Doppelseite. Selten gibt es Seiten ohne Bilder. Ein Beispiel ist mir besonders aufgefallen. Für ihren stillen Abschied vom Opa braucht sie kein Bild.
Die Bilder fangen unterschiedliche Atmosphären ein. Der Junge versteckt sich in einem Irrgarten voller bunter Blumen, sie fühlt sich wie ein von Zweigen im Baum gefangener Vogel.
Ein Bild wiederholt sich drei Mal. Es ist das Bild der Bushaltestelle. Dort werden nicht nur unterschiedliche Jahreszeiten dargestellt, sondern auch der Stand ihrer Beziehung. Anfangs wartet sie allein, beim nächsten Bild stehen beide an der Haltestelle, auf dem letzten ist keiner zu sehen.
Vor der Abreise in die Berge gibt es eine rote Doppelseite. Die Urlaubsseiten kommen häufig völlig ohne Worte aus. Hier sprechen die Bilder zum Betrachter. Höhepunkt ist der Sternenhimmel und die strahlende Sonne.
Das Buch enthält Reproduktionen klassischer Gemälde als Wandbilder, unter anderen die Sternennacht von van Gogh.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es gehört zu denen, die ich sicher öfter in die Hand nehme, denn auf den Bildern gibt es so viel zu entdecken.

Veröffentlicht am 18.11.2017

Wichtiges Zeitdokument

Freund unter Feinden
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„...Die Menschen waren sehr zugänglich und uns nicht einmal feindlich gesinnt...“

Dem Buch ist ein Vorwort vorangestellt. Dort legt Werner Schimke, der Sohn des Autors dar, warum er das Buch seines Vaters ...

„...Die Menschen waren sehr zugänglich und uns nicht einmal feindlich gesinnt...“

Dem Buch ist ein Vorwort vorangestellt. Dort legt Werner Schimke, der Sohn des Autors dar, warum er das Buch seines Vaters veröffentlicht hat. Eigentlich waren die Zielen nur für die Kinder und Enkel gedacht.
Die Geschichte beginnt am 8. November 1938 in Berlin. Max ist auf dem Weg zu seinem jüdischen Schneider, dem er die letzte Rate für den Anzug bringen möchte. Hautnah erlebt er dabei die Reichskristallnacht.
Nach dem Arbeitsdienst wird Max mit 20 Jahren eingezogen. Einer Ausbildung folgt der Einsatz in Frankreich. Doch auf ihn wartet erst einmal die Ostfront. Prag, Warschau, Brest-Litowsk und Minsk sind die Stationen seines Lebens. Von der Ukraine aus marschiert seine Einheit dann nach Serbien und Albanien.
Der Schriftstil des Buches ist sehr sachlich. Max, der dem Nationalsozialmus kritisch gegenübersteht, listet die Stationen seiner Einsätze auf, geht aber auf die Grausamkeit des Krieges nur punktuell ein. Lediglich in Zusammenhang mit die Partisanenbewegung in Jugoslawien werden die Schattenseiten des Krieges thematisiert. Dafür beschreibt er ausführlich seine Unterbringung bei Familien unterschiedlicher Nationalität. Obiges Zitat erlebt er mehrmals. Er hat die Fähigkeit auf Menschen zuzugehen und sie als sein Gegenüber zu akzeptieren. Entsprechend kommen sie ihm entgegen. Er teilt seinen Proviant mit ihnen. Ich hatte fast den Eindruck, dass ihm nicht klar war, wie gefährlich dies eigentlich war. Sowohl mit seinen Vorgesetzten als auch mit seinen konkreten Einsatzorten hatte er Glück. Mehrmals wurde er vor dem Tod bewahrt. Außerdem überlebt er die Malaria. In Warschau erlebt er die Ankunft eines Transports mit jüdischen Bürgern. Auch hier war er sich vermutlich der gesamten Tragweite des Geschehens nicht bewusst. Schön beschrieben wurde die Kriegshochzeit. Die Jungvermählten hatten sogar ein paar freie Tage für die Hochzeitsreise zur Verfügung.
Jahre nach dem Krieg findet der Autor zum Glauben. Jetzt sieht er im Rückblick die vielen Stationen der Bewahrung.
Vielfältige Fotos veranschaulichen die Handlung.
Ein Nachwort des Sohnes schließt das Buch ab.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie ist ein wichtiges Zeitdokument und zeigt aus ganz persönlicher Sicht, wie der Krieg in das Leben der Menschen eingegriffen hat.

Veröffentlicht am 16.11.2017

Vertauschtes Kind?

Kärntner Wiegenlied
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„...Aber in unserer Gesellschaft ist für Menschen mit Problemen keine Zeit vorhanden...“

Rosner plagt sich seit Wochen damit herum, einen Einbrecher zu fassen. Der aber spielt mit der Polizei. Doch dann ...

„...Aber in unserer Gesellschaft ist für Menschen mit Problemen keine Zeit vorhanden...“

Rosner plagt sich seit Wochen damit herum, einen Einbrecher zu fassen. Der aber spielt mit der Polizei. Doch dann teilt ihm seine Freundin Alice mit, dass sie schwanger ist. Das gibt Rosner Hoffnung für seine private Zukunft.
In der Kinderklinik hat Helene ihren Sohn Max bekommen. Ihr Freund Sven ist Musiker und nimmt Drogen. Dass belastet Helene.Außerdem hat sie Angst, ihr Baby im Säuglingszimmer nicht wiederzuerkennen. Sie zählt immer die Betten ab. Die Marotte ist Gespräch im Schwesternzimmer. Wenige Tage später behauptet sie, das Kind, das man ihr gebracht habe, sei nicht Max. Keiner glaubt ihr. Die zuständige Säuglingsschwester, die Max kennt, hat gerade ein paar Tage Urlaub. Die anderen Schwestern haben den Jungen vorher nie gesehen.
Die Autorin hat einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der hohe Spannungsbogen wird nicht allein durch die abwechslungsreiche Handlung und den schnellen Wechsel der beiden miteinander verknüpften Handlungsstränge erzeugt, sondern vor allem durch die psychischen Aspekte der Handlung. Ein Handlungsstrang erzählt Helenes Geschichte in der Klinik, im zweiten steht Rosner im Mittelpunkt. Er hängt bei seinen Ermittlungen fest und hat Angst um Alice und das Kind, denn es droht eine Frühgeburt. Alice, die bis zum Geburtstermin in der Klinik bleiben muss, lernt dort Helene kennen.
Der Schriftstil unterstützt das fesselnde Geschehen. Rückblicke in Helenes Vergangenheit lassen erahnen, woher ihre Ängste kommen. Der zur Hilfe gerufenen Psychiater zeichnet sich nicht gerade durch viel Kompetenz aus. Er bescheinigt Helen einen Baby-Blues oder eine Schwangerschaftsdepression. Nach einem schwerwiegenden Vorfall lässt er sie in die Psychiatrie überweisen. Keiner auf der Station ist bereit, ihr zu glauben. Als Leser hatte ich schnell den Eindruck, dass die Klinik nach der Devise handelt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Doch Helene zeigt Größe. Sie nimmt das ihrer Meinung nach fremde Kind an und kümmert sich um den Jungen.
Mit Sven, Helenes Freund, hat die Autorin ebenfalls einen Protagonisten geschaffen, der psychische Probleme hat. Er zeigt für Helene kaum Verständnis, hat aber ein erstaunlich gutes Verhältnis zu seiner Oma. Schnell wird klar, dass er eigentlich an dem Kind kein Interesse hat. Er ist nie richtig erwachsen geworden.
Der Besuch von Rosner in der Klinik reißt alte Wunden auf. Er hat (in einem Vorgängerband) schon ein Kind verloren. Allein Alice gibt ihn Halt und verhindert, dass er erneut nach der Flasche greift.
Obiges Zitat bringt die Grundaussage des Buches auf den Punkt.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeigt, wie schnell man abgestempelt wird. Gut, dass Helene eine Kämpferin ist.

Veröffentlicht am 12.11.2017

Schatten der Vergangenheit

Der Zerberus-Schlüssel
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„...Gehen Sie ganz rauf, da spielt die Musik. Bergner dirigiert, Dr. Sternberg spielt die erste Geige, und das Fußvolk versucht, das Tempo zu halten...“

Wir schreiben das Jahr 1989. Harald Gärtner erlebt ...

„...Gehen Sie ganz rauf, da spielt die Musik. Bergner dirigiert, Dr. Sternberg spielt die erste Geige, und das Fußvolk versucht, das Tempo zu halten...“

Wir schreiben das Jahr 1989. Harald Gärtner erlebt in Westberlin den Fall der Berliner Mauer. Dann erhält er einen Anruf. Er soll bleiben, wo er ist. Es fällt ein Satz, den damals sicher viele gedacht haben:
„...Auf diesen Fall hatte ihn niemand vorbereitet...“
Dann wechseln wir ins Jahr 2010. Alexander Reiter steigt in ein Haus in Wien ein. Er findet hunderte wertvolle Gemälde. Eins nimmt er mit, um es der Besitzerin zurück zu geben.
Es geht noch weiter zurück in die Vergangenheit. Der deutsche Kreuzer „Komet“ war auf den Weg durch die Nordost-Passage. An Bord ist SS-Hauptsturmführer Werner Reichelt. Er führt die schriftliche Order für das Ziel der Fahrt mit sich, macht sich aber bei der Crew sehr unbeliebt.
Ich könnte noch weitere Episoden vom Beginn des Buches anführen. In kurzen Abschnitten führt mich der Autor rund um die Welt. Alles wird am Ende für das Geschehen in der Gegenwart seine Berechtigung haben.
Die Gegenwart führt mich nach Berlin. Bei einer Routinekontrolle findet eine junge Frau eine mumifizierte Leiche in einem leeren Berliner Mietshaus. Der Zeitungsartikel darüber scheucht plötzlich verschiedene Leute auf, die sich bisher ruhig verhielten. Außerdem sorgt eine Liste, die aus geschredderten Stasiakten rekonstruiert wurde, für hektische Aktivitäten von Compton, dem alten Mann des englischen Geheimdienstes.
Auch der vierte Thriller der Serie ist an Spannung nicht zu überbieten. Ich kenne zwar alle Teile, aber man kann ihn durchaus auch verstehen, ohne die Vorgängerbände gelesen zu haben. Alle wichtigen Informationen sind in der Handlung integriert. Selbst kurze Rückblicke auf den einen oder anderen Lebenslauf finden sich im Text.
Der Schriftstil des Buches ist abwechslungsreich. Fesselnde und temporeiche Szenen werden dadurch unterstützt. Ein schneller Wechsel von Handlungsort und Protagonisten erhöht den Spannungsbogen, zumal häufig an einer entscheidenden Stelle abgebrochen wird.
Vielfältige humorvolle Teile, häufig eingebettet in präzise ausgearbeitete Gespräche, sorgen für kurze Ruhepunkte. Mit obiges Zitat wird Kommissar Calis zum Tatort und zur Spurensicherung geschickt. Die Krönung war für mich das Telefongespräch von John mit zwei jungen Franzosen. Zum Zitieren wäre es – leider – zu lang.
Das Buch verfügt aber nicht nur über komplex aufgebaute Handlungsstränge. Der Autor legt Wert darauf, dass seine Handlungsorte in Wirklichkeit existieren und beschreibt sie deshalb hinreichend. Außerdem werde ich als Leser mit einer Menge historischem Wissen konfrontiert, dass für den Handlungsablauf von Bedeutung ist. In diesem Buch sind es insbesondere die dunklen Kapitel der britischen Kolonialgeschichte in Asien.
Ab und an gibt es fast poetische Sätze, wie das folgende Beispiel zeigt. Gleichzeitig sieht man darin, wie gut der Autor das Spiel mit Worten beherrscht.
„...Meine Mitarbeiter … meinten, Sie seien mehr oder weniger ein Phantom auf der Flucht, ein Schatten zwischen den Welten, ein Nebel, der sich in den ersten Strahlen der Morgensonne auflöst, Sand, der haltlos zwischen den fingern durchrieselt...“
Wer damit gemeint ist? Das wird hier nicht verraten.
Während nach dem anfänglichen Blicken in die Vergangenheit die Handlung dann schnell in der Gegenwart bleibt, gibt es bewusst eine Ausnahme. Die Reise der „Komet“ darf ich längere Zeit zwischendurch begleiten. Immer wieder gibt es kurze Episoden über die Fahrt.
Die Geheimdienste kommen im Buch gar nicht gut weg – und das mit Recht, denn Menschen sind für sie nur Spielfiguren in deren Schachspiel des Lebens.
Ein kurzes Nachwort gibt Informationen zur Entstehung des Buches.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Autor versteht es, reale Geschehen, historische Fakten und eigene Ideen zu einer komplexen Handlung zu verknüpfen. Mit einem chinesischen Sprichwort aus dem Buch möchte ich meine Rezension beenden:
„...Wenn der Brunnen trocken ist, erkennt man den Wert des Wassers...“

Veröffentlicht am 05.11.2017

Beeindruckende Biografie

Und die Erde wird zittern
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„...Meine arme Schwiegertochter begreift nicht, dass sie die Dynastie und sich selbst ruiniert. Sie glaubt aufrichtig an die Heiligkeit eines Abenteurers, und wir sind ohnmächtig, das Unglück abzuwenden, ...

„...Meine arme Schwiegertochter begreift nicht, dass sie die Dynastie und sich selbst ruiniert. Sie glaubt aufrichtig an die Heiligkeit eines Abenteurers, und wir sind ohnmächtig, das Unglück abzuwenden, das unvermeidlich sein wird...“


Grigori.Jefimowitsch Rasputin – wer war der Mann, der die russische Gesellschaft und Kirche gespalten hat, der Zugang zum Palast des Zaren hatte, obwohl er nicht aus dem Adel stammte, und über den eine Menge an Mythen und Geschichten kursierten? Der Autor Douglas Smith, Historiker und Russland-Spezialist, hat eine Annäherung an die vielschichtige Persönlichkeit von Rasputin versucht. Gleichzeitig zeichnet er ein Zeitgemälde der russischen Oberschicht in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts.

Der Autor hat die Biografie in sieben Teile gegliedert.

Im ersten Teil fragt er nach Rasputins Vorfahren. Er beschreibt, so weit bekannt, seine Kindheit und Jugend als Sohn eines Bauern im sibirischen Dorf Pokrowskoje, seine Pilgerschaft und sein Leben bis zu seiner Reise nach St. Petersburg im Jahre 1904.

Der zweiten Teil beschäftigt sich mit den zunehmenden Kontakten von Rasputin zum Zarenhaus und endet 1909.

Die Jahre 1910 und 1911 lassen Rasputin immer mehr in die öffentliche Wahrnehmung gelangen. Die Gesellschaft trennt sich in Bewunderer und Gegner.

Der vierte Teil widmet sich den Untersuchungen gegen Rasputin, dem ersten Attentat und seinem Verhalten bis Juni 1914.

Danach setzt sich der Autor mit dem Leben des Protagonisten in den ersten beiden Kriegsjahren auseinander. Sein Verhalten gegenüber Frauen und sein Alkoholismus werden ebenso thematisiert wie seine politischen und religiösen Ansichten. Ein Zitat aus einem seiner Briefe zeigt, dass er sich anfangs gegen die Kriegsteilnahme Russlands ausgesprochen hat:;

„...Ich weiß, sie alle wollen den Krieg von Dir und begreifen offenbar nicht, dass er den Ruin bedeutet...“

Der sechste Teil spannt den Bogen bis zur Ermordung Rasputins und beleuchtet die darauf folgenden Untersuchungen.

Der letzte Teil endet mit dem Tode des Zaren und seiner Familie.

Der Schriftstil des Buches ist sehr sachlich gehalten. Trotzdem lesen sich manche Teile wie ein Roman, denn der Autor versteht es, trockene Themen anschaulich darzustellen.

In jeder Zeile ist die exakte und umfangreiche Recherche des Autors spürbar. Er hat eine Vielzahl an Originaldokumenten studiert und verwendet. Eingerückt im Text wird häufig aus diesem Dokumenten, seien es Zeitungsartikel, Briefe oder Bücher, zitiert. Dabei werden die verwendeten Aussagen aus verschiedenen Blickwinkel beleuchtet, unterschiedliche Quellen miteinander verglichen und dann kritisch der Wahrheitsgehalt überprüft. Viele Aussagen verweist der Autor dabei ins Reich der Mythen und Legenden, weil sie persönliche Standpunkte wiedergeben und einer Überprüfung an der gesellschaftlichen Realität nicht standhalten.

Obiges Zitat stammt aus einem Brief von Maria Fjodorowna, der Mutter des Zaren. Sie muss ohnmächtig zusehen, wie Alexandra den Zaren dominiert.

Doch der Autor hat es nicht nur bei der Biografie von Rasputin belassen. Er erzählt dessen Leben im Lichte der politischen Verhältnisse im zaristischen Russland. Am Zarenhof trifft man auf eine Gesellschaft, die die Bodenhaftung verloren hat und sich an Dekadenz überbietet. Zar Nikolaus ist nicht sehr entscheidungsfreudig und hat keinen Blick für die Nöte seines Volkes. Die Frauen der gehobenen Gesellschaft frönen dem Okkultismus. Da kommt ihnen ein sibirischer Bauer gerade recht, der geschickt mit Worten umzugehen weiß. Alexandra, die Zarin, macht dabei keine Ausnahme. Hinzu kommt, dass sie in Rasputin den Retter ihres kranken Sohnes Alexei sieht.

Die russisch-orthodoxe Kirche ist ebenfalls vorwiegend mit sich beschäftigt. Rasputin polarisiert. Für die einen ist er ein Altgläubiger, andere verehren ihn. Exakt beschreibt der Autor die Lebensläufe etliche Personen, die Rasputins Weg gekreuzt haben, seine es Freunde oder Feinde. Insbesondere Iliodor sind dabei umfangreiche Abschnitte gewidmet. Als geschworener Feind Rasputins hat er versucht, sein Wissen nicht nur in Russland zu Geld zu machen. Mit seinem Buch „Der heilige Teufel“ hat er seine Version von Rasputins Leben dargelegt. Der Autor Douglas Smith weist allerdings nach, dass der Wahrheitsgehalt eher minimal ist. Das Buch enthält mehr Phantasien als Tatsachen.

Deutlich wird herausgearbeitet, wie sich die Situation zuspitzt. Geheimdienst, Presse und Duma interessieren sich zunehmend für den Mann, dem man eine aktive Rolle bei politischen Entscheidungen zuspricht. Die Zeit verändert aber auch Rasputin, je mehr er zum einzigen Feind hochstilisiert wird. Die wahren Gefahren für die russische Gesellschaft werden nicht gesehen. Dieses Zwiespalt stellt der Autor ausgezeichnet dar. Auch das folgende Zitat bringt dies zum Ausdruck:

„...Fast kein Russe sah mehr realistisch, was mit seinem Land geschah, wer dafür verantwortlich war und wie Russland gerettet werden könnte...Für die meisten Menschen musste Rasputin sterben, damit Russland leben konnte. Bald sollten sie erkennen, wie sehr sie sich geirrt hatten...“

Eine Karte Russlands und ein Stadtplan von ST. Petersburg ergänzen das Buch. Im Anhang befinden sich ein umfassende Anmerkungen, eine Bibliografie, Bildnachweise und ein Register. Eingebettet in die Biografie wurden an zwei Stellen insgesamt 102 Fotos.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.