Ein leises Buch mit Tiefe
Die Rückkehr der Kraniche„…Grete mochte jede Jahreszeit. Aber wenn der Altweibersommer leise den Herbst ankündigte, wenn die Tage so kurz wurden, dass die Wäsche im Garten bereits am späten Nachmittag Feuchtigkeit zog, spürte ...
„…Grete mochte jede Jahreszeit. Aber wenn der Altweibersommer leise den Herbst ankündigte, wenn die Tage so kurz wurden, dass die Wäsche im Garten bereits am späten Nachmittag Feuchtigkeit zog, spürte sie eine unergründliche Melancholie, die sie erst vertreibe konnte, wenn die Kastanien in den Hof fielen...“
Diese Sätze stehen auf der ersten Seite des Buches. Sie sind nur ein Beispiel für den ausgereiften Schriftstil der Autorin und bildhafte Beschreibung der Natur.
Bei dem Roman handelt es sich um ein leises Buch. Trotzdem verfügt die Geschichte über einen hohen Spannungsbogen. Der ergibt sich aus den Geheimnissen der Vergangenheit und den komplexen Beziehungen der Protagonisten. Dazu kommt, dass die Geschichte im Wechsel von Grete, Freya. Anne und Wilhelmine erzählt wird.
Da wäre zuerst Grete. Sie steht vor ihrem fünfzigsten Geburtstag und fragt sich, warum sie nie ihr Heimatdorf verlassen hat. Erst war es die uneheliche Tochter, um die sie sich kümmern musste, dann die Mutter, die sie nicht allein lassen wollte, auch wenn sie Liebe und Nähe sehnlichst gewünscht, aber nie erhalten hatte. Nur ihre Arbeit als Vogelwartin bringt ihr Ruhe und Ausgeglichenheit.
„...Sie hatte früh gelernt, dass man die Ellenbogen benutzen musste, wenn man weder durch seinen Stand noch wenigstens durch ausreichend Geld in der Familie die Türen geöffnet bekam...“
Grete hatte ihre jüngere Schwester Freya immer verteidigt. Die aber hatte mit 18 Jahren das Elternhaus plötzlich verlassen und sich in der Stadt ein neues Leben aufgebaut. Das liegt aber momentan fast in Trümmern. Ihr Freund hat sie verlassen und die Firma wird in den sozialen Medien beschimpft. Anne, Gretes Tochter, hat ein gespaltenes Verhältnis zu ihrer Mutter, geht aber sehr einfühlsam it der Großmutter um. Grete hat Anne nie verraten, wer ihr Vater ist.
Wilhelmine, die Großmutter, ist ein Kriegskind. Das hat Spuren hinterlassen. Dazu kommt, dass sie schon in jungen Jahren den geliebten Mann verloren hat.
„...Ihre Mutter war nie in den Urlaub gefahren, noch nicht einmal Sonntagsausflüge mit den Landfrauen hatte sie sich gegönnt. Tagein, tagaus der Hof, die Tiere und die Kinder...“
Als Wilhelmine in der Küche stürzt und ins Krankenhaus kommt, kehren Freya und Anne nach Hause zurück. Plötzlich können sich die Frauen nicht mehr aus den Weg gehen. Werden sie zueinander finden?
Sehr einfühlsam gelingt es der Aurorin die inneren Befindlichkeiten der Protagonisten auf den Punkt zu bringen. Wilhelmine ist konsequent. Sie lehnt eine Operation ab und wird auf eignen Wunsch aus dem Krankenhaus entlassen. Sie weiß, dass sich ihr Leben dem Ende zuneigt. Bevor sie geht, möchte sie den Töchtern noch ein Geheimnis offenbaren. Gleichzeitig wünscht sie sich, dass sich Grete und Freya wieder annähern. Keiner weiß, warum Freya damals das Elternhaus und auch ihren besten Freund verlassen und alle Brücken hinter sich abgebrochen hat.
Ab und an blitzt ein feiner Humor auf, so bei Wilhelmine im Krankenhaus.
„...Das Toastbrot aus dem Supermarkt, welches es zum Frühstück gab, rührte sie nicht an. Das ging wirklich zu weit, dass sie diese ungesunden Pappquadrate zu sich nahm….“
Insbesondere die beiden Schwester stellen sich ab und an die Frage, was gewesen wäre, wenn sie im Leben die eine oder andere Abzweigung anders genommen hätten.
Es sind intensive Tage, die die Vier miteinander erleben. Danach werden manche Weichen für die Zukunft neu gestellt,
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es hat eine Tiefe, die beindruckt.