Gefährliches Leben
Die Wiege der Hoffnung„...Unsere Apotheke ist davon nicht betroffen. Stell dir vor, die würden alle jüdischen Apotheken dichtmachen. Dann wäre ein Viertel der Berliner Apotheken zu…“
Noch ahnt Luises Vater nicht, wie falsch ...
„...Unsere Apotheke ist davon nicht betroffen. Stell dir vor, die würden alle jüdischen Apotheken dichtmachen. Dann wäre ein Viertel der Berliner Apotheken zu…“
Noch ahnt Luises Vater nicht, wie falsch er mit dieser Meinung liegt und welche Folgen das für seine Familie hat. Wir schreiben das 1935, als die Geschichte beginnt.
Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Der Schriftstil ist sehr gut ausgearbeitet. Das bringt die Zwänge der Zeit und gesellschaftlichen Entwicklungen gekonnt auf den Punkt.
Im Mittelpunkt steht Luise Rosenbaum. Im Prinzip sitzt sie zwischen allen Stühlen. Das beginnt schon in ihrem Elternhaus. Während die Mutter am liebsten das Land verlassen würde, bezeichnet sich ihr Vater als Deutscher jüdischen Glaubens. Stellenweise verteidigt er sogar die aktuelle Politik.
„...Und schuld daran sind die aus dem Osten. Die haben hier doch nichts zu suchen. Und die Orthodoxen mit ihren breitkrempigen schwarzen Hüten...“
Hannes kommt nicht damit zurecht, dass er auf dem Fußballfeld als Jude bloßgestellt wurde. Er fällt eine schwerwiegende Entscheidung.
Luise studiert Kunstgeschichte. Dem Wunsch ihres Vaters, Pharmazie zu studieren, kann sie sowieso nicht nachkommen, denn der Studiengang ist Juden nicht mehr erlaubt.
Hier gibt die Autorin der Geschichte viel Raum, um über sogenannte entartete Kunst zu berichten und die unterschiedliche Einstellung der Nazigrößen zu einzelnen Malern darzulegen.
„...Der Führer hasst Nolde. Fragen Sie mich nicht, warum. Er hält ihn für besonders entartet. Goebbels hingegen schätzt ihn…!
Auf einer Ausstellung lernt Luise Heinrich Schelling kennen. Luise ist blond und blauäugig. Das hat Schelling irritiert. Er bietet ihr einen Job an. Luise kämpft mit sich und nimmt dann an.
„...Sie und ihr Onkel machen das, was wir wollen. Einkauf und Verkauf von Kunst ins Ausland. Das geht diskret vonstatten, nehme ich an...“
Luise soll jüdische Kunstwerke schätzen und verkaufen. Gleichzeitig wird damit deutlich, wer sich ins Ausland absetzen will. Der Preis ist die Sicherheit für sie und ihre Familie. Weder in ihrem Pass noch an ihrer Kleidung ist zu erkennen, dass sie Jüdin ist. Doch das ist nicht ohne Gefahr. Die Menschen sehen nur, was sie sehen wollen. Dass ausgerechnet die Apotheke des Vaters in der Reichskristallnacht verschont bleibt, wirft Fragen auf. Allerdings muss sie kurze Zeit darauf trotzdem schließen.
Luise nutzt die Chance des neuen Jobs, um Menschen zu warnen und Kunst in Sicherheit zu bringen, der sie Zerstörung droht.
Auch Luises Freundschaft zu dem Italiener Emilio ist kompliziert. Keiner weiß, dass Emilio Jude ist. Nach den Rassengesetzen darf er deshalb keine Beziehung zu Luise unterhalten.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Hier werden jüdische Schicksale aus einem neuen Blickwinkel betrachtet. Die Geschichte ist spannend und gibt die komplexen gesellschaftlichen Verhältnisse gut wieder. Auch die inneren Kämpfe der Protagonisten wirken authentisch. Das Buch zeugt von exakter Recherche.