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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.09.2017

Nicht das, was ich erwartet habe

Amazing Grace
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„...Wir sind niemals nur Besitzer, sondern einfach nur Bevollmächtige über das, was Gott uns anvertraut hat...“

Das Buch beginnt mit einer Szene bei der Gemeinschaft Methernitha in der Schweiz. Klaus ...

„...Wir sind niemals nur Besitzer, sondern einfach nur Bevollmächtige über das, was Gott uns anvertraut hat...“

Das Buch beginnt mit einer Szene bei der Gemeinschaft Methernitha in der Schweiz. Klaus und Gaby waren zur inneren Einkehr in die Einsamkeit gegangen. Während er nach drei Tagen zurückkehrte, wurde Gaby erst nach einer Woche geholt. Sie galt nun als Erleuchtete und gehörte ab sofort zum inneren Zirkel. Wenig später flieht Gaby.
Der Autor war lange Jahre der Leiter eines christlichen Verlags, der seinen Namen trägt. Mit dem Buch hatte ich seine Biografie erwartet. Dem ist aber nicht ganz so.
Klaus Gerth erzählt die Geschichte selbst. Dazu hat er das Buch in drei größere Abschnitte und ein kurzes Schlusskapitel eingeteilt.
Nach dem oben beschriebenen Geschehen folgt im ersten Abschnitt ein kurzer Rückblick auf Gabys Leben. Gaby ist seine zweite Frau. Dann berichtet er über seine Kindheit, die Jugend und den beruflichen Aufstieg in der Kosmetikbranche. Die harte Kindheit ohne Vater, der im Krieg geblieben ist, entfacht den Ehrgeiz des Jungen. Außerdem verfügt er über ein gesundes Selbstvertrauen. Mit Niederlagen kann er weniger gut umgehen. Sie führen zum Abbruch der Aktivität. Als er Gaby kennenlernt, beschäftigen sich beide mit der Bibel und finden zum Glauben. Dieser Teil endet damit, dass er sich entschließt, einen christlichen Verlag zu übernehmen.
Im zweiten Kapitel erfahre ich als Leser, dass er den maroden Verlag in die Gewinnzone führt und neue Verlage dazu kauft. Außerdem beschreibt er, welche Personen er dadurch kennenlernt und was der Verlag anbietet.
Der dritte Abschnitt widmet sich seinen Leben in Amerika nach dem Verkauf des Verlages.
Dieser Teil ist allerdings mehr Predigt als Lebensbeschreibung.
Der Schriftstil ist nüchtern und sachlich. Gefühle kommen kaum zum Tragen. Während er über den geschäftlichen Bereich ausführlich spricht, bleibt das Privatleben ab dem zweiten Abschnitt sehr vage. Von den Kindern aus erster Ehe erfährt man nichts. Auch Christoph, der Sohn aus zweiter Ehe, wird selten erwähnt. Über die Anfechtungen des Glaubens und mögliche geschäftliche Schwierigkeiten schreibt er nur kurz. Wie es ihm gelang, den Verlag in die Gewinnzone zu führen, konnte ich auch nicht ganz nachvollziehen. Dafür legt der Autor im dritten Teil ausführlich seine Glaubensüberzeugungen da. Hier gehe ich mit vielen seiner Ausführungen nicht konform. Obiges Zitat kann ich nur schwer mit seinem Lebensbild und seinen Vorstellungen von der Ewigkeit in Einklang bringen.
Im kurzen letzten Teil gibt es eine Einladung zum Glauben. Eine Danksagung beschließt das Buch.
Viele Fotos ergänzen die Geschichte.
Ich hatte mich auf das Buch gefreut, aber definitiv etwas anderes erwartet.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Fesselnd bis zur letzten Seite

Die Legion des Raben
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„...So viele Muscheln am Strand, so viele Schmerzen bietet die Liebe...“

Wir schreiben das Jahr 260. Im Hause des Stadthalters von Treveris findet ein Fest statt. Invita, die junge Sklavin, soll sich ...

„...So viele Muscheln am Strand, so viele Schmerzen bietet die Liebe...“

Wir schreiben das Jahr 260. Im Hause des Stadthalters von Treveris findet ein Fest statt. Invita, die junge Sklavin, soll sich davon fern halten. Doch ihre Neugier siegt. Aus sicherem Versteck beobachtet sie die Gäste und belauscht die Gespräche. Dann bringt der Tag eine Überraschung. Dem alemannische Sklaven Flavus und ihr wird eine gemeinsame Kammer zugeteilt. So genau weiß Invita nicht, was sie von ihm halten soll. Aus der gemeinsamen Nacht wird jedenfalls erst einmal nichts.
Am nächsten Morgen werden alle Sklaven aus dem Schlaf gerissen. Der edle Baetius wurde ermordet, nachdem er das Haus des Stadthalters verlassen hat. Die Witwe des Toten und dessen Sohn Publius beschuldigen Hyacinthus. Der Sklave begleitete Baetius auf den Weg. Deshalb sollen alle Sklaven des Hauses hingerichtet werden. Es bleiben nur enige Tage, um den wahren Mörder zu finden.
Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Es ist der zweite Teil einer Trilogie. Obwohl ich Teil 1 noch nicht gelesen habe, hatte ich kein Problem, die Zusammenhänge zu erfassen.
Die Geschichte hat mich schnell gefesselt. Das lag nicht zuletzt an den gut charakterisierten Protagonisten. Invita ist eine junge Frau, die gern die Grenzen ihrer Möglichkeiten auslotet. Dabei hat sie schon schlimme Erfahrungen gemacht. Das aber hält sie nicht davon ab, sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Und das Todesurteil für die Sklaven von Baetius hält sie für alles andere als gerecht. Sie ist die persönliche Sklavin von Marcella, der Tochter des Stadthalters. Marcella bekennt sich zum Christentum und lässt Invita gewisse Freiheiten.
Flavus ist ein stolzer Mann. Lange Zeit umgibt ihn eine geheimnisvolle Aura, denn über seine Vergangenheit ist nur wenig bekannt.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Geschichte wird von Invita erzählt. Detailgenau schildert sie das Leben in römischen Trier (Treveris). Dabei zeigt sich auch die exakte Recherche der Autorin, denn ich werden als Leser mit Errungenschaften konfrontiert, die ich nicht in dieser Zeit verortet hätte.
Es ist hart zu lesen, wie mit Sklaven damals umgegangen wurde. Vor allem Publius und seine Mutter versuchen alles, Hyancinthus zu brechen und zu einem Geständnis zu zwingen.
Invita dagegen bemüht sich, den wahren Mörder zu finden. Dabei erlebt sie ein wahres Auf und Ab. Mit ihrer Reaktionsschnelligkeit meistert sich einige schwierige Situationen. Die Autorin nutzt das Geschehen, um mich mit dem Reichtum und der Ausstattung von Gütern außerhalb der Stadt bekannt zu machen. Gleichzeitig erlebe ich, wie eine wohlhabende junge Frau als Gast in einem solchen Haus behandelt wird.
Verstrickungen und Intrige sorgen neben der rasanten Handlung für einen hohen Spannungsbogen. Nach und nach erfahre ich die Hintergründe des Mordes, obwohl sich Flavus immer nur zu den Dingen äußert, die unbedingt nötig sind. Das ist für Invita schwer zu ertragen, denn eigentlich mag sie den jungen Mann, weiß aber nie, inwieweit er in die Geschehnisse verstrickt ist.
Obiges Zitat ist ein Beispiel für die Einbeziehung von klassischen Aussprüchen, denn es stammt von Ovid. Außerdem wird damit deutlich, dass Invita über höhere Bildung verfügt, denn sie äußert die Worte.
Karten der Zeit, ein Glossar und ein inhaltsreiches Nachwort ergänzen das Buch.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie malt ein spannendes Bild der Zeit.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Fesselnd und tiefgründig

Grado im Dunkeln
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„...Das Herbstlicht verlieh der Landschaft gestochene Klarheit. Brombeerblau das Wasser, hagebuttengelb die den Kanal säumenden Häuser, sanddornorange die Sonne. Ein Potpourri von Farben und Klängen, gleich ...

„...Das Herbstlicht verlieh der Landschaft gestochene Klarheit. Brombeerblau das Wasser, hagebuttengelb die den Kanal säumenden Häuser, sanddornorange die Sonne. Ein Potpourri von Farben und Klängen, gleich denen ihrer Kindheit...“

Violetta, eine junge Lehrerin, und ihre Kollegin Olivia waren auf einem Popkonzert. Bei der Rückfahrt mit dem Auto in der Nacht bleibt der Wagen mitten im Tunnel stehen. Die Angst ist mit Händen greifbar. Violetta bekommt Panik, Olivia versucht, einen Weg aus der Situation zu finden. Sie ruft die Polizei. Die schleppen sie aus den Tunnel auf den Randstreifen, rufen den Abschleppwagen und müssen zu einem anderen Unfall. Die Zeit zieht sich. Olivia geht zum Auto, um ihr Handy zu holen. Als sie zurückkehrt, ist Violetta verschwunden. Wenig später wird sie auf einem Parkplatz gefunden. Der Täter wurde gestört, deshalb lebt sie noch. Der Fall landet bei Commissaria Maddalena Degrassi.
Die Autorin hat einen spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil ist ausgereift. Das zeigt sich vor allem an den Stellen, wo die Erschütterung und innere Verletzung der Vergewaltigungsopfer zum Tragen kommt, denn Violetta war nicht die erste und ist nicht die letzte. Eine nach außen demonstrierte Stärke kann von jetzt auf gleich in tiefe Verzweiflung umschlagen. Gleichzeitig wird deutlich, wie schwierig es für Angehörige und Bekannte ist, damit umzugehen. Zuviel Fürsorge kann genauso falsch sein wie zu wenig. Es gilt, das rechte Maß zu finden. Auch Olivia, die eigentlich unbeteiligt war, kämpft mit ihren Schuldgefühlen. Das führt bei ihr ebenfalls zu teilweise irrationalen Handeln.
Die Ermittlungen kommen nicht recht voran. Solange der Täter keine Spuren hinterlässt und kaum Fehler macht, ist es die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wenig hilfreich ist dabei auch das Verhalten von Maddalenas Vorgesetzten. Einerseits macht er Druck, andererseits lehnt er die Zusammenarbeit mit den Dienststellen ab, wo weitere Fälle registriert wurden.
In angemessenen Umfang wird das Privatleben von Maddalena in das Geschehen mit einbezogen.
Obiges Zitat zeigt, dass die Autorin das Spiel mit Worten und Bildern beherrscht. Es sind Worte von Violetta.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie lässt allerdings ein paar Fragen offen, obwohl ein Täter gefasst ist.

Veröffentlicht am 29.08.2017

Zurück in die Vergangenheit?

Das Schattencorps
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„...Und weißt du, meine größte Sorge ist gerade nicht, dass die Russen angreifen. Das ist jetzt alles Diplomacy...“
Wir schreiben das Jahr 1962. Hans Barkhusen arbeitet als Taucher in Hamburg. Er ist ...

„...Und weißt du, meine größte Sorge ist gerade nicht, dass die Russen angreifen. Das ist jetzt alles Diplomacy...“
Wir schreiben das Jahr 1962. Hans Barkhusen arbeitet als Taucher in Hamburg. Er ist zur Taufe seines Neffen geladen. Dazu kommt auch die Verwandtschaft aus München. Auf einem gemeinsamen Spaziergang macht ihm Fritz, sein Schwager und Kriminalkommissar in München, einen Vorschlag. Die Polizei hat Informationen erhalten, dass sich vor Kreta der geheimnisvolle Rommel-Schatz befinden soll. Für dessen Bergung brauchen sie einen Taucher. Bei dem Schatz handelt es sich um Schmuck, Gold und Wertsachen, die den Juden in Tunis abgenommen wurden.
Der Autor hat einen spannenden Spionageroman geschrieben. Er zeichnet darin ein bizarres Bild des politischen Untergrunds in Deutschland in den 60er Jahren.
Im Mittelpunkt steht Hans. Er hat ein bewegtes Leben hinter sich. Erzogen wurde er in der Napola, der Eliteschule der Nationalsozialisten. Am Ende des Krieges gehörte er mit seinen 15 Jahren zum letzten Aufgebot. Um sein Leben zu retten, verpflichtete er sich nach der Besetzung einer geheimen Organisation der Engländer.
Nach dem Gespräch mit Fritz meldet sich bei Hans plötzlich Jim Rowland, sein ehemaliger Agentenführer der Engländer, wieder.
Eine weitere schillernde Gestalt ist Ira von Mallank. Sie verdient sich ihren Lebensunterhalt mit Waffenhandel und hofft darauf, ihre verlorengegangenen Ostgebiete zurück zu erhalten.
Und dann gibt es noch den undurchschaubaren Max von Krein. Er war Hans` Vorgesetzter, ist Taucher und begeisterter Schatzsucher. Seine politischen Ambitionen lassen alle Möglichkeiten für mich als Leser offen.
Der Schriftstil des Buches ist anfangs gewöhnungsbedürftig. Das liegt daran, dass die Geschichte im Präsens erzählt wird. Nachdem ich allerdings in die komplexe Handlung eingetaucht war, ist mir das kaum noch aufgefallen.
Die politischen Positionen der einzelnen Akteure waren lange Zeit unklar. Am einfachsten war es noch bei den Ewiggestrigen, die glaubten, das Deutsche Reich wieder aufrichten zu können. Dazu war ihnen jedes Mittel recht, und jede Besatzungsmacht war der Gegner. Die Einstellung verdeutlicht das folgende Zitat:
„...Die Wehrmacht hat kapituliert, das Reich nicht...“
in Italien steht das Schiff für die Bergung des Schatzes noch nicht zur Verfügung. Dafür belauert dort jeder jeden. Es geht weniger um politische Befindlichkeiten, mehr um persönliche Gier. Jeder möchte in Stück vom Kuchen haben und träumt von einer sicheren Zukunft.
Der Autor nutzt die Situation des Stagnierens der eigentlichen Handlung auf zweierlei Weise. Einerseits wird die Gegend um La Spezia sehr detailliert beschrieben. Schöne Metapher veranschaulichen die abwechslungsreiche Landschaft. Auch ein Blick in die Geschichte der Stadt wird mir als Leser gewährt. Andererseits beginnt hier Hans` Wandlung. Tiefgreifende Gespräche mit Carlo, einem Student, und Betty, der Wirtin der Jugendherberge, geben nicht nur Einblick in das Denken eines Teils der italienischen Jugend. Gerade Betty führt Hans die Schattenseiten des Naziregimes vor Augen. Nicht nur diese Dialoge im Buch gehören für mich zu den stilistischen Höhepunkte. Auch andere Gespräche zeigen das innere Gedankengebäude der Akteure..
Wie ein roter Faden durchzieht die Angst das Buch, dass einer der Großmächte den falschen Knopf drücken könnte und Deutschland im Atomkrieg versinkt. Obiges Zitat stammt von einem reichen Amerikaner und fällt nach Beginn der Kubakrise. Er hat Angst vor den eigenen Offizieren und ihren Handlungen. Dass die eigentliche Gefahr im deutschen Untergrund liegt, begreift Hans noch rechtzeitig.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es arbeitet ein Stück Geschichte auf, von dem nur Bruchteile je an die Öffentlichkeit gedrungen sind.

Veröffentlicht am 27.08.2017

Beeindruckendes Debüt

Postkarten an Dora
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„...Das Trugbild ihrer Hoffnungen, das sie die letzten Monate aufgebaut hatte, zerbarst in tausend Stücke. Die Scherben bohrten sich tief in ihr Herz, stachen hinein, dass der Schmerz sie fast wahnsinnig ...

„...Das Trugbild ihrer Hoffnungen, das sie die letzten Monate aufgebaut hatte, zerbarst in tausend Stücke. Die Scherben bohrten sich tief in ihr Herz, stachen hinein, dass der Schmerz sie fast wahnsinnig machte...“

16 Jahre ist Dora, als sie ihre erste Enttäuschung erlebt. Davon spricht das obige Zitat. Dora möchte Schauspielerin werden. Deshalb lässt sie sich heimlich von Wilhelm recht freizügig fotografieren. Vorbild für sie ist ihre Lieblingsschauspielerin. Sie ahnt nicht, dass Wilhelm die Fotos als Postkarten verkauft. Der Schock sitzt tief, als sie es erfährt.
Hinzu kommt, dass ihre Eltern für ihren Berufswunsch kein Verständnis haben. Doras Vater ist Gymnasiallehrer. Dora gehörte zu den besten Schülern der Schule und soll nun die Ausbildung zur Lehrerin machen. Damit agiert er erstaunlich fortschrittlich, denn Mädchen sollte in der Zeit heiraten und benötigten demzufolge keine höhere Ausbildung. Als ihren Begleiter zum Internat hat der Vater den jungen Offizier Alfred von Nathusius bestimmt. Dora übernachtet im Hause seiner Familie und flieht eines Nachts. Sie möchte nach Amerika und träumt von einer strahlenden Karriere.
Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen Roman geschrieben. Die Geschichte beginnt im Jahre 1905.
Der Schriftstil des Buches ermöglicht ein flottes Lesen. Sehr detailliert werden die gesellschaftlichen Verhältnisse wiedergegeben. Alfred von Nathusius hatte auch andere Träume als eine militärische Laufbahn, aber als dritter Sohn blieb ihm nur diese Möglichkeit. Jack, dritter Sohn eines Earls, ist eine Lebemann, der durch die Welt reist, jede feste Bindung ablehnt und sich gern seiner Verantwortung entzieht.
Auf Doras Reise von Thüringen zum Hause derer von Nathusius lerne ich einige interessante Bahnhofsgebäude kennen. In London werde ich in die dunkelsten Gegenden, aber auch in die Bezirke der Reichen und Schönen geführt. Das farbenprächtige Leben in Argentinien kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dort die moralischen Ansprüche wesentlich stärker sind als in Europa. Schnell ist man abgestempelt.
Dora weiß, was sie will. Über den Weg zu ihrem Ziel aber hat sie sich kaum Gedanken gemacht. Ihr Reisegeld reicht nicht für die Schiffspassage nach Amerika. Glücklicherweise nimmt sie die Ballerina Martha Löwenstein unter ihre Fittichen und bringt sie nach England.
Sehr genau wird das harte Leben einer Schauspielerin dargestellt. Die Rollen sind dünn gesät, die Gage langt nicht zum Leben und nicht zum Sterben und eine Wohnung will auch bezahlt werden. An Doras Seite lerne ich als Leser das Auf und Ab des Berufes kennen. Missgunst und Neid sorgen für Reibereien unter den Akteuren. Es gibt Stunden, in denen bereut Dora ihren Schritt. Doch ein Zurück gibt es nicht. Das verbietet ihr der Stolz. Andererseits ist sie sehr ichbezogen. Was ihr Handeln auf andere für Auswirkungen hat, begreift sie meist erst zu spät.
Gekonnt erzählt die Autorin einige kleine Geschichten im großen Geschehen. Sie liegen in der Vergangenheit der Protagonisten und entwerfen schlagartig ein Bild von den dunklen Seiten des Lebens.
Den Umgang mit Metaphern und die bewusste Verwendung passender Adjektive beherrscht die Autorin sehr gut. Die Gespräche sind aussagekräftig. Emotionen äußern sich nicht nur in Worten, sondern auch in den Taten der Handelnden.
Das Nachwort gibt ausführlich Aufschluss darüber, wie die Autorin auf die Idee für das Buch kam. Die Postkarten, die an vielen Stellen eine Rolle spielen, existieren wirklich. Einige sind im Buch abgebildet.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Zwar habe ich über Dora häufig den Kopf geschüttelt, das ändert aber nichts an der Faszination ihres Lebensbildes.