Der Schmerz der Erinnerung
Das Marterl„...Nichts von all dem ist wirklich passiert. Und alles immer wieder...“
Diese Worte am Ende des ersten Kapitels stehen für weite Teile des Inhalts. Es geht um ganz persönliche Erinnerungen. Und die verschwimmen ...
„...Nichts von all dem ist wirklich passiert. Und alles immer wieder...“
Diese Worte am Ende des ersten Kapitels stehen für weite Teile des Inhalts. Es geht um ganz persönliche Erinnerungen. Und die verschwimmen mit der Zeit.
Der Autor hat einen berührenden Roman geschrieben. Der Erzähler hatte vor 10 Jahren seine Kleinstadt in Bayern verlassen. Er hat lange in England gelebt und dort geheiratet. Vorkurzem sind beide nach bErlin gezogen. Nun kehrt er für ein paar Tage in seine Heimat zurück – und mit ihm die Erinnerungen. Eines hat er nie verarbeitet. Das war der tödliche Verkehrsunfall des Vaters.
Der Schriftstil ist ausgereift. Der Autor beherrscht das Spiel mit Worten und Metaphern. Die Geschichte gliedert sich in drei Teile. Einer spielt in der Gegenwart, ein zweiter listet Fakten auf und in dem dritten geht es um die Kindheit.
Gerade der dritte Teil grenzt sich durch seinen Schriftstil von den anderen ab. Hier ist von dem Jungen die Rede, dass heißt, der Erzähler wirkt wie ein Beobachter von außen. Das gibt der Geschichte eine besondere Brisanz.
„...Er (Anmerkung: der Vater) zeigt dem Jungen, wie er die Himmelsrichtung ablesen kann und wie er die Karte danach ausrichten muss. Er zeigt ihm ihre Position auf der Karte und erklärt ihm die Höhenlinien...“
Es sind gemeinsame Erlebnisse, die hier verarbeitet werden. Man spürt, dass der Junge seinen Vater mag und an ihm hängt. Dieses Betrachten aus Distanz bleibt auch erhalten, als der Junge älter wird. Manchmal sind die Worte des Vaters für ihn wie in Stein gemeißelt.
„...Also nickt der Junge, einfach weil er sich nicht sicher ist, ob er die zweite Handvoll Bonbons auch dann bekäme, wenn er dem Arzt sagen würde, dass er nur kurze Zeit Angst hatte, weil er ja wusste, dass das wieder wird. Sein Vater hatte ihm schließlich gesagt, dass es wieder wird...“
In der Gegenwart begleite ich den Erzähler durch seine Ort. Auch hier kommen Erinnerungen hoch, die werden aber anders reflektiert. Sie werden eingebunden in das örtliche Geschehen, verknüpft mit den sichtbaren Veränderungen und festgemacht an Personen der Vergangenheit. Dabei lerne ich eine Menge über das Leben in einer bayrischen Kleinstadt. Historische Fakten werden erwähnt und mehr oder weniger ausgeschmückt.
Er trifft alte Freunde. Das gemeinsame Erinnern trägt besser Wahrheit von Einbildung. Dadurch erfahre ich vieles über sein Leben bis zum Tode des Vaters.
Und es gibt Dinge, die ohne Worte deutlich machen, wie tief der Schmerz ist. Er hält es nicht aus, im Hause der Eltern zu übernachten. Er schafft sich im Schuppen eine Unterkunft. Er sucht Personen, die ihm über den Unfall Auskunft geben können. Manche reden mit ihm, andere verweigern sich.
Und dann sind da Worte, die den inneren Zustand des Erzählers beeindruckend wiedergeben.
„...Vielleicht ist es gut, traurig zu sein. Vielleicht wird es dann irgendwann besser. Vielleicht wird es nicht besser, und ich werde nur besser darin, es auszuhalten. […] Ich kann das alles nicht rückgängig machen und an den Punkt zurückgehen, an dem der Ort wie eine Burg im Fluss lag und mein Zuhause war...“
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.