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Veröffentlicht am 05.04.2023

Lebensgeschichte einer chilenischen Familie

Violeta
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Auch wenn mir Isabel Allende natürlich ein Begriff ist, ist sie eine der Autorinnen, die mir bislang völlig durchgegangen ist. Da muss ich erst „Violeta“ von ihr geschenkt bekommen, aber manchmal muss ...

Auch wenn mir Isabel Allende natürlich ein Begriff ist, ist sie eine der Autorinnen, die mir bislang völlig durchgegangen ist. Da muss ich erst „Violeta“ von ihr geschenkt bekommen, aber manchmal muss man zur Horizonterweiterung einfach gezwungen werden. Was mir bei „Violeta“ sofort gefallen hat, das ist die Spanne, die erzählt wird, so dass es viel historischen Kontext gibt und Allende schreckt wirklich nicht davor zurück, vieles einzubinden. Es ist eher weniger ein Zeitkommentar, da Violeta eher auf ihr direktes Umfeld bezogen ist, aber die Menschen um sie herum nehmen teilweise viel mehr Anteil an den geschichtlichen Ereignissen, was eine 100-jährige Violeta in der Retroperspektive dann auch ganz anders bewerten kann. Dementsprechend habe ich wirklich viel über Chile gelernt und das auch als sehr spannend empfunden.

Der Erzählstil sieht vor, dass Violeta kurz vor ihrem Lebensende an ihren Enkelsohn schreibt und ihre Lebensgeschichte Revue passieren lässt. Dementsprechend sind wir auf sie als Erzählinstanz angewiesen. Dennoch ist dieser sehr subjektiven Perspektive auch eine Bemühung von Objektivität anzumerken, auch wenn man das wirklich mit Vorsicht sehen muss, weil Violeta dann schon einmal angibt, Sachen im Nachhinein erzählt bekommen zu haben oder dass andere Umstände später öffentlich aufgeklärt wurde. Dennoch finde ich es wichtig, dass es diese Ergänzungen gibt, weil es so ein runderes Bild und vor allem ein nicht so einseitiges Bild ermöglicht. Spannend ist natürlich auch, dass Violeta mit ihrem Enkel oft ihre Gefühle von damals teilt, um sie aber im selben Atemzug auch mit ihrem gereiften Alter neu zu bewerten. Das hat mich an diesem Buch so gereizt, weil ich als deutlich jüngerer Mensch dennoch schon solche Erfahrungen machen, wo ich frühere Erlebnisse und meine dazugehörenden Gefühle aus heutiger Sicht ganz anders bewerte. Für mich war die gewählte Stilistik auch in einem bestimmten Aspekt sehr wichtig, weil Violeta eine toxische Beziehung führt und da war der Kontrast zwischen ihren Gefühlen im Moment und bald 70 bis 80 Jahre später natürlich extrem.

Auch wenn der Buchtitel „Violeta“ heißt, so ist es doch weniger die Geschichte einer einzelnen Frau, sondern einer ganzen Familie, nur eben durch die Perspektive einer einzelnen erzählt. Durch die ganze Familie, die bei dem gierigen und geltungsbedürftigen Vater losging, und schließlich bei dem Enkelsohn endet, gibt es so viel Unterschiedliches zu erzählen, dass ich wirklich viel geboten bekommen habe. Die einzelnen Kapitel sind um inhaltliche Klammern bemüht, aber gerade zum Ende hin merkt man doch deutlich, dass sich das etwas ändert und tatsächlich chaotischer wird. Zwischen den einzelnen Zeitpunkten wird wilder hin- und hergesprungen, weswegen ich hier doch schon mal länger zur Orientierung brauchte. Ich vermute aber auch, dass das von Allende absichtlich so gewählt wurde, um eben auch das Alter von Violeta widerzuspiegeln, die vielleicht nicht mehr alles so klar strukturieren kann und daher oft dahin springt, was ihr persönlich das wichtigste war. Das ergibt alles in allem eine runde Geschichte.

Fazit: Mein erstes Buch von Isabel Allende in „Violeta“ ist geschafft, aber es soll nicht nach bloßem Abhaken klingen, denn ich habe ein wirklich spannendes und unterhaltsames Buch bekommen, das mich viel gelehrt hat über Südamerika, das aber auch von einer sehr heterogenen Familie erzählt, mit denen es viel zu entdecken gibt. Auf jeden Fall empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 28.03.2023

Unerwartete Thematik für die Reihe

The Brooklyn Years - Wonach wir uns sehnen
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Die Brooklyn Years-Reihe von Sarina Bowen geht in Deutschland bislang über sieben Bände und auch wenn von Lyx noch keine weiteren Bände angekündigt sind, so zeigt ein Blick auf die Website der Autorin, ...

Die Brooklyn Years-Reihe von Sarina Bowen geht in Deutschland bislang über sieben Bände und auch wenn von Lyx noch keine weiteren Bände angekündigt sind, so zeigt ein Blick auf die Website der Autorin, dass es noch reichlich weiteren Stoff zum Übersetzen gibt. Auch wenn diese Reihe für mich nie an True North ran reichen wird, weil es auf einer emotionalen Ebene nicht dasselbe ist, so habe ich dennoch auch für diese Reihe rund um das Eishockeyteam von Brooklyn etwas übrig, denn es fühlt sich auch wie eine Familie an, bei der ich immer wieder gerne vorbeischaue, wie es gerade so aussieht.

Der siebte Band nun, „Wonach wir uns sehnen“, wirft eher noch unbekannte Figuren in den Ring. Bess ist zwar die Schwester von Dave (und da wären wir wieder bei True North), aber dennoch war sie noch keine aufdringliche Figur bislang. Noch weniger gilt das für den neuen Verteidiger Tank. Diese beiden haben aber eine Vergangenheit und treffen neun Jahre später wieder aufeinander. Die Funken fliegen natürlich sofort wieder und auch für mich als Leserin hat die Chemie sofort gestimmt. Auch wenn dieses „wir kennen uns schon, landen aber sofort wieder miteinander im Bett“ gerade zum vorherigen Band sehr ähnlich ist, zählt für mich dennoch, dass es auch ankommen muss, dass da eine gemeinsame Geschichte ist und ich mich dennoch bei Null abgeholt fühle und nicht den Eindruck habe, alles Wichtige verpasst zu haben. Bowen gelingt das hier gut, auch weil man deutlich merkt, dass Bess und Tank miteinander mehr sie selbst sind. Besonders schön fand ich das an einer Szene, die erst spät erfolgt, wo die beiden einfach zusammen vor dem Fernseher sitzen und gemeinsam Eishockey schauen. Tank lebt für den Sport und Bess genauso und die Liebe dafür hat sie auch zusammengebracht.

Einzeln wird es etwas komplexer, weil wir speziell bei Tank zwei Versionen geliefert bekommen. Die Presse verrät uns, dass er sich in Dallas eher unfreiwillig den Ruf eines Rüpels erarbeitet hat und auch gegenüber seinen Teamkameraden lässt er eher eine grimmige und zurückhaltende Persönlichkeit raus. Da ist er mit Bess dann fast nicht zu wiedererkennen, auch wenn das ihre Liebe füreinander natürlich noch einmal in ein anderes Licht rückt. Bess wiederum ist wahrlich keine typische Frau, weswegen es verständlich ist, wie sie so ganz langsam Frauenfreundschaften knüpft und erst lernen muss, dass es nicht überall nur um Shoppen und Schminke geht etc., sondern auch um echte Unterhaltungen und gegenseitige Unterstützung bei allem, was da kommt. Bess liebt ihren Job mit Haut und Haaren, aber sie würde noch mehr lieben, eine eigene Familie zu haben. Es war gut zu sehen, wie sehr sie sich ein eigenes Kind gewünscht hat und das eben nicht nur aus einem gesellschaftlichen Zwang heraus, sondern weil sie genau weiß, dass es sie erfüllt. Aber auch ansonsten hat Bess eine sehr soziale Ader, weil sie sich auch vehement für Frauenteams im Eishockey einsetzt, aber auch später wird das noch sehr deutlich.

Zwischen Bess und Tank geht es eigentlich nur steil bergauf, wenn da eben nicht ihre Befürchtungen wären, als Agentin nicht mehr ernst genommen zu werden und wenn er nicht wiederum in seiner gescheiterten Ehe Erfahrungen gemacht hätten, die seine Lebensplanung ganz anders aussehen lassen als die von Bess. Auch wenn ich hier arg in die Spoiler gehe, aber ich fand das Thema Fruchtbarkeit sehr überraschend gewählt, aber das hat mir deswegen auch so gut gefallen. Eben auch weil Tanks Perspektive dazu sehr intensiv in den Fokus gerückt wird. Auch wenn es selbst aus der Frauensicht in dem öffentlichen Diskurs noch zu wenig ist, aber bei Männern ist es ja noch weniger und ich fand es sehr einnehmend, als er seine Erfahrungen aus der Ehe beschrieben hat. Ich habe ihn so gut nachvollziehen können, auch welche Muster es in ihm festgesetzt hat. Daher war ich stolz, als er das eingestehen konnte, denn er war bei Bess direkt an der richtigen Stelle, eben weil sie niemand ist, die nur sich in den Fokus rückt. Spätestens hier war ich wirklich ein großer Fan von ihnen. Ich habe aber natürlich auch all die Begegnungen mit den anderen bekannten Figuren wieder sehr genossen, um auch zu sehen, was sich alles getan hat. Es war zwar wenig Eishockey im Vergleich zu anderen Bänden, aber dennoch war es auch so präsent, dass ich es als null problemo abhake.

Fazit: „Wonach wir uns sehnen“ ist sicherlich einer meiner liebsten Bände aus der Brooklyn Years Reihe, denn Bess und Tank haben eine tolle Chemie und sie haben vor allem eine Geschichte verpasst bekommen, die ich ungewöhnlich, aber auch toll dargestellt fand. Das bleibt in Erinnerung.

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Veröffentlicht am 26.03.2023

Endet absolut spannend

Westwell - Hot & Cold
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Bei „Westwell“ von Lena Kiefer kann ich wirklich dankbar sein, dass der Abstand zwischen den einzelnen Bänden nicht so lang geraten ist, denn gefühlt bekamen wir ja immer nur Brotkrumen hingeworfen, so ...

Bei „Westwell“ von Lena Kiefer kann ich wirklich dankbar sein, dass der Abstand zwischen den einzelnen Bänden nicht so lang geraten ist, denn gefühlt bekamen wir ja immer nur Brotkrumen hingeworfen, so dass ich und sicherlich auch alle anderen immer nur bis zum nächsten Band hingefiebert haben. Nun ist der finale Band da, wurde aber auch alles zu einem sauberen Ende geführt?

Der Abschlussband „Hot & Cold“ hat mich ganz im Sinne des Titels wirklich durch ein Wechselbad der Gefühle gestellt, denn überall wo man mitfiebern konnte, war ich voll dabei, denn die Figuren sind mir wirklich ans Herz gewachsen und da waren es dann nicht nur die Ereignisse rund um Helena und Jess, die mich berührt haben. Auch ein Lincoln hat sich innerhalb der Reihe extrem gemausert und ich habe wirklich mitgefiebert, wie er sich angesichts seines eigenen persönlichen Glücks entscheidet. Aber ich muss andererseits gestehen, dass es manches Mal etwas anstrengend war, dass die gefühlt tausendste Trennung herbeigeführt werden musste. Natürlich war es angesichts der drei Bände und dass sich Kiefer entschieden hat, das bis ganz zum Ende durchzuziehen, klar, dass es etwas wiederholend und langatmig werden könnte. Zwar hatte der Abschlussband für mich noch einmal genug Abwechslung, aber jedes Mal, wenn dann wieder die Trennung, ob nun echt oder fake, auf den Tisch kam, dachte ich dann doch: echt jetzt? Da merkt man ganz deutlich, wie sich Vor- und Nachteile einer Reihe die Klinke in die Hand geben. Aber das Positive ist definitiv, dass es für mich die größte Schwäche der Reihe war, aber es daneben nicht viel gab, was mich gestört hat.

In diesem Band ging es rund um die Auflösung, wer nun Adam und Valerie getötet hat, in die heiße Phase. Auch wenn ich den finalen Showdown etwas zu viel im Gesamten fand, so lobe ich gleich auf der anderen Seite, dass Kiefer es wirklich geschafft hat, unendlich viele Möglichkeiten offen zu halten. Selbst im finalen Band hätte es noch in zig Richtungen ausgehen können, das ist ein riesiges Plus für den Spannungseffekt. Zwar gab es eine Szene, die recht verratend war, aber ich darf mir auch nicht einreden, es wäre alles klar gewesen. Sie war auffällig, aber richtig sicher war ich mir danach nicht. Der Krimi-Anteil ist von Kiefer also wirklich lobenswert gestaltet worden. Aber es mussten auch nicht immer die Ermittlungen sein, die sehr spannend war, sondern ganz am Anfang natürlich die Auflösung des Cliffhangers, da hätte ich auch gerne in Flash-Geschwindigkeit lesen können, um endlich die Antworten zu haben.

Ich mochte die Chemie zwischen Helena und Jess eh schon die ganze Zeit und daran hat sich auch im finalen Band nichts mehr dran geändert. Aber dennoch hat sich die Art der Beziehung gewandelt. Denn es war eine klare Entwicklung zu erkennen. Im ersten Band war spannend, wie sich die Gefühle entwickeln, wenn so viel zwischen ihnen steht. Im zweiten Band war die Frage, wann bekommen sie ihre intimen Momente unauffällig erschlichen und diesmal hatten sie viel Zeit gemeinsam. Deswegen ging es für mich diesmal auch weniger um sexuelle Spannungen, sondern vielmehr darum, wie sehr ihre Beziehung wächst und wie sie auch in eine Zukunft blicken, selbst wenn diese nicht sicher ist. Deswegen fand ich es auch toll, dass es einen Abschluss mit Australien gab, eine ganz tolle Idee. Aber auch das Ende nach dem Showdown, nach diesen drei Bänden brauchte ich einfach die Zukunftsperspektive, um alle gehen lassen zu können. Aber was heißt gehen lassen? Am Ende kam ja die schöne Überraschung, dass Eli seine eigene Geschichte bekommt. Das freut mich wirklich, weil er ähnlich wie Lincoln eine sehr wichtige Nebenfigur war. Er musste mich nicht erst überzeugen, ihn mochte ich von Anfang an. Ich bin da auch sehr gespannt, ob die Entführung und was dahintersteckt, noch behandelt wird. Aber auch so sehe ich genug Potenzial.

Fazit: „Westwell“ endet für mich auf einer sehr zufriedenstellenden Note. Auch wenn gewisse wiederholende Elemente nicht wegzudiskutieren sind, so ist das wohl einfach der Preis einer Trilogie. Insgesamt hätte ich es mir im Vorfeld aber viel zäher vorgestellt. Positiv ist vor allem auch, dass das große Geheimnis wirklich toll und spannend konstruiert worden ist. Aber auch das Herz bekommt wieder einiges Schönes geboten. Eine tolle Mischung.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Gelungene Autorinnenzusammenarbeit

Let's be wild
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Da ich ein großer Fan von „The Bold Type“ war und bin, was über mehrere Staffeln vom US-amerikanischen Sender Freeform produziert wurde, habe ich bei der angekündigten gemeinsamen Dilogie von Nicole Böhm ...

Da ich ein großer Fan von „The Bold Type“ war und bin, was über mehrere Staffeln vom US-amerikanischen Sender Freeform produziert wurde, habe ich bei der angekündigten gemeinsamen Dilogie von Nicole Böhm und Anabelle Stehl natürlich sofort auch die entsprechenden Assoziationen gehabt und mir war sofort klar, da muss ich reinlesen. Auch wenn nicht alles, was im Fernsehen klappt, im Buch klappen muss (sowie umgekehrt), so war ich doch extrem gespannt.

Die Parallelen zu der Erfolgsserie sind in jedem Fall da. Es sind zum einen die mehreren Perspektiven, die daran erinnern, und wo wirklich alle gleichrangig nach ihrem Glück streben, es sind aber auch die vielfältigen Themen sowie hier eben die Werbeagentur, die sich mit diesen Themen in diverser Art und Weise am Puls der Zeit befindet. Ich brauchte zwar etwas zum Reinfinden, aber das war bei der Serienversion damals auch so. Da eben der Fokus so verteilt ist, müssen sich die Figuren die Zeit eben auch teilen, was ergo bedeutet, dass man nicht so rasch ein Gefühl für sie bekommt, wie es bei einer durchgehenden Ich-Perspektive vielleicht der Fall wäre. Dennoch kann ich nach Beendigung des ersten Bandes sagen, dass ich alle vier Figuren sehr sympathisch finde. Mein Liebling ist wahrscheinlich Ariana, was sie aber nicht mit klarem Abstand gewonnen hat, denn ich habe tatsächlich mit allen toll mitfiebern können. Sie waren alle mit ihren Fehlern und Stärken so menschlich und ich konnte schnell mit ihnen fiebern. Bei Ariana hat mich einfach fasziniert, dass sie tough wirkt, aber sie ist eine tolle Chefin auf einer zwischenmenschlichen Ebene. Sie ist leidenschaftlich, sie ist analytisch und durch ihre toxische Beziehung, in der sie steckt, sehr, sehr greifbar. Deswegen habe ich mich auf ihre Abschnitte schon am meisten gefreut, aber es bleibt dabei, dass alle vier ihre eigene wertvolle Geschichte zu erzählen haben.

Was mir auch gut gefallen hat, Liebe ist nur ein Nebenthema, denn in erster Linie geht es um die vier und ihren individuellen Weg, den sie zu beschreiten haben, also eigentlich erstmal Selbstliebe. Das ist für die vier aus den unterschiedlichsten Gründe eine Herausforderung und ich fand die Themenvielfalt hier wirklich toll. Über persönliche Verluste, Missbrauch, Unwohlsein in Bezug auf Geschlechtsverkehr, die schon angesprochenen toxischen Beziehungen, Panikattacken, es war viel dabei. Dazu ist dann auch über die Nebenfiguren noch viel angeboten worden, wie beispielsweise Fatshaming. Vielleicht wirkt es in der Gesamtsumme etwas idealisiert und es ist auch fast schon träumerisch schön, dass die Freundesgruppe so herrlich vorurteilsfrei ist, aber ich muss auch sagen, dass es soooo angenehm war, das zu lesen. Denn es wirkt echt, wie sie aufgrund ihrer eigenen Sorgen immer die Antennen für andere Perspektiven offen haben. Da darf sich auch mal gestritten werden, aber schon wenig später kann das als hochgekochte Emotion abgehakt werden und es wird sich ehrlich unterhalten. Sowas ist wirklich wünschenswert und im Grunde ist das in Büchern auch nicht verkehrt, denn dadurch packen wir uns vielleicht alle an die Nase, wo wir vielleicht noch nicht genug die Perspektiven von anderen einnehmen, um mitmenschlich zu sein.

Weiterhin fand ich es auch schön, dass wir live dabei sind, wie sich der Freundeskreis überhaupt erst entwickelt. Shae und Tyler kommen schon als beste Freunde an (zu ihrer Vergangenheit gerne noch mehr!), aber Evie und Ariana kommen eben erst noch hinzu und das auf unterschiedliche Art und Weise. Ich fand aber auch das Spendenevent als Ausgangspunkt für ihre Freundschaft toll gewählt. Weiterhin mag ich den Überraschungsfaktor des Buchs. Wäre es jetzt ‚nur‘ eine Liebesgeschichte, vermutlich könnte man mehr erahnen, denn am Ende muss eben für das Pärchen das Happyend zu Buche stehen. Doch hier gibt es kein Muss, weswegen ich immer wieder überrascht wurde, was sich die beiden Autorinnen neues ausgedacht haben. Das macht definitiv ordentlich Lust auf den abschließenden Teil.

Fazit: „Let’s Be Wild“ ist wirklich perfekt für Fans von „The Bold Type“, denn die Freundschaftsmomente, die Traumata, die Themenvielfalt, all das konnte toll transportiert werden. Ich mochte alle Figuren und ich habe mich wunderbar im Geschehen zurechtgefunden, was auch keineswegs vorhersehbar war. Rundum gelungene Unterhaltung, die ich mit dem finalen Teil gerne noch einmal begleiten werde.

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Veröffentlicht am 13.03.2023

Für Gaming-Fans ein Muss!

Morgen, morgen und wieder morgen
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„Morgen, morgen und wieder morgen“ wäre wohl völlig an mir vorbeigegangen, wenn ich nicht immer wieder gehört hätte, dass das Buch in den USA sehr beliebt war und deswegen auch für den deutschen Buchmarkt ...

„Morgen, morgen und wieder morgen“ wäre wohl völlig an mir vorbeigegangen, wenn ich nicht immer wieder gehört hätte, dass das Buch in den USA sehr beliebt war und deswegen auch für den deutschen Buchmarkt als heiß ersehnte Neuerscheinung galt. Ich habe mich auf dieses Abenteuer einfach mal eingelassen. Danach fühlte ich mich bestätigt, dass ich wohl ganz alleine wirklich nicht zugegriffen hätte, aber man wird als Leserin ja auch schon mal festgefahren in den eigenen Genres, weswegen ich diesen Ausflug auf jeden Fall auf seine Art und Weise genossen habe.

Dennoch möchte ich gerne mit den Schwierigkeiten beginnen, die ich bei „Morgen, morgen und wieder morgen“ erlebt habe. Zunächst habe ich vielleicht etwas unterschätzt, in welchem extremen Ausmaß Videospiele eine Rolle einnehmen würden. Es ist nicht so, dass mir diese Welt völlig fremd ist, weil ich genauso einen Game Boy und andere Spielgeräte hatte, weil ich Sims sehr geliebt habe etc. Und dennoch bin ich mir sehr sicher, dass echte Gaming-Fans bei diesem Buch noch eine viel größere Erfüllung finden werden. Was ich an der Darstellung zu schätzen wusste, das war hinter die Kulissen genommen zu werden. Mich hat speziell fasziniert, wie eben die Geschichten hinter den Spielen entstanden sind. Aber kaum, dass es um Grafik, Rechnerleistung etc. ging, da war ich dann doch raus. Das hat mir manche Passagen doch etwas zäh erscheinen lassen. Als zweiten Aspekt möchte ich die Erzählweise nennen. Grundsätzlich ist es chronologisch erzählt, aber eben immer wieder mit Ausnahmen. Gerade am Anfang springt Autorin Gabrielle Zevin viel in der Kindheit und den Anfängen am College hin und her. Später gibt es dann Andeutungen, wie erfolgreich die beiden Protagonisten geworden sind und dann werden Interviewschnipsel eingebunden, die gewisse Vorausdeutungen machen. Ich fand das nicht so clever, eben weil es auch kein durchgängiges Stilmittel war, so dass ich dann lange hinterfragt habe, warum die Autorin sich überhaupt dafür entschieden hat.

Insgesamt habe ich auch den Eindruck, dass „Morgen, morgen und wieder morgen“ vielleicht zu einer klassischen Lektüre für den Schulunterricht aufsteigen könnte. Ich habe mich so oft bei dem Gedanken erwischt, dass hinter so vielen Erzählelementen mehr zu stecken scheint. Manches wie Zeitperspektiven, die ich eben beschrieben habe, die haben sich vielleicht nicht so erklärt, bei anderen habe ich die Intention dagegen schon erschaut. Da muss ich auch sagen, dass man bei über 500 Seiten echt anerkennen kann, dass Zevin etwas geschaffen hat, was nicht so schnell nachzumachen ist. Aber bevor ich dann doch zu sehr in meine Lobeshymnen übergleite, will ich noch den letzten Aspekt nennen, der es mir etwas schwierig gemacht hat. Das waren die beiden Protagonisten. Ich fand weder Sadie noch Sam besonders sympathisch. Erstere konnte ich aber noch deutlich besser als ihn verstehen. Dennoch würde ich nicht unbedingt behaupten wollen, dass es daran liegt, dass sie oberflächlich geblieben sind. Nein, wahrlich nicht, aber sie sind auf eine Weise beide sehr egoistische Menschen, sie sind beides keine Kommunikationskünstler und das hat manches echt anstrengend gemacht. Dennoch wurden sie in sich schlüssig erklärt, aber einfach war es nicht. Nun ist das Positive aber, dass ich mit den Figuren auch gewachsen bin. Das Buch deckt so einige Jahre ab und spätestens am Ende, als Sadie und Sam in etwa so alt wie ich sind, da habe ich mich in vielen Gedankengängen auf einmal überdeutlich wiedererkannt. Das hat mich dann sogar auch richtig berührt. Deswegen dachte ich mir, dass ich vielleicht die früheren Zeiten besser gefunden hätte, wenn ich nochmal jünger wäre. Aber die Reifung ist deutlich zu erkennen und am Ende sind beide in ihrem Wesen gefestigt.

Auch sonst hat das Buch einige Highlights zu bieten. Das ist sicherlich auch Nebenfigur Marx, der mit Abstand die sympathische Figur und der Kleber der Geschichte war. Vielleicht würden ihn manche sogar als Hauptfigur bezeichnen, aber er war doch zurückgestellt und dennoch so wichtig, weil ohne ihn so einiges nicht funktioniert hätte. Großartig sind wie gesagt auch einige Stilelemente, wie wenn die Unterkapitel auf einmal in A und B zusätzlich unterteilt sind, um wirklich anzuzeigen, wie auseinander und parallel Sam und Sadies Leben an der Stelle sind. Am Ende ist auch das von Sam geschriebene Spiel, womit er Sadie in ein Gespräch lockt, ein echtes Highlight, weil darin so viel von der bisherigen Reise verarbeitet ist. Ich kann also wirklich nur sagen, dass Gabrielle Zevin hier etwas sehr Weitreichendes geschaffen hat.

Fazit: „Morgen, morgen und wieder morgen“ ist ein sehr komplexes Werk von Gabrielle Zevin, das in der Gesamtschau unheimlich bewundernswert ist. Mir haben nicht alle Einzelelemente gefallen und durch die 500+ Seiten musste ich mich auch manches Mal kämpfen, aber dennoch habe ich auch so viel für mich entdeckt, dass ich nur jedem raten kann, sich auf dieses Abenteuer mal einzulassen. Und für alle Gaming-Fans ist es ohnehin ein Muss!

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