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Veröffentlicht am 13.02.2023

Faszinierende Interviewstilistik

Daisy Jones & The Six
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Als 2020 die deutsche Übersetzung "Daisy & The Six" von Taylor Jenkins Reid auf den Buchmarkt kam, da habe ich das Cover durchaus mitbekommen, aber ein begeistertes Zitat von Reese Witherspoon auf dem ...

Als 2020 die deutsche Übersetzung "Daisy & The Six" von Taylor Jenkins Reid auf den Buchmarkt kam, da habe ich das Cover durchaus mitbekommen, aber ein begeistertes Zitat von Reese Witherspoon auf dem Deckblatt war nicht unbedingt ein Argument für mich, reinlesen zu müssen. Dennoch habe ich mitbekommen, dass der Erfolg riesig war. Als dann angekündigt wurde, dass Streamingdienst Prime Video mit Witherspoons Produktionsfirma Hello Sunshine eine Adaption anstrebt, wurde ich schon hellhöriger. Solche Vorhaben machen Bücher nicht automatisch besser, aber ich finde es immer wieder faszinierend, Buch- und Serienwelten miteinander in eine Verbindung zu setzen. Das birgt natürlich auch immer Potenzial für Enttäuschung, aber oft genug kann man auch anerkennen, dass gewisse Veränderungen zur Vorlage nicht umsonst vorgenommen werden. Lange Rede, kurzer Sinn, mein Interesse für "Daisy & The Six" war geweckt. Ich war dabei speziell auch daran interessiert, wie es der Autorin wohl gelingen wird, die Geschichte einer fiktionalen Band zu schaffen, die sich aber so echt fühlt, dass man als Leserschaft felsenfest davon überzeugt ist, dass es diese Band doch tatsächlich gegeben haben muss.

Da ich im Vorfeld nicht groß in die Details zu "Daisy & The Six" eingestiegen bin, war ich doch sehr überrascht davon, wie das Buch von Jenkins Reid stilistisch erzählt ist. Denn es ist wie der Zusammenschnitt aus O-Tönen der einzelnen Zeitzeugen gestaltet, wo der Interviewer alle nacheinander befragt und anschließend alles zusammengefügt hat, um ein umfassendes Bild der Bandgeschichte abzugeben. Das hat mich erst etwas stutzig gemacht, aber ich weiß auch noch, wie skeptisch ich war, wenn sich AutorInnen daran gewagt haben, nur in Form von SMS oder E-Mails Geschichten zu erzählen. Das war dann ungewohnt, aber letztlich hat es eine ganz eigene Faszination entwickelt, jedenfalls, wenn es gut gemacht ist. "Daisy & The Six" gehört zum erfreulichen Fall von gut gemacht, denn ich war wirklich extrem fasziniert, wie ich nur alleine durch diese Zitate zu jeder Figur ein Bild in meinem Kopf entwickeln konnte. Ich erlebe das oft in Büchern, dass sie mir zu dialoglastig sind und mir ein Blick in das Innenleben der Figuren fehlt, um sie umfassend begreifen zu können. Hier fehlt die Gedankenwelt nun eigentlich völlig und dennoch hatte ich den Eindruck, dass speziell die Bandmitglieder all das ausgepackt haben, was sie wirklich bewegt hat. Auch wenn man natürlich nach außen hin immer etwas inszenieren kann, aber alle Figuren waren konsequent über die Zeitspanne hinweg gezeichnet, so dass es mir sogar gelungen ist, dass ich für jeden von ihnen eine Stimme in meinem Kopf hatte, die sich sofort anknipste, je nachdem, wer nun gerade dran war. Das war wirklich eine faszinierende Erfahrung beim Lesen.

Insgesamt glaube ich auch, dass die Stilistik der Trumpf bei "Daisy & The Six" ist. Die Handlung hatte auch ihren Reiz, weil es durch die O-Töne auch immer wieder Andeutungen gab, was wohl noch kommen wird und ich natürlich so wissen wollte, wann sich was und warum ereignet. Letztlich ist es aber doch eher eine typische Bandgeschichte, wie man sie durch Biografien von Musikern oder von anderen fiktiven Inszenierungen kennt. Es geht viel um Drogen und Alkohol, es geht viel um Sex und Fremdgehen. Es geht um Streitigkeiten untereinander. Es geht um geschlossene Allianzen. Es geht um Mechanismen hinter den Kulissen. All das ist wenig spektakulär neu oder aufklärerisch, aber diese Aufgabe wäre wohl auch unmöglich zu erfüllen gewesen, weil man eine Bandgeschichte nicht neu erfinden kann. Schließlich treffen immer wieder menschliche Urinstinkte aufeinander, so dass die Geschichte sich selbst wiederholt. Deswegen gehe ich auch schwer davon aus, dass die ungewöhnliche Art, einen Roman so zu erzählen, die Massen begeistert hat. Bei mir ist das in jedem Fall gelungen. Manche neuen Figuren, wie die Buchhalterin, die Einblick in die gesprengten Kosten während der Tour gibt, waren manchmal etwas holprig, weil sie aus dem eigentlichen Geschehen rausrissen, aber ich fand es auch liebevoll, wie umfassend dadurch die gewünschte Perspektive war.

Was mich immer besonders fasziniert, das ist der Prozess, wie Musik entsteht. Ich fand es daher in "Daisy & The Six" absolut gelungen, wie hautnah man dabei sein konnte. Manche Songs sind uns direkt fertig direkt präsentiert worden, aber dennoch wurde aus den Interviewteilen noch deutlich, was die Motivation für den Text war und was dann oftmals Billy und später Billy und/oder Daisy bewegt hat. Ich bin da bei Musik definitiv mehr angetan, wenn ich auch merke, dass die Geschichten hinter den Songs auch von den Menschen kommen, die dort auf der Bühne stellen, so dass es sofort ergreifender wird. Ich fand aber auch die Einblicke hilfreich, wie Schlagzeuger, Keyboarderin und Gitarristen darum kämpfen, mehr für ihr Spezialgebiet beitragen zu dürfen und wie dann später aus dem Rohmaterial ein fertiges Album entsteht. So intensiv, wie der Musikprozess hier dargestellt wird, ist es ein echtes Geschenk, dass die einzelnen Songtexte später auch noch komplett abgedruckt sind. Hier merkt man deutlich, wie sehr auch die Autorin selbst in diese Geschichte eingetaucht ist. Für die Serienadaption sind die Texte natürlich auch ein Geschenk. Insgesamt muss ich mit Hinblick auf die Serienversion sagen, dass Jenkins Reid viel vorgearbeitet hat, wo die Produktion eigentlich nur noch einen Haken hintersetzen muss. Es wird sicherlich sehr spannend, wie diese Vorlage dann umgesetzt aussehen wird.

Fazit: "Daisy & The Six" bietet inhaltlich vielleicht nicht etwas speziell Neues, aber die Stilistik, eine fiktive Bandgeschichte nur über Interviewzusammenschnitte zu erzählen, war sehr faszinierend und ich war richtig begeistert, wie dadurch dennoch im Kopf etwas entstanden ist, was auch ein ausgeschriebener Roman hätte sein können. Weiterer Pluspunkt ist natürlich auch die Liebe zur Musik, die aus allen Poren dringt. Sicherlich eine interessante Welt, die sich für eine Serienadaption hervorragend eignet.

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Veröffentlicht am 06.02.2023

Stilistik weiter etabliert

Du bist mein Lieblingsgefühl
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Von Kyra Groh ist bislang eigentlich alles zuverlässig auf meiner Leseliste gelandet, weil ich ihren lustigen Schreibstil einfach sehr unterhaltsam fand und weil es sich wunderbar mit der Persönlichkeit ...

Von Kyra Groh ist bislang eigentlich alles zuverlässig auf meiner Leseliste gelandet, weil ich ihren lustigen Schreibstil einfach sehr unterhaltsam fand und weil es sich wunderbar mit der Persönlichkeit der Autorin gedeckt hat, die sie über Social Media durchscheinen lässt. Dementsprechend konnte ich mir bei ihr immer sicher sein, egal, was die Story ist, Unterhaltung ist garantiert. Dennoch war ich bei der „Alles“-Reihe, erschienen bei Loewe Intense, überrascht, dass Groh ihre Stilistik etwas angepasst und noch mehr auf ernste Themen setzt. Deswegen war ich gespannt, in welche Richtung wohl „Du bist mein Lieblingsgefühl“ gehen wird.

Der Einstieg in die Geschichte ist wirklich typisch Groh. Denn die frechen Sprüche knallen regelrecht nacheinander weg und ich hatte speziell an Nelas Freundesgruppe sofort großen Spaß entwickelt. Max wirkte dagegen etwas blasser, auch weil er für den Spaß in dem Buch auch nicht steht, aber er war von Anfang auch von einer gewissen Aura enthüllt, die später näher erläutert wird, und wo man einfach merkte, er ist vom Leben schon mehr gezeichnet und dadurch ernster. Und auch wenn so ein gewisses Ungleichgewicht zwischen den beiden Hauptfiguren herrschte, habe ich aus beiden Perspektiven abkaufen können, dass es Liebe auf den ersten Blick ist, weil Groh es sehr gut hinbekommen hat, die unterschiedlichen Gedankengänge der beiden überzeugend einzufangen. Aber bleiben wir erstmal noch kurz bei der Stilistik, auch wenn der Humor mehr von Nelas Seite kommt, Max hat auch entspannte Leute um sich und der Umgang miteinander wird auch schneller schon mal zum Slapstick. Auch wenn das Buch insgesamt nach hinten raus viel ernster wird, verliert sich der Witz dennoch nie und deswegen bin ich einfach wieder froh, dass Groh ihren klaren Stil so gut gefunden hat und immer wieder konsequent durchzieht.

Dieses riesige Missverständnis, dass beide glauben, dass sie jeweils heiraten, obwohl sie sich jeweils nacheinander sehnen, es passt natürlich zum humorigen Stil des Buchs, aber eigentlich könnte ich mir bei solchen Geschichten immer die Haare raufen. Zumal ein Problem dieser Art auch für ein gesellschaftliches Problem steht, dass einfach nicht mehr miteinander geredet wird. Und vielleicht regt mich das dann doch mehr auf, als dass es mich unterhält. Aber auch ohne dieses subjektive Empfinden glaube ich, dass die Geschichte manchmal in beiden Perspektiven zu separiert war. Die verliebten Gefühle schwirrten da schön durch die Luft, aber es gab zu wenig gemeinsame Szenen, um das weiter anzuheizen. So eine Szene wie mit der nicht funktionierenden Dusche, so dass Max bei Nela aufschlagen muss, die wird dann einfach abgebrochen. Das war also manchmal etwas unglücklich und hat damit in den ersten Teil gewisse Längen reingebracht. Dennoch finde ich es auch gut, dass bei Max, der länger im Irrglauben verharrt, immer der Gedanke da war, dass sie in einer Beziehung ist und es eine Grenze für sich selbst und für Nelas vermeintlichen Partner geben muss. So oft bekommt man doch den Eindruck vermittelt, dass Fremdgehen schon okay ist, wenn einen doch die Gefühle überwältigen, aber hier ist Max doch sehr konsequent und das mochte ich sehr!

Schließlich kommt es aber zur ersten großen klimatischen Szene und es ist gut, dass sie in der Mitte gesetzt wurde, um so das erste große Highlight zu haben. Gleichzeitig leitet das auch die zweite Hälfte ein, die eben wie angedeutet etwas ernster ist. Wir bekommen von Anfang an vermittelt, dass Nela – trotz ihrer mehr als glücklichen Eltern – gewisse Probleme mit sich als Beziehungsmensch hat. Erstmal fühlt sie einfach nur, weil alles so neu und elektrisierend ist. Aber auch in die erste tolle Zeit mit Max hinein sucht sie das ehrliche Gespräch (tja, wenn man das mit Reden einmal raushat ), aber die Zweifel werden immer größer, weil auch immer mehr die Angst ansteigt, verletzt zu werden. Ich konnte mich in Nela in diesen Situationen wirklich unfassbar gut hineinversetzen, weil ich vom Kopf her sehr ähnlich bin. Deswegen hat es mich berührt, wie intensiv Groh hier Nelas Perspektive beleuchtet hat und ich mich danach auch verstanden fühlte. Parallel habe ich natürlich auch Max' Sichtweise verstanden und es tat mir auch leid, weil er natürlich nicht verstehen konnte, was gerade läuft. Deswegen hat sich der Konflikt eben hochgeschaukelt. Es war dann aber auch schön, wie alles aufgelöst wurde. Unaufgeregt, bescheiden, lustig-charmant und so durfte alles auf der Note enden, wie es schon begonnen hat.

Fazit: „Du bist mein Lieblingsgefühl“ ist von Kyra Groh wieder ein überzeugender Roman, mit dem sie weiter die gelungene Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit etabliert. Auch wenn das Missverständnis und wie lang sich dadurch gewisse Teile gezogen haben, nicht meins per se war. Insgesamt bleibt die Unterhaltung und die Bewunderung dafür, wie authentisch Groh Nelas Perspektive dargestellt hat.

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Veröffentlicht am 31.01.2023

Informativ, aber ohne Wow-Effekt

Solitaire
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Auch wenn für mich immer noch nicht ganz ersichtlich ist, ob nun zuerst Tori und dann erst Nick und Charlie existierten, so habe ich mich auf „Solitaire“ von Alice Oseman wirklich sehr gefreut, denn als ...

Auch wenn für mich immer noch nicht ganz ersichtlich ist, ob nun zuerst Tori und dann erst Nick und Charlie existierten, so habe ich mich auf „Solitaire“ von Alice Oseman wirklich sehr gefreut, denn als Fan, die zuerst durch die Netflix-Serie „Heartstopper“ bekehrt werden musste, war Tori natürlich definitiv eine Figur, die eine untergeordnete Rolle gespielt hat, aber gleichzeitig sofort Potenzial bewiesen hat. Deswegen wollte ich nun in Romanform endlich mehr zu Tori erfahren. Ob nun zuerst der Webcomic existierte, aus dem dann die vier Heartstopper-Volumes resultierte, ist letztlich auch egal, dann „Solitaire“ ist definitiv Osemans erster ausgeschriebener Roman. Der deutsche Buchmarkt agiert daher etwas rückwärtsgewandt, da die neueren Sachen schon in deutscher Übersetzung vorliegen. Wie finde ich nun also den chronologischen Debütroman?

Ich habe „Solitaire“ als Hörbuch gehabt. Auch wenn nicht wie bei den „Heartstopper“-Romanen die Synchronstimmen von Charlie und Nick gewonnen werden konnten, so macht Christiane Marx als Stimme von Tori definitiv einen guten Job und hat dies auch schon in „This Winter“ unter Beweis gestellt. Sie hat dabei eine gute Art, Tori etwas Kratzbürstiges, aber auch sehr, sehr Sensibles mitzugeben, weswegen ich trotz des Alters der Sprecherin die Stimme nicht als unpassend empfunden habe. „Solitaire“ ist aber nicht nur ein Tori-Roman, sondern auch die Fans von Charlie und Nick kommen wieder auf ihre Kosten, da man viel über die beide erfährt. Das passt, denn so wie Tori für ihren Bruder da war, so ist er es umgekehrt auch für sie, während er selbst weiterhin mit seinen Dämonen zu kämpfen hat und in Nick und seiner Schwester definitiv die besseren Ratgeber als in seinen Eltern hat. Die Eltern Spring fand ich in „This Winter“ schon sehr ignorant dargestellt, das ändert sich auch hier nicht, weswegen es wirklich schön ist, dass die jungen Leute sich wenigstens gegenseitig habe und sich beistehen.

Bei Tori wiederum geht es nicht darum, sie in „Solitaire“ mit einer Diagnose in eine Schublade zu stecken, aber es ist offensichtlich, dass sie an Depressionen leidet und auch ausgeprägte soziale Ängste hat, weswegen sie viel lieber isoliert als in Gemeinschaft agiert. Oseman ist es gut gelungen, Tori als Person einzufangen. Denn sie ist eine loyale Person, aber sie ist auch jemand, der in eine Ecke gedrängt auszukeilen weiß. Das macht es mit Tori nicht immer einfach, denn speziell Lucas als auch Michael Holden (die zwei Namen gehören einfach zueinander) zeigen überdeutlich, dass ihnen an ihr etwas liegt, aber Tori hat ein Talent, sie jeweils wegzustoßen, wenn sie emotional zu ihr vordringen. Das wirkt manchmal im Verlauf etwas launenhaft, aber ich glaube einfach, dass es für Tori ganz neue Welten sind und dass es sie auch ängstigt, aus ihrer Routine rausgeholt zu werden. Sie würde sicher gerne wachsen, aber lieber in ihrem Zimmer mit einem Film nach dem nächsten, aber bitte nicht mit der nächsten Party.

Jetzt heißt der Untertitel „Keine Liebesgeschichte“ und ja, es kommt schon hin. Auch wenn ich definitiv eine Romanze ausfindig gemacht habe, so ist es wegen Toris Art definitiv meilenweit entfernt von dem verliebten Charlie beispielsweise. Sie ist eher verunsichert, wenn sie ein Junge anguckt und es wird auch augenscheinlich, dass sie mit sich selbst auf dem Kriegsfuß steht, also definitiv nicht viel Liebe. Dennoch ist Michael Holden als Gegengewicht ein echtes Geschenk. Auch er hat seine Dämonen, was ebenso wie Toris Ängste zu den Streitereien beiträgt, aber er versteckt sie hinter guter Laune und extrovertierten Handlungsweisen. Sie sind damit wie eine Wippe, die sich gegenseitig ausgleichen und deswegen ist es dann doch irgendwie eine Liebesgeschichte, aber eine, die eher einer langen Geburt gleichkam.

Was mir die Geschichte etwas vermiest hat, das war aber das Geschehen rund um Solitaire. Zunächst fand ich das als Handlungselement sehr spannend, denn was will der Blog und was steckt dahinter? Aber die Aktionen wurden immer abgedrehter, irgendwann war zu offensichtlich, wer zumindest beteiligt ist und dann das klärende Gespräche hat mir überhaupt nichts erklärt. Das war insgesamt definitiv zu übertrieben und zu gekünstelt. Das titelgebende Element war dann doch letztlich der schwächste Teil. Zudem würde ich mal behaupten, dass man merkt, dass „Solitaire“ Osemans erstes Werk ist. Wenn ich da so an „Loveless“ denke, dann sind es doch Welten. Tori hat zwar mehr Profil bekommen, aber in so einem Kontext wie bei „Loveless“ und ich wäre wohl weggeblasen worden vor Begeisterung. Dennoch bin ich weiterhin gespannt, was Netflix wohl alles aus dieser Welt machen wird.

Fazit: „Solitaire“ ergänzt die „Heartstopper“-Welt definitiv wieder informativ. Die Stimmung ist sicherlich ganz anders als bei Charlie und Nick, aber dem Bild, was man von Tori in kurzen Szenen gewonnen hat, das wird in dem Buch transportiert. Insgesamt hätte ich mir dennoch einfach ein ‚mehr‘ gewünscht. Zumal eben auch der titelgebende Blog leider ein Flop in der Ausgestaltung war. Die Sprecherin war aber ein Gewinn und hat schön durch die Handlung geführt.

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Veröffentlicht am 31.01.2023

Emotionales Paket, das man tragen können muss

Orte, an denen ich geweint habe (wegen dir)
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Von Holly Bourne habe ich schon so einiges gelesen, bin mir aber bewusst, dass sie als Autorin definitiv mehr Geschmackssache als andere AutorInnen ist, denn ihr Romane sind oft sehr feministisch ausgestaltet ...

Von Holly Bourne habe ich schon so einiges gelesen, bin mir aber bewusst, dass sie als Autorin definitiv mehr Geschmackssache als andere AutorInnen ist, denn ihr Romane sind oft sehr feministisch ausgestaltet und dann gegenüber dem männlichen Geschlecht oft sehr stark pauschalisiert. Das ist natürlich mit Vorsicht zu genießen, aber ich denke auch, dass man von der Leserschaft eine gewisse Differenzierung erwarten darf. Dennoch ist Bournes neuster Streich auf dem deutschen Buchmarkt, „Orte an denen ich geweint habe (wegen dir)“, nicht ganz so verurteilend, stattdessen wird eine toxische Beziehung dargestellt und oh wow, wirklich sehr, sehr intensiv gelungen.

Bourne findet immer wieder interessante Arten und Weisen, ihre Geschichten zu erzählen. Oftmals ist bei ihr ein humoristischer Stil im Vordergrund, aber bereits der Romantitel deutet bereits an, dass es diesmal nicht der Fall ist. Die Autorin lockert das Geschehen zwar auch hier durch einen abwechslungsreichen Stil auf, aber dennoch lässt sie die Finger von Humor, außer die Protagonistin zieht sich selbst – aus Gründen – durch den Kakao. Das ist wohl auch mehr als gerechtfertigt, denn wenn so dominant eine toxische Beziehung im Vordergrund steht, dann würde es ein humoristischer Stil wohl unweigerlich auflockern und der Thematik selbst die benötigte Schärfe nehmen. Ansonsten aber setzt Bourne auf zwei Zeitebenen, die kapitelweise durch verschiedene Schriftarten dargestellt werden. Das ist eine gute Lösung, denn während Amelie in ihre Vergangenheit eintaucht, wird das Geschehen schon mal von ihren Kommentierungen unterbrochen und da ist das optische Signal durch die Schriftart wirklich sehr effektiv, um sich sofort zu orientieren. Dennoch verlangt es erstmal Zeit, um sich dort einzufinden, denn das Buch startet in der Gegenwart, wo Amelie ihre Gedächtniskarte beginnt. Sie spricht dabei ein ominöses „Du“ an, aber es braucht seine Zeit, bis man dieses „Du“ alias Reese auch wirklich kennenlernt. Aber auch wenn es erst was braucht, mochte ich die Stilistik, weil es Abwechslung gab, es gab Vorausdeutungen, so dass man sich seelisch auf Schlüsselszenen schon vorbereiten konnte und es gab so eben auch Spannung, weil man natürlich dahinter kommen wollte, wie es zu was gekommen ist.

Dennoch ist „Orte, an denen ich geweint habe (wegen dir)“ eine emotional herausfordernde Lektüre. Man weiß zwar, worauf es hinausläuft und reagiert daher auf Reese zum keinen Zeitpunkt vertrauensvoll, da kann er noch so charmant sein, aber es ist eben extrem anstrengend und manchmal auch zur Verzweiflung bringend, wenn man sieht, wie Reese mit Amelie umgeht. Aber noch viel anstrengender ist, wie Amelie das alles bewusst wahrnimmt. Zunächst in der Vergangenheit quasi ‚live‘ und dann später aber auch in der Nachbetrachtung noch einmal. Man sieht so deutlich, dass ihr reflexives Bewusstsein zu jedem Zeitpunkt intakt war und trotzdem hat sie immer an ihm festgehalten, selbst dann in der Gegenwart noch, wo sie sich in Therapie fand. Auch wenn man so als Leserschaft in einem Sog drinsteckte, der einen wohl oft gerne mal hätte aufschreien lassen, so habe ich aber auch gleichzeitig Bourne für ihren Mut gefeiert, so konsequent in Amelies Denkweise drin zu bleiben. Aus dem eigenen Bekanntenkreis kenne ich selbst Missbrauchsfälle und weiß daher, wie die betroffenen Menschen denken und es hat mir oft eine Gänsehaut bereitet, wenn ich daran dachte, wie authentisch die Autorin es abgebildet bekommen hat. Deswegen ist es auch so lobenswert, dass Amelie mit ihrer Therapie keine Wunderheilung erfährt. Auch mit einer Diagnose und der Ausformulierung ihres Verhaltens, hat sie sich dennoch weiterhin genau so verhalten und genauso ist es. Wenn man einmal in einem missbräuchlichen Verhältnis drinsteckt, dann ist es ein riesiger Kraftakt, sich daraus auch wieder zu befreien.

Fazit: Vorsicht bei „Orte, an denen ich geweint habe (wegen dir)“, wenn man selbst Opfer von Missbrauch und toxischen Beziehungen war und ist, denn Bourne schafft es mir fast schon unheimlicher Authentizität, die Denkweise eines Opfers einzufangen. Nach der Lektüre ist man definitiv erstmal ausgelaugt, aber dennoch kann ich bewundern, was Bourne hier geschaffen hat, weil es wirklich beängstigend echt ist.

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Veröffentlicht am 24.01.2023

Sexy, spannend, romantisch, aber an einer Grenze

With All My Heart
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Samantha Young ist meine erste Autorin gewesen, auf die ich im Bereich von Liebesromanen mit größerem Erotikanteil kennengelernt habe und so halte ich ihr bis heute die Treue, auch wenn ich den Eindruck ...

Samantha Young ist meine erste Autorin gewesen, auf die ich im Bereich von Liebesromanen mit größerem Erotikanteil kennengelernt habe und so halte ich ihr bis heute die Treue, auch wenn ich den Eindruck habe, dass Hype um sie inzwischen deutlicher abgeflaut ist. Aber für mich ist es echte Nostalgie, was aber nicht daran ändert, dass ich jedes neue Buch von ihr in einem natürlich subjektiven Rahmen dennoch objektiv zu bewerten versuche. So hatte Young über all die Jahre hinweg definitiv Ausreißer nach unten und nach oben und dieses Buch war irgendwo in der Mitte. Irreführend war auf jeden Fall der Klappentext und auch wenn dort das Wort ‚Rache‘ schon erwähnt worden war, ich war dennoch überrascht, dass es eher ein Romance-Thriller ist.

Zum Klappentext möchte ich ausführen, dass dieser mehr Fokus auf die Gegenwart gelegt hat, weswegen ich auch davon ausgegangen bin, dass es deutlich mehr Gegenwart als Vergangenheit ist, aber es teilt sich beinahe zur Hälfte auf. Auch wenn das das Buch in meinen Augen nicht schlechter gemacht hat, erzeugt es über den Klappentext dennoch ein komisches Gefühl, auch weil dann zu viel vorweggenommen wird. Aber wie gesagt, dass die Geschichte überhaupt so aufgeteilt wurde, das unterstütze ich, denn es hat geholfen, den Kern der Figuren einzufangen und auch die Nebenfiguren sehr gut zu verstehen, weil es eben nicht nur die Liebesgeschichte, sondern alles drum herum ist, was ebenfalls eine wichtige Bedeutung hat. Natürlich sind beide Teile von der Atmosphäre her völlig unterschiedlich. Der Vergangenheitsteil ist definitiv mehr Liebesgeschichte, auch wenn die persönlichen Geschichten natürlich schon heavy genug sind, aber positiv ist auch, dass die Zeitsprünge da nicht stören, weil es immer sofort gelingt, wieder aufzuholen, dass man dann weiß, was los ist. Der Gegenwartsteil wiederum ist dann deutlich düsterer, erwachsener und eben auch Thriller. Das hat mich dann mehr an Karen Rose erinnert und Jennifer L. Armentrout hat in diesem Genre einige Beiträge geleistet. Die lese ich dementsprechend auch gerne, weswegen mich dieser Umschwung auch nicht gestört hat, weil es spannend gestaltet wurde und weil es vor allem aus der als schüchtern eigeführten Jane eine richtige Badass gemacht hat.

Das Buch ließ sich insgesamt sehr, sehr fix lesen, weil Young für mich einfach einen sehr fließenden Stil hat. Dennoch hat es einen Aspekt gegeben, der mich immer etwas aus dem Flow rausgezogen hat und eher so Warnlichter in mir angehen ließ. Young hat schon genug Liebesgeschichten mit sehr dominanten Männern geschrieben, das ist mir nicht neu, aber umgekehrt arbeitet sie dafür auch nicht mit unterwürfigen Frauen, sondern welche, die ihren Platz im Leben genau kennen, aber eben in sexueller Hinsicht das Rollenbild mögen. Alles gut und schön also, aber ich fand, dass Jamie an einer echten Grenze manövrierte. Die Warnsignale gingen sogar schon in der Jugend an, was mich überrascht hat, denn als angedeutet wurde, dass er eher der grüblerische Wortakrobat ist, der etwas für Bücher und eigenes Schreiben übrig hat, da habe ich in mir etwas sensibler ausgemalt. Doch mit Janes körperlichem Erblühen wird Jamie regelrecht zum Stier. Ich mochte zwar den Gedanken, dass Jane durch die Liebe zu ihm mehr sie selbst geworden ist, aber dennoch hatte er stellenweise ein Verhalten, das mir zu übergriffig und dominant war. In der Gegenwart war das durch den Rache-Gedanken natürlich noch extremer und ich finde, da hat man von seiner sensiblen Seite dann endgültig nichts mehr gemerkt. Es ist wirklich eine Liebesgeschichte, die eher einer Sucht gleicht, aber den Gedanken finde ich nicht per se verwerflich, aber mit Jamie wurde es an eine gefährliche Grenze getrieben.

Was mich an dem Gegenwartsteil dann auch etwas in den Wahnsinn getrieben hat, das sind die Missverständnisse zwischen den beiden. Klar, dass das nicht sofort aus der Welt geschaffen wurde, aber sie haben mehrfach Dialoge gehabt, in denen mehr als genug angedeutet worden ist und dennoch hat nie einer von beiden die richtigen Rückschlüsse gezogen, das hat mich echt wahnsinnig gemacht. Aber ansonsten fand ich den Handlungsverlauf gut. Jane hat mir in der Gegenwart richtig gut gefallen, weil man auch, wie sie ihren Job als Art Director ausfüllt, gemerkt hat, wie sehr sie gereift ist und dass sie trotz der Abhärtung immer noch ein sensibler und loyaler Mensch geblieben ist. Das Ende ist richtig spannend und dramatisch. Oft übertreibt Young dort etwas, aber es ist auf einem passenden Level geblieben, so dass ich das Buch alles in allem zufrieden abschließen konnte.

Fazit: „With all my Heart“ ist fast schon ein Romance-Thriller angesichts des düsteren und spannenden Endes, aber das hat Young auch problemlos drauf. Alles in allem mochte ich alle Elemente, doch Protagonist Jamie war mir zu sehr an einer toxischen Grenze, was mich öfters schon mal rausgebracht hat.

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